Das Verwandtschaftsverhältnis der "schwäbischen"
Edlen Ida von Elsdorf zum Kaiserbruder Ludolf IV. von Braunschweig (+ 1038)
und zu Papst Leo IX. (+ 1054)
I. Der Bericht Alberts
von Stade (um 1240)
II. Die drei Stiefbrüder
Kaiser HEINRICHS III.
III. Namensvettern Ludolfs IV. von
Braunschweig
IV. Zur Herkunft Ludolfs IV. von Braunschweig
V. Die Familie des Papstes Leo
IX.
VI. Die friesische Grafschaft bei
Dokkum
VII. Hamelner Bonifatiusgüter bei Kirchwahlingen
VIII. Der Stader Markgraf Ekbert von Öhningen
IX. Die "sächsische" Edle Ida
von Birkendorf
I.
Das Bremer Domstift ließ sich 1145 durch König
KONRAD III. die "possessiones dominae Idae"
und 1200 durch den deutschen König
PHILIPP VON SCHWABEN die "hereditas fimine Idae"
bestätigen. Was es mit diesen Gütern der Frau
Ida auf sich hatte, erfahren wir erst um 1240 aus den Annalen des
Stader Priors Albert:
Graf Eilmar II. von Oldenburg - ein Sohn Eilmars I. und
der Richenza von Elsdorf - habe gegen den nordmärkischen Markgrafen
Udo (III.) von Stade (+ 1106) und dessen Sohn Heinrich (IV.) Ansprüche
auf das Erbe seiner Großmutter Ida (von Elsdorf) erheben
wollen, und zwar auf 300 Hufen in Twischensee (wüst bei Klein-Häuslingen),
Otersen, Hülsen, Westen und Böhme (bei Kirchwahlingen an der
Aller), in Rolfen, Schlieme und Riede (bei Thedinghausen) sowie auf Güter
in Freiersen und Frankenbostel (bei Elsdorf), die dem Kloster Heeslingen
verpfändet waren. Vom Streit um diese Güter habe ihn aber der
Stader Graf Friedrich (+ 13.4.1135) abgehalten, der um diese Zeit 1112
vor dem Königsgericht in Rahmsdorf bemüht war, aus dem Dienst
des nordmärkischen Markgrafen Rudolf I. von Stade entlassen zu werden,
aber durch den besagten Markgrafen Rudolf und durch den damaligen Sachsen-Herzog
Lothar (von Süpplingenburg)nach
Salzwedel entführt wurde, wo ihn ein kaiserliches Belagerungsheer
befreite.
Ida habe als eine aus Schwaben gebürtige
Edelfrau in Elsdorf (bei Heeslingen) gewohnt und sei eine Bruders-TochterKaiser
HEINRICHS III. (+ 1056) sowie eine Schwester-Tochter
Papst Leos IX. (+ 1054) gewesen. Markgraf Udo (II.) von Stade -
der Vater Udos (III.) und Rudolfs (I.) - habe Idas
Sohn, den Grafen
Ekbert, in Wistedt bei Elsdorf getötet, obgleich er dessen
Anverwandter war. Die dadurch ihres Leibeserben beraubte Ida
sei
nach Rom zu ihrem päpstlichen Oheim gepilgert, habe bei ihm Trost
und Zuspruch gefunden und habe, nachdem sie in die Heimat zurückgekehrt
war, ihre Stader Herrschaft diesem Markgrafen Udo (II.) auf dem Erbwege
überlassen.
Dreimal sei Ida vermählt gewesen - zuerst
mit Lippold, dem Sohn der Glismodis, dann (nacheinander)
mit den beiden in Dithmarschen gefallenen Grafen Dedo und Etheler
dem Weißen. Die aus der 1. Ehe stammende Tochter Oda
sei zunächst in "Rinthelen" (= "Rinchelen", Ringelheim?) gewesen,
aber gegen Abtretung von Steddorf (bei Elsdorf) in den weltlichen Stand
entlassen und einem "russischen König" zur Frau gegeben worden, dem
sie einen Sohn "Warteslaw" geschenkt
und nach dessen Tod sie in einer anderen Ehe in ihrer Heimat eine Tochter"Aliarina"
oder "Akarina" - nämlich die spätere Mutter des 1130 ermordeten
Grafen
Burchard von Loccum - geboren habe. Idas Sohn Burchard
sei Dompropst und erwählter Erzbischof von Trier geworden.
Er hat - wie wir anderweitig erfahren - 1075 den Gatten seiner Schwester
Oda
in
Kiew als Unterhändler Kaiser
HEINRICHS IV. besucht und entstammte wie die eingangs erwähnte
Gräfin
Richenza von Oldenburg der 3. Ehe Idas.
Der Bericht Alberts von Stade "von der Ermordung des
Sohnes der Ida durch den Markgrafen Udo von der Nordmark, von ihrer
Reise nach Rom, von dem christlichen Rate des Papstes, sie möge dem
Mörder verzeihen, und endlich von dem heroischen Entschluß,
den Mörder an Sohnes statt anzunehmen", sieht für manchen kritischen
Betrachter womöglich "sehr stark nach Erfindung oder wenigstens nach
romantischer Ausschmückung" aus und mag den Eindruck erwecken, es
sei "völlig vergebliche Mühe, auf Grund seiner Angaben die Abkunft
der Ida bestimmen zu wollen".
Man hat daher neuerdings versucht, wenigstens einen Teil
seines Inhaltes zu "retten" durch die Annahme, Ida von Elsdorf sei
zwar eine Schwester-Tochter des Papstes Leo IX., aber keine Bruders-Tochter
des Kaisers HEINRICH III., sondern
nur eine Nachkommin des mit Kaiser
OTTOS III. Schwester Mathilde
(+ 1025) vermählten rheinischen Pfalzgrafen Ezzo (+
1034) gewesen. Der seit 1045 regierende Schwaben-Herzog
Otto II. (+ 1047) entstammte der Ehe Ezzos, ebenso die mit dem
Polen-König
Mieszko II. (+ 1034) vermählte Richenza
(+ 1063), welche übrigens den gleichen Vornamen getragen
hat wie die jüngste Tochter
Idas von Elsdorf und wie die Gemahlin
des 1061 zum Herzog von Bayern erhobenen niedersächsischen Grafen
Otto von Northeim (+ 1083), und das lasse auf Verwandtschaft zwischen
den "EZZONEN" und Ida von Elsdorf
schließen. Daher gipfelt
diese genealogische Konstruktion in der Vermutung, Ida von Elsdorf
und die mit Otto von Northeim vermählte Richenza seien
Schwestern und somit womöglich Töchter des besagten ezzonischen
Herzogs Otto II. von Schwaben gewesen. Auf diese Weise lasse sich vielleicht
auch die Behauptung des französischen Chronisten Alberich von Troisfontaines
(um 1240) bestätigen, wonach der - mit einer Enkelin Ottos von
Northeim vermählte - Kaiser LOTHAR VON
SÜPPLINGENBURG
vom Geschlecht des Herzogs Otto II. von
Schwaben abstammte.
