COUNCIL, KINGS
Lexikon des Mittelalters:
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Council, King's
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[1] Die Anfänge:
Hinweise auf eine Institution, die Council, King's
genannt wurde, finden sich in England
seit dem frühen 13. Jh. häufiger in den Quellen.
Der Council, King's
bezeichnete zunächst einerseits die Gruppe der Beamten und
sonstige Personen in der Umgebung des Königs, die dieser jeden Tag
zur Beratung (consilium) und
zur Hilfe (assensus) bei
Regierungsfragen heranzog, und andererseits auch die gelegentlichen
Versammlungen von Leuten mit bedeutendem Rang im Königreich, die
aufgefordert wurden, Rat und Zustimmung bei wichtigen Angelegenheiten
zu erteilen. Beide Formen müssen schon lange vor dem 13. Jh.
existiert haben (curia regis),
aber nur die frühen Versammlungen der angelsächsischen Zeit
sind gut belegt; im späten angelsächsischen England wurden
sie witenagemots genannt.
Die Einholung des Rats von Großen hatte dann im
anglonormannischen England eine starke Tradition (Baron, Abschnitt III). 1215 bestätigte
zum Beispiel die Magna Carta, daß die
Abgaben nur »per commune
consilium« auferlegt werden sollten und legte fest, nach
welchen Modalitäten eine solche zustimmende Versammlung einberufen
werden sollte. Im 13. und frühen 14. Jh. wurden diese
Versammlungen, die mehrmals im Jahr stattfanden, mit den
verschiedensten Namen bezeichnet (zum Beispiel parliamentum, consilium und tractatus). Parliament
erschien als Bezeichnung für den bedeutendsten und üblichsten
Versammlungstyp, aber auch andere Versammlungen unter anderen
Bezeichnungen wurden weiterhin einberufen. In den dreißiger und
vierziger Jahren des 14. Jh. wurden diese Versammlungen am
häufigsten »Council«,
seit den fünfziger Jahren des 14. Jh. Great Council genannt.
Gewöhnlich wurde jedoch mit dem Terminus »Council« die oben
erwähnte kleinere Gruppierung bezeichnet, die zunächst ein
vorwiegend beratendes Gremium war, sich bald aber auch zu einer
mächtigen und bedeutenden exekutiven Institution entwickelte.
Diese Versammlung wurde oft mit den Adjektiven »privatum« und »secretum« bezeichnet, selbst
in den Akten, vor allen Dingen aber, bevor der Begriff »Great Council, King's«
eine spezielle Bezeichnung für die (große) Versammlung
wurde. Es tagte jedoch stets nur ein Council, King's,
der verschiedene Tagungsformen haben konnte. So gab es zum Beispiel ein
Treffen der Ratsmitglieder am Hof mit dem König oder ein Treffen
(gewöhnlich ohne den König) in Westminster, dem Hauptsitz der
Verwaltung. Der Kreis der Teilnehmer dürfte sich weitgehend nach
den anstehenden Aufgaben oder den jeweiligen Umständen gerichtet
haben.
Hinweise auf den Council, King's
sind zahlreich, aber Belege seiner Verfahrensweisen im einzelnen finden
sich selten, und seine Anwesenheitslisten sind kaum vor dem späten
14. Jh. belegt, als ein Sekretariat des Council, King's
geschaffen wurde. Das Amt des Ratsschreibers (Clerk of the Council) wird zuerst
1392 erwähnt, und die regelmäßige Amtsnachfolge der
Ratsschreiber beginnt 1406. Das Aktenmaterial aus der Zeit zwischen ca.
1389 und ca. 1456 ist zahlreich. Die Akten in der British Library sind fast alle von
N.H. Nicolas gedruckt worden, aber die ursprüngliche Sammlung im Public Record Office ist noch
weitgehend ungedruckt, obwohl sie in letzter Zeit Gegenstand vieler
Untersuchungen war. Die meisten Akten des späteren 15. Jh. und des
frühen 16. Jh. sind verlorengegangen.
