"Die sächsischen Grafen 919-1024"
Die Sippe des Markgrafen Gero
Am 25. Juni 934 ließ HEINRICH
I. in Nordhausen auf Bitten des Grafen Heinrich eine Schenkungsurkunde
für einen Grafen
Siegfried ausstellen, die ihm den königlichen Besitz in Gröningen,
Kroppenstedt und Emmundorp in seiner Grafschaft zuwies. Graf Siegfried
wurde in dieser Urkunde als dilectus et fidelis comes bezeichnet.
Zwei Jahre später - 936 - errichtete Graf Siegfried
auf dem
geschenkten Besitz zu Westergröningen ein Kloster und übertrug
es dem Abt Folcmar von Corvey. Die Stiftungsurkunde führte aus, Graf
Siegfried habe sein Erbgut dem Kloster Westergrönningen
im Harzgau übertragen. Die Gründung sei pro rege gloriosissimo
videlicet
Henrico, cum serena
Machtilde
et regia prole
Oddone,
Henrico,
Brun,
Gerberg,
Haduwin,
nicht zuletzt für ihn selber und seine Gattin Jutta (Guthie)
erfolgt.
Die Fragmenta Corbeiensia, die im allgemeinen mit Vorsicht auszuwerten
sind, bringen die Notiz, dass das Dotationsgut Kroppenstedt, Wendlingen,
Gröningen und Kloster-Gröningen, Heteborn, Daldorf und den Wald
Hackel umfaßt habe, was durchaus glaubwürdig ist. Bemerkenswert
an der Gründungsurkunde ist die Aufführung der gesamten königlichen
Familie. Vielleicht stand dem guten Verhältnis des Grafen Siegfried
zum
Königshaus auch jene Intervention des zuvor genannten Grafen Heinrich
in Zusammenhang. Allem Anschein nach handelte es sich bei ihm um den BABENBERGER
Grafen Heinrich, der aus den Urkunden KONRADS
I. bekannt ist. Er war mit dem Grafen Heinrich identisch,
der in einem Diplom HEINRICHS I. fidelis
et dilectus comes et propinquus noster genannt wurde. Die Intervention
des fränkischen BABENBERGERS, der eine Hauptstütze
HEINRICHS
I. war, für den sächsischen Grafen besagt, dass Siegfried
in
guter Verbindung zu ihm stand. Vielleicht wurde das Verhältnis zwischen
Graf Heinrich und Siegfried durch dessen Gattin hergestellt. Ihre
Familie ist zwar unbekannt; ihr Name jedoch war besonders in Franken häufig
[Zu erinnern wäre etwa an Thietmars Großmutter mütterlicherseits,
die ebenfalls Judith hieß und Tochter des Grafen Udo von Rheinfranken
war.]. Über
Siegfried
läßt sich also zusammenfassend
folgendes aussagen: er wurde als Getreuer HEINRICHS
I. ausgezeichnet und beschenkt und stand dem Herrscherhaus nahe.
Der sächsische Annalist (a. 965) berichtet, der Graf Siegfried,
der
mit seinem Erbgut seine Klostergründung in Gröningen ausgestattet
habe, sei ein Bruder des Markgrafen
Gero
gewesen. Damit werden alle Argumente entkräftet, auf
die sich die Behauptungen stützen,
Gero sei ein homo novus
gewesen. Gero muß als Mitglied einer gräflichen Familie
anerkannt werden, die schon unter HEINRICH I.
engste Beziehungen zum Herrscherhaus unterhielt.
Gero wurde Nachfolger seines Bruders, der nach
936, dem Datum seiner letzten Erwähnung, und vor 941 starb. Zu diesem
Zeitpunkt amtierte nämlich Gero
schon im Herrschaftsgebiet seines Bruders. Noch zu Lebzeiten Siegfrieds
ist
Gero
als Graf im Nordthüringgau
bezeugt, in dem Biere, Unseburg
und Schwanenberg in seinem Comitat lagen. Seit 941 verwaltete er nachweislich
eine Grafschaft im Schwabengau, in der er zusammen mit seinem Sohn Siegfried,
einem Patenkind OTTOS DES GROSSEN,
ein bisheriges Lehn in Egeln und Wester-Egeln in freies Eigentum verwandelt
und dazu einen Wald im Hackel erhielt. Sein Eigentum im Nordthüringgau
vergrößerte er 944 um Turtlingen (wüst). 946 werden in
einer Schenkungsurkunde für das Kloster Magdeburg die Orte Borne,
Bisdorf, Mackstedt, Körlingen und Eggenstedt als in seiner Grafschaft
im Nordthüringgau gelegen erwähnt. Im gleichen Jahr schenkte
OTTO
I. an das Kloster Quedlinburg Hermsdorf und Leversdorf (wüst),
die seiner gräflichen Amtsgewalt im Nordthüringgau unterstanden.
Neben dem Schwaben- und dem Nordthüringgau verwaltete Gero im
Altland noch die sogenannte Magdeburger Mark, die einen Bezirk des Nordthüringgaues
bildete und unter anderem die Orte Frohse, Insleben, Harsdorf, Dudulon,
Tasdorf, Innenweddingen, Osterweddingen, Sülldorf, Ottersleben, Apendorf,
Rottersdorf, Buckau, Pretalitze (wüst), Trumpte (wüst), Wiersdorf
und Leversdorf umfaßte. Die gleichen Orte werden in dem Zeitraum
von 937-941 von den  Königsurkunden in der Grafschaft des Grafen
Thietmar erwähnt. Vermutlich übte
Gero
kraft seiner
Stellung als "Legat" eine Art Oberbefehl über
Thietmar aus,
der ihm als Grenzgraf zur Seite stand. Außerhalb des Altlandes, im
Gebiet östlich der Saale, erhielt Gero 945 die Dorfmark Trebnitz
in der Mark Zitici vom König als Eigentum zugewiesen. Schwabengau
und Nordthüringgau waren also die Ausgangspunkte seiner Machtstellung.
In diesen Gebieten lag auch die Hauptmasse seiner Eigengüter. Vermutlich
hatten schon seine Vorfahren hier gesessen und vielleicht auch ein Grafenamt
bekleidet. Das kann man auf Grund der Tatsache schließen, dass sein
Bruder Siegfried ebenfalls hier amtierte. Es ist denkbar, dass beide
die Stellung vom Vater übernommen hatten. Geros eigentliche
Macht beruhte jedoch nicht so sehr auf seinem Grafenamt als auf seiner
Stellung als Legat und Markgraf. 937 starb Legat Siegfried, dessen
Stellung unmittelbar darauf Gero übertragen wurde. Gero
stand vermutlich in keiner verwandtschaftlichen Beziehung zu ihm. In den
ersten Urkunden, die Gero bezeugen, wird er, obwohl er schon die
Stellung eines Legaten innehatte, nicht als legatus, sondern als comes
bezeichnet. Erst ab 941 führte er den Titel marchio, und zwar
selbst in Urkunden, die sich auf seine gräfliche Stellung im Altland
bezogen. 946 lautete sein Titel anläßlich einer Intervention
bei der Gründung des Bistums Havelberg - wo er als einziger weltlicher
Würdenträger Erwähnung findet - dux et marchio. Ebenso
hieß er 948, als er bei der Dotierung des Bistums Brandenburg intervenierte.
Er wird nur in diesen beiden Urkunden dux et marchio genannt, sonst
lediglich marchio.
Gero nahm vermutlich auf die Errichtung
der beiden Bistümer entscheidenden Einfluß. Möglicherweise
wurden ihm auch Vogteirechte übertragen. Otto von Heinemann sprach
von einer Stellung als Markenherzog. Er möchte diese Erhöhung
ausschließlich mit den kirchlichen Einrichtungen in Zusammenhang
sehen. Giesebrecht dagegen wollte die herzogliche Stellung nur auf eine
Ausdehnung seiner militärischen Befugnisse zurückführen.
