Heinrich VI.                                          König von England (1422-1461) (1470-1471)
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6.12.1421
21.5.1471 ermordet
Windsor    London Tower

Einziger Sohn des Königs Heinrichs V. von England aus dem Hause LANCASTER und der Katharina von Frankreich, Tochter von König Karl VI.
 

Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 2053
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15. Heinrich VI., König von England und - dem Titel nach - König von Frankreich
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* 6. Dezember 1421, (ermordet) 22. Mai 1471 im Londoner Tower

Sohn von König Heinrich V. und Katharina von Valois, Tochter König Karls VI. von Frankreich

  oo 23. April 1445
       Margarete von Anjou

Sohn:
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Eduard (9.)

Bereits am 1. September 1422 König geworden, stand Heinrich VI. unter der Vormundschaft seiner Mutter und wurde am 6. November 1429 gekrönt. Der anschließende zweijährige Frankreich-Aufenthalt gipfelte in der Krönung zum König von Frankreich am 16. Dezember 1431. Seine starke Religiosität wurde bald von der Devotio moderna geprägt. Im November 1437 erkannte der King's Council Heinrichs VI. selbständige Regierung in England förmlich an. Seine Heirat mit Margarete von Anjou auf Betreiben von William de la Pole, Earl of Suffolk, und der damit verbundene Waffenstillstand (1444) führten zu einer kurzen Unterbrechung des Krieges mit Frankreich. Der Einfluß Heinrichs VI. auf die Politik in der Folgezeit ist in seinem Ausmaß umstritten. Zwar übernahm er die Verantwortung für eine Reihe militärisch-politische Fehlschläge (Abtretung der Grafschaft Maine 1448; englische Plünderung von Fougères 1449, die die französische Rückeroberung der Normandie auslöste), doch war er nicht aktiv an ihnen beteiligt. Lediglich in kirchlichen Angelegenheiten setzte der König seinen Willen gegen seine Ratgeber durch, unter denen Suffolk besonders einflußreich war. Die längere Krankheit Heinrichs VI. (August 1453-Januar 1455) führte zu sich verstärkenden Machtkämpfen der Häuser LANCASTER und YORK. Heinrich VI., der in der Schlacht von St. Albans (1455) verwundet wurde, konnte nach der Schlacht von Northampton von den »Yorkists« gefangengenommen werden, entfloh aber 1461. 1468 geriet er in die Gefangenschaft Eduards IV. 1470-1471 kehrte Heinrich VI. auf den Thron zurück, wurde aber nach der Schlacht bei Tewkesbury im Tower ermordet. Seine einfache und strenge Lebensführung fand nach seinem Tode viele Bewunderer. Die beiden Colleges in Eton und Cambridge wurden von Heinrich VI. errichtet.
G.L. Harriss


Lexikon der Renaissance: Seite 328
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Heinrich VI., König 1422/61 und 1470/71
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* 6.12.1421, 21.5.1471
Windsor        London

Sohn von Heinrich V., Haus LANCASTER

Nach dem Tode seines Vaters wurde Heinrich VI. noch als Kleinkind zum König ausgerufen. 1437 übernahm er selbst die Regierung, besaß aber dafür keine persönliche Eignung. 1445 heiratete er Margarete von Anjou, eine Nichte der französischen Königin. Heinrich VI. war außerstande, die Niederlage Englands im Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich und den Verfall der Königsmacht aufzuhalten (Verlust der Normandie 1559/50, Aufstand unter J. Cade 1450). 1453 fiel Heinrich VI. zeitweise in geistige Umnachtung. Richard, Herzog von York, übernahm als Lordprotektor die Macht in England und weigerte sich, sie aus den Händen zu geben, als Heinrich VI. Ende 1454 wieder handlungsfähig wurde. Es begannen die Rosenkriege zwischen den Häusern LANCASTER und YORK. 1460 geriet Heinrich VI. in die Gefangenschaft der Yorkisten. Im folgenden Jahr wurde er befreit, mußte aber nach der Proklamation Eduards IV. zum englischen König (4.3.1461) und der Niederlage der LANCASTER-Truppen bei Towton (29.3.) aus England fliehen. Er kehrte später zurück und wurde erneut gefangengenommen. Nachdem sich der von Eduard abgefallene Graf von Warwick mit der LANCASTER-Partei verbündet hatte, gelangte Heinrich VI. im Oktober 1470 nochmals in den Besitz der Krone. Am 4.5.1471 errangen die Yorkisten bei Tewkesbury einen entscheidenden Sieg und töteten die Führer der Gegenpartei; Heinrich VI. wurde im Tower ermordet.


