Einziger Sohn des Königs
Heinrichs
V. von England aus dem
Hause
LANCASTER und
der Katharina von
Frankreich,
Tochter von König
Karl VI.
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte
2053
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15. Heinrich VI., König von England und - dem
Titel nach - König von Frankreich
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* 6. Dezember 1421, †
(ermordet) 22. Mai 1471 im Londoner Tower
Sohn von König Heinrich V. und
Katharina von Valois, Tochter König Karls VI. von Frankreich
oo 23. April 1445
Margarete von Anjou
Sohn:
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Eduard (9.)
Bereits am 1. September 1422 König geworden, stand Heinrich
VI. unter der
Vormundschaft seiner Mutter und wurde am 6. November 1429 gekrönt.
Der anschließende zweijährige Frankreich-Aufenthalt gipfelte
in der Krönung zum König
von Frankreich am 16. Dezember 1431. Seine starke
Religiosität wurde bald von der Devotio
moderna geprägt. Im November 1437 erkannte der King's
Council Heinrichs
VI. selbständige
Regierung in England förmlich an. Seine Heirat mit Margarete von Anjou
auf Betreiben von William
de la Pole,
Earl of Suffolk, und
der damit
verbundene Waffenstillstand (1444) führten zu einer kurzen
Unterbrechung des Krieges mit Frankreich. Der Einfluß Heinrichs
VI. auf die Politik in der
Folgezeit ist in seinem Ausmaß umstritten. Zwar übernahm er
die Verantwortung für eine Reihe militärisch-politische
Fehlschläge (Abtretung der Grafschaft Maine 1448;
englische
Plünderung von Fougères 1449, die die französische
Rückeroberung der Normandie
auslöste), doch war er nicht
aktiv an ihnen beteiligt. Lediglich in kirchlichen Angelegenheiten
setzte der König seinen Willen gegen seine Ratgeber durch, unter
denen Suffolk besonders
einflußreich war. Die längere
Krankheit Heinrichs
VI. (August 1453-Januar
1455) führte zu sich verstärkenden Machtkämpfen der Häuser LANCASTER und YORK.
Heinrich
VI., der in der Schlacht
von St. Albans (1455) verwundet wurde, konnte nach der Schlacht von
Northampton von den »Yorkists«
gefangengenommen werden,
entfloh aber 1461. 1468 geriet er in die Gefangenschaft Eduards IV.
1470-1471 kehrte Heinrich
VI. auf den Thron
zurück, wurde aber nach der Schlacht bei
Tewkesbury im Tower
ermordet. Seine einfache und
strenge Lebensführung fand nach
seinem Tode viele Bewunderer. Die beiden Colleges in Eton und Cambridge
wurden von Heinrich
VI. errichtet.
G.L. Harriss
Sohn von Heinrich V., Haus LANCASTER
Nach dem Tode seines Vaters wurde
Heinrich VI. noch als Kleinkind zum König
ausgerufen.
1437 übernahm er selbst die Regierung, besaß aber dafür
keine persönliche Eignung. 1445 heiratete er Margarete
von Anjou, eine Nichte der französischen
Königin.
Heinrich
VI. war außerstande, die Niederlage Englands im
Hundertjährigen
Krieg gegen Frankreich und den Verfall der Königsmacht
aufzuhalten
(Verlust der Normandie 1559/50, Aufstand unter J. Cade 1450).
1453
fiel Heinrich VI. zeitweise in
geistige
Umnachtung. Richard,
Herzog von York, übernahm als Lordprotektor die
Macht
in
England und weigerte sich, sie
aus den Händen zu geben, als Heinrich
VI. Ende 1454 wieder handlungsfähig wurde. Es begannen
die Rosenkriege zwischen
den Häusern
LANCASTER und YORK.
1460
geriet Heinrich VI. in die
Gefangenschaft
der Yorkisten.
Im folgenden Jahr wurde er befreit, mußte aber nach
der Proklamation Eduards IV. zum
englischen
König (4.3.1461) und der Niederlage der LANCASTER-Truppen
bei Towton
(29.3.) aus England fliehen. Er kehrte später
zurück
und wurde erneut gefangengenommen. Nachdem sich der von Eduard
abgefallene
Graf
von Warwick mit der LANCASTER-Partei
verbündet
hatte, gelangte Heinrich VI. im
Oktober
1470 nochmals in den Besitz der Krone. Am 4.5.1471 errangen die
Yorkisten bei Tewkesbury
einen entscheidenden Sieg und töteten die
Führer der Gegenpartei; Heinrich VI.
wurde im Tower ermordet.