Nach dem Stand der heutigen Forschung gilt als gesichert, dass der Titel
dux in jener Zeit nur im Sinne einer militärischen Führerstellung
verstanden werden kann. Geros Mark umfaßte die slawischen
Gebiete der Heveller, über die er in Erweiterung seines Auftrages
als Legat zum Markgraf gesetzt war. OTTO I.
beauftragte ihn mit dem Krieg gegen die Wendenstämme des Nordostens.
Geros
Mark
wird in zwei Urkunden bezeugt. In der ersten Urkunde heißt es: in
marca Geronis in terra Sclavorum in pago Heveldun. Gero verfügte
also über die südliche Wendenmark, die sogenannte Ostmark, die
sich an die Mark Hermann
Billungs anschloß und das Gebiet östlich der Elbe bis
zur Oder und im Süden bis an die Grenzen Böhmens umfaßte.
Thietmar nannte ihn deshalb Markgraf der Ostmark. Die Übertragung
der Mark bedeutet faktisch einen noch zu erfüllenden Auftrag. Das
Land mußte nämlich zum Teil erst in langen Kämpfen dem
Feinde abgerungen werden. 945 gelang ihm der Sieg über die Ukrer.
Die Unterwerfung der benachbarten Lusici und Selpuli, sowie die Besiegung
Herzogs
Miseco von Polen im Jahr 943 war ebenfalls seine Tat. Zugleich
mit seiner Stellung in der Ostmark dehnte
Gero seinen Eigenbesitz
nach Osten aus. 951 erhielt er vom Königs-Sohn
Liudolf Eigentum im Gau Serimunt geschenkt, und zwar die
Dorfmarken Wispitz und Wetlitz mit den darin liegenden Orten. Das Gut lag
an der Grenze zwischen Nordthüringgau, Schwabengau und Serimunt. Wahrscheinlich
erfolgte die Schenkung in der Absicht, Gero für die Partei
des aufständischen Königs-Sohnes zu gewinnen, eine Vermutung,
die durch die Intervention Herzog Konrads bestärkt wird. Gero
hielt
jedoch OTTO I. die Treue und rechtfertigte
somit das Vertrauen des Königs, der eine so große Macht in seine
Hände gelegt hatte. Er nahm sogar aktiv am Krieg gegen die Aufständischen
teil und war an der Seite des Königs bei der Belagerung von Regensburg.
967 intervenierte Gero bei einer Schenkung der drei Orte Schartau,
Grabow und Buckau an Magdeburg. Er besaß selber einen Hof in Magdeburg,
was wir aus der Urkunde von 965 erfahren. Er intervenierte noch mehrere
Male für Magdeburg. Von den zahlreichen Gauen, die Gero östlich
der Elbe verwaltete, ist er nur zweimal urkundlich im Gau Moroziani belegbar.
Gero
stand in einem sehr engen Verhältnis zum König, was aus zahlreichen
Zeugnissen hervorgeht. OTTO DER GROSSE
hob nicht nur seinen Sohn Siegfried
aus der Taufe, sondern überhäufte
Gero in den Urkunden
mit Ehrenbezeugungen, die bisher noch keinem zuteil geworden waren. So
heißt er: noster dilectus, noster fidelis marchio, noster dilectus
ac fidelis marchio, noster dilectissimus marchio. Widukind wies auf
die gemeinsame Teilnahme am Kampf hin und rühmte
Geros Erfahrenheit,
seinen Rat, seine Beredsamkeit, seine Kenntnisse, seine Freigiebigkeit
und seinen religiösen Eifer. Widukind, der ihn als vir magnus et
potens charakterisierte, nannte ihn vorwiegend comes oder praeses.
Thietmar gab ihm sogar den Beinamen "der Große": Gero,
qui magnus fuit, et sic nuncupabatur, was die Quedlinburger Annalen
(a. 1013) bestätigen. Thietmar ehrte ihn auch mit dem Ehrennamen defensor
patriae. Gero starb im hohen Alter am 20. Mai 965. Er bewahrte
der Nachwelt sein Andenken durch zwei Klosterstiftungen. Das Mönchskloster
zu Frohse wird vor 950 gegründet worden sein. In diesem Jahre
schenkte der König nämlich schon den Mönchen auf Bitten
des Markgrafen den Hof Hebanthrop und bezeichnete das Kloster als Eigenstiftung
Geros. Seine zweite Klostergründung war Gernrode,
das 961 unter Königsschutz gestellt wurde. Die Urkunde läßt
erkennen, dass es Gero und sein Sohn Siegfried neu errichteten
und mit beider gesamten Erbgut ausstatteten. Das Gründungsdatum muß
vor 961 liegen. Die Bestätigungsurkunde erwähnte nämlich,
dass Siegfried
gestorben sei und seine Gattin Hathui
den
Schleier genommen habe, um dem Kloster als Äbtissin vorzustehen. Im
gleichen Jahre wurde ihr das inzwischen in ein Nonnenkloster umgewandelte
Kloster Frohse unterstellt, wie eine Urkunde OTTOS
II. bestätigte. Die Urkunde für Gernrode ließ
die Stiftung zum Seelenheil des Königs und seines Sohnes et
pro et Sigifrido Geroneque erfolgen. Diese Stelle ist zugleich
der einzige Beweis für einen zweiten sonst unbekannten Sohn des Markgrafen,
der den Namen seines Vaters erhalten hatte. Ob er früh starb wie Siegfried,
bleibt ungewiß. Thietmar erwähnte Siegfried, den er als
vir illustris bezeichnet, zwar als einzigen Sohn. Auch der sächsische
Annalist (a. 965) verwies nur auf Siegfried. Er wird um 959 gestorben
sein, was sich aus folgender Überlegung ermitteln läßt:
Thietmar berichtete, dass Hathui, die im jugendlichen Alter von
13 Jahren dem Grafen Siegfried vermählt wurde, dem Kloster
55 Jahre lang als Äbtissin vorgestanden habe und am 4. Juli 1014 gestorben
sei. Hathui war eine Tochter des BILLUNGERS
Wichmanns
des Älteren und somit eine Nichte des sächsischen
Herzogs Hermann Billung. Zugleich war sie eine Nichte der Königin
Mathilde und wird auch so von Thietmar bezeichnet. Diese Verwandtschaftsbeziehungen
lassen wiederum wenig Wahrscheinlichkeit zu, dass die Familie Geros
von
niederer Herkunft war; sonst wäre diese Heirat wahrscheinlich nie
zustande gekommen. Die Bestätigungsurkunden geben zugleich Aufschluß
über die Größe seines Allods [von Heinemann, Markgraf Gero,
Anhang Urkunde Nr. 10 bringt eine verfälschte Urkunde von Gernrode
aus dem 12. Jahrhundert, die ein umfassendes Güterverzeichnis aufführt,
das neben zahlreichen Orten 388 Morgen Land und auch die große Landschenkung
des Königs im Gau Serimunt umfaßt, von der durchaus anzunehmen
ist, dass auch sie in den Klosterbesitz einging.]. Es umfaßte als
Kernpunkte die Orte Gernrode, Frohse, Alsleben, Gröningen, Egeln und
Nienburg. Prüfen wir das Erbgut auf seine Herkunft, so ergibt sich
folgendes: Gröningen fiel ihm aus dem Erbe seines Bruders Siegfried
zu, Egeln wurde erst 941 durch königliche Schenkung erworben. Als
Eigengüter bleiben Frohse, Gernrode, Nienburg und Alsleben, die wohl
Familienbesitz waren. Das Gut in Nienburg ging nachweisbar in die Hand
seiner Schwester Hidda
über. In Alsleben übten noch andere Familienmitglieder Besitzrechte
aus.