Der Council, King's des 13. Jh. war offenbar mehr
eine Gruppe von Ratgebern als eine feste Institution, obwohl Zeugnisse
wie der erste Text der Vereidigung eines Ratsmitgliedes von 1257, die
wachsende Korrespondenz zwischen dem König und dem Council, King's
sowie die Akten von Ratsmitgliedern, die Entscheidungen trafen, zeigen,
daß sich eine Wandlung vollzog. Am Ende des Jahrhunderts gab es
eine ziemlich große Zahl von mindestens nominellen
Ratsmitgliedern. Viele von ihnen waren Beamte, zu den bedeutendsten
zählten der Kanzler (Chancellor), der Schatzmeister (Treasurer)
und die Justitiare
(justiciar). Es gab weiterhin die Schreiber der Kanzlei und des Exchequer,
Beamte des königlichen Hofhalts, königliche Ritter und Schreiber, ebenso Prälaten
und weltliche Große, und es gab sogar einige Ausländer unter
ihnen. Bei besonderen Gelegenheiten, etwa anläßlich der
Abhaltung eines Parliaments,
konnte eine Sitzung des Council, King's
dreißig oder mehr Mitglieder umfassen, unter denen dann sehr
viele Magnaten waren. Weitaus häufiger sind aber Ratsversammlungen
in kleiner Besetzung belegt, die meist aus Beamten bestanden, die
Angelegenheiten von geringerer Bedeutung regelten, dem König Rat
erteilten oder die Gerichtshöfe und den Exchequer in schwierigen Fragen
unterstützten. Ein großer Teil der Detailarbeit des Parliament wurde von Gruppen von
Räten geleistet; den Zeitgenossen war dies offenbar sehr gut
bekannt, sind doch zahlreiche Bittschriften an König und Council, King's
gerichtet. Die Quellen lassen dabei mehr das Bild von ad hoc zusammenarbeitenden
Räten als das regelmäßig abgehaltener Ratssitzungen
entstehen.
[2] Entwicklung zur wichtigen Institution:
Im späten 14. Jh. wird das Aktenmaterial des Council, King's
reichhaltiger und aussagekräftiger und zeigt Wandlungen innerhalb
des Council, King's:
Die Zahl der Mitglieder des Council, King's
hatte abgenommen, ihr Rang und Status waren dagegen gewachsen.
Niedrigere Beamte wie die Schreiber der Kanzlei, des Exchequer und des Hofhalts waren
nicht mehr beteiligt, und die im Rat vertretenen Richter waren offenbar
eher professionelle juristische Berater als echte Ratsmitglieder und
sind selten bei den Sitzungen belegt. Dreißig und mehr
Ratsmitglieder sind für wenige Jahre als Sitzungsteilnehmer
bezeugt, doch erscheinen einige nur selten, während ein kleiner
Mitgliederkreis ständig an den Beratungen teilnahm. Die
durchschnittliche Teilnehmerzahl lag ungefähr bei sieben, wobei am
häufigsten die drei großen Amtsträger der Krone (chancellor, treasurer und Keeper of the Privy Seal [Privy Seal office]) nachweisbar
sind. Außerdem erscheinen einige wenige Bischöfe,
üblicherweise Inhaber von hohen Kronämtern, altgediente
Ritter und Notabeln (esquires)
sowie einige hohe Adlige (earls und Barone). Mitglieder des Council, King's waren am Hof im Gefolge des
Königs, einige begleiteten ihn auch auf seinen Reisen und hielten
dort Sitzungen ab. Die quellenmäßig am besten belegten
Versammlungen des Council, King's
sind jedoch die in Westminster, bei denen der König nicht anwesend
war. Bald nach 1340 wurde in einem neuen Gebäude in Westminster
dem Council, King's
ein Raum zur Verfügung gestellt, die sogenannte Sternkammer (Star Chamber), benannt nach der
Bemalung der Decke mit Sternen. Sie ist in der Folgezeit sehr
häufig als Sitzungssaal belegt. Diese Sitzungen fanden oft,
zwischen Oktober und Juni fast täglich, statt, so daß man,
nicht zu Unrecht, den Council, King's
nun als »ständigen« Rat bezeichnete.