Da diese weit hergeholte genealogische Konstruktion in
den jüngsten Untersuchungen über die Grafen von Stade und die
Grafen von Northeim Anerkennung fand, obwohl ihr Urheber sie mittlerweile
wieder fallen gelassen hat, erscheint eine Klärung der Fragen um die
Herkunft Idas von Elsdorf aktuell und wünschenswert.
Hierbei wird man bei aller gebotenen Vorsicht davon ausgehen
dürfen, dass der Stader Prior Albert zwar recht spät über
die Erbangelegenheit des Grafen Eilmar II. von Oldenburg berichtet, dass
er aber im allgemeinen keine schwerwiegenden Irrtümer begangen hat.
Und da sein Bericht in jüngere Chroniken unwidersprochen aufgenommen
worden ist, sollte man ihm nicht von vornherein eine "romanhafte Ausschmückung"
oder gar eine "Erfindung" unterstellen.
II.
Die Forschung hat sich sehr bemüht, jenen der drei
Stiefbrüder
Kaiser HEINRICHS III.
festzustellen, welcher - wenn man den Bericht Alberts von Stade als zuverlässig
ansieht - der Vater Idas von Elsdorf gewesen sein mag. Der sagenberühmte
Schwaben-Herzog
Ernst II. (+ 1030) war noch zu jung und unvermählt, als er
sich letztmalig gegen seinen Stiefvater - den Kaiser
KONRAD II. - auflehnte und im Schwarzwald in einem Gefecht
durch seine Häscher getötet wurde, und sein 1030 an seiner Stelle
zum neuen Schwabenherzog ernannter Bruder Hermann
IV. (+ 1038) stand 1030 noch unter Vormundschaft des Bischofs Warmann
von Konstanz und starb nach kinderlos gebliebener Ehe. Dagegen hat der
dritte Stiefbruder Kaiser HEINRICHS III.,
Graf
Ludolf von Braunschweig (+ 1038), in einer nach 1031 geschlossenen
Ehe mit einer aus unbekanntem Geschlecht stammenden Gertrud
(+ 1077) zwei Söhne - Bruno
VII. (+ 1057) und Ekbert
I. (+ 1068) - gezeugt. Weil wir aber annehmen müssen, dass
er erst in der 2. Ehe der zuletzt mit Kaiser KONRAD
II. vermählten schwäbischen Herzogstochter Gisela
(+
1043) - also erst nach dem Tode des am 31. Mai 1015 auf einer Jagd tödlich
verunglückten Schwaben-Herzogs
Ernst I. (+ 1015) - im Jahre 1016 geboren ist, wird auch er schwerlich
als der leibliche Vater Idas von Elsdorf
und somit als der leibliche
Großvater mütterlicherseits des in Wistedt ermordeten Grafen
Ekbert gelten können.
Als Urkundenzeuge ist "Liutolfus filius Gisele
imperatricis" - wie
Graf Ludolf IV. von Braunschweig
im Weißenburger Nekrolog genannt wird - erst am 1. Juli 1028 in einer
in Magdeburg für das Kloster Corvey ausgestellten Urkunde sicher nachweisbar,
und zwar hinter den Herzögen Bernhard
(II. von Sachsen), Adalbero
(von Kärnten) und Ernst (II. von Schwaben) als "Liutulfus
comes privignus imperatoris", also als Stiefsohn des Kaisers
KONRAD II. Bischof Branthog von Halberstadt unterstellte 1031
der Magnikirche, die durch zwei "liberi homines" - nämlich
durch einen gewissen Hatheguard und dessen Gattin Atta - erbaut war, 17
Ortschaften (einschließlich Braunschweig!), und zwar geschah dies
"Liudolfo comite eius que principibus quam plurimis astanibus",
also in Gegenwart des noch unvermählten
Grafen Ludolf IV. und
mehrerer seiner Fürsten. Die angeblich noch unter dem Bischof Godehard
von Hildesheim (+ 1038) gegründete Stiftskirche (St. Petri und St.
Pauli) in der Burg Dankwarderode, an deren Stelle Heinrich
der Löwe 1172 den Neubau des Braunschweiger Doms (St. Johannis
Baptistae und St. Blasii) zu errichten begann, stammt erst aus der Witwenzeit
der 1077 in ihr begrabenen Gertrud und der Regierungszeit ihres
Sohnes
Ekbert I. Von seinem leiblichen Vater - dem vor 1018 verstorbenen,
offenbar mit Bischof Bernward von Hildesheim (+ 1022) in Feindschaft lebenden
Grafen
Bruno VI. - hatte Ludolf IV. als "frater"
Kaiser HEINRICHS III.
und als "patruus" Kaiser
HEINRICHS IV. eine auf seinen Sohn Ekbert I. weitervererbte
Grafschaft übernommen, die vom Kaiser zu Lehen ging und die dem Bischof
Azelin von Hildesheim 1051 durch Kaiser HEINRICH
III. sowie 1057 durch dessen Sohn (König
HEINRICH IV.) bestätigt wurde. Sie umfaßte im Nordthüringgau,
im Derlingau, im Ostfalengau, im Salzgau, im Gretingau und im Gau Mulbeze
(in pagis Northurinen, Darlingen, Valen, Salthga, Grethe, Mulbeze) die
Pfarrbezirke Schöningen, Watenstedt, Schöppenstedt, Lucklum,
Atzum, Groß-Stöckheim, Denstorf, Ringelheim, Beedenbostel, Hankenbüttel
und Wienhausen.
III.