Geros Schwester Hidda war mit dem Markgrafen
Christian verheiratet, der unmittelbar als Schwager des Markgrafen
Gero im Chronicon Montis Sereni (a. 1171) genannt wird. Aus dieser
Ehe gingen die beiden Söhne Gero,
der Erzbischof von Köln,
und
Markgraf
Thietmar I. hervor. Indirekt erweist sich Christian als
Gemahl der Hidda durch den sächsischen Annalisten (a. 965),
der nur Söhne erwähnte.
Christian ist seit 937 durch mehrere Urkunden
als Graf im Nordthüringgau nachweisbar, in dem Groß-Germersleben
aus seinem Comitat an Magdeburg vergabt wurde. Im gleichen Jahr wurde Giersleben
im Schwabengau als zu seinem gräflichen Herrschaftsbereich gehörend
aufgeführt. Demnach war der Schwabengau um diese Zeit in zwei Grafschaften
aufgeteilt, von denen die nördliche zum Amtsbezirk seines Schwagers
Siegfried
gehörte,
dessen Nachfolger er wurde. Von 945 an trat
Christian
als Markgraf
im slawischen Gau Serimunt auf, in dem er die Orte Steene (wüst an
der Mulde bei Dessau) und Kühnau (an der Elbe) als Eigentum erhielt,
was auch der sächsische Annalist zum Jahr 945 berichtete. Ebenfalls
aus dem Jahre 945 datierte eine Urkunde, die im Gau Serimunt in der Grafschaft
Christians
die
Orte Wieskau, Bochlitz (wüst), Zeundorf und Plötz nennt, die
alle an der Fuhne liegen. Markgraf Christian unterstand als Markgraf
dem Oberbefehl Geros. Als solcher nahm er auch an den Unternehmungen
Geros
teil.
Wir wissen allerdings nur sehr wenig über seine Tätigkeit. Die
Urkunde von 945 bezeichnete ihn ohne jedes ehrende Beiwort noster marchio.
Thietmar
nannte ihn comes egregius. Christian starb wahrscheinlich
um
950.
Im Jahre 951 trat schon sein Sohn Thietmar
als Graf in
seinem Gau Serimunt auf. Das Lüneburger Totenbuch hielt am 15. Juli
und am 5. November den Todestag je eines Grafen Christian fest. Es läßt
sich jedoch nicht mit Sicherheit ausmachen, welches der Todestag des Markgrafen
Christian war. Durch eine später erfolgende Versippung mit den
BILLUNGERN war ihm eine Aufnahme in das Necrologium sicher. Die
Gesta der Erzbischöfe von Magdeburg und auch Thietmar berichtet, dass
er und andere Mitglieder seiner Familie in Magdeburg beigesetzt wurden.
Seine Gemahlin Hidda überlebte ihn um mehrere
Jahre. Der sächsische Annalist (a. 965) nannte sie mulier sancta,
so auch Thietmar. Bekanntlich unternahm sie eine Pilgerfahrt nach Jerusalem,
wo sie auch starb. Das Chronicon montis Sereni (a. 1171) schmückte
den Bericht legendär aus: der König von Jerusalem habe um sie
geworben, sie wußte sich jedoch seiner Beharrlichkeit durch Selbstverstümmelung
zu entziehen. Die Chronik erwähnte ihren Tod in Jerusalem, wo sie
begraben liegt.
Wenden wir uns nun ihren Söhnen zu: Markgraf
Thietmar I. ist als Sohn Christians und Hiddas ausdrücklich
bezeugt, ebenso sein Bruder, der spätere Erzbischof von Köln.
Thietmar tritt von 944 an in unser Blickfeld.
945 verwaltete er nachweislich die slawische Landschaft Zitizi am Zusammenfluß
von Elbe und Saale mit der Dormark Trebnitz, die seinem Oheim Gero I.
geschenkt
wurde. 951 ist er im Gau Serimunt anzutreffen, der vorher noch seinem Vater
unterstellt war, so dass er dessen Nachfolger wurde. In dieser Gegend erhielt
er 965 vom König Dröbel an Elbe und Fuhne als Eigentum geschenkt.
Seinen Eigenbesitz in diesem Raum und damit seine Herrschaftsstellung konnte
er noch durch eine zweite Schenkung erweitern, die innerhalb genau angegebener
Grenzen einen Landstrich in regione Koledizi umfaßte. In dieser Urkunde
wird Thietmar mit der Kurzform seines Namens Thiemo genannt, die
auch Deommo geschrieben werden kann. Die Schenkung erfolgte pro fidelissimi
recompensatione servatii. 974 wurde Biendorf (bei Köthen)
im Gau Serimunt und in seiner Grafschaft erwähnt. Zwei Urkunden des
Jahres 978 bezeugten ihn im Serimunt, wo Grimschleben und wiederum Biendorf
als Orte seiner Grafschaft aufgeführt wurden. Neben dem Gau Serimunt
verwaltete Thietmar eine Grafschaft im Schwabengau, also in dem
Gebiet, das sich westlich an den Serimunt anschloß. Auch hier wurde
er Nachfolger seines Vaters
Christian, der nachweisbar 937 in dieser
Grafschaft amtierte. Schon 947 ging sie in die Hände seines Sohnes
über. 978 ist er letztmalig als Graf im Schwabengau bezeugt, wo ihm
der König ein Gut zusprach, das vorher einer Edelfrau Gerbirg und
deren Tochter Liutgard gehört hatte, das nach dem Tode ihres
Mannes Thietmar
[Es wäre möglich, dass eine entfernte Verwandtschaft zwischen
der edelfreien Familie und dem Markgrafen bestand, was man auf Grund der
Namen und der Besitzlage, nicht zuletzt auch aus der Tatsache schließen
möchte, dass gerade ihm das Gut zugewiesen wurde, auf das er allerdings
keine erbrechtlichen Ansprüche hatte.] nach Erbrecht dem König
zugefallen war und nun dem Markgrafen Thietmar weitergeschenkt wurde.
Zwei weitere Urkunden führen Germersleben, Hadisleben und Rodisdorf
in seiner Grafschaft auf. Eine dritte Grafschaft verwaltete Thietmar
im Harzgau, in dem er wahrscheinlich als Nachfolger des 959 gestorbenen
Grafen
Thietmar amtierte. Im Jahre 967 lag das Gut Wulferstedt in seiner Grafschaft;
974 wurde Ditfurt in seiner Harzgrafschaft aufgeführt. Nach Geros
Tod (965) erhielt Thietmar eine markgräfliche Stellung. Ihm
fielen die südlichen Gebiete zu, so dass sich sein Herrschaftsbezirk
über den Gau Serimunt hinaus bis zu den Grenzgauen Nizizi und Dalminze
an der Elbe einschließlich erstreckte. Von 970 an führte er
nachweisbar den Titel marchio. Seine Mark hatte den Vorteil, dass sie durch
die östlich vorgelagerte Mark
Hodos gesichert wurde. Es nimmt
daher nicht weiter Wunder, wenn von seiner Teilnahme an Kämpfen gegen
die Slawen keine Nachricht auf uns gekommen ist. Um 976 - ein genaueres
Datum läßt sich nicht angeben - wurde er nach der Absetzung
Gunthers zusätzlich noch mit dessen Mark Merseburg belehnt. Seine
Tätigkeit in diesem Gebiet brachte ihn in Gegensatz zum Bischof Giselher
von Merseburg. Thietmar eignete sich nämlich gewaltsam das
der Merseburger Kirche gehörende Gut Eythra (bei Leipzig) an, das
ihr erst nach seinem Tode zurückerstattet wurde. Außerdem erhielt
er nach dem Tode des Markgrafen Wigbert die Mark Meißen zugesprochen,
was ungefähr in die gleiche Zeit fallen wird. Markgraf Thietmar
stand
vorübergehend nicht im besten Einvernehmen mit OTTO
DEM GROSSEN. Noch 969 wurde er fidelis comes bezeichnet.
