COUNCIL, GREAT
Lexikon des Mittelalters:
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Council, Great
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Mit der Bezeichnung des »Great Council«
wurden in England verschiedene Typen
großer Versammlungen bezeichnet, am häufigsten und
regelmäßigsten jedoch eine bestimmte Versammlungsart, welche
die gleichen Wurzeln wie das Parliament hat und bis zur
Mitte des 14. Jh. diesem wohl auch sehr ähnlich war.
Es gab in
England, ebenso wie in anderen westeuropäischen Ländern, eine
alte Tradition königlicher Beratungen mit einflußreichen und
hochrangigen Männern über aktuelle politische
Angelegenheiten. Am Ende des 13. Jh. wurde die größte und
durch Verfahrensregeln besonders geprägte Versammlung dieser Art
als »Parliament« (parliamentum) bezeichnet, doch
fanden auch weiterhin andere Versammlungen unter anderen Bezeichnungen
statt.
In den dreißiger und vierziger Jahren des 14. Jh. hießen
diese Versammlungen üblicherweise »Councils«, doch wurden sie
auch schon Great Councils genannt; und in den
fünfziger Jahren wurde dies die übliche Bezeichnung - wohl
zur Unterscheidung dieser Versammlungen mit großer
Teilnehmerschaft vom dauernd tagenden (engen) Rat des Königs (Council,
King's). In dieser Zeit ähnelte ein Great Council nach
seinem Teilnehmerkreis und seinem Aufgabenbereich noch stark einem Parliament. Während im Zentrum
der Verhandlungen des Parliaments
jedoch Fragen der Steuerbewilligung und Gesetzgebung standen, hatten im
Great Council die
Belange des Königs größeres Gewicht, und insbesondere
war der König hier wahrscheinlich nicht verpflichtet, private
Petitionen anzunehmen oder sich zu ihnen zu äußern - doch
ist diese Unterscheidung umstritten. Von ca. 1350 an prägten sich Parliament und Great Council in
unterschiedlicher Weise aus:
Entwickelte sich das Parliament
in Richtung einer Repräsentativversammlung der Nation, so wurde
der Great Council mehr zu
einer erweiterten Sitzung des königlichen Council. Die Ladung zum Parliament erfolgte mittels
serienmäßiger lateinischer Briefe mit großem Siegel,
die Ladung zum Great Council mit
französischen, später englischen Briefen mit Privatsiegel (Privy Seal). Bei einigen
Anlässen, letztmals im Jahre 1401, wurden Vertreter von
Grafschaften und Städten zu Great Councils einberufen, so daß die
Versammlungen ca. 200-300 Teilnehmer umfaßten; in der Regel
wurden aber nur 30-40 ausgewählte geistliche und weltliche Lords, Ratsmitglieder und Beamte
gelanden. Die Funktionen des Great Council
wandelten sich in dem Maße, wie die Kompetenzen des Parliaments deutlichere Umrisse
gewannen. So hatten zunächst die Great Councils oft
Steuern genehmigt und zum Beispiel 1371 eine Parochialsteuer
erhöht, die ein Parliament bewilligt
hatte. 1378 aber erklärte ein Great Council,
daß allein das Parliament
das Steuerbewilligungsrecht ausübe, was auch in der Folge nie mehr
in Frage gestellt wurde. Der Great Council war nun
eine Versammlung, in welcher innere Staatsangelegenheiten,
auswärtige Beziehungen, Kriege, Finanzfragen usw. diskutiert
wurden. König Heinrich V. erörterte
die Beziehungen zu Frankreich in zwei Great Councils, bevor
er 1415 die Kriegserklärung beschloß; in den fünfziger
Jahren des 15. Jh. wurde mehr als ein Dutzend Great Councils
abgehalten, auf denen die katastrophale politische Situation diskutiert
wurde. Ein Great Council war nie
eine stark formalisierte Institution, der Teilnehmerkreis war niemals
festgelegt. Die Tagungen sind unzureichend dokumentiert; doch zeigt
etwa die Tatsache, daß im 15. Jh. mehr Great Councils als Parliaments abgehalten wurden,
seine Bedeutung.
Die Bezeichnung »Great Council«
hatte auch noch andere Bedeutungen: Vom 12. Jh. an bezeichnete dieser
Begriff in den Chroniken anscheinend jede große Versammlung. In
den »Provisions of Oxford«
(1258) wurde mit Great Council eine
Körperschaft bezeichnet, die mehr Autorität genoß, als
die dem König dienenden Räte, sich aber vom Parliament unterschied. Vom 14. Jh.
an wurde die Bezeichnung oft auf die Lords
im Parliament angewandt, im
späten 14. und frühen 15. Jh. ebenso auf den King's Council, sofern er extra
einberufen und zahlenmäßig erweitert worden war (zum
Beispiel im Parliament 1377
und 1404).
A.L. Brown