Der Sieger von Azincourt
starb kurz vor
seinem französischen
Schwieger-Vater und hinterließ seinen Sohn Heinrich
VI. (1422-1461,1470-1471), der als einziger im Babyalter König
von England wurde und gleichzeitig auch über Frankreich
herrschen
sollte. Das Glück war ihnen noch eine Zeitlang unter Heinrichs
V. Bruder Johann,
dem Herzog von Bedford, hold,
bis es nach der durch Jeanne
d'Arc
bewirkten Aufhebung der Belagerung von Orleans ins Gegenteil umschlug.
Von nun an vollzog sich der alte Kampf der Dynastie in Wirklichkeit nur
noch auf nationaler Ebene, wo er den Angreifern wunderbare Triumphe
einbringen
sollte. Die Träume des Hauses PLANTAGENET
bewirkten
in der Realität, dass sich auf beiden Seiten ein patriotisches
Gefühl
herausbildete, was sich bereits in der wachsenden Anwendung des
Englischen
als offizielle Sprache unter Eduard III. niedergeschlagen
hatte. Deshalb war eine Verbindung beider Kronen von vornherein zum
Scheitern
verurteilt. In den Jahren nach 1430 drängten die Franzosen
unerbittlich
ans Meer vor, bis es ihnen 1453 nach 300 Jahren gelang, Bordeaux
einzunehmen.
Von Heinrichs VI. Reich auf dem
Kontinent
war alles verloren; Calais
blieb der einzige Brückenkopf der
Engländer und erinnerte noch an die alte Besessenheit ihrer
Regenten
auf kontinentale Ländereien.
Niederlagen auf dem Festland waren immer
Anlaß
für Unruhen im eigenen Land. Heinrich V.
hatte einige Verschwörungen aufgedeckt, bevor er durch seine Siege
dagegen gefeit war. Während der langen Minderjährigkeit
seines
Nachfolgers mußte Bedford
ebenfalls
zweimal nach England eilen, um den inneren Frieden wiederherzustellen.
Der große Ruhm der Vorfahren hätte die Familie noch retten
können,
wenn dieser herausragende König nicht einen
außergewöhnlich
passiven Nachfolger gehabt hätte. Heinrich
VI. war mit einem schwachen
Willen ausgestattet; er war der
einzige
PLANTAGENET, der von einer Frau
beherrscht wurde. Da sich der Regent erfolglos abmühte und
seine
Ratgeber allmählich die Oberhand gewannen, konzentrierten sich
alle
Hoffnungen auf Richard von York
als
mutmaßlichen Nachfolger. Der Thron hätte reibungslos an den
vitalen Herzog übergehen können, denn die Nachfolge des
unglückseligen
Hauses
LANCASTER war nicht gesichert. Die Onkel Heinrichs
starben alle kinderlos, und seine eigene unpopuläre Ehe mit Margarete
von Anjou schien ebenfalls unfruchtbar zu sein. Als der
König
auf unerklärliche Weise plötzlich zusammenbrach und dabei
sogar
sein Gedächtnis verlor, war Yorks Stunde
offensichtlich gekommen.
Margarete
schenkte aber dann doch noch einem Sohn das Leben. Auch Heinrich
gelangte wieder so in den Besitz seiner geistigen Fähigkeiten, dass
York sich zurückziehen mußte. Von dieser Zeit an
existierten zwei fortlaufende Linien, die in gegenseitiger Furcht
lebten
und England unaufhaltsam dem Rosenkrieg entgegenbrachten. Dem Haus
LANCASTER, dessen späteres Symbol die rote Rose war, erging
es dabei schlechter, obwohl Margarete wie
eine Löwin für ihr einziges Kind kämpfte. Sie konnte
wenigstens
sicherstellen, dass York wie auch
Johann von Gaunt lediglich Vater eines Königs wurde. Herzog
Richard, der den Namen PLANTAGENETzusammen
mit der weißen Rose
des Hauses
YORKzur Schau trug, wurde ermordet; anschließend
wurde
ihm zur allgemeinen Belustigung eine Krone aus Papier aufgesetzt.