Thietmar berichtete jedoch zum selben Jahre, dass der Kaiser aus persönlicher
Verärgerung über Thietmar
die Wahl seines Bruders Gero
zum
Erzbischof
von Köln zu hintertreiben versuchte. Der Kaiser lenkte schließlich
ein, so dass Gero zum Erzbischof geweiht werden konnte. OTTO
II. unterhielt enge Beziehungen zu Thietmar, wovon vier
Interventionen Zeugnis ablegen. Er übertrug ihm Eigentum ausdrücklich
als Belohnung für treueste Dienste. Das Ansehen der Familie wurde
durch eine Klosterstiftung vermehrt. Eine Dotationsurkunde ist erhalten,
nach der Markgraf Thietmar zusammen mit seinem Bruder Gero das
von ihnen gegründete Kloster zu Thankmarsfelde (wüst bei Ballenstedt)
im Harz mit Eigenbesitz in Asmersleben, Linthorp und Hodenstadt ausstattete.
Otto von Heinemann als Herausgeber der Urkunden ließ die Frage nach
ihrer Echtheit allerdings offen. Eine päpstliche Urkunde von 972 bestätigte
die Klostergründung auf Bitte Erzbischofs Gero. Die Magdeburger
Annalen und der sächsische Annalist bezeugten, dass die Brüder
das Mönchskloster auf Eigenbesitz erbauten und ihm einen Teil ihres
Erbgutes zuwandten. Die Güter werden allerdings nicht näher bestimmt.
Das Chronicon Montis Sereni (a. 1171) erwähnte beider Mutter als Mitstifterin
und sagte, die Stiftung sei nach dem Tode des Vaters erfolgt. 975 wurde
das Kloster auf Hiddas Wunsch nach Nienburg (an der Saale) verlegt,
und zwar in die Burg Nienburg selber, die dem Chronicon zufolge
aus der Erbschaft des Markgrafen Gero I. stammte. Da Hidda diese
Bitte vor ihrem Tod geäußert haben soll, muß sie zwischen
dem Gründungsjahr und dem Jahr der Verlegung gestorben sein, da das
Diplom, das die Verlegung bestätigt, ihrer bereits als einer Toten
gedenkt. 1003 verlieh HEINRICH
II. dem Kloster Immunität, die KONRAD
II. und HEINRICH
III. bestätigten. Es wurde die Begräbnisstätte
des Markgrafen, der dem sächsischen Annalisten zufolge 978 starb.
Da Thietmar noch nach 979 in Königsurkunden erwähnt wird,
muß der Annalist falsch unterrichtet gewesen sein. Als sein Todestag
wurde im Necrologium Sankt Michaelis, in dem er durch seine Gattin Aufnahme
fand, der 3. August festgehalten.
Sein Bruder Gero war ihm am 29. Juni eines
ungewissen Jahres in den Tod vorausgegangen. Nach dem Bericht des sächsischen
Annalisten starb er 974. Thietmar dagegen reihte seinen Tod erst 976
ein.
Markgraf
Thietmar war der erste Gatte der Swanhild,
einer Tochter des Sachsen-Herzogs Hermann Billung. Diese
Ehe ist zugleich ein Beweis, dass die Familie Thietmars dem hohen
sächsischen Adel angehörte.
Thietmar hinterließ
von seiner Gattin einen Sohn namens Gero.
Er war beim Tode seines Vaters noch sehr jung. Als er 979 nachweisbar im
Gau Serimunt amtierte, wird er puer genannt. Aus dieser Tatsache
wird ersichtlich, dass die Vererbung der Grafschaften schon so weit fortgeschritten
war, dass der König mächtige Familien im Amt belassen mußte,
selbst dann, wenn sie nur unmündige Söhne stellten. In der eben
genannten Urkunde dotiert der König das von
Geros
Vater gegründete
Kloster mit der Burg Grimschleben und den dazu gehörenden Ortschaften.
986 wurde der Ort Wohlsdorf im Serimunt in seiner Grafschaft erwähnt.
Als Nachfolger seines Vaters amtierte Gero II.
im Schwabengau, in dem Schierstedt (Kr. Aschersleben) in seinem Bezirk
lag. Vielleicht hatte sein Vater auch eine Grafschaft im Hassegau verwaltet,
wenn wir das Diplom OTTOS
III. Nr. 188 auf den Markgrafen Thietmar beziehen
wollen, was allerdings zweifelhaft bliebt. Eher möchte man die Grafschaft
dem 982 gefallenen
Grafen Thietmar zusprechen, wofür auch der
Titel comes spricht. Zu dieser Zeit wird nämlich
Geros Vater
vorwiegend Markgraf genannt.
Gero II. ist urkundlich im Hassegau
zu belegen. Es bleibt jedoch offen, auf welche Weise er in den Besitz der
Grafschaft gelangte. Eine ihm nach Erbrecht zustehende Grafschaft besaß
der junge Gero im slawischen Gau Zitizi an der Elbe, in dem 981
und 992 Elsnig und Dommitzsch (Torgau) namhaft gemacht wurden. Nördlich
vom Serimunt amtierte Gero in der Landschaft Zerbst, aus der die Orte Drogunise
(wüst bei Zerbst), Lübs (Kr. Jerichow) und Bias (Kr. Zerbst)
vom König vergabt wurden. Vom Vater stammte auch die Grafschaft im
Coledizi, in der er noch als puer die Dorfmarken Gnetsch (bei Weissand)
verwaltete. Gero
wurden zunächst nach dem Tode seines Vaters
die Marken Merseburg und Meißen
entzogen, er konnte später jedoch seine Stellung als Markgraf weiter
ausbauen. Im Jahre 993 fiel ihm durch den Tod des Markgrafen
Hodo die Mark Lausitz zu. Schon von 993 an führte er
den Titel marchio, wie aus zwei Interventionen dieses Jahres hervorgeht.
Im Jahre 1000 ist er in seinem markgräflichen Amt in der Lausitz bezeugt,
in dem Niemitzsch seiner Amtsgewalt unterstand. 1004 fanden unter anderem
die Orte Trebatsch und Leibsch (Kr. Beeskow) Erwähnung. Eine Thietmarstelle
bestätigte, dass Gero II. in der Lausitz Belgern (an der Elbe
bei Mühlberg) als preduium besaß. Dort versammelte sich
1010 das deutsche Heer, dem
Gero als Heerführer vorstand, zu
einem Kriegszug gegen
Herzog Boleslaw.
Hodos Nachfolge trat er auch in der slawischen Provinz Nizizi an.
Schon sein Vater war Graf in einem Teil des Nizizi gewesen, doch wohl nur
in dem Gebiet westlich der Elbe, während Gero das Gebiet östlich
der Elbe hinzugeschlagen erhielt. Gero II. war nicht besonders aktiv.
In den Interventionen stand er an letzter Stelle, so auch in der Reihe
der Anwesenden bei der Vorwahl zur Königswahl in Frohse 1002. Oft
wurde er nur comes genannt. Seine dem Feinde offen stehenden Gebiete
erforderten zwar sein kämpferisches Eingreifen, aber als Heerführer
war er wenig erfolgreich, was die ergebnislos verlaufenen Kämpfe der
Jahre 1010 und 1015 beweisen. Auf dem letzten Kriegszug befehligte er die
Nachhut und verlor bei einem unerwarteten feindlichen Überfall mit
200 seiner Ritter das Leben. Seinen Tod berichteten die Quedlinburger Annalen
und Thietmar. Als Todestag hielt das Necrologium von Merseburg den 1.
