"Sächsischer Stammesadel und fränkischer Reichsadel"
Wie früh schon Besitz und Rechte selbst am gleichen
Ort verzahnt waren, zeigen die Verhältnisse in Wendhausen. In der
Vita Liutbirgae (c. 35) wird erwähnt, daß hier zwei Brüder,
Frideric
und Adalgar, beide Grafen, gemeinsam ein Haus besaßen. Der
Name des ersten weist in den immedingischen Umkreis, der des zweiten
stammt aus einer Sippe, in der -dag- und -ger-Namen ursprünglich bestimmend
waren (sogenannte Ricdag-Sippe). Da wir uns nun schon im Zeitalter
der allgemeinen Nachbenennung befinden, ist eine sichere Entscheidung,
welchem Geschlecht sie im Mannesstamm angehören, vorerst unmöglich.
Dennoch ist die Vermutung, daß sie zum IMMEDINGER-Geschlecht
zu rechnen seien, noch am besten zu begründen. Die IMMEDINGER
hatten bis ins 11. Jahrhundert in dieser Gegend beträchtlichen Besitz.
Noch Meinwerk von Paderborn konnte hier zwei Haupthöfe (Hötensleben
und Wackersleben, Kr. Neuhaldensleben) an sein Bistum verschenken. Und
die sogenannten Haldenslebener
Grafen sind schon von R. Schölkopf mit Recht in Beziehung zu den
IMMERDINGERN
gebracht worden. Auch die sonstige Namenstradition der Familie Friedrichs
und Adalgers, der sogenannten Harzgrafen, weist einen immedingischen
Einschlag auf. Adalger
selbst war Graf im stark immedingisch bestimmten Liesgau
[MGH D Arn 55 (889). Vgl. zu den Harzgrafen
weiteres unten bei Anm.
2916], wo ihn König
ARNULF 889 die Königshöfe Wulften und Kalefeld
schenkt. Dagegen wird der Komitat Friedrichs im Harzgau selbst gesucht
[Als Tradenten kennen wir ihn nur aus dem nördlich angrenzenden pagus
Derlingen (Trad. Corb. A § 188/B § 413 in Lauingen). Am gleichen
Ort tradiert etwa 1003 ein Thiadricus comes (Trad. Corb. A §
425 c), der wohl mit dem WETTINER Dedi
(+ 1009), dem Schwiegersohn des IMMERDINGERS Markgraf
Dietrich ("von Haldensleben"), zu identifizieren ist. - Daß
seine Frau Bia eine Tochter des Grafen
Ricdag und der Emhilde
gewesen ist, wie K. A. Eckhardt,
Genealogische Funde zur allgemeinen Geschichte (10963) Seite 84 meint,
um das Vorkommen des Namens Ricdag in dieser Familie zu erklären,
ist möglich, erklärt aber wieder nicht den Namen seines Bruders
Adalger,
der ebenfalls aus der Ricdag-Sippe stammt. Da eine Schwester der
Königin
Mathilde ebenfalls
Bia
hieß, ist auch eine Verschwägerung mit dem westlichen IMMEDINGER-Zweig
möglich.], weil man in der Folge weitere Grafen dieses Namens dort
zu finden glaubte. Daß freilich bereits jener Friedrich,
der mit seinen Söhnen Folcmar und Richbert
945 vier
Orte im ostsaalischen Serimunt, im Komitat Christians, von
OTTO
I. geschenkt erhielt, Graf gewesen sei, wird weder aus dieser
Urkunde noch aus einer älteren von 937 [MGH DO I 17. Dieser Friedrich
könnte mit dem der Urkunde OTTOS I.