Die Aufgabe des Council, King's
war die Unterstützung des Königs bei der ganzen Palette
täglich anfallender Regierungsgeschäfte: Der Council, King's erteilte dem König Rat und
entlastete ihn von der Entscheidung in vielerlei Detailfragen, sehr oft
wechselten Briefe oder Kuriere mit mündlichen Nachrichten zwischen
beiden. Der Council, King's
korrespondierte mit englischen Gesandten im Ausland über Details
von Unterhandlungen, führte selber Unterredungen mit
ausländischen Gesandten und war wohl auch mit seinem Rat zur
Stelle, wenn der König geruhte, Besucher persönlich zu
empfangen.
Die Tätigkeit des Council, King's umfaßte ferner:
Anordnungen zur Zahlung von Geld, die Prüfung und Entscheidung in
zweifelhaften Finanz- und Rechnungsangelegenheiten, die Beratung des
Königs bei an ihn gerichteten Gesuchen, bei militärischen
Belangen (so bei Verträgen mit Söldnern) und bei allen
alltäglich größeren oder kleineren Problemen der
Regierung. Vom 14. Jh. an war der Council, King's
auch als Gerichtshof tätig. Es war nicht vorgesehen, daß der
Council, King's
sich mit Fällen beschäftigte, die den Gerichtshöfen des Common Law (Englisches Recht)
vorbehalten waren, aber der Status des Council, King's
machte diesen zu einer ausgezeichneten Schlichtungsstelle für
spezielle Gerichtsfälle. So erhielt der Council, King's
Petitionen über Streitfälle aus dem See- und Handelsrecht,
oft von Ausländern, auch von armen Klägern oder von Personen,
die behaupteten, ihr Recht werde ihnen andernorts wegen des Auftretens
mächtiger Opponenten verweigert. Anklagen wegen
Gewalttätigkeit oder Friedensbruches konnten dazu führen,
daß die Beklagten vor den Council, King's
zitiert und inhaftiert wurden oder eine Bürgschaft beibringen
mußten. Im zweiten Statut des »Praemunire« wurde die
Vollstreckung durch König und Council, King's
niedergelegt. Fälle wie die oben genannten konnten vom Council, King's
beigelegt werden, bei anderen konnte der Council, King's
dem Kläger den einzuschlagenden Rechtsweg zeigen.
Um 1400 war der Council, King's,
die Zustimmung des Königs vorausgesetzt, das Herzstück der
englischen Exekutivgewalt. Der Wandel des Council, King's,
der sich seit 1300 vollzogen hatte, konnte bisher nicht im einzelnen
untersucht werden, da die Quellen wenig Material bieten. Dennoch kann
als wahrscheinlich gelten, daß der Grund für diese
Wandlungen vor allem in der Ausdehnung der Regierungsgeschäfte
selbst liegt, die eine zunehmende Professionalisierung und auch
höhere Kosten verursachten, weiterhin in der stärkeren
Beteiligung von Laien an der Regierung sowie dem Aufstieg einer kleinen
Gruppe weltlicher Pairs. Wenig wahrscheinlich ist
es demgegenüber, als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung
des Council, King's
eine bewußt politische Entscheidung, die Persönlichkeit oder
den Lebensstil eines bestimmten englischen Königs oder gar, wie
öfter behauptet wurde, eine »Machtübernahme« im Council, King's
durch Barone anzusehen. Vielmehr gibt es eine Reihe von Anzeichen, die
für einen allmählichen Entwicklungsprozeß über
einen längeren Zeitraum sprechen.
Schon während der Minderjährigkeit Heinrichs III. (seit 1216)
regierte der Council, King's
in der Tat stellvertretend und im Namen des Königs, und bereits
1244 wurde ein mit erweiterten Befugnissen ausgestatteter Council, King's
als geeignetes Mittel vorgeschlagen, um den vom rechten Wege abgeirrten
König zu lenken. So wurde der Council, King's zum Angelpunkt der Regierung,
wenn der König minderjährig, abwesend oder unfähig war
oder wenn sein Benehmen mißbilligt wurde und man ihm Einhalt
gebieten wollte. Derartige Situationen traten im 14. und 15. Jh.
mehrfach ein. Nach den Vorstellungen der Zeit wurde in einer solchen
kritischen Phase die Berufung eines Council, King's
für ideal gehalten, der paritätisch Bischöfe, Earls und Barone umfaßte und
die Tätigkeit der Beamten wirksam zu unterstützen vermochte.