September fest. Er wurde in Nienburg, dem Kloster seiner Familie, unter
großer Anteilnahme bestattet. Gero war mit einer Adelheid
vermählt, deren Familie unbekannt ist. Er hinterließ bei
seinem Tode einen Sohn Thietmar,
der den Namen seines väterlichen Großvaters erhalten hatte.
Vermutlich folgte Thietmar seinem gefallenen Vater
1015 in der Verwaltung der Marken. Lüpke bemerkte mit Recht, dass
diese Vererbung einer Markgrafschaft vom Vater auf den Sohn den ersten
Fall dieser Art darstellen würde, während sich die Vererbung
der Grafschaften schon längst durchgesetzt hatte. Es fehlen zwar ausdrückliche
Zeugnisse für Thietmars Amtstätigkeit in den Marken. Andererseits
ist aber auch keine andere Persönlichkeit in den Gauen Serimunt, Zitizi,
Colidizi und Nizizi, die schon seinem Vater unterstellt gewesen waren,
namhaft zu machen, so dass wir seine Tätigkeit dort annehmen müssen,
wenn wir dieses argumentum e silentio als beweiskräftig genug gelten
lassen wollen. Die Lausitz, mit der sein Vater schon belehnt worden war,
ging allerdings um 1017 wieder an Polen verloren. Thietmar nahm
wohl an den wechselhaften Kämpfen um sie teil, was nur vermutet werden
kann, da seine Anwesenheit nicht bezeugt ist. Er erlebte ihre Rückgewinnung
1031 jedoch nicht mehr. Vier Urkunden nennen seinen Namen. In einer nur
wurde er Markgraf genannt. Nachweisbar amtierte er im Schwabengau, in dem
die Ortschaften Schierstedt und Schackental sowie Zehling (Kr. Ballenstedt),
Getlo (wüst), Ulsigrode und Karpenroth aufgeführt werden. Zwei
Urkunden bezeugten ihn im Nordthüringgau, wovon eine die päpstliche
Bestätigung für das Kloster Nienburg war, das in seiner Grafschaft
lag. 1012 wurden die Orte Pletzwitz (wüst, Kreis Bernburg) und Nieder-Erxleben
(wüst) namhaft gemacht. Seine Amtsbefugnis wird sich wohl kaum mehr
über den Hassegau, in dem noch sein Vater bezeugt war, erstreckt haben,
da dort gleichzeitig andere Grafen genannt werden. Am 10. Januar 1030
starb Graf Thietmar,
was sich aus folgenden Überlegungen ergibt:
ungefähr in das Jahr 1029 setzt der sächsische Annalist seinen
Tod, die Magdeburger Annalen berichten 1030, dass
Herzog Miseco von Polen die Nachricht vom Tode Thietmars
als
günstige Gelegenheit für eine Zerstörung des Elbe-Saale-Gebietes
betrachtete und das Necrologium S. Michaelis verzeichnete am 10. Januar
einen Thiedmarus marchio. Seine letzte Ruhestätt fand
er im Kloster Helmarshausen. Thietmar II. hinterließ von einer
ungenannten Gattin einen Sohn Odo,
mit dem die Familie ausstarb. Der Annalist bezeichnete Odo als Markgrafen,
was durch eine einzige Urkunde bestätigt wird. Diese Urkunde bezeugte
ihn im Schwabengau um Wernrode.
Vielleicht darf man aus dem Überfall Misecos
schließen, dass Odo zu dieser Zeit noch sehr jung war und
er ihm keinen wirksamen Widerstand zutrauen konnte. Markgraf Odo
bleibt aus Mangel an Nachrichten für uns nur eine schemenhafte Gestalt.
Sein Todesjahr ist unbekannt.
Wie schon erwähnt, hatte Markgraf Gero II.
auch Hodos Herrschaftsgebiet in seine Hand bringen können.
Hodo
war
nach Geros Tod die bedeutendste Persönlichkeit unter den Nachfolgern
des großen Markgrafen. Er wurde zu dessen Lebzeiten nur als Inhaber
von Lehnbesitz in Breitungen und Bösenrode im östlichen Teil
des Helmegaues erwähnt, und zwar ohne jede Amtsbezeichnung. Unmittelbar
nach Geros Tod wurde er mit einer markgräflichen Stellung betraut,
die ihm unter den übrigen Nachfolgern Geros eine gewisse Vorrangstellung
einräumte. Schon 965 und 966 ist er urkundlich im Gau Nizizi als Inhaber
weiträumiger Grafenrechte greifbar, die sich über den ganzen
Gau erstreckten, wie man aus der Lage der aufgezählten Ortschaften
schließen darf. Zwar ist die Echtheit der zweiten Urkunde zweifelhaft.
Auf Grund späterer Urkunden gilt jedoch als erwiesen, dass er in diesem
Gau Herrschaftsrechte ausübte. Als zweitem Slawengau wurde Hodo
mit dem Gau Zitizi belehnt, in dem 979 Zuchau als unter seiner gräflichen
Machtbefugnis stehend gemacht wurde. Er folgte auch im Gau Serimunt auf
Gero,
wo Rosenberg ihm zugeordnet war. Es wurde dreimal urkundlich erwähnt,
und zwar 974,992 und 994, als ihm dieser königliche Eigenbesitz als
lebenslängliche Lehn zugesprochen wurde, das nach seinem Tode an das
Erzbistum Magdeburg fallen sollte. Das gleiche traf für die civitas
Calbe im Nordthüringgau zu. Am häufigsten läßt er
sich als Inhaber von Grafenrechten im Nordthüringgau greifen, in dem
971 Koteritz, 974 der Hof Barby, 978 Salbke und 983 das Kloster Nienburg
mit seinen Besitzungen seiner gräflichen Amtsbefugnis unterstanden.
Hodo
wurde in den Urkunden vorwiegend als comes aufgeführt. Erst
ab 974 führte er gelegentlich den Titel marchio. Anläßlich
seiner Intervention bei OTTO II. hieß
er noster dilectus magister, ein zweites Mal sogar fidelis
noster dulcis nurtricius. In diesem Diplom rangierte er noch vor dem
Sachsenherzog Bernhard. Wir dürfen daraus schließen, dass er
sowohl bei OTTO DEM GROSSEN, der ihm
die Erziehung seines Nachfolgers anvertraute, als auch bei OTTO
II., der sich als dankbarer Schüler erwies, hohes Ansehen
genoß. Eine Intervention für OTTO III.
beweist, dass er auch noch bei der folgenden Generation eine einflußreiche
Stellung einnahm. Thietmar von Merseburg, der ihn bald comes, bald
marchio nannte, ließ durch ehrenvolle Bezeichnungen ersichtlich
werden, dass Hodo eine bedeutende Persönlichkeit war. Er bezeichnete
ihn als venerabilis marchio, inclitis marchio oder egregius
Hodo. Selbst das Epitheton pugnax marchio, das ihm Bruno in der Vita
S. Adalberti beilegte, kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen,
dass Hodo als Feldherr keine überragenden kriegerischen Leistungen
vollbrachte. Zwar zog er 972 gegen Herzog Miseco
zu Felde, aber die Schlacht bei Zehden war ein Mißerfolg. Dennoch
hielt er wohl - im ganzen gesehen - die deutsche Stellung im Osten, wenn
er sie auch nicht weiter ausbaute. Am 13. März 993 ereilte
ihn unerwartet der Tod. Von höchster Wichtigkeit für uns ist
die Nachricht, dass er im Kloster Nienburg begraben wurde; denn der mittelalterliche
Mensch wollte selbst im Tode noch mit seinen nächsten Blutsverwandten
vereint sein. Bekanntlich wurde das Kloster Nienburg von den Söhnen
des Markgrafen Christian - nämlich dem Erzbischof Gero von
Köln und dem Markgrafen Thietmar - errichtet. Es lag 983
nachweisbar in Hodos Grafschaft, wie aus einer päpstlichen
Bestätigungsurkunde hervorgeht.