Manche Forscher haben immer nicht zur Genüge erkannt,
dass dieser 1038 "immatura morte", also verhältnismäßig
jung verstorbene Stiefbruder Kaiser HEINRICHS
III. namens
Ludolf einen älteren Namensvetter hatte,
der bereits 1023 starb und von ihm in den Hildesheimer Annalen deutlich
unterschieden wird. Als Nachfolger eines Grafen Rüdeger (997) war
dieser ältere "Liudulfus comes" 1013 Komitatsinhaber im Gudingau
(Gudinge) beim Gut Ledi (wüst jenseits Gronau/Leine), welches damals
durch den "miles" Gottfried - einen Sohn des "comes" Bardo
- mit Zustimmung des Kaisers der Hildesheimer Kirche geschenkt wurde. Um
1022 gehörten zur "prefectura" dieses älteren (Grafen)
Ludolf im Nordteil des Gaues Flenithi und in den nordwestlich daran angrenzenden
Gauen Gudingau, Valathungau und Aringau (Guddingun, Valothungon, Aringon)
die Dörfer Wrisbergholzen (Holthusen), Segeste (Segusti), Petze (Pezunsun),
Sellenstedt (Scellenstide), Grafelde (Graflon, Grafla), Elzze (Aluzun,
Aluzun), Boitzum (Betzem, Bizzem), Esbeck (Asbize, Asbike), Reinlevessen
(Reinlevessun, Reinleveshem, = wüst bei Esbeck zwischen Sehlde und
Quanthof beim Gogerichtsplatz Mühlenbrink, Hossingessen (Hozingissen,
Hozingesem, = wüst vor Salzhemmendorf, Alferde (Alacfurdi, Alecfurde),
Didersen (Thiederessem, = Groß und Klein-Dierssen, wüst bei
Eldagsen am heutigen Wisentgehege, Harboldessen (Halacboldessun, Alacholdessem,
= wüst am Eldagser Obergut, Thüste (Tiuguste, Thiuguste), Söder
(Suthre, Suthere), Harlessem (Harlissem, Harlissem, = wüst bei Itzum),
Heersum (Hathericeshem, Haderichesem), Barfelde (Bereuilte, Berevelte),
Betheln (Betenun, Betenem), Wallenstedt (Wallenstide, Wallenstide), Megecingerode
(Megecinroth, Megecingeroth, = wüst bei Wallenstedt), Ahghem (Achem,
Achem) und Rheden (Rethun, Rethen).
Kurz nach den Hildesheimer Dombrand vom 21. Januar 1013
stellte Kaiser
HEINRICH II. in der Pfalz Werla (bei Schladen) eine Neufassung
der vermutlich etwa 1007 angefertigten und wohl stark beschädigten
Urkunde aus, durch welche Erzbischof Willigis von Mainz zugunsten des Bischofs
Bernward von Hildesheim seinen Ansprüchen auf das Kloster Gandersheim
entsagte [Außer in dieser Urkunde wird Graf
Dodico von Warburg (+ 29.8.1020) seit 990 mehrfach erwähnt.
Er war vielleicht jener Graf Liudolf, der zusammen mit dem im Aringau regierendden
Grafen Rüdeger vor 993 in einer Zeugenreihe genannt wird, sowie der
1006 und 1021 bezeugte Paderborner Graf Liutolf.]. In der angehängten
Zeugenreihe (aus der Zeit um 1007!) wird außer dem Herzog
Hermann III. von Schwaben, der ein leiblicher Bruder der späteren
Kaiserin
Gisela war und am 1. April 1012 als "puer" starb, unter
anderem auch ein "Liudolf comes" (vor einem "Dodico comes")
genannt. Die ältere Forschung zweifelte nicht daran, dass dieser vor
1013 als Urkundenzeuge auftretende Graf Ludolf identisch sein könnte
mit Kaiserin Giselas Sohn Ludolf
IV. von Braunschweig, und sie folgerte daraus, dass dessen Vater
Bruno
VI. schon um 1007 oder noch früher gestorben sei, also nicht der
2., sondern der erste der drei Gatten Giselas
gewesen sein müsse. Den Gedanken, dass der 1023 verstorbene (Hildesheimer)
Graf Ludolf oder ein anderer Graf dieses Namens um 1007 bei Schlichtung
des erwähnten Gandersheimer Hoheitsstreits zugegen gewesen sein mag,
hat man erst ernsthaft erwogen, nachdem im Jahre 1900 im Dom zu Speyer
in Giselas Grab ein Bleitäfelchen
gefunden wurde, dessen Inschrift beginnt: "Anno dominicae incarnationis
DCCCCXCVIIII. III. idus Novembris feliciter nata
Gisila
imperatrix..." also den 11. November 999 als den Geburtstag
der Kaiserin Gisela bezeichnet und
somit zugleich die im Bericht des sächsischen Annalisten mitgeteilte
Reihenfolge der drei Ehen Giselas bestätigt.
Bereits als 12-jähriges Mädchen wurde die aus
dem Geschlecht der Grafen von Andechs-Meran stammende heilige Hedwig (+
1243) dem Herzog Heinrich dem Bärtigen von Schlesien (+ 1238) angetraut
und sie ist im Alter von 13 Jahren und 13 Wochen zum ersten Male schwanger,
also mit etwa 14 Jahren zum ersten Male Mutter geworden. Solche Frühehen
waren im Mittelalter gang und gäbe. Daher mag auch Gisela
erst 12 Jahre alt gewesen sein, als ihr Bruder, Herzog Hermann III. 1012
starb und als der mit ihr vermählte Bamberger Markgrafensohn Ernst
I. als dessen Nachfolger Herzog von Schwaben wurde. Gisela
wird 1014 den seit 1015 unter Vormundschaft des Erzbischofs Poppo von Trier
als Herzog in Schwaben als Herzog in Schwaben regierenden Ernst II. und
1015 dessen leiblichen Bruder Hermann IV. geboren haben, und sie wird dann
1016 in einer sehr kurzen Ehe mit Bruno VI. von Braunschweig dem
Grafen
Ludolf IV. das Leben geschenkt haben, bevor sie - nach gewaltsamer
Eheschließung - dem Franken-Herzog und späteren
Kaiser KONRAD II. am 28. Oktober 1017 den späteren Kaiser
HEINRICH III. gebar. Verbesserungsvorschläge für den
Text der Bleitafelinschrift aus Giselas
Grab sind, so scharfsinnig sie auch ersonnen sein mögen, daher überflüssig
und verwirren nur.
Wir gehen in unserer Untersuchung davon aus, dass das
auf dem Bleitäfelchen überlieferte Geburtsdatum der Kaiserin
Gisela, zumindest aber die vom sächsischen Annalisten mitgeteilte
Reihenfolge der drei Ehen dieser Kaiserin richtig ist, sind also der Meinung,
dass
Graf Ludolf IV.
1028, als er in Magdeburg erstmalig als Urkundenzeuge
herangezogen wurde, erst 12 Jahre alt war und dass er 1031 als noch unvermählter,
15-jähriger Graf die Gründung und Ausstattung der Braunschweiger
Magnipfarre genehmigt und gefördert hat. Bei der Poppenburg, die 1049
"in comitatu Brunonis" in der Nähe eines Allodialgutes
des Sachsen-Herzogs Bernhard II. lag, regierte um 1022 ein gewissser "Liudolfus"
als Inhaber der dortigen "prefectura", bevor hier 1068/69 ein Graf
Friedrich (von Poppenburg?) mit seinem Sohn Konrad den Komitat in den Gauen
Valathungau, Aringau und Gudingau innehatte. Dieser "Liudolfus"
braucht nicht identisch gewesen zu sein mit jenem "Liudolfus
comes", zu dessen "prefectura" um 1022 nördlich
von Braunschweig Biscopheshun (wüst bei Meine), Wedesbüttel,
Meine, Essenrode, Wasbüttel, Algesbüttel, Vordorf, Cnipenstide,
Flexhtorf, "Mutha" im Gretingau (Müden/Aller nördlich der Okermündung)
und "Mutha" im Gau Muthiwidde (die durch Bischof Bernward zum Schutz gegen
die Slawen erbaute und auf dem Tauschwege gegen den Komitat im Ostfalengau
an Kaiser
OTTO III. abgetretene Mundberg jenseits Müden/Aller
gehört haben. Man beachte hierzu, dass im Güterverzeichnis anscheinend
die vom Bischof belehnten Komitatsinhaber - im Gegensatz zu den vom Kaiser
belehnten - nicht als "Comites" bezeichnet werden und dass die beiden
Präfekturinhaber namens "Tammo" nicht identisch gewesen zu sein brauchen.