Manchmal wurden Gratifikationen gezahlt, um einen Anreiz zum Dienst im Council, King's
zu schaffen. In der Tat war es stets schwierig, die Großen des
Reiches zur regelmäßigen Tätigkeit im Council, King's
zu bewegen, so daß diese Bürde immer häufiger anderen,
arbeitswilligeren Leuten aufgetragen wurde, die für den Council, King's
kennzeichnend wurden. Bei mehreren Anlässen zwischen 1376 und 1406
wurde, speziell auf die Kritik von seiten der Commons im Parliament hin, ein Council, King's
geschaffen. Dies wurde bisher üblicherweise als eine frühe
Äußerung von parlamentarischen Bestrebungen und als eine
Vorstufe zu einem Konstitutionalismus gewertet. Man geht heute davon
aus, daß es sich hierbei nur um eine Forderung nach einer guten
und sparsamen Regierung gehandelt hat, die von Personen erhoben wurde,
die vom König selbst ausgewählt worden waren und die
geschworen hatten, dem Council, King's
beizutreten und die erforderlichen Maßnahmen durchzuführen.
[3] Der Wandel im 15. Jahrhundert:
Im Laufe des 15. Jh. wandelte sich der Council, King's
noch hinsichtlich seines Charakters und seiner Zusammensetzung.
Persönliche und politische Verhältnisse, so unter anderem die
kontinentalen Feldzüge Heinrichs V. (Hundertjähriger Krieg)
und dann die lange Minderjährigkeit sowie später die
Persönlichkeit und die Krankheit Heinrichs VI., führten
zu zeitweisen personellen Wechseln und zu einem teilweise
stärkeren Gewicht des weltlichen Adels im Council, King's.
In der zweiten Jahrhunderthälfte erfolgten noch tiefgreifendere
Wandlungen:
Die Zahl der Leute, die den Titel »Councillor« trugen, stieg an
(124 unter Eduard IV., 227 unter Heinrich VII.). Für
einige war es nur ein Ehrentitel, die meisten aber besuchten zumindest
gelegentl. die Sitzungen. Die Teilnahme an den Versammlungen insgesamt
schwankte beträchtlich - sie ist auch nicht allzu gut belegt-,
doch war sie nun allgemein zahlreicher als früher. Die
Teilnehmerzahl betrug unter Eduard IV.
manchmal 20, unter Heinrich VII.
über 40. Die hohen Amtsträger bildeten nach wie vor den
Mittelpunkt, einige Kirchenleute, Lords
sowie auch Laien geringeren Standes waren sehr aktive Mitglieder, auch
hohe Adlige fehlten nicht. Die Häufigkeit der Versammlungen nahm
ab, und der Council, King's
war wahrscheinlich weniger ein täglich zusammentretendes
Exekutivorgan, sondern eher eine beratende Körperschaft.
König Eduard IV.
nahm manchmal, König Heinrich VII. oft an den
Sitzungen teil. Der Council, King's
fungierte stärker als vorher als Gerichtshof, sowohl für
Kriminal- wie Zivilprozesse. Es wurde lange angenommen, daß ein
separates Gericht des Council, King's (Court of Star Chamber) mit dem
Statut von 1487 geschaffen wurde; doch hat sich heute die Meinung
durchgesetzt, daß diese Verordnung lediglich ein kurzlebiges
Sondertribunal ins Leben rief, dem einige Mitglieder des Council, King's
angehörten. Die wesentliche. Zäsur in der Entwicklung des Council, King's
erfolgte unter Heinrich VIII. in den 30-er
Jahren des 16. Jh., als der Council, King's
in zwei Institutionen geteilt wurde, in den Privy Council, einem politischem
Gremium, und in den Court of Star
Chamber, einem Gerichtshof.
A.L. Brown