Beim Tode seines Vaters erst 10 Monate alt, erreichten Korruption und Mißwirtschaft ihren Höhepunkt. Heinrich VI. war frömmelnd und geistig labil, was schließlich zur Regierungsunfähigkeit führte. Er war leichtgläubig und anhänglich und hegte eine blinde Zuneigung zu seinen Ratgebern, was diesen ermöglichte, nach Belieben das Recht zu beugen. Infolge seiner Freigebigkeit ließ er sich willig ausplündern und verlor dadurch soviel Land und Geld, dass die Krone in hoffnungslose Schulden geriet (1450 nahezu 400.000 Pfund). Er galt als krasser Sonderling, wurde durch seine französische Hochzeit unbeliebt und mußte letztlich seinen großen Günstling Wilhelm von Suffolk opfern, um sich selbst zu retten. Gemäß dem Vertrag von Troyes war Heinrich nach dem Tode seines Großvaters Karl VI. ( 21.10.1422) auch König von Frankreich. Die tatsächliche Verwaltung des englischen Machtbereiches in Frankreich übernahm Heinrichs Onkel, der befähigte Johann von Bedford, der große Anstrengungen unternahm, den englischen Besitz mit militärischen Mitteln weiter auszudehnen und so den Anspruch des unmündigen Neffen in die Tat umzusetzen. Im Herbst 1428 begannen die Engländer mit der Belagerung von Orleans, um sich den Zugang nach Süd-Frankreich zu öffnen. Unter aktiver Beteiligung der Jungfrau von Orleans wurden die Engländer vertrieben. Im September 1435 kam es zur Auflösung des englisch-burgundischen Bündnisses. Herzog Philipp der Gute und König Karl VII. einigten sich im Frieden von Arras. Mit dem Tod des Herzogs von Bedford erlitt der König einen weiteren schweren Verlust. 1444 kam es wegen Erschöpfung beider Parteien zum Waffenstillstand, der England einen Teil Guyennes und die Normandie beließ. 1449 beendete Frankreich den Waffenstillstand und eroberte bis zum Spätsommer 1450 die Normandie. Ein Jahr später war auch die gesamte Guyenne einschließlich Bordeaux in französischer Hand. Nach einer englischen Wiedereroberung von Bordeaux wurde die Stadt nach der Schlacht bei Castillon (Juni 1453) durch die Franzosen am 19.10.1453 zurückerobert. Auf französischen Boden blieb nur die Hafenstadt Calais in englischer Hand. So beendete die Einnahme Bordeauxs den Hundertjährigen Krieg, ohne dass es jemals zu einem formalen Friedensschluß kam. 1450 kam es in Kent unter der Führung von John Cade zum Aufstand gegen Mißwirtschaft, Steuererpressung und Erfolglosigkeit des Krieges in Frankreich. Die Bewegung war in erster Linie Instrument des sich entwickelnden neuen Adels gegen die herrschende Gruppe der Hocharistokratie. Nach der Niederlage der Volksbewegung orientierten sich die Kreise des neuen Adels auf eine Veränderung der Regierung durch eine Palastrevolution. Sie unterstützten Herzog Richard von York, der für den geistesschwachen Heinrich VI. zum Reichsprotektor ernannt wurde. Am 21.5.1455 schlug Richard von York die gegen ihn opponierenden Gruppen des Hochadels bei St. Albans, womit die Rosenkriege (die rote bzw. weiße Rose waren Zeichen der sich bekämpfenden Häuser LANCASTER und YORK) begannen, in deren Verlauf der Hochadel ausgerottet wurde. Als Reichsverweser stützte sich Richard von York auf den neuen Adel. Am 30.12.1460 besiegte das Heer der Königin und ihres hochadeligen Anhangs bei Wakefield den offen nach der Krone strebenden Richard von York. Den Siegern gelang es nicht, ihren Erfolg auszunutzen, da sich die Städte und der höher entwickelte Süden zur Wehr setzten. 1461 ließ sich Eduard IV., Sohn Richards von York, zum König krönen und schlug am 29.3.1461 bei Towton die LANCASTER-Partei. Heinrich VI. und seine Frau flohen nach Schottland. Er kehrte 1470 nach einem Sieg des Grafen von Warwick über Eduard IV. vorübergehend zurück. Nach dem Sieg bei Barnet (14.4.1471) über die NEVILLE-LANCASTER-Partei, besiegte Eduard IV. die LANCASTER-Partei unter Führung der Königin bei Tewkesbury (4.5.1421) und rottete die Mitglieder des Hauses LANCASTER aus. Heinrich VI. wurde nach Eduards IV. Rückkehr nach London, um die Bürgerkriege endgültig zu beenden, im Tower ermordet.
Baker Timothy: Seite 43-64
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"Die Plantagenet"