Hodo ordnet sich der weiteren
Gründerfamilie ein, was durch folgende Überlegungen wahrscheinlich
wird: er erhielt einen beträchtlichen Teil vom Markgrafschaftsgebiet
des verstorbenen Gero, der Eigenbesitz der Familie Christians
war
seiner gräflichen Herrschaft unterstellt, und Thietmars Sohn
Gero
wurde sein Amtsnachfolger. Zu bedenken ist ferner, dass sich sein Name
auf die Nachkommen Thietmars II. übertrug und sein Todestag
wie der der meisten Familienmitglieder im Lüneburger Necrologium geführt
wurde. Schließlich fand er im Familienkloster Nienburg seine letzte
Ruhestätte.
Inwieweit bei der Namensgebung seines Sohnes Siegfried
der
gleichnamige Bruder Geros namensmäßig eine Rolle spielte,
mag dahingestellt bleiben.
Hodos Sohn
Siegfried wurde gegen
seinen Willen zum Mönch im Kloster Nienburg gemacht - vielleicht um
Thietmars
Sohn eine größere Machtstellung zu erhalten. Man versuchte deshalb
Hodo
zu einem Halbbruder des Markgrafen Thietmar - also zu einem Sohn
des Markgrafen Christian aus einer illegitimen Ehe - zu machen.
Es spricht dagegen, dass Hodo eine hohe Stellung bekleidete und
sogar Erzieher des Thronfolgers wurde. Am ehesten fanden solche Sprößlinge
im kirchlichen Dienst Versorgung. Bedenklich ist auch, dass nirgendwo in
den Quellen auf ein halbbrüderliches Verhältnis zu Thietmar
und
Gero
angespielt wird. Das Dunkel seiner Herkunft kann durch das vorhandene Quellenmaterial
nicht gelichtet werden, wenngleich an einer nahen verwandtschaftlichen
Beziehung zu der Sippe Christians festzuhalten ist. Heinemanns Einordnungsversuch,
der ihn zum Gatten einer
Frederuna
macht,
die eine Schwester des
Markgrafen Gero gewesen sein soll, hat wenig
für sich. Die
Frideruna, die er meinte, war nämlich BILLUNGERIN.
Hodos
Sohn Siegfried
wurde nicht nur aus eigenem Verschulden
zu einer zweideutigen Persönlichkeit. Gleich nach dem Tode seines
Vaters warf er die Mönchskutte ab. Auf einer Synode zu Magdeburg gelang
es ihm, unter Berufung auf einen ähnlichen Fall, seine Lösung
vom Mönchsgelübde zu erreichen. Wir sind nicht genau unterrichtet,
welche Tätigkeit er in den nun folgenden Jahren ausübte. Er wurde
erst wieder 1015 im Kampf gegen Polen erwähnt, als er zusammen mit
einem gewissen Hodo,
der von Thietmar als inclitis iuvenis bezeichnet wird, durch mutigen
Kampf von dem Verdacht reinigte, zu Herzog Boleslaw
von Polen in landesverräterischer Verbindung gestanden
zu haben. Wahrscheinlich hatten die beiden auf diesem Wege versucht, ihre
Machtstellung zu vergrößern. Hodo fand im Kampf durch
einen Pfeilschuß den Tod. Das gute Verhältnis zu Boleslaw
erhellt
sich aus dessen großem Schmerz, als er den Toten auf dem Schlachtfeld
erkannte und den Leichnam zur Bestattung dem Heer nachschicken ließ.
Hodos Todestag war nach einer Aufzeichnung des Merseburger Totenbuches
der 3. August.
Hodo war wohl mit Siegfried verwandt, wofür
sein Name, die Bezeichnung inclitis iuvenis und das Zusammengehen
mit ihm sprechen. Wahrscheinlich war er kein Sohn des Markgrafen Hodo,
was von Heinemann - wenn auch mit gewissem Vorbehalt - behauptete. Thietmar
hätte sonst wohl eine Anspielung gemacht, dass die beiden Brüder
waren, zumal er sie zusammen aufführte.
Siegfried hatte sich 1015 von dem Verdacht der
Konspiration gegen den Kaiser reinigen können. Schon 1030 finden wir
ihn erneut im Bunde mit den Reichsfeinden, als er den Einfall Herzog
Boleslaw in deutsches Gebiet tatkräftig
unterstützte. Vielleicht trieb ihn die Enttäuschung, dass er
nach dem Todes des Markgrafen Gero 1015 trotz seines Kampfes keine
Markgrafschaft erhalten hatte, auf die Seite des Gegners, mit dessen Hilfe
er seine Ansprüche durchzusetzen hoffte. Dazu war die Gelegenheit
im Jahre 1030 durch den Tod des Markgrafen Thietmar äußerst
günstig. Siegfried fand auch auf diese bedenkliche Weise seinen
Ehrgeiz nicht befriedigt.
Der sächsische Annalist, der die Vorgänge von
1030 berichtete, erwähnte, dass Siegfried
der Oheim (avunculus)
Esichos
von Ballenstedt gewesen sei. Demnach muß eine nicht weiter
bezeugte Tochter des Markgrafen Hodo Esichos Vater geheiratet
haben. Esichos Sohn erhielt den Namen Adalbert,
der auch später noch in dieser Familie anzutreffen ist, so dass wir
mit großer Wahrscheinlichkeit durch Rückschluß vom Namen
des Enkels auf den Namen von Hodos Schwiegersohn kommen können.
Vielleicht war dieser mit dem Adalbertus
comes identisch, dessen Amtlehn und Herrschaftsgebiet im Nordthüringgau
bezeugt sind. Graf Adalbert war keineswegs ein homo novus,
sondern Name und Lage seines Lehnbesitzes reihen ihn in die weitere Nachkommenschaft
der mächtigen HESSI-Sippe ein. Die Sippe des berühmten dux Hessi
lebte nachweisbar nur in den Kindern der Gisla - einer seiner Töchter
- weiter, deren Enkel ein Adalbertus comes war. Über ihn führte
vermutlich die Linie bis zu Graf Adalbert weiter, dem Stammvater
des Hauses
BALLENSTEDT, das sich nach seinem Hauptsitz Ballenstedt im Grenzgebiet
von Harz- und Schwabengau nannte. So wurde das Haus BALLENSTEDT
Erbe und Fortführer zweier mächtiger Familien im östlichen
Sachsen. Im Mannesstamm waren die BALLENSTEDTER Nachkommen der HESSI-Sippe.
Durch Heiratsverbindungen waren sie mit dem mächtigen Geschlecht der
Markgrafen der Ostmark versippt, die im Mannesstamm mit Siegfried,
Hodos
Sohn, und dem unbedeutenden Markgrafen Odo (= Hodo) ausstarben.
Die BALLENSTEDTER verwalteten das Erbe würdig und errichteten
in späteren Generationen eine Machtstellung, die der der beiden Geschlechter
gleichkam, als sie noch auf dem Gipfel ihrer Macht standen.
Auf Grund von Namen und Besitzlage lassen sich noch weitere
Mitglieder der Sippe ermitteln. So läßt sich ohne Zweifel ein
Graf
Gero der weiteren Familie des Markgrafen Gero einordnen,
obwohl keine Quelle ein unmittelbares Zeugnis einer verwandtschaftlichen
Beziehung ablegt. Die Lage seines Amtsbezirkes und seines Eigenbesitzes
lassen diesen Schluß zu, selbst wenn wir den gleichen Namen - der
in dieser Zeit außerhalb der Familie in Sachsen nirgendwo bezeugt
ist - nicht als hinreichenden Beweis gelten lassen wollen.
