PARLIAMENT
Lexikon des Mittelalters:
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Parliament
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II. England:
'Parliamentum' war einer der
Begriffe, die von königlichen
Schreibern und Chronisten für bestimmte, von englischen
Königen einberufene Versammlungen gebraucht wurden.
Das erste
bekannte Beispiel erscheint für eine Zusammenkunft des Rates von Heinrich III., der um einige
Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Earls
und Barone
erweitert wurde, wenn ein Rechtsprozeß entschieden werden
mußte, mutmaßlich von den anwesenden Richtern (1236).
Derartige erweiterte Ratsversammlungen des Königs (King's
Councils) fanden
wahrscheinlich regelmäßig statt, vielleicht wenigstens
zweimal im Jahr. Gleichzeitig wurde die Bezeichnung 'Parliamentum' gelegentlich für
die großen Versammlungen der Prälaten und Magnaten
gebraucht; das früheste bekannte Beispiel ist 1237, als eine
Steuer als Gegenleistung für eine Bestätigung der Magna Carta
gewährt wurde. Gewählte Mitglieder, die die shires (knights)
und boroughs
vertraten, wurden 1265 und 1275 ins Parliament
geladen (House of Commons),
häufiger dann seit 1295 (Model
Parliament). Der Traktat »Modus
tenendi
parliamentum« (1322?) weist darauf hin, daß die Commons
regelmäßig am Parliament
teilnahmen (Community of the Realm).
Als man 1341 begann, die Serien der Parliament Rolls zu führen, wurde das
Wort 'Parliament' nur
für Versammlungen gebraucht, an denen neben gewählten Commons auch Lords teilnahmen, die in separaten
Räumen tagten, gewöhnlich in Westminster (Lords,
the House of). Vertreter des niederen Klerus wurden ebenso ins Parliament
geladen, wobei einige Prokuratoren entsandten, doch zogen es die
meisten vor, in den Standesvertretungen des Klerus zusammenzutreffen (Convocations von Canterbury und York).
Obwohl das Parliament sich
nun zu einer festen Institution entwickelt hatte, fanden Parliaments nur statt, wenn sie durch
königliche writs einberufen
worden waren. Das Parliament wurde
beendet, wenn der König seine Teilnehmer entließ. Die meisten Parliaments tagten nicht lange, besonders,
wenn zwei oder mehrere Parliaments im Jahr stattfanden. Seit 1341
herrschte eine jährliche Einberufung vor, doch tagten die Parliaments kaum länger als drei oder
vier Wochen. Im 15. Jh. fanden sie nicht so häufig statt. Die
englischen Könige beriefen Parliaments ein, wenn sie zusätzliche
Einkünfte benötigten, gewöhnlich in Kriegszeiten. Ein
Statut von 1340 erkannte die fast 50-jährige Parliamentspraxis
an und bestimmte, daß eine nationale Steuererhebung nur durch die
gemeinsame Bewilligung von Lords
und Commons in einem Parliament
gewährt werden konnte. Die gewöhnlichste Form der
Steuererhebung in den Parliaments war die Subsidie, die auf
bewegliche Güter erhoben wurde, wobei die Abgaben von Städten
und Grafschaften proportional festgesetzt wurden. Die größte
Einkunftsquelle der Krone waren die Ausfuhrzölle für Wolle
und Leder, die zuerst 1275 von einem Parliament der Lords und Commons bewilligt wurden.
Willkürliche Steuererhebungen in Notzeiten durch Eduard I. und Eduard III. führten zu
Protesten. Eduard
III. gestand schließlich 1362 zu, daß keine Abgaben
für Wolle oder andere Waren ohne die Zustimmung des Parliament erhoben werden durften. Um 1470
stellte John Fortescue
fest,
daß die englischen Könige ohne Zustimmung des Parliament weder
Steuern erheben noch Gesetze ändern konnten. Für Eduard I. war
das Parliament eine
von mehreren Möglichkeiten, seine Statuten zu
veröffentlichen. Die baronialen Opponenten Eduards II. (Ordainers)
wollten 1311 den König mit regelmäßigen Parliaments kontrollieren. Das Statut von York, das die Ordinances widerrief, bestimmte
jedoch 1322, daß Angelegenheiten, die den König und sein
Königreich betrafen, vom König den Lords unter anderem in Parliaments entschieden werden sollten. Diese
Regelung, daß nur in Parliaments verabschiedete Statuten Geltung
besaßen, erkannte man 1354 an.
In der Frühzeit des Parliament
wurden zahlreiche, an den König gerichtete Petitionen eingereicht,
hauptsächlich von Einzelpersonen oder Körperschaften, die
Begnadigung oder Rechtshilfe bei Beschwerden erhofften, oft gegen
königliche Beamte. Seit dem frühen 14. Jh.
unterstützten die Commons
Klagen allgemeinerer Art, bis schließlich dem König diese
Petitionen (common petitions)
auf einer ausgefertigten Urkunde (Roll)
überreicht wurden. Seit 1343 zeichnete man diese Petitionen und
die Antworten des Königs in der Parliament Roll auf. Die Petitionen der Commons als allgemeines Mittel der
Rechtshilfe bildeten, nachdem sie vom König und von den Lords gebilligt worden waren, die
Grundlage für Statuten. Seit dem 15. Jh. wurde der
größte Teil der Gesetzgebung von den Commons im Parliament
angeregt. Mit der Zunahme von Prozeßvorschriften für private
Klagen wurden nach der Mitte des 14. Jh. weniger private
Petitionen dem Parliament
eingereicht, und die Funktion des Parliament als
bedeutendster Gerichtshof zeigte sich nun eher in seiner Gesetzgebung
(Englisches Recht). Common petitions
gegen Mißstände in der Verwaltung führten zum Eintreten
der Commons für Reformen
in der königlichen Regierung, manchmal waren sie sogar mit Kritik
an ihren Kompetenzen verbunden (so 1340 und 1401-1406; England, D). Das Good Parliament
klagte 1376 die korrupten Ratsmitglieder an (Impeachment). Bei den wichtigsten
politischen Aufgaben bat der König jedoch die Lords um ihren Rat, nicht nur
während der Parliaments, sondern auch in den Great Councils. Echte Parliaments waren aber diejenigen, die zur
Legitimierung von Staatsstreichen, einschließlich der Absetzung
des Königs, und für die Verbannung von besiegten Rebellen
einberufen wurden (zum Beispiel Merciless
Parliament;
Appellants).
R.L. Storey