Der Sieger von Azincourt starb kurz vor seinem französischen Schwieger-Vater und hinterließ seinen Sohn Heinrich VI. (1422-1461,1470-1471), der als einziger im Babyalter König von England wurde und gleichzeitig auch über Frankreich herrschen sollte. Das Glück war ihnen noch eine Zeitlang unter Heinrichs V. Bruder Johann, dem Herzog von Bedford, hold, bis es nach der durch Jeanne d'Arc bewirkten Aufhebung der Belagerung von Orleans ins Gegenteil umschlug. Von nun an vollzog sich der alte Kampf der Dynastie in Wirklichkeit nur noch auf nationaler Ebene, wo er den Angreifern wunderbare Triumphe einbringen sollte. Die Träume des Hauses PLANTAGENET bewirkten in der Realität, dass sich auf beiden Seiten ein patriotisches Gefühl herausbildete, was sich bereits in der wachsenden Anwendung des Englischen als offizielle Sprache unter Eduard III. niedergeschlagen hatte. Deshalb war eine Verbindung beider Kronen von vornherein zum Scheitern verurteilt. In den Jahren nach 1430 drängten die Franzosen unerbittlich ans Meer vor, bis es ihnen 1453 nach 300 Jahren gelang, Bordeaux einzunehmen. Von Heinrichs VI. Reich auf dem Kontinent war alles verloren; Calais blieb der einzige Brückenkopf der Engländer und erinnerte noch an die alte Besessenheit ihrer Regenten auf kontinentale Ländereien.
Niederlagen auf dem Festland waren immer Anlaß für Unruhen im eigenen Land. Heinrich V. hatte einige Verschwörungen aufgedeckt, bevor er durch seine Siege dagegen gefeit war. Während der langen Minderjährigkeit seines Nachfolgers mußte Bedford ebenfalls zweimal nach England eilen, um den inneren Frieden wiederherzustellen. Der große Ruhm der Vorfahren hätte die Familie noch retten können, wenn dieser herausragende König nicht einen außergewöhnlich passiven Nachfolger gehabt hätte. Heinrich VI. war mit einem schwachen Willen ausgestattet; er war der einzige PLANTAGENET, der von einer Frau beherrscht wurde. Da sich der Regent erfolglos abmühte und seine Ratgeber allmählich die Oberhand gewannen, konzentrierten sich alle Hoffnungen auf Richard von York als mutmaßlichen Nachfolger. Der Thron hätte reibungslos an den vitalen Herzog übergehen können, denn die Nachfolge des unglückseligen Hauses LANCASTER war nicht gesichert. Die Onkel Heinrichs starben alle kinderlos, und seine eigene unpopuläre Ehe mit Margarete von Anjou schien ebenfalls unfruchtbar zu sein. Als der König auf unerklärliche Weise plötzlich zusammenbrach und dabei sogar sein Gedächtnis verlor, war Yorks Stunde offensichtlich gekommen. Margarete schenkte aber dann doch noch einem Sohn das Leben. Auch Heinrich gelangte wieder so in den Besitz seiner geistigen Fähigkeiten, dass York sich zurückziehen mußte. Von dieser Zeit an existierten zwei fortlaufende Linien, die in gegenseitiger Furcht lebten und England unaufhaltsam dem Rosenkrieg entgegenbrachten. Dem Haus LANCASTER, dessen späteres Symbol die rote Rose war, erging es dabei schlechter, obwohl Margarete wie eine Löwin für ihr einziges Kind kämpfte. Sie konnte wenigstens sicherstellen, dass York wie auch Johann von Gaunt lediglich Vater eines Königs wurde. Herzog Richard, der den Namen PLANTAGENETzusammen mit der weißen Rose des Hauses YORKzur Schau trug, wurde ermordet; anschließend wurde ihm zur allgemeinen Belustigung eine Krone aus Papier aufgesetzt.
"Der König war von Natur aus ein Narr und sollte noch oft einen Stecken mit einem Vogel am Ende in die Hand nehmen und sich wie ein Narr aufführen." So lautete ein allgemein bekannter Spruch, als Heinrich VI. 20 Jahre alt wurde; zwar kein totaler Einfallspinsel, so gibt es doch keinen Herrscher, der mehr enttäuscht hat als er. Er litt wie Eduard II. und Richard II. unter dem Vergleich mit seinem Vater und hatte wahrscheinlich das Blut der VALOIS, denn es ist kaum vorstellbar, dass die PLANTAGENET einen so sanftmütigen Sproß hervorzubringen vermochten. Heinrich verurteilte seine weltlich eingestellten Höflinge, trug selbst einfache Kleidung, entsetzte sich über tanzende Mädchen und wollte niemals an der Spitze einer Armee kämpfen. Als er mündig war, fand er sich von Machtspekulanten umgeben, die sein Ohr für sich gewinnen wollten. Seine Gutmütigkeit und Schwäche, die das politische Geschehen lähmten und die Schatzkammern leerten, entsprangen seiner absoluten Gleichgültigkeit gegenüber allem Weltlichen. Ein Geistlicher erzählte später, dass der König einen Seufzer der Erleichterung ausstieß, wenn Staatsangelegenheiten unterbrochen wurden. Heinrich gab öffentlich seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass irgend jemand seinen Thronanspruch in Frage stellen sollte; möglicherweise lag seine einzige Stärke in seiner Frömmigkeit, die einen persönlichen Angriff unmöglich machte. Er blieb bis an sein Ende ein Sonderling, während sich alle anderen königlichen Versager doch noch auf irgendeine Weise behauptet hatten. Die einzige Freude des geplagten Heinrich waren fromme Gaben und kirchliche Gebäude. Das von ihm gegründete Eton-College, dessen Schüler er bezeichnenderweise vor den Untugenden seines eigenen Hofes warnte, und das königliche College in Cambridge entwickelten sich zu den vornehmsten Schulen im Lande.
Mit seinen Leiden wie auch seinen Schwächen blieb Heinrich VI. alleine. Er war eine Schachfigur, die bald von der einen bald von der anderen Gruppe ergattert wurde. Frau und Kind hatten ihn verlassen und waren nach Frankreich gegangen. Als einziger König wurde er sowohl in Westminster als auch in Paris gekrönt, und als einziger verbrachte er viele Jahre im Gefängnis, nachdem ihn die triumphierenden Anhänger der YORK-Linie im Norden überrumpelt hatten. Kein anderer hatte, so wie er, eine zweite Regierungsphase, die sechs Monate dauerte und dem schwachsinnigen Heinrich, einem "gekrönten Schaf", in den Jahren 1470 bis 1471 zugestanden wurde. Vor ihm gab es auch keinen König, der wie er in London und dort im Tower selbst ermordet worden war. Sein Tod erfolgte gleich nach der Festnahme und Hinrichtung seines einzigen Sohnes, Prinz Eduards, mit dem das Haus LANCASTER ausstarb. Es war das erste Mal, dass Vater und Sohn gemeinsam beseitigt wurden, was aber als unvermeidlich erscheinen mußte, da ihr Anspruch von einer rivalisierenden Nebenlinie abgewiesen worden war.
 