Es ergibt sich also die Möglichkeit, dass der besagte "Liudolfus
comes" bei Braunschweig ein anderer war als der in den Gauen Flenithi,
Gudingau, Valathungau und Aringau bei der Poppenburg regierende "Liudolfus",
den wir 1013 als Komitatsinhaber im Gudingau bei Ledi nachweisen können
und der mit dem 1023 verstorbenen Grafen Ludolf identisch gewesen sein
wird. Infolgedessen kann um 1022 Graf Ludolf IV. von Braunschweig
als sechsjähriger Knabe bereits ähnlich wie seine Stiefbrüder
Ernst II. und Hermann IV. unter Vormundschaft regiert haben. OTTO
II. wurde ja auch schon als Sechsjähriger 961 zum König
und als Zwölfjähriger 967 zum Kaiser gekrönt.
IV.
Kaiser OTTO III. schenkte
997 demn Stift Essen sein Eigengut Brüggen im Aringau im Komitat "Rodegeri
comitis" nebst Zubehör in Hemmendorf. Ledi und Banteln im Gudingau,
und sein Nachfolger HEINRICH II. bestätigte
am 23. Februar 1003 in Nimwegen diesen Besitz im Beisein folgender Zeugen:
"Bruno comes, aduocatus Ascericus, Bruno, villicus Frethebernus, Bezelinus,
Eueruuinus, Ludolfus, Hezel, Volkhardus, viri nobilis". Der hier genante
Edle Ludolf wird mit dem 1013 bei Ledi regierenden "Liudolf comes"
gleichzusetzen sein. Vielleicht war "Bruno
comes" jener "nepos" OTTOS
II. namens Bruno, der 976 den Zoll zu Passau für
sein Eigengut hielt, und jener als "Markgraf" im Oker- und Allertal
von Wolfenbüttel und Wolfsburg bis zur Weser regierende "Strytfürst"
OTTOS III., der - gemäß
einer Halberstädter Weltchronik von 1483/1507 - 986 die Burg Hoghewort
(bei Melverode), die Severlingborch (= Walle an der Schunter) und "dat
Slot to Zelle" (= Altencelle, Hof Wallheinecke Nr. 16) erbaut und als Gatte
der "Hedesovvida" (Hildesvit) von Mantua (aus Kroatien) einen seit 999
mit "Gisela von Werle" vermählten,
nach 13-jähriger Regierungszeit verstorbenen und in Ringelheim begrabenen
gleichnamigen Sohn Bruno ("den Dicken") hinterlassen haben soll .
Da auch anderweitig bezeugt wird, dass 1002 beim Tode
OTTOS
III. ein durch enge Blutsverwandtschaft mit den OTTONEN
thronberechtigter Bruno
lebte,
der wegen zu geringer Anhängerschaft auf eine Kandidatur bei der Königswahl
zugunsten HEINRICHS II. verzichtete,
aber - zusammen mit dem "jungen Altmann" (von Ölsburg?) - um so erbitterter
gegen den Bischof Bernward von Hildesheim - einen Freund des Thronbewerbers
Ekkehard I. von Meißen - gekämpft hat, werden wir mit der Möglichkeit
rechnen dürfen, dass in der Urkunde vom 23. Februar 1003 Bruno
V. von Braunschweig und sein Sohn Bruno VI. (der spätere
Gatte Giselas von Schwaben) als - neben
HEINRICH
II. - (durch direkte Abstammung vom Sachsen-Herzog
Liudolf?) allernächste Verwandte
OTTOS III. den Königsschutz, den Besitz, das Wahlrecht
und die Immunität des Stiftes Essen mit verbürgt haben.
Große Hoffnungen, zum Nachfolger des Kaisers
OTTO III. gewählt zu werden, machte sich 1002 - besonders,
seitdem Markgraf Ekkehard I. von Meißen in Pöhlde ermordet worden
war -, der Schwaben-Herzog Hermann II. (+ 1003), dessen Tochter, wie gesagt,
später als Gattin Brunos VI. die Mutter Ludolfs IV. von
Braunschweig geworden ist. Hermanns II. Gattin Gerberga
und Gisela
von Burgund - die Mutter des als Gegenkandidat auftretenden und
schließlich zum König (HEINRICH II.)
gewählten
Bayern-Herzog Heinrich
- waren (als leibliche Töchter des Königs
Konrad von Burgund aus zwei verschiedenen Ehen) Stiefschwestern.
Ebenso war Gerberga eine Stiefschwester
der Kaiserin
Adelheid (+ 999). [Persönlicher Einwurf: Kaiserin
Adelheid war die Tante der Gerberga
und nicht deren Stiefschwester!]
Gerberga war um 985 in 1. Ehe mit einem Grafen
von Werl vermählt, dessen Name (Bernhard oder Hermann) nicht mehr
sicher ermittelt werden kann, wohl der 980 bezeugte westfälische Graf
Bernhard Gerbergas 1. Gatte gewesen
sein, der 978 bezeugte westfälische Graf Hermann, welcher übrigens
vielleicht identisch war mit dem 985 bei Herzog
Heinrich dem Zänker von Bayern als Friedensvermittler
auftretenden Grafen Hermann, ist dagegen unter Umständen jener Graf
Hermann gewesen, der 995 mit mehreren anderen bei "Maraholt" (Lage unbestimmt)
im Kampf gefallen ist.
Gerberga wurde um
990 die Gattin des seit 997 regierenden Schwaben-Herzogs Hermann II. Ihm
gebar sie "genug Töchter", darunter die bereits 1003 vermählte
Mathilde,
deren Sohn Kono
gegen den späteren
Kaiser KONRAD II. 1024
als Thronbewerber auftrat, sowie die spätere
Kaiserin
Gisela (die Gattin KONRADS II.)
- und einen gleichnamigen Sohn (Hermann III.) sowie 992 den bereits 993
verstorbenen Bertold oder Bertolf.
Als "comitissa" schenkte Gerberga
zusammen mit ihrem Sohn Hermann (von Werl) 997 dem Stift Meschede ein Gut
im Lochtruogau, und sie gründete drei Jahre später zusammen mit
diesem Sohn Hermann, der aus ihrer 1. Ehe stammte, das Kloster Ödingen.
