JUSTITIAR
Lexikon des Mittelalters:
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Justitiar
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England
'Justitiar'
(lateinisch justitiarius) war
im hochmittelalterlichen England eine
Bezeichnung für verschiedene »Beamten«-Ränge.
a) Oberster Justitiar (= Vize-Regent):
Ansätze zur Ausbildung dieses Amtes lassen sich seit König Wilhelm I. erkennen. Wenn
die anglonormischen Herrscher ihre kontinentalen Besitzungen
aufsuchten, setzten sie im Regnum
»Vikare« mit Regierungsbefugnis ein (Odo von Bayeux, Ranulf Flambard). In der Zeit König Heinrichs I. wird Bischof Roger von Salisbury, der an
der Spitze des Administrationssystems stand, capitalis justitiarius genannt
(Amt VI, 2). Von da an gewann das Amt allmählich festere Gestalt.
Der Justitiar wirkte
bei Abwesenheit des Königs als dessen »alter ego«, überwachte
im übrigen (als einer der Barone
des Exchequer)
die oberste Finanzbehörde und war maßgeblich an der
Rechtsprechung beteiligt. Die Justitiare kamen meist aus dem royal service und waren von der
königlichen Patronage abhängig. Sie setzten je nach
Vorbildung und Neigung sowie nach der politischen Situation
unterschiedliche Schwerpunkte. Unter König
Heinrich II. hatten
zunächst nebeneinander Graf
Robert von Leicester
und der aus einer Ritter-Familie stammende Richard de Luci das Justitiariat inne. 1180 folgte der Jurist Ranulf de Glanvill, der sich
besonders der Reformen im Rechtswesen annahm. Die Justitiare der Könige Richard I. und Johann Ohneland traten
hauptsächlich als Administratoren hervor. Hubert Walter, gleichzeitig Erzbischof von Canterbury, baute
die Organisation des Exchequer
weiter aus. Die politischen Erschütterungen zu Anfang des
13. Jh. schwächten das Justitiars-Amt, wie sich von 1215/16 an
deutlich erkennen läßt. Hubert
de Burgh mußte in der Zeit der Vormundschaftsregierung
für Heinrich III. die Macht mit
anderen teilen. Fortan brauchte man keinen Vizeregenten mehr, weil der
König meist im Lande weilte. Deshalb wurde das Justitiars-Amt 1234 aufgehoben. Die
baronialen Reformer setzten 1258 nochmals einen Justitiar ein,
der als höchste Appellationsinstanz fungieren sollte. 1265 erlosch
das Justitiariat endgültig
(Despenser). - Die Inhaber des Amtes trugen wesentlich zur
Vereinheitlichung und Effizienz des königlichen
Behördenwesens bei. Die zeitweise praktizierte Verbindung von
weltlicher und geistlicher Amtsgewalt rief Kritik hervor. Im
Spät-Mittelalter wurde der Chancellor zum
»Nachfolger« des Justitiars.
b) Lokale Justitiare:
Wohl seit König Wilhelm II. wurden in vielen
englischen Grafschaften Justitiare eingesetzt, die zusammen mit dem Sheriff
das Gerichtswesen kontrollieren sollten. Solche Amtsträger lassen
sich bis in die ersten Jahre
Heinrichs II.
nachweisen.
K. Schnith