für Hersfeld (MGH DO I 96, 948) identisch sein, dessen ehemaligen
Besitz in Franken nördlich des Mains, darunter gerade auch aus Karsbach,
er an Hersfeld vertauscht.] zu erschließen sein, in der
OTTO I. Friedrichs Mutter, der Matrone Bia Besitz in
Giersleben im Schwabengau, ebenfalls im Komitat Christians,
übereignete. Der Name des anderen Sohnes Richbert zeigt - wenn
er nicht auch bei den IMMEDINGERN gebräuchlich war, was nicht
ganz sicher ist - unter Umständen die Versippung mit der Familie Unwans
und Gislas an, die mit dem Sohn Richarts, Ricbert, um 824 den ersten bekannten
Grafen in dieser Gegend neben den IMMEDINGERN Immad und Thuring
stellte. Daher könnten an sich die 955 in einer Urkunde genannten
Harzgaugrafen
Unego und Friedrich
zu einer Familie gehören, unter Umständen Brüder sein. Der
Name Unego/Uneco/Unico ist Koseform für Unwan, die auch für den
der nächsten Generation angehörenden Erzbischof
Unwan von Bremen gebraucht wird. Von dem Bremer Metropoliten sagt Adam
bereits ausdrücklich, er sei clarissimo genre Immedingorum oriundus
[1839 Adam von Bremen II 47 (45).]. Es ist also nicht ausgeschlossen,
daß der Name Unwan bereits vorher in der Sippe der immedingischen
Harzgaugrafen heimisch geworden ist. Darauf könnte auch die Tatsache
weisen, daß Uneco gemeinsam mit dem Kleriker
Ziazo, dem späteren Kanzler und Sohne Brunos
und Frideruns, den R. Schölkopf [1840 R. Schölkopf
(wie Anm. 948) Seite 87f.] zu den Harzgrafen rechnet (was aber wohl
nur für die mütterliche Seite stimmt), vor 1006 die Arneburg
in der Altmark besessen hat [1841 MGH DH II 111. Vgl. unten bei
Anm. 3356.]
Dennoch spricht mehr dafür, in dem Grafen Unwan/Unego
noch
einen Agnaten der Nachkommen Unwans und der Hessi-Tochter Gisla zu sehen.
Seine Grafenrechte erstreckten sich nicht nur über den Harzgau,
sondern auch auf das Gebiet westlich der Oker, wo Werla 1010 in seiner
Grafschaft liegt [1842 MGH DH II 222.]. In der Mitte des 11. Jahrhunderts
wird dieser Gesamtbereich von Grafen beherrscht, deren Namen noch durchaus
in die Tradition des karolingischen
Unwan gehören: Adalhard im pagus Lera [1843 MGH DHIII
311 (1153).], Christian und Bernhard
in "Valon et Hardagao" [1844 MGH DH IV 1069. Vgl. für Bernhard
DH III 281 (1052).], deren Nachfolger Iso auch ein Isanhard sein kann.
Wenn der letztgenannte Bernhard
andrerseits mit Recht als der Großvater LOTHARS
VON SÜPPLINGENBURG gilt, so kann folgerichtig nur geschlossen
werden, daß dieser Herrscher eben doch nicht der homo novus
war, der einer aufsteigenden und bald absterbenden Familie angehörte,
als den ihn die herrschende Meinung weithin sah. Als Repräsentant
einer Familie mit alten Traditionen und erlauchten Ahnen erscheint sein
Aufstieg zum Königtum dann weniger spektakulär. Nun gilt jedoch
seit einiger Zeit als Vater Bernhards jener Graf
Liutger, der von 1013 bis 1031 in etwa dem gleichen Raum amtiert
wie der SÜPPLINGENBURGER
späterhin [1846 Vgl. H. W. Voigt, Das Herzogtum Lothars von
Süpplingenburg (1959), Seite 140 noch mit der nötigen Vorsicht,
die von der auf ihm beruhenden Literatur vielfach aufgegeben wird. Die
genealogische Verbindung zu dem wohl zum Walbecker Haus gehörenden
Grafen Lutherus (1049/53), dem LOTHAR wohl
seinen Namen verdankt und dessen Grafschaft in pago Northuringon et