Dieser Graf Hermann von Werl kämpfte gegen den Erzbischof Heribert
von Köln, welcher von 995 bis 999 Kaiser
OTTOS III. Kanzler gewesen war. Heribert hatte Hermanns Mutter
Gerberga für längere Zeit
in Haft gehalten - wann und warum, wissen wir nicht. Hermanns Söhne,
namentlich (Graf) Heinrich von Werl, beteiligten sich schon zu Lebzeiten
des Bischofs Thietmar von Merseburg (+ 1018) an Aufständen gegen den
Bischof Dietrich von Münster. Bei dieser Gelegenheit werden Hermann
von Werl bzw. seine Söhne als "consobrini imperatoris", also
als Vettern
Kaiser HEINRICHS II. bezeichnet.
Diese interessante Verwandtschaftsangabe sollte man sich eng ausdeuten.
Kaiserin Gisela war
also wirklich eine Schwester der Grafen von Werl, allerdings nur eine Stiefschwester
der Grafen Rudolf und Bernhard und des (vom sächsischen Annalisten
nicht erwähnten) älteren Grafen Hermann von Werl (997-1024).
Mit dieser Einschränkung kann man den Bericht des sächsischen
Annalisten als über die Herkunft Giselas
aus
"Werl in Westfalen" als zuverlässig ansehen. Rudolfs Sohn Hermann
(der Jüngere) von Werl wird übrigens vermutlich 1015 (oder 1024)
erstmalig genannt und war mit jener aus unbekanntem Geschlecht stammenden
Richenza verheiratet, die ihm die später mit Udo II. von Stade vermählte
Oda von Werl gebar und in 2. Ehe die Gattin des 1061 zum Herzog von
Bayern erhobenen Grafen
Otto von Northeim geworden ist.
An eine blutmäßige Abstammung der Ida von
Elsdorf von der schwäbischen Herzogstochter und späteren
Kaiserin Gisela können wir somit
wohl nicht denken. Vielleicht war Ida aber eine leibliche Tochter
jener Gertrud
(+ 1077), die bald nach 1031 den Grafen Ludolf IV. von Braunschweig
zum Manne nahm und seitdem wohl oft in Schwaben am Herzogshofe geweilt
haben wird.
V.
Wir stehen somit vor der Frage, ob die Mutter der Ida
von Elsdorf erst in 2. Ehe mit dem Grafen Ludolf IV. von Braunschweig
- also mit dem jüngsten der drei Stiefbrüder des Kaisers
HEINRICH III. - vermählt gewesen sein mag und ob somit
Ludolfs IV. Gattin Gertrud (+ 1077) schon um 1020 eine Tochter
geboren haben kann.
Bei der Beantwortung dieser Frage müssen wir stets
berücksichtigen, dass Idas
Mutter - gemäß dem Bericht
Alberts von Stade - eine Schwester (oder Stiefschwester) des Papstes
Leo IX. gewesen ist. Dieser Papst wurde am 21. Juni 1002 im Elsaß
unter dem Namen Bruno als Sohn des Grafen Hugo von Egisheim und
der Heilwigis geboren, regierte seit 1026 als Bischof von Toul und
nahm den Namen Leo an, als er 1049 zum Papst gewählt wurde.
Seine beiden Brüder Gerhard und Hugo setzten das Geschlecht fort .
Ludolf IV. von Braunschweig und seine Gattin Gertrud,
die demnach eine Tochter (oder Stieftochter!) des 999 und 1006 nachweisbaren
Grafen Hugo von Egisheim gewesen sein müßte, gaben ihren
beiden Söhnen die Vornamen Bruno und Ekbert (I.), von
denen der erstere von Ludolfs IV. leiblichem Vater Bruno VI.
von Braunschweig herrührt, und ihr Enkel Ekbert II. von Braunschweig
(+ 1090) erhielt wiederum denselben Vornamen wie Idas Sohn Ekbert
von Elsdorf (+ um 1052). Das wird kein Zufall gewesen sein, sondern
läßt vermuten, dass Ida von Elsdorf wirklich eine Schwester
(oder Stiefschwester)
Brunos VII. (+ 1057) und Ekberts I. von
Braunschweig (+ 1068) gewesen ist. Da der Vorname Ekbert bei
den Vorfahren Ludolfs IV. von Braunschweig
nicht nachweisbar ist
und auch nicht im uns bekannten Vornamengut der Grafen von Egisheim vorkommt,
liegt der Gedanke nahe, dass
Ludolfs
Gattin
Gertrud
die leibliche
Tochter irgendeines Grafen Ekbert unbekannter Herkunft und der Mutter des
Papstes Leo IX. gewesen ist und dass auf diese Weise der Vorname
Ekbert auf ihre Nachkommen vererbt worden sein mag. Gertrud kann
unter diesen Voraussetzungen schon vor 1002 geboren sein, wie wir dies
für die Mutter Idas von Elsdorf wohl voraussetzen müssen.
Sie kann somit schon um 1020 die Mutter
Idas von Elsdorf geworden
sein, mag bald nach 1031 dem Grafen Ludolf IV. von Braunschweig die
Söhne Bruno VII. und Ekbert I. geboren haben und wäre
als verwitwete Gräfin von Braunschweig etwa im 80. Lebensjahre gestorben.
Möglicherweise war sie jene Gertrud, die
als Tochter eines Grafen Ekbert 1018 in Goslar von Gottschalk, dem Sohn
des Grafen bzw. Befehlshabers Ekkehard (von Asseln?) geschieden wurde.
Auf diese Weise könnte Ida von Elsdorf einer geschiedenen Ehe
entsprossen sein und dadurch mancherlei Ungemach erlitten haben wie Kaiser
OTTOS I. Stiefbruder Thankmar.
VI.
Suchen wir genauer nach jenem Grafen Ekbert, der gemäß
diesen Überlegungen der Vater der Mutter Idas von Elsdorf gewesen
sein mag, so können wir nicht unbeachtet lassen, dass alle Söhne
und Enkelkinder Ludolfs IV. von Braunschweig und der Gertrud
bei Dokkum in Friesland Grafenrechte innegehabt haben:
Während Kaiser KONRAD II.