 
 
 

24.5.1445
   oo Margarete von Anjou, Tochter des Herzogs Rene I.
        23.3.1430
25.1.1482
 
 
 
 

Kinder:

  Eduard Prinz von Wales
  13.10.1453
4.5.1471 ermordet
 
 
 
 

Literatur:
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Baker Timothy: Die Plantagenet in Die großen Dynastien, Karl Müller Verlag 1996 Seite 43-64 - Calmette, Joseph: Die großen Herzöge von Burgund. Eugen Diederichs Verlag München 1996 Seite 164,174,177,180,182,213,224,309 - Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 306-310,314,321-328,335,338-343,364 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 319,328,346,351 - Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 393,402,406,442 - Fraser Antonia: Die sechs Frauen Heinrichs VIII. Claasen Verlag GmbH Hildesheim 1995Seite 17,322 - Jurewitz-Freischmidt Sylvia: Die Herrinnen der Loire-Schlösser. Königinnen und Mätressen um den Lilienthron. Casimir Katz Verlag, Gernsbach 1996 Seite 45 - Kendall Paul Murray: Richard III. König von England Mythos und Wirklichkeit, Eugen Diederichs Verlag München 1995 Seite 26-427 - Schelle, Klaus: Karl der Kühne. Burgund zwischen Lilienbanner und Reichsadler. Magnus Verlag Essen Seite 43,50,112,118 - Schnith Karl: Frauen des Mittelalters in Lebensbildern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1997 Seite 367,378 - Tamussino Ursula: Margarete von Österreich. Diplomatin der Renaissance Verlag Styria Graz Wien Köln 1995 Seite 157,227 -
Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band II, Teilband 1 Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser I Westeuropa, R.G. Fischer Verlag 1993 Tafel 207 -