in pago Derlingon am gleichen Tage (17.1.1052) wie die Bernhards
an Halberstadt übertragen wurde (MGH DH II 280), wird wahrscheinlich
über die uns unbekannte Mutter Bernhards gehen.]. Doch kann
aus derartigen Verhältnissen nicht zwingend auf eine agnatische Folge
geschlossen werden, da hier Rechte der Unwan-Familie und der Harzgrafen
mit immedingischer Tradition weithin im Gemenge lagen. Daß
jedoch Bernhard auch deren Grafenrechte wenigstens zum Teil übernommen
hat, ergibt sich aus den Verhältnissen in Drübeck, das in seiner
Grafschaft liegt [1847 MGH DH IV 32 (1058); vgl. H. W. Vogt (wie
Anm. 1846) Seite 136 Anm. 5.]. Das Kloster Drübeck ist nun von den
Brüdern Theti (Dietrich) und Wigger einige Zeit vor dem 10. September
960 gegründet worden [1848 Das ergibt sich aus der Urkunde
OTTOS
I. für Drübbeck (MGH DO I 217, 960); vgl. DO II
225 (980), wo der comes Vuicherus genannt wird. Die angebliche Gründungsurkunde
MGH DLdJ 26 (877) ist eine Fälschung. Vgl. dazu K. H. Eckhardt (wie
Anm. 1832) Seite 74f.]. Die Namen entsprechen denen, die wir bei den Harzgrafen
immedingischer Tradition zu erwarten haben. Dietrich als IMMEDINGER-Name
ist uns geläufig, und Wigger gehört zu der -ger-Namengruppe der
Ricdag-Sippe,
für die wir schon in Adalger
ein Beispiel für diese Familie kennenlernten. Theti wird von K. A.
Eckhardt mit dem Dadi Thuring gleichgesetzt [1851 K. A. Eckhardt
(wie Anm. 1832) Seite 75.], der 949 im Hassegau Graf war und den wir den
IMMEDINGERN
zugeordnet
haben [1852 Vgl. oben Seite 134ff.]. Wir können jedoch auch
an den Markgrafen
Dietrich ("von Haldensleben") denken, der vielleicht ein
Sohn des Dadi war. 1002 war in dieser Gegend wieder ein Ricbert
(Ippo) Graf [1853 Die sprachlichen Bedenken, die R. Schölkopf
(wie Anm. 948) Seite 166 gegen die Gleichsetzung von Ricbert und
Ippo erhebt, sind unbegründet.]. Er war, wie Thietmar vonn Merseburg
berichtet (V 3) berichtet, von OTTO
III. abgesetzt worden. Thietmars Vaterbruder, der Markgraf
Liuthar, ist dann nach dem Thronwechsel mit Ricbert,
der sein avunculus war, zu HEINRICH
II. nach Bamberg gegangen und hat dessen Wiedereinsetzung
erreicht. Anstatt Ricberts hattte OTTO
III. nun Liudger,
einen miles des Bischofs Arnulf von Halberstadt, mit Ricberts
Grafschaft belehnt. Dieser Liudger, dessen Name ursprünglich
auch in die erwähnte -ger-Gruppe der Ricdag-Sippe gehört,
hat dann aber offenbar nach dem Tode Ricberts, der bis 1009 genannt
wird [1854 MGH DH II 46 (1003); DH II 205 (1009). - Daß
dieser Liutger zur Harzgrafen-Familie gehörte, wird
aus einer Urkunde KONRADS
II. vom 2.4.1035 deutlich, nach der der Ort der Germarmark
in
comitatu Lutegri comitis lag. Da die Germarmark zur Grafschaft
der BILSTEINER gehörte, die von Wigger, dem Mitbegründer von
Drübeck abzustammen scheinen und bei denen die Leitnamen Wigger und
Rugger (Rutger) beliebt sind, emendiert K. A. Eckhardt (wie Anm. 1007a)
Seite 56 diesen Luteger wohl ohne zwingenden Grund zu einem Rugger um.],
doch noch dessen Nachfolge angetreten, in der er von 1013 bis 1031 erwähnt
wird. Er dürfte, seinem Namen nach zu urteilen, zu den Harzgrafen
gehört haben. Ob der zwischen 961 und 1000 bezeugte Graf
Friedrich sein Vater war, mag dahingestellt bleiben, auch ob dieser
Graf mit dem Pfalzgrafen Friedrich (995-1002) identisch war [1855
K.