"Der König war von Natur aus ein Narr und
sollte
noch oft einen Stecken mit einem Vogel am Ende in die Hand nehmen und
sich
wie ein Narr aufführen." So lautete ein allgemein bekannter
Spruch,
als Heinrich VI. 20 Jahre alt
wurde;
zwar kein totaler Einfallspinsel, so gibt es doch keinen Herrscher, der
mehr enttäuscht hat als er. Er litt wie
Eduard
II. und Richard II.
unter
dem Vergleich mit seinem Vater und hatte wahrscheinlich das Blut
der
VALOIS,
denn es ist kaum vorstellbar, dass die PLANTAGENET
einen so sanftmütigen Sproß hervorzubringen vermochten. Heinrich
verurteilte seine weltlich eingestellten Höflinge, trug selbst
einfache
Kleidung, entsetzte sich über tanzende Mädchen und wollte
niemals
an der Spitze einer Armee kämpfen. Als er mündig war, fand er
sich von Machtspekulanten umgeben, die sein Ohr für sich gewinnen
wollten. Seine Gutmütigkeit und Schwäche, die das politische
Geschehen lähmten und die Schatzkammern leerten, entsprangen
seiner
absoluten Gleichgültigkeit gegenüber allem Weltlichen. Ein
Geistlicher
erzählte später, dass der König einen Seufzer der
Erleichterung
ausstieß, wenn Staatsangelegenheiten unterbrochen wurden.
Heinrich gab öffentlich seiner Verwunderung
darüber
Ausdruck, dass irgend jemand seinen Thronanspruch in Frage stellen
sollte;
möglicherweise lag seine einzige Stärke in seiner
Frömmigkeit,
die einen persönlichen Angriff unmöglich machte. Er blieb bis
an sein Ende ein Sonderling, während sich alle anderen
königlichen
Versager doch noch auf irgendeine Weise behauptet hatten. Die einzige
Freude
des geplagten Heinrich waren
fromme
Gaben und kirchliche Gebäude. Das von ihm gegründete
Eton-College,
dessen Schüler er bezeichnenderweise vor den Untugenden seines
eigenen
Hofes warnte, und das königliche College in Cambridge entwickelten
sich zu den vornehmsten Schulen im Lande.
Mit seinen Leiden wie auch seinen Schwächen
blieb
Heinrich
VI. alleine. Er war eine Schachfigur, die bald von der
einen
bald von der anderen Gruppe ergattert wurde. Frau und Kind hatten ihn
verlassen
und waren nach Frankreich gegangen. Als einziger König wurde er
sowohl
in Westminster als auch in Paris gekrönt, und als einziger
verbrachte
er viele Jahre im Gefängnis, nachdem ihn die triumphierenden
Anhänger
der YORK-Linie im Norden
überrumpelt
hatten. Kein anderer hatte, so wie er, eine zweite Regierungsphase, die
sechs Monate dauerte und dem schwachsinnigen
Heinrich,
einem "gekrönten Schaf", in den Jahren 1470 bis 1471 zugestanden
wurde.
Vor ihm gab es auch keinen König, der wie er in London und dort im
Tower selbst ermordet worden war. Sein Tod erfolgte gleich nach der
Festnahme
und Hinrichtung seines einzigen Sohnes, Prinz
Eduards,
mit dem das Haus
LANCASTER ausstarb. Es war das erste Mal, dass Vater und
Sohn
gemeinsam beseitigt wurden, was aber als unvermeidlich erscheinen
mußte,
da ihr Anspruch von einer rivalisierenden Nebenlinie abgewiesen worden
war.
24.5.1445
oo Margarete von Anjou, Tochter des
Herzogs
Rene I.
23.3.1430 † 25.1.1482
Kinder:
Eduard
Prinz von Wales
13.10.1453 † 4.5.1471 ermordet
Literatur:
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großen
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Joseph: Die großen Herzöge von Burgund. Eugen Diederichs
Verlag
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Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W. Kohlhammer GmbH 1987
Seite 306-310,314,321-328,335,338-343,364 - Ehlers Joachim/Müller
Heribert/Schneidmüller Bernd: Die französischen
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des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck
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Heinrichs
VIII. Claasen Verlag GmbH Hildesheim 1995Seite 17,322 - Jurewitz-Freischmidt
Sylvia: Die Herrinnen der Loire-Schlösser. Königinnen und
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um den Lilienthron. Casimir Katz Verlag, Gernsbach 1996 Seite 45 - Kendall
Paul Murray: Richard III. König von England Mythos und
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Eugen Diederichs Verlag München 1995 Seite 26-427 - Schelle,
Klaus: Karl der Kühne. Burgund zwischen Lilienbanner und
Reichsadler.
Magnus Verlag Essen Seite 43,50,112,118 - Schnith Karl: Frauen
des
Mittelalters in Lebensbildern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1997
Seite
367,378 - Tamussino Ursula: Margarete von Österreich.
Diplomatin
der Renaissance Verlag Styria Graz Wien Köln 1995 Seite 157,227 -
Thiele, Andreas:
Erzählende
genealogische
Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band II, Teilband 1
Europäische
Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser I Westeuropa, R.G.
Fischer
Verlag 1993 Tafel 207 -