Geros
Herrschaftsbereich lag im Nordthüringgau, in dem 970 Bornstedt in
der Nähe von Magdeburg als in seiner Grafschaft gelegen bezeichnet
wurde. Aus mehreren Urkunden wissen wir, dass Markgraf Gero in der
sogenannten Magdeburger Mark amtierte. Graf Gero wurde also hier
sein unmittelbarer Nachfolger. 975 wurde Lübs im Gau Morazani in seiner
Grafschaft genannt. Noch vor 10 Jahren war Markgraf Gero hier tätig
gewesen, also folgte er ihm auch in diesem Gebiet im Amt. Erwähnenswert
ist, dass Gero mit seiner Gemahlin Adela
auf seinem Eigengut (in civitate sua) in Alsleben ein Kloster erbaute,
für das er am 20. Mai 979 die kaiserliche Bestätigungsurkunde
erwirkte. Alsleben ließ sich einwandfrei als Erbgut des Markgrafen
Gero nachweisen.
HEINRICH II.
bestätigte dem Kloster
1003 seine Immunität in einer Urkunde,
die hervorhob, dass Graf Gero zusammen mit seiner Gattin das Nonnenkloster
gegründet habe. Thietmar berichtet, dass dieses Kloster zum Gedächtnis
Geros von dessen Gattin und Schwester
Tetta errichtet worden sei, was nicht unbedingt im Widerspruch
zu der Urkunde zu stehen braucht, in der ausdrücklich gesagt wird,
dass der Bau durch den Grafen Gero begonnen wurde. Wahrscheinlich
erlebte er die Vollendung nicht mehr; denn noch im gleichen Jahr fand er
den Tod. Im August 979 bezichtigte ihn ein sonst unbekannter Mann namens
Waldo der Untreue gegen den Kaiser. Auf Geheiß des Markgrafen Dietrich
von der Nordmark und Erzbischofs Adalbert von Magdeburg wurde er zu Sömmeringen
(wüst) gefangengenommen und den Söhnen des Grafen Liuthar von
Walbeck in Gewahrsam übergeben. Eine vom Kaiser nach Magdeburg einberufene
Fürstenversammlung entschied für ein Gottesurteil in Form eines
Zweikampfes. Waldo zwang in diesem Kampf Gero
zwar zu Boden, fiel
dann aber plötzlich selber tot nieder. Daraufhin wurde
Gero
auf
kaiserlichen Befehl am 11. August vom Henker enthauptet.
Sein und Waldos Todestag wird im Magdeburger Necrolog erwähnt.
Gero
wird
auch im Lüneburger Totenbuch geführt. Die Ursache für die
Anschuldigung ist dunkel. Thietmar sprach verschleiernd von vilis causis.
Wahrscheinlich standen hinter diesem Vorgehen Eifersüchteleien des
Markgrafen Dietrich, der Gero nicht zu mächtig werden lassen
wollte, oder eine Feindschaft des Erzbischofs, in dessen Sprengel Gero
amtierte. Auf jeden Fall waren die beiden zuvor genannten die einzigen,
die Geros Tod gut hießen. Schon unmittelbar darauf erhob sich
laute Kritik. Welch lebhafte Beachtung dieses Ereignis fand, spiegelte
sich in den Quellen wider, die ausführlich und zahlreich darüber
berichten. Wahrscheinlich hätte Geros Sturz nicht so große
Aufmerksamkeit gefunden, wenn er nicht der Sohn einer berühmten Familie
gewesen wäre.
Geros einzige Tochter Athela,
die den Namen ihrer Mutter trug, heiratete den Grafen Siegfried von
Stade und schenkte ihm drei Kinder: den Grafen Liuthar und die beiden
Töchter Irmgard und Bertha, die beide nachweislich Äbtissinen
von Alsleben wurden.
Das Kloster war schon von Geros Gattin und Schwester
mit einem Teil ihres Erbes ausgestattet worden. Leider wurden die Güter
nicht näher bezeichnet. Hier fand er auch mit seiner Gattin die letzte
Ruhestätte. Seine Tochter wies der Magdeburger Kirche Besitz zu, um
sein Haupt einzulösen. Außerdem dotierte sie das Kloster Harsefeld,
das von der Familie ihres Mannes gegründet worden war, und das Kloster
Alsleben ihrer Eltern. Unter dem geschenkten Gut befand sich die Dorfmark
Trebnitz (an der Saale), die ihr aus dem Besitz des Markgrafen Gero
als Erbe zugefallen sein muß; denn er hatte sie selber 945 als Eigentum
erhalten. Kann man also nach der Lage der Besitzverhältnisse kein
Zweifel darüber bestehen, dass Gero von Alsleben - wie ihn
der sächsische Annalist nennt - zur Sippe des Markgrafen Gero gehörte,
so bereitet doch das Wie der Einordnung Schwierigkeiten. Gero kann
nämlich nicht in direkter Linie von dem Markgrafen abstammen, da dessen
Sohn gleichen Namens bereits frühzeitig starb und deshalb vermutlich
keine Kinder hinterlassen hatte. Es ist ebenfalls unmöglich,
Gero
in die Familie des Markgrafen Christian einzuordnen, da dieser nachweislich
ebenfalls einen Sohn
Gero hatte, der Erzbischof von Köln
wurde. Wir müssen uns jedoch vergegenwärtigen, dass wir nicht
die gesamte Familie des Markgrafen Gero erfaßt haben [Ungewiß
ist, ob der 1024 nach den Annalen von Corvey gestorbene Graf
Gero der weiteren Sippe des Markgrafen zuzurechnen ist.]; denn Widukind
berichtete von einem unbekannten Neffen des Markgrafen Gero, der
963 als vir optimus in einem Unternehmen seines Oheims fiel. Vermutlich
hatte Markgraf Gero außer seinem Bruder Siegfried und
seiner Schwester
Hidda noch weitere Geschwister, deren Söhne
der gefallene Neffe und der enthauptete Gero von Alsleben gewesen
sein können.
Namen und Herrschaftsbereich bringen auch den Grafen
Thietmar in Verbindung mit dieser Familie. In dem Zeitraum von 936
bis 941 trat in den Urkunden ein Graf Thietmar auf, der Grafschaften
im Harz-, Derlin- und Nordthüringgau verwaltete. 936 wurde das in
seiner Grafschaft gelegene Kloster Wendhausen von OTTO
DEM GROSSEN dem neu errichteten Kloster in Quedlinburg geschenkt.
941 werden die Orte Üplingen, Rohrsheim und Nettorp im Harzgau in
seiner Grafschaft genannt. Die gleichen Orte wurden noch im selben Jahre
zum Derlingau gezogen. Sie müssen also auf einen Grenzraum zwischen
Harz- und Derlingau gelegen haben, so dass sie bald zu diesem, bald zu
jenem gerechnet werden konnten. Drei weitere Urkunden sprechen ihm eine
Grafschaft im Nordthüringgau zu, in dem Fermersleben, Pretalitze (wüst),
Buckau, Frohse, Rottersdorf, Harsdorf (wüst), Lemsdorf, Diesdorf,
Groß-Ottersleben, Osterweddingen, Sülldorf, Langenweddingen,
Tasdorf, Hohendodeleben, Gutenswegen, Insleben, Wiersdorf (wüst),
Wenscheberg, Bizzinice (unbekannt), Leversdorf, Trumpte (wüst), Vahldorf
(wüst) nachweisbar sind. Eine Urkunde aus dem gleichen Jahre und eine
3. von 939 führten einen Teil der Ortschaften wiederum an. Der Lage
der aufgezählten Orte nach war er im südlicheren Teil des Nordthüringgaues
tätig. Die Schriftsteller schweigen sich über den Grafen Thietmar
aus.