A. Eckhardt (wie Anm. 1832) Seite 84 lehnt gegen die herrschende Meinung
eine Identität ab. Im Lichte des hier dargestellten Sachverhalts sind
seine Gründe dafür jedoch nicht tragfähig.]. Daß der
letztere ein IMMEDINGER war, wird freilich schon dadurch nahegelegt,
daß er der Nachfolger des IMMEDINGERS Dietrich
(+ 995) [1856 Vgl. unten bei Anm. 3385 und bei Anm. 1301.]
in der Würde der Pfalzgrafen wurde. Der Vater Rikberts war
ein Brun,
der gleichzeitig der Großvater Bruns von Querfurt (mart.
1009) war, dessen Brüder Dietrich und Wilhelm wiederum
die schon bekannten IMMEDINGER-Namen tragen [1857 Vgl. R.
Schölkopf (wie Anm. 948) Seite 88f. und Stammtafel zur Genealogie
der Harzgrafen.].
Die Großmutter Thietmars von Merseburg Mathilde
war eine Schwester dieses Ricbert. Daher konnte Thietmar (VI 94)
Brun von Querfurt als amicius mihi consanguinitate bezeichnen.
Da nun Graf
Bernhard, der Großvater LOTHARS
VON SÜPPLINGENBURG, Ida
von Querfurt, die Nichte Bruns und Großnichte Ricberts,
zur Ehe genommen hat, die ihrem Sohn den Namen ihres Vaters Gebhard
gab, kann auch die Nachfolge Bernhards in bestimmten Grafenrechten
Ricberts/Liudgers
durch
diesen Zusammenhang erklärt werden, ohne daß man Liudger
zum
Vater Bernhards zu machen braucht. Wenn Vogt [1858 H. W.
Vogt (wie Anm. 1846) Seite 66f., 141.] wohl mit Recht die Stammsitze
LOTHARS,
Süpplingenburg und Königslutter, aus HALDENSLEBENER
Erbe herleitet, das LOTHARS Vater Gebhard
mit Hedwig
von Formbach, der Enkelin Konrads
von Haldensleben, verheiratet hat, wird deutlich, wieviel von den
Machtgrundlagen der Familie auch aus immedingischen Voraussetzungen
zu erklären ist.
Die Namen der immedingischen Harzgrafen-Sippe,
bei der außer dem Namen Ricdag schon seit der zweiten Hälfte
des 9. Jahrhunderts auch eine Reihe von -ger-Namen der Ricdag-Sippe
(Adalger,
Wigger, Liudger) zu finden waren, deutete schon auf die Vereinigung zweier
Hausüberlieferungen hin, die durch die Übernahme des Namens
Ricbert
aus der Unwan-Familie der BILLINGE noch ergänzt werden. Es ist jedoch
ein Fehlurteil gewesen, jenen Ricbert (+ vor 944), dessen
Frau Helmburg
das Kloster Fischbeck stiftete und
970 Äbtissin von Hilwartshausen wurde [1859 Vgl. H.
W. Krumwiede, Das Stift Fischbeck an der Weser. Untersuchungen zur Frühgeschichte
955-1158 (1955). R. Schölkopf (wie Anm. 948) Seite 90ff.], dieser
Harzgrafen-Sippe
selbst zuzuordnen. Die Namen der Söhne des Paares, Eberhard, Richard
und Alfdag, rechtfertigen eine solche Maßnahme nicht. Denn Eberhard
und Richard gehören noch in den Zusammenhang der Unwan-Famiulie. Der
erste Graf Ricbert in Sachsen war wohl sogar ein Sohn eines Richard,
wie wir gesehen haben [1860 Vgl. oben bei Anm. 1618f. und bei Anm.