(+ 1039) noch Münzen mit dem Namen + CONRAD
IMPE(RATOR)
und
mit der Aufschrift + FRESONIA prägen ließ, also noch selbst
in Friesland das zu den "Regalien" (Königsrechten) gehörende
Münzrecht innegehabt hat, sind unter seinem Sohn HEINRICH
III. (+ 1056) Münzen mit dem Namen HENRICUS
REX bzw. HENRICUS IM(PERATOR) und
dem zusätzlichen Namen BRUN (= Bruno VII. von Braunschweig!)
in folgenden Münzstätten geprägt worden: Doccugga (Dokkum),
Liunvert (Leeuwarden), Staveron (Stavern), Bodtiswer (Bolsward), Mildnum
(Midlum), Dekuuert bzw. Tiakuart (wüst), Geroieuulae (Garrelswer)
und Ciunder (Kiunder), und unter
HEINRICH IV.
wurden
eine Münze in Selhorn (Lage unbestimmt) ohne den Königsnamen
mit den Namen BRUN und ECBERTUS (= Ekbert I. von Braunschweig!)
und weitere Münzen mit dem Namen ECBERTUS (= Ekbert I. bzw.
Ekbert II. von Braunschweig!) in Dokkum, Leeuwarden, Stavern, Bolsward
und Mdinisim (Midlum? Winsum?) geprägt. Diese friesischen Münzprägungen
der Grafen Bruno VII.,
Ekbert I. und Ekbert II. von Braunschweig
stammen aus der Zeit nach der Vertreibung des Herzogs Gottfried von Nieder-Lothringen,
der sich - ebenso wie der flandrische
Graf Dietrich - vorübergehend in Friesland festgesetzt hatte
und durch ein Reichsheer gefangengenommen war. Adam von Bremen berichtet,
dass Erzbischof Adalbert von Bremen die ehemals von Herzog Gottfried innegehabten
Hoheitsrechte des Grafen Ekbert (von Braunschweig) im friesischen
Fivelgau und jene des Grafen Bernhard (von Werl) im friesischen Emsgau
aufgekauft habe. Ekberts I. Sohn
Ekbert II. war bis 1088
Grafschaftsinhaber in Friesland, verfiel dann der Reichsacht und verlor
1089 seine friesischen Komitate an die Kirche zu Utrecht. Seine Erbschwester
Gertrud
(+ 1117) - die Urgroßmutter Heinrichs
des Löwen - aber veranlaßte 1099 den Kaiser
HEINRICH IV., diese Komitate ihrem Gemahl, dem Grafen Heinrich
dem Fetten von Northeim, zu übertragen. Das nahm kein gutes Ende;
denn als sich dieser Sohn Ottos
von Northeim 1101 in Friesland huldigen lassen wollte, fiel er
bei Norden einem Aufstand zum Opfer und wurde ermordet.
Bemerkenswerterweise wird auch Akarinas
Sohn Burchard von Loccum (+ 1130), also der Sohn einer Enkelin Idas
von Elsdorf, als "comes Fresonum" bezeichnet. Das ist ein starke
Stütze für die Glaubwürdigkeit des Berichts Alberts von
Stade und läßt vermuten, dass Ida von Elsdorf sowie die
Brüder Bruno VII.
und
Ekbert I. von Braunschweig leibliche
Kinder einer friesischen oder in Friesland erbberechtigten Grafentochter
waren.
Bei Dokkum hat bekanntlich 754 der heilige Bonifatius
den Märtyrertod gefunden. Es regierte dort zur Zeit des Normannen-Herzogs
Gottfried (um 885) ein Graf Gardolf, und später finden wir dort einen
921 bezeugten Grafen Reginbert, der dem Kloster Fulda einige Güter
stiftete, sowie dessen 946 bezeugten Sohn Gerbert.
Friesland war auch die Heimat der aus dänischem
und friesischen Geschlecht stammenden Reinhildis, welche als Gattin
des aus Wittekinds Geschlecht stammenden westfälischen Grafen Theoderich
die Mutter der seit 909 mit dem Sachsen-Herzog und späteren
deutschen
König
HEINRICH
I.
vermählten
Mathilde
(+ 968) und somit die Großmutter mütterlicherseits
des Kaisers OTTO I. gewesen ist. Mathilde
schenkte
als Königin-Witwe dem Kloster Pöhlde Güter in Tennard und
Kolumerhorn, und OTTO I. stiftete mit
seiner Gattin
Adelheid von Burgund (+ 999)
und
seinem gleichnamigen "Mitkaiser" (OTTO II.)
966 in Nimwegen dem Kölner Pantaleonskloster die holländische
Insel "Urch" und die Hälfte des ihr gegenüber (bei Dokkum) befindlichen
Gebietes, welches "anscheinend" ehemals dem Grafen Gardolf übertragen
war und nun "in der Grafschaft des Grafen Ekbert" lag.
VII.
Auffallenderweise trug der 966 regierende friesische Graf
den gleichen Vornamen wie jener Graf Ekbert, der zusammen mit den Grafen
Reidhard und Hermann 889 zur Zeit des Königs
ARNULF (VON KÄRNTEN) im Wethigau (Huueutago) Komitatsinhaber
in den Ortschaften Piringisamarca Schidara, Ad(i)kenhusun und Muchohusun
war und den der König ARNULF 892
mit insgesamt 66 Hufen "in Uvange" (wüst unter dem Klüt jenseits
des Bonifatiusstifts Hameln an der Weser) "et Uisbecchae" (Fischbeck/Weser)
im Gau Thilithi (Tilgidae, Tilithi), "in Chirihdorf seu in Steteheim" (Kirchdirf
am Deister unterhalb der vermutlich karolingischen Heisterburg) im Marstengau
(Marstein, Marstheim), "in Uuersteti" (Wrestedt bei Ülzen) im Bardengau
(Barthunga, Bardanga) und "in Alaringi" (Kirchwahlingen an der Aller unterhalb
der Leinemündung) im Loingau (Lohinga, Lainga) belehnt hat. Dieser
Hamelner Graf Ekbert gilt als Nachkommme der heiligen Ida (+ 838) und des
mit ihr vermählten westfälischen Grafen und Herzogs Ekbert und
war gewiß ein Vorfahre der beiden vor 955 verstorbenen Brüder
Richard und Aelfdehc, deren Vater Ricperht gleichfalls vor 955 gestorben
ist und deren Mutter Helmburhc 955 das Stift Fischbeck gegründet hat.