Nur der sächsische Annalist erwähnte die Teilnahme eines
Grafen
Thietmar am Kampf gegen die Slawen im Jahr 959. Er ist vermutlich mit
unserem Grafen identisch; denn als Graf im Grenzland gehörte es zu
seinen Pflichten, sein Gebiet gegen die Slawen zu verteidigen. Bei diesem
Kampf kam er ums Leben. Da auch das Necrologium S. Michaelis den Namen
eines Grafen
Thietmar verzeichnete, dürfen wir seinen Tod wohl auf den
3. Oktober 959
festlegen.
Es fehlte nicht an Versuchen, diesen Grafen Thietmar
in eine Familie einzuordnen. Ältere Genealogen machten ihn zu einem
Bruder des Markgrafen Christian. Zeitlich gesehen läßt
sich diese Einordnung durchaus rechtfertigen. Beide sterben nämlich
in den 50-er Jahren des 10. Jahrhunderts. Als Vater wurde ihnen derjenige
Graf
Thietmar zugesprochen, der Lehrer und Berater HEINRICHS
I. war. Auf jeden Fall werden die beiden Grafen Thietmar voneinander
unterschieden.
Quellenmäßig läßt sich diese Abstammung
aus dem Hause des Markgrafen Christian nicht beweisen. Sie hat dennoch
auf Grund der Namensgebung und des Amtsbezirkes viel Wahrscheinlichkeit
für sich. Thietmars Familienbesitz läßt sich jedoch
nicht bestimmen.
Der Name Thietmar ist um diese Zeit vorwiegend
im östlichen Sachsen belegt. Es empfiehlt sich, ihn mit der Familie
des Grafen Christian
in Zusammenhang zu bringen, weil dieser selber
einen Sohn gleichen Namens hatte, der ihn wiederum auf den Enkel vererbte.
Weiterhin spricht für diese Einordnung, dass die einzelnen Familienmitglieder
nacheinander in den Grenzgebieten des Altlandes und über dieses hinaus
tätig waren. Außerdem deutet die Aufnahme in das Totenbuch der
BILLUNGER auf verwandtschaftliche Bindungen, da sie sich später
mit ihnen verschwägerten. Die Erwähnung des Klosters Wendhausen
in der Grafschaft des Grafen Thietmar erschließt noch einen
weiteren Zusammenhang. Das Kloster war eine Stiftung der mächtigen
HESSI-Sippe, die im Harzgebiet Besitz- und Herrschaftsrechte ausübte.
Der Nachweis einer unmittelbaren Abstammung
Thietmars von ihr läßt
sich zwar nicht erbringen, vermutlich wurden aber über diese Sippe
Grafschaftsrechte im Harzgau vererbt. Sowohl der Ausgangspunkt der Familie
Geros
als auch der Christians wird ursprünglich nicht
in diesem Raum zu suchen sein. Erst seit dem Tode dieses Grafen Thietmar
ließ sich der Sohn des Markgrafen Christian, der denselben
Namen wie der Harzgraf trug, im Harzgau nachweisen, so dass eine blutsmäßige
Bindung angenommen werden kann. Möglicherweise wurde Markgraf Thietmar
I. auch im Derlingau Amtsnachfolger des
Grafen Thietmar, falls
die Urkunde von 965 auf den Sohn des Markgrafen Christian bezogen
werden darf.
Es ist durchaus möglich, dass der am 13. Juli 982
in der Schlacht am Capo Colonne gefallene Graf Thietmar dieser Familie
angehörte. Die Vermutung wird insofern gestützt, als mit ihm
eine ganze Reihe von Grafen aus dem östlichen Sachsen den Schlachtentod
fand. Auch 1015 fiel zusammen mit dem Markgrafen Gero II. ein Graf
Thietmar im Kampf.
Noch ein während der Regierungszeit HEINRICHS
I. bezeugter Graf dieses Namens
läßt sich mit dem
Grafen Thietmar aus dem Harzgau in
Verbindung bringen. Die Vita Mathildis nannte ihn als Erzieher HEINRICHS.
Dieser
Thietmar unternahm für HEINRICH
I. die Brautwerbungsfahrt um Mathilde
nach Herford. Daraus kann man schließen, dass er von vornehmer Herkunft
war. In den Kämpfen zwischen Herzog Heinrich
von Sachsen und König KONRAD I.
wandte er 919 vor dem liudolfingischen
Besitz Grone die Entscheidung zugunsten des Herzogs. Zweifelhaft bleibt,
ob ihn Widukind an dieser Stelle als einen Grafen bezeichnen wollte, der
im Osten des Reiches - das würde besagen im Harz- und Nordthüringgau
- tätig war, oder ob er nur die Richtung angeben wollte, aus der er
mit seiner Verstärkung anrückte. Widukind nannte ihn vir disciplinae
militaris peritissimus, der sich als Ratgeber bewährte und an
Klugheit vielen überlegen war, was ihm zu einer einflußreichen
Stellung bei HEINRICH verhalf. In der
Schlacht bei Lenzen gegen die Redarier war er 924 dem Legaten Bernhard
als Heerführer beigeordnet. Aus der Teilnahme an diesem Kampf kann
man schließen, dass er in den Elbegebieten eine Grafenstellung innehatte,
wahrscheinlich im Nordthüringgau und im Harzgau. Urkundlich ist er
auf keinen bestimmten Bereich festlegbar. Vermutlich starb er am 1.
Juni 932.
Fassen wir die gewonnenen Teilergebnisse zusammen: Die
Familie des
Markgrafen Gero spielte von der Regierungszeit OTTOS
DES GROSSEN an bis unter HEINRICH II.
bei der Gestaltung der Verhältnisse im Gebiet östlich der Elbe-Saale-Linie
eine entscheidende Rolle. Sie stellte im ganzen sechs Markgrafen, die aber
nicht alle hervorragende Persönlichkeiten waren. Ausgangsbasis ihrer
Stellung im Kolonialland waren Grafschaften im Gebiet von Harz-, Schwaben-
und Nordthüringgau. Als Stützpunkte im Slawenlande waren die
großräumigen Schenkungen der Könige gedacht. Das Erbgut
der Familie ging zum größten Teil an ihre Klosterstiftungen
über. Insgesamt wurden fünf Klöster: Gröningen,
Frohse,
Gernrode,
Alsleben
und Nienburg von ihnen erbaut und dotiert. Das Ansehen der Familie
beruhte nicht allein auf ihrer faktischen Machtstellung, sondern war auch
herkunftsmäßig verankert. Durch mehr als ein Familienmitglied
waren sie mit der HESSI-Sippe und den BILLUNGERN verschwägert.
Auch die Grafen von Stade gehörten zu ihrem Sippenanhang, vielleicht
auch die Grafen von Walbeck. Die Nähe des Herrschaftsgebiets und des
Eigengutes und der auch bei den WALBECKERN bezeugte Name Thietmar sprechen
dafür. Über die Billunger war wiederum eine Berührung mit
dem Königshaus selber gegeben, das sie mit Erziehungsaufgaben betraute
und die Patenschaft übernahm. Diese Tatsache wirft zugleich ein Bild
auf die Politik OTTOS DES GROSSEN,
der mit Gero nicht einer aus dunkler Vergangenheit emporsteigender
Familie den Weg zur Macht ebnete, sondern sowohl bei Gero
als auch
bei Hermann Billung auf Mitglieder adeliger Familien zurückgriff.