1650.]. Der Name des Alfdag weist zwar in die Ricdag-Sippe, kann jedoch
leicht erklärt werden, wenn wir mit H. Goetting annehmen, daß
die Tochter Aeddilas, Hemma, die bis 990 Äbtissin in Hilwartshausenn
war, mit Helmburg identisch ist, was sich namenkundlich durchaus
rechtfertigen läßt. Wir hätten also nicht eine Abfolge
der Äbtissinnen - Helmburg 970-973 und Hemma 973-990
- anzunehmen, sondern Helmburg/Hemma hätte von 970 bis 990
dem Weserkloster vorgestanden. Bei dieser Annahme würde Helmburg
die
Tochter Bunicos und Nichte Helmdags und wäre dammit
eine Angehörige der Ricdag-Sippe selbst, was den Namen Alfdag
zureichend erklärt.
Die Behandlung der Harzgrafen
und
ihrer immedingischen Vorfahren ist deshalb besonders wichtig, weil
in neuerer Zeit K. A. Eckhardt die WETTINER
als
Harzgrafen-Zweig angesprochen hat
[2955c K. A. Eckhardt (wie Anm. 1832) Seite 64ff.]. Sehen wir uns
die Namen der ältesten WETTINER an (Dietrich,
Dedi,
Friedrich,
Ricdag)
[2955d Vgl. Thietmar VI 50 (34).], so scheint das auf den ersten
Blick auch von unserem Standpunkt durchaus akzeptabel. Dennoch müssen
wir uns für einen cognatischen Zusammenhang entscheiden. Denn Thietmar
von Merseburg gibt uns meines Erachtens genauere Auskunft [2956 Thietmar
VI 50 (34). ]. Er schreibt, sie stammten
de tribu, quae
Bucici dicitur. K. A. Eckhardt versucht dieser Schwierigkeit mit
einer Hypothesenhäufung aus dem Weg zu gehen, die von slawistischem
Standpunkt aus unmöglich ist. Einmal muß er gegen den sonstigen
Sprachgebrauch annehmen, dass tribus hier nicht "Stamm, Geschlecht" bedeutet,
sondern "Heimat" [2957 A. a. O. Seite 70]. Dann konstruiert er einen
unmöglichen Lautwandel von Q - B, weil er den pagus Quezizi, der in
der Grafschaft des WETTINERS Friedrich
von Eilenburg lag als diese Heimat ansieht, von der das Geschlecht
seinen Namen erhielt. Abgesehen davon, dass Quezizi seiner Bildung nach
ebenso ein patronymischer Personengruppenname war wie Bucici und dass die
WETTINER
erst seit eben diesem Friedrich diesen Raum beherrschten, stammen
die späteren WETTINER aber auch nicht von Friedrich,
sondern von dessen Bruder Dedi
ab. Wir müssen also Thietmar mehr Glauben schenken und mit der herrschenden
Meinung annehmen, dass die
WETTINER von einem Buco
(= Burkhard)
abstammten. Doch wird man dabei nicht mit der bisherigen
allgemeinen Auffassung annehmen dürfen, dass mit diesem Burghard
jener thüringische Mark-Herzog gemeint sei, der die POPPONEN in dieser
Funktion ablöste [2858
So noch R. Schölkopf (wie Anm.
948) Seite 98ff. und Stammtafel Burchardinger.]. Dagegen hat schon W. Schlesinger
mit guten Gründen Einspruch erhoben [2959 W. Schlesinger (wie
Anm. 2222) Seite 169.].
Die Lösung muß meines Erachtens in ganz anderer
Richtung gesucht werden, wobei wir einen kleinen Umweg einschlagen müssen.