Diese Beobachtungen gewinnen für unsere Untersuchungen
dadurch an Bedeutung, dass das Hamelner Bonifatius-Stift von altersher
im Bereich der eingangs erwähnten Erbgüter Idas von Elsdorf
den "Zins auf der Heide" von etwa 44 Hufen Landes in "Walige" (Kirchwahlingen),
"Oldenwalige" (Altenwahlingen), "Bordeslo" (Bosse); "Elten" (Eilte), "Hulsinge"
(Hülsen), "Huslom" (Groß- und Klein-Häuslingen, früher
urkundlich Groten- und Lütgen-Huslem), "Ellestorpe in parrochia Botzem"
(Eilstorf bei Kirchboizen) und "Yddesingen" (Idsingen bei Walsrode) besessen
und dem jeweiligen Inhaber des Hamelner Schultheißenhofes (des jetzigen
Redenhofes) zu Lehen gegeben hat. Man kann also vermuten, dass Ida von
Elsdorf ihre Güter in Twischensee, Otersen, Hülsen, Westen
und Böhme vom Hamelner Grafen Ekbert (889/892) und somit womöglich
gar vom westfälischen Grafen und Herzog Ekbert, der um 810 fränkischer
Befehlshaber in Holstein gewesen ist und mit der heiligen Ida (+ 838) vermählt
war, durch unmittelabre Abstammung oder auf irgendeinem anderen Wege durch
Erbschaft erworben hatte. Außerdem mag der bei Dokkum - also bei
der Stätte des Martyriums des heiligen Bonifatius - 966 als Graf regierende
Ekbert zu den unmittelbaren Vorfahren der Ida von Elsdorf gehört
haben, und er selbst oder ein gleichnamiger Sohn mag durch OTTO
III. zum Markgrafen bei Stade für die gesamte west-, ost-
und nordfriesische Nordseeküste erhoben sein, nachdem 994 die Askomannnen
die Grafschaft Stade überfallen und verwüstet hatten.
Der aus Ballenstedt am Harz stammende Albrecht
der Bär (+ 1170) wurde nach einer Burg, die er 1129 dem eingangs
erwähnten Stader Markgrafengeschlecht im Kampf abgenommen hatte, 1134
"marchio de Hiltagesburg" genannt und wird in Helmholds Sachsenchronik
zweimal als "marchio de Salzwedel" bezeichnet, führt aber in
nicht weniger als sechs Königsurkunden den Titel "marchio de Stade".
Dieser Titel muß sich also im Laufe des 11. und 12. Jahrhunderts
fest eingebürgert haben.
VIII.
Eine im 12. Jahrhundert interpolierte Urkunde Kaiser
OTTOS I., die als Ausstellungsort Chur, als Ausstellungsdatum
den 26. Januar 965 nennt und die inhaltlich unverdächtig ist, berichtet,
dass ein gewisser Graf
Kuno von Öhningen mit seiner Gattin Richlint
und seinen vier Söhnen Ekbert, Lippold, Kuno und Leuthold das Stift
Öhningen (am Rheinausfluß des Bodensees) gegründet habe.
Dieselben Güter wie in dieser Urkunde sind auch in der STAUFER-Zeit
fast alle als Besitzungen des Stiftes Öhningen nachweisbar.
Aus der STAUFER-zeitlichen
Historia Welforum erfahren wir über diesen Grafen und seine Familie
bei Erläuterung der Verwandtschaft des WELFEN
Rudolf
II.:
"Rudolf, der Bruder der oben Erwähnten, bekam
eine Frau namens Ida
von Öhningen, deren Vater Kuno ein hochadliger Graf,
deren Mutter aber eine Tochter Kaiser OTTOS DES
GROSSEN namens Richlint
war. Dieser Kuno zeugte jedoch vier Söhne - Ekbert, Leuthold,
Kuno, Lippold - von denen der erstere, nämlich Ekbert, jene Mark empfing,
die an den Grenzen Sachsens gegen die Dänen liegt und Stade heißt,
und Söhne und Töchter, die in verschiedene Gegenden verstreut
wurden, gezeugt hat. Es hatte derselbe Kuno aber auch vier Töchter,
von denen eine jenem Rudolf, die andere jemandem von Rheinfelden
- einem Vorfahren der ZÄHRINGER -, die dritte einem König von
Rügen, die vierte einem Grafen von Diessen angetraut wurde. Besagter
Rudolf zeugte aus seiner Ehe mit Ida zwei Söhne - Heinrich
und Welf
- und eine Tochter namens Richgarda."
Und aus der gleichaltrigen Genealogia Welforum entnehmen
wir:
"Rudolf bekam eine Frau namens Ida von Öhningen,
deren Vater Kuno ein hochadliger Graf, deren Mutter aber eine Tochter
Kaiser OTTOS DES GROSSEN war. Dieser
Kuno aber zeugte vier Söhne - den Markgrafen Ekbert von Stade,
Lippold, Leuthold, Kuno - und vier Töchter, von denen eine jenem Rudolf,
die andere jemandem von Rheinfelden - einem Vorfahren der ZÄHRINGER
-, die dritte einem König von Rügen, die vierte einem Grafen
von Andechs angetraut ist. Rudolf zeugte aus seiner Ehe mit Ida
den Heinrich, der bei Lana auf der Jagd von einem Felsstück
durchbohrt, verschied, und den ersten des Namens Welf."
Der in der Historia Welforum und der Genealogia Welforum
als "Markgraf von Stade" bezeichnete Öhninger Grafensohn Ekbert, welcher
mehrere Kinder in verschiedenen Gebieten hinterlassen hat, wurde von der
Forschung bereits mehrfach unter die vermutbaren Vorfahren der "aus Schwaben
gebürtigen" Edelfrau Ida von Elsdorf eingereiht. Allerdings
ist die Zuverlässigkeit der Nachrichten über den Grafen Kuno
von Öhningen und dessen acht Kinder noch keineswegs sicher verbürgt.
Schwerlich war Kunos Gattin Richlint
eine Tochter des Kaisers OTTO I., weil
davon weder in der gefälschten Öhninger Stiftungsurkunde noch
in den echten zeitgenössischen Quellen die Rede ist, sie wird auch
keine Enkeltochter dieses Kaisers - aus der Ehe des ältesten Kaisersohnes
Dudo = Ludolf
(+ 957) und der schwäbischen
Herzogstochter Ida (+ 986) - gewesen sein, da sie dann frühestens
948 geboren wäre und somit im Alter von 16 Jahren 965 bereits Mutter
von vier Söhnen (und wohl schon etwa ebenso vielen Töchtern)
gewesen sein müßte.
Trotzdem mag etwas Wahres an der Nachricht, Richlint
sei eine "Tochter
Kaiser OTTOS DES GROSSEN"
gewesen, verborgen sein. Im Jahre 950 kämpfte nämlich in Worms
in einem gerichtlichen Zweikampf der Sohn eines Grafen Gerhard namens Kuno
um die Ehre einer "neptis" OTTOS I. gegen
einen sächsischen Grafen, dem er ein unerlaubtes Verhältnis zu
ihr nachgesagt hatte. Und da in Schwaben im Ufgau bei Baden-Baden 940 ein
Graf Gerhard, später seit 946 ein Graf Kuno und seit 981 der Sohn
eines Grafen Kuno, welcher wiederum Kuno hieß, als Komitatsinhaber
nachweisbar sind, hat man mit Recht erwogen, ob jener in Worms 950 kämpfende
Graf Kuno mit dem schwäbischen Grafen Kuno von Öhningen
identisch gewesen sein mag und ob des letzteren Gattin Richlint
somit vielleicht nur ein Base oder Nichte OTTOS
I. war .
Wir wollen hier noch einen Schritt weitergehen und die
Frage zur Erörterung stellen, ob der "Markgraf Ekbert von Stade" ein
Stiefsohn Kunos (des Älteren) von Öhningen aus einer unerlaubten
Verbindung der Richlint mit jenem sächsischen
Grafen gewesen sein kann, also um 950 geboren ist und somit unter Umständen
mit dem 966 bezeugten friesischen Grafen Ekbert identisch war. Hierbei
ist zu beachten, dass offenbar nur er - nicht aber eines seiner sieben
Geschwister - die Mark Stade erhalten hat.