H. Decker-Hauff hat auf einen Pfäferser Gedenkbucheintrag
von 950/51 aufmerksam gemacht [2960 H. Decker-Hauff, Die Ottonen
und Schwaben, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte
14 (1955) Seite 247ff.], der König
HEINRICH I.,
OTTO I.,
seine Brüder
Herzog
Heinrich von Bayern, Erzbischof
Brun von Köln, seinen Schwiegersohn Konrad
den Roten, seinen Sohn Herzog
Liudolf von Schwaben, dessen Schwiegervater, den KONRADINERHermann
I. von Schwaben, einen weiteren Heriman, Reginlinde,
die Gemahlin Herzog
Burkhards I. von Schwaben und dann Herzog Hermanns I., Idadie
Tochter Hermanns I. und der Reginlinde, sowie noch Keila
(= Gisela), Hicha und einen Wernarius enthält.
Für uns ist der Nachtrag wichtig (von 950/53):
Wieldrut
Purchardus du(x)
Purchardus
Herm...
Hamelrich
Der Burchardus dux wird dabei mit Herzog Burkhard
I. von Schwaben identidfiziert (+ 926) und der zweite
Purchardus mit dessen Sohn, der 954 Herzog in Schwaben wurde und
ziemlich gleichzeitig, fast 50 Jahre alt, die junge Hadwig
von Bayern heiratete. Nun weist Decker-Hauff [2961
H. Decker-Hauff (wie Anm. 2960) Seite 253.] ganz richtig darauf hin, dass
es unter den damaligen Bedingungen ganz unwahrscheinlich ist, dass dies
die 1. Ehe Burkhards II. war. Er schließt daraus, dass die
im Nachtrag genannte Wieltrud seine erste Gemahlin und Hermann
und
Hamelrich
seine Söhne waren.
Die Prüfung der Handschrift selbst durch G. Tellenbach
läßt hier Korrekturen und Ergänzungen notwendig werden
[2962 G. Tellenbach, Kritische Studien zur großfränkischen
und alemannischen Adelsgeschichte, inn Zeitschrift für württembergische
Landesgeschichte 15 (1956) Seite 174ff. mit Kaksimile gegenüber Seite
168.]. Einmal müssem Herm... und Hamelrich einem anderen Eintrag zugewiesen
werden. Wieldrut dagegen ist ein erster Nachtrag zur Gruppe der
Frauennamen, denen noch vielleicht von der ersten Hand aber in einem neuen
Ansatz Purchardus dux und Purchardus angefügt wurden.
Dafür gehören aber in der Männerkolonne unter dem zweiten
Hermann eine Reihe von Namen zum ursprünglichen Eintrag, die mit Rihtag
beginnt
und mit Thiemr (wohl = Thietmar,
dem Vater Geros
und des Sigefridus
legatus), Sigifredis (= Sigefridus legatus oder unbekannter
Bruder Thietmars), Purchardus und zehn weiteren Namen, die
hier beiseite bleiben können, fortfährt. Wichtig ist, dass bei
dieser Kolonne der Name Keroho (Gero) nachträglich an
die Seite geklemmt wurde. Mit einer anderen Feder, aber von gleicher Hand
sind in dieser Kolonne dann noch die Namen Bernhard, Hodo, Meinwerh,
Herim(ann), Tiotmarus, Kerardus, Hunoldus, Brunis angefügt. Es ist
deutlich, dass hier die Beziehung der mit den OTTONEN
versippten Familie des Markgrafen Gero [2963 Vgl. unten bei
Anm. 3412.], die Gruppe der in die Harzgrafen-Familie
eingegangenen Namen der Ricdag-Sippe (Rihtac) und der IMMEDINGER
(Meinwerh) mit den schwäbischen BURKHARDEN Beziehungen
gerechnet werden.
Vergleichen wir aber nun damit das, was wir über
die Verschwägerung der schwäbischen BURKHARDINGER mit
den immedingischen Liesgaugrafen, die wohl mit den Harzgrafen
zusammen zu sehen sind (Unwan als Erbe im Liesgau, Friedrich
als Nachfolger Pfalzgraf
Dietrichs), schon oben [2964 Vgl. oben bei Anm. 1211ff.,
wo die Namenkombination Burkhard/Bertha/Gisela schon
eigentlich kaum mehr daran zweifeln ließ. Die Beziehung dieser Gruppe
wird auch in dem Eintrag Markgraf Geros in St. Gallen, den K. Schmid
in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 108 (1960) Seite 211ff,
analysiert hat, sehr deutlich. Hier finden wir neben den Namen der Familie
des Markgrafen wiederum die Namen Uueldrut, Purghart nebeneinander
genannt, aus Gründen, die wir im nächsten Kapitel erörtern
werden (bei Anm. 2314). In einem der von K. Schmid damit verglichenen
verwandten Reichenauer Einträge ist auch Pernhart, in einem zweiten
dessen Vater Wichard (Uuihart) wieder aufgeführt.] feststellen konnten,
bleibt kein Zweifel. Der Liesgaugraf Burkhard muß mit den
schwäbischen Herzögen zusammenhängen. Als weiteres Argument
muß der Name Wieldrut dienen, der wie der Burkhards
(mit Ausnahme des EKBERTINERS im 9. Jahrhundert) in Sachsen überhaupt
nicht vorkommt und nun dort als Name der Mutter des Grafen Bernhard
auftaucht, der in Duderstadt, das manche zum Liesgau zählen, vielleicht
als Nachfolger Burkhards amtiert [2965 Vgl. MGH DO II 78
(974); Trad. Corb. A § 302/B § 41 (etwa 972); Bernhard
mit Mutter Weltrud und Vater Widugo (Wichard).]. Ein Ber(n)hart
erscheint denn auch richtig im Nachtrag des Pfäferser Eintrags. Wie
schon Tellenbach bemerkte [2966 G. Tellenbach (wie Anm. 2962) Seite
175.], besteht kein Anlaß, in Wieldrut die erste Gemahlin
Burkhards II. zu sehen. Er hält sie für eine Verwandte. Vielleicht
war sie eine Schwester Burkhards I. Sie steht vor ihm im Eintrag.
Damit würden sich auch die besitzgeschichtlichen Verhältnisse
im Liesgau am besten in Einklang bringen lassen.
So wie sich die Quellen auf diese Weise zusammenordnen,
wird man daher auf folgende Vermutung geführt. Burkhard
II. wurde nach dem Tod seines Vaters 926 nach Sachsen verbracht
und dort mit einer
IMMEDINGERIN
vermählt, um die Kreise des
neuen Herzogs
Hermann in Schwaben nicht zu stören. Der "Sachse"
Burkhard, der 950 jenen Zweikampf in Worms zugunsten einer OTTTONEN-Prinzessin
ausfocht, mag sein Sohn gewesen sein, der dann 965 als Graf im Liesgau
bezeugt
ist [2967 MGH DO I 312.]. Er ist mit seinem Bruder Dedi
(Dietrich), der seinen Namen von der immedingischen Mutter
vermittelt erhielt, 982 in Calabrien gegen die Araber gefallen [2968
Es geht aus der Thietmarstelle (III 20) zwar nicht ausdrücklich
hervor, daß die unter den Gefallenen genannten Burchard und
Dedi
Brüder waren (... Ecelinus eiusque fratrem Becelinum cum Burchardo
et Dedi ac Conrado ceterisque...), aber sie sind doch auf so
enge Weise zusammengefaßt und von den anderen abgehoben, daß
ich gegen Eckhardt an der herrschenden Meinung festahlten möchte.].
Burkhard
hatte eine Emme zur Frau, zu deren
Gunsten er etwa 968 in der Gegend von Lüdge, woher sie stammte, eine
Schenkung an Corvey machte [2970 Trad. Corb. A § 282/ B §
21 (etwa 968); + Breka bei Lüdge, + Aschem zwischen Lügde und
Elbrinxen. Vgl. oben bei Anm. 1872.].