IX.
Kaiser
HEINRICH V. bestätigte 1125, dass einst der Schwaben-Herzog
Rudolf (von Rheinfelden), Graf Otto (von Dießen-Andechs?)
und dessen Sohn Graf Friedrich, der sächsischen Graf Ekbert
(von Braunschweig), "Ita de Saxonia et de Birctorf", (Edelherr)
Toto von Wagenhausen und Vogt Hezelo von Reichenau ihren gemeinsamen Besitz
am Gut zu Schluchsee (m Schwarzwald) dem Kloster St. Blasien (im Schwarzwald)
geschenkt haben.
Dass dies Gut aus dem Erbe der schwäbischen Grafen
von Öhningen stammte, ergibt sich daraus, dass RUDOLF
VON RHEINFELDEN gemäß der Historia Welforum und der
Genealogia Welforum von einer Schwester des Stader Markgrafen Ekbert abstammte,
und daraus, dass Wagenhausen unmittelbar bei Öhningen liegt. Bemerkenswert
ist, dass auch Graf Ekbert I. von Braunschweig bzw. dessen Sohn
Ekbert II. zu dieser Öhninger Erbengemeinschaft gehörte.
Daher hat man schon seit langem mit gutem Grund vermutet, dass die in der
Bestätigungsurkunde hinter diesem sächsischen Grafen Ekbert
genannte "sächsische Edelfrau Ida von Birkendorf
identisch war mit der von Albert von Stade erwähnten "schwäbischen"
Edelfrau Ida von Elsdorf, zumal die Güterübertragung vermutlich
erst um 1075 erfolgt ist , als letztere ihre Herrschaftsrechte bei Elsdorf
bereits dem Markgrafen Udo II. (von Stade) übertragen hatte. Im Jahre
1085 stiftete Ida von Birkendorf der cella St. Fides in Grafenhausen
ein Gut in Birkendorf und der Kirche zu Birkendorf ein Gut in Mettingen.
RUDOLF VON RHEINFELDEN
war mit Kaiser HEINRICH IV. Schwester
Adelheid
(Richtig: Mathilde)
vermählt. Im Gegensatz zu Otto von Northeim, der durch ein Ränkespiel
bei Kaiser HEINRICH IV. in Ungnade
gefallen war und sich daher nach langem Zögern zum offenen Aufruhr
genötigt sah, verfocht RUDOLF zunächst
weiterhin die Sache seines kaiserlichen Schwagers und geriet als Anführer
eines kaiserlichen Heeres 1075 in der mörderischen Schlacht beim Kloster
Homburg (an der Unstrut) sogar in einen gefährlichen Zweikampf mit
dem nordmärkischen Markgrafen Udo II. von Stade, der wie gesagt, gemäß
dem Bericht Alberts von Stade den Grafen Ekbert von Elsdorf in Wistedt
ermordet, aber trotzdem dessen Mutter
Ida von Elsdorf beerbt hatte.
Erst während der Canossareise des durch Papst
Gregor VII. exkommunizierten
Kaisers HEINRICH
IV. ließ sich RUDOLF
am
26. März 1077 zum Gegen-König wählen. Seine Erbtochter Agnes
von Rheinfelden vermählte sich 1079 mit dem zum neuen Schwaben-Herzog
erhobenen Grafen Berthold II. von Zähringen (+ 1111).
Für unsere Untersuchung ist besonders wichtig, dass
Udo II. von Stade ausdrücklich als "consobrinus" und zwar als
Sohn einer "amita"
RUDOLFS VON RHEINFELDEN
bezeichnet wird. RUDOLFS Vater (Kuno)
war demnach ein Bruder der Mutter Udos II. von Stade, und es ergibt sich
auf diese Weise, dass Udo II. von Stade und Ida von Elsdorf (und
Birkenfeld!)
durch gemeinsame Abstammung von dem Grafen Kuno
(dem Älteren) von Öhningen bzw. seiner Gattin
Richlint etwa im 2. Grade (germanischer Zählung) miteinander
verwandt gewesen sind. Damit bestätigt sich zugleich die Angabe der
Stader Annalen, dass Idas Sohn Ekbert
ein "cognatus"
Udos II. von Stade war.
Es sei noch erwähnt, dass Ekbert II. von Braunschweig,
der - wie seit 1067 sein Vater Ekbert I. - als Markgraf in Meißen
regiert hat, sich zwar 1073 am Aufstand Ottos von Northeim gegen den Kaiser
beteiligte, in der Schlacht bei Homburg 1075 aber den Kampf des von RUDOLF
VON RHEINFELDEN geführten kaiserlichen Heeres unterstützte.
Man wird daher annehmen dürfen, dass die Stiftung des Gutes in Schluchsee
zur Zeit der Feindschaft zwischen RUDOLF
VON RHEINFELDEN und Udo II. von Stade einerseits und der Waffenbrüderschaft
zwischen RUDOLF VON RHEINFELDEN und
Ekbert II. von Braunschweig andrerseits erfolgt ist. Damals lebte
noch Ekberts II. Großmutter Gertrud
als Witwe in Braunschweig.
Sie mag diese Stiftung veranlaßt oder zumindest befürwortet
haben. Als sie am 21. Juli 1077 starb, war RUDOLF
VON RHEINFELDEN bereits einige Monate Gegen-König.
Somit rundet sich das Bild, und wir dürfen abschließend
sagen, dass der Behauptung Alberts von Stade, Ida von Elsdorf sei
"eine aus Schwaben gebürtige Bruderstochter des Kaisers
HEINRICH III. sowie eine Schwester-Tochter des Papstes Leo
IX." gewesen, deren Sohn Ekbert in Wistedt durch seinen Anverwandten
Udo von Stade getötet sei, keine Bedenken gegenüberstehen. Es
ist nämlich in unser Ermessen gestellt,
Ida von Elsdorf für
eine Stieftochter des Kaiser-(Stief)bruders
Ludolf IV. von Braunschweig
und
für eine Stiefschwestern-Tochter des besagten Papstes zu halten und
anzunehmen, dass
Ida von Elsdorf nach ihrer Romreise in das schwäbische
Schwarzwalddorf Birkendorf übergesiedelt ist, welches zu den Erbgütern
der Grafen von Öhningen gehört haben wird.