Der Kurzname Burkhards, Bucco, hat sich
im Namen des Ortes Buensen (Bukkenhausen) südöstlich von Einbeck
erhalten, wo um 1100 eine edle Frau mit uns aus dieser Familie nun vertrauten
Namen Berta dem Kloster Helmarshausen zwei Hufen verkaufte [2971
F. Pfaff, Die Abtei Helmarshausen, in: Zeitschrift des Vereins für
hessische Geschichte und Landeskunde 45 (1911) Seite 23.]. Doch haben die
BURKHARDINGER
- wohl durch die Katastrophe in Italien bedingt - im Liesgau ihre Position
wieder an die IMMEDINGER abgeben müssen (Graf
Sigbert). Wohl durch eine Tochter Sigberts ist dann die
Grafschaft zum Teil an die stadischen KATLENBURGER
gekommen, die den Leitnamen Dietrich nun zu dem ihren machten [2972
Vgl. oben bei Anm. 1217.].
Dedi,
der Sohn des 982 gefallenen gleichnamigen Vaters, hat im Jahr darauf mit
einem böhmischen Heer Zeitz ausgeraubt [2973 Thietmar III 18;
IV 50 (34).]. Sein Tätigkeitsfeld lag noch immer im Harzgau,
während sein Bruder Aufgaben im Sorbenland erfüllte. Ob der agnatus
der beiden [2974 Thietmar IV 50 (34).], der Markgraf
Ricdag, ein Sohn des Liesgaugrafen Burkhard
war oder von
einem dritten Bruder abstammte, läßt sich nicht sagen. Sein
schon in Pfäfers genannter Name, der ihn wohl noch nicht persönlich
meint, darf doch als Bestätigung der Aussage Thietmars angesehen werden.
Die Aussage des Sachsenspiegels, die wettinischen
Markgrafen von Meißen seien Schwaben, wird sich also nicht auf eine
Herkunft aus dem Schwabengau (Suevon) an der Bode, wo Markgraf Ricdag
allerdings
Grafenrechte ausübte, beziehen, sondern wird in ihrer Abstammung vom
schwäbischen Herzogshaus der BURKHARDINGER
begründet sein. Gleichzeitig erweist sich auch die Nachricht der Altceller
Annalen aus dem 14. Jahrhundert, dass Herzog Widukind der Vorfahr der WETTINERwar
[2975 Vgl. dazu O. Posse, Die Markgrafen von Meißen und das
Haus Wettin bis zu Konrad dem Großen (1881) Seite 215f. mit Anm.
11.], als nicht ganz unbegründet, und wenn sie traditio domestica
wurde oder blieb (bis Anfang des 18. Jahrhunderts), war das nur in dem
Sinne falsch, dass die WETTINER nicht Agnaten, sondern über
die immedingisch-harzgräflichen
Verwandten der ersten Frau Burkhards
II. von Schwaben diese Tradition vermittelt erhielten. Gleichzeitig
mag die Übernahme dieser sächsischen Tradition es erklären,
dass der Name Burkhard nicht weiter als Leitname benutzt wurde,
während er bei den immedingischen Verwandten gelegentlich noch
auftaucht.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß der
einzige bekannte Hochadlige Sachsens im frühen Hochmittelalter, der
den Namen Karolus
trägt, ein Sohn des WETTINERS Ricdagwar,
der seinen Namen dem aus der Ricdag-Sippe stammenden Teil des Namensbestandes
der Harzgrafen verdankt [3016 Vgl. oben bei Anm. 2955 c ff. Dazu
H. Ludat, An Elbe und Oder um das Jahr 1000 (1971) Seite 86 mit Anm. 497)].
Die Frau des älteren
Ricdag jedoch, Emhild, soll, wie wir sahen, "karolingischer"
Herkunft gewesen sein [3017 Vgl. oben bei Anm. 2704.] Gleichzeitig
wissen wir aber, daß der Name Emhild auch bei der nibelungischen
-frid-Sippe verbreitet war. Eine Emhild war Schwester Ermanfrids [3018
CL
403 (781) Über die Beziehungen der -frid-Gruppe zu Emhild von Milz
vgl. Nibelungen-Exkurs Seite 501.] und damit auch Sigifrids.