4. DIE GRAFEN VON SCHWARZBURG-KÄFERNBURG
Wahrscheinlich sind die Grafen von Schwarzburg
das älteste edelfreie Geschlecht Thüringens. Für die schon
früher ausgesprochene Vermutung (Erichsen), daß die Familie
bis ins 8. Jahrhundert zurückreicht, lassen sich gute Gründe
beibringen. Eine zusammenhängende Genealogie setzt freilich erst im
11. Jahrhundert ein.
In dem von Papst Gregor II. 722 an Bonifatius
gerichteten Brief werden die einheimischen Adligen Asulf, Godolaus,
Wilar, Gundar und
Alvold genannt. Günther begegnet als Leitname der SCHWARZBURGER.
Von den fünf Namen läßt sich weiter Alvold aufgreifen.
Nach Otloh von St. Emmeram (11. Jahrhundert) stattet Albold die
von Bonifatius gestiftete Zelle Ohrdruf aus,
für die der Grundherr Hugo Grund und Boden zur Verfügung gestellt
hatte. Merkwürdigerweise taucht im Raum Ohrdruf im Namen der Wüstung
Asolveroth, die zur Ausstattung des schwarzburgischen Hausklosters
Georgenthal (1143) gehörte (siehe oben Seite 12), auch der Name Asolv
aus der Gruppe von 722 wieder auf. Unter den Grafen, die 802 in Erfurt
ihre Eigenkirche in Kölleda dem Kloster Hersfeld übertrugen,
befanden sich zwei Günther und ein Asulf. Man darf annehmen,
daß es sich bei den an der Schenkung von 802 beteiligten Personen
sämtlich um Agnaten oder Cognaten handelte. Zu den Leitnamen und dem
alten Hausgut im Raum Ohrdruf-Georgenthal tritt als weiteres Beweisglied
für den Zusammenhang dieser Edelfreien des 8. und 9. Jahrhunderts
mit den späteren SCHWARZBURGERN die 802 in eben jener Schenkung
der Eigenkirche in Kölleda sichtbare Verbindung mit Hersfeld. 1006
übertrug - wieder - ein Günther
(nobilis homo) Eigengüter in Thüringen, Günserode,
Ichtershausen und an anderen Orten dem Wigbert-Altar in Göllingen,
das nahe dem genannten Kölleda liegt; dafür erwarb er die Vogtei
über hersfeldische Güter unter anderem in Ohrdruf, Wechmar, Emleben,
Schwabhausen (alles im Raum Ohrdruf-Gotha). Die zweite wichtige Position
der späteren
SCHWARZBURGER, Arnstadt, war hersfeldischen Lehen
(über Heden und Arnstadt vgl. Band I Seite 339.)
Diese Beobachtungen legen den Schluß nahe, daß
die späteren SCHWARZBURGER seit dem Anfang des 8. Jahrhunderts
als fremde, wohl fränkische Grafen (802) in Thüringen geboten
haben. Der Leitname Günther ist, wie R. Wenskus vermutet, nicht
thüringisch-anglischer Herkunft.
Die Genealogie bleibt auch im hohen Mittelalter zunächst
noch unsicher. Als SCHWARZBURGER sind auf Grund der Namen mit einiger
Sicherheit der Eremit Günther, der bei Niederaltaich die Zelle
Rinchnach im Böhmerwald gründete, und sein 1106 [Schreibfehler
für
1006.] als verstorben bezeichneter Bruder
zu betrachten. Als nächster KÄFERNBURGER darf Graf
Sizzo angesehen werden, er sich 1075 unter den Kapitulanten von
Spier (siehe oben Seite 15) befand. Ob er mit dem nun folgenden Sizzo
identisch bzw. wo eine neue Person dieses Namens anzusetzen ist, bleibt
unklar. Seit 1103 kommt ein Graf
Sizzo in mehreren Urkunden als Graf von Längwitzgau,
beim Kaiser und (bis 1123) beim Erzbischof von Mainz vor. 1123 heißt
er Graf von Schwarzburg; spätestens er hat also die tief im
Schwarzwald gelegene Stammburg erbaut. Sofern nicht Mangel an Quellen ein
falsches Bild liefert, war es dieser Sizzo, der aus dem Längwitzgau
in das weiter südöstlich gelegene Waldgebiet vordrang. Er hat
die Gründungsurkunde Kaiser
HEINRICHS V. für Paulinzella (siehe Abb. in Band II,
2. Teil, nach Seite 194) von 1114 mit bezeugt. Weder die Urkunde noch die
Vita Paulinae bezeichnet ihn als Stifter dieses Reformklosters nach Hirsauer
Gewohnheit, aber er hat bei der Gründung offfensichtlich die Hand
mit im Spiele gehabt, denn er hat später ("damals Vogt") die zeitweise
aus dem unwirtlichen Wald nach Rothenschirmbach ausgewiesenen Mönche
wieder nach Paulinzella zurückgeholt, also ein dringendes Interesse
am Fortbestehen des Klosters gehabt. Burgenbau und Beteiligung an der Stiftung
bzw. Stiftung eines Reformklosters können wir bei KÄFERNBURGERN
und
LUDOWINGERN
als gleichsam spiegelbildende Maßnahmen der Herrschaftsgründung
beobachtet.
Sizzo gab nach 1118 seine Zustimmung zur Überweisung
der von der Gräfin
Bertha in Zwickau gegründeten Marienkirche an das Kloster
Bosau (östlich Zeitz). Mit anderen Personen, die nicht genannt werden,
war er Erbe der Kirche. Bertha, die später mit Wiprechts
II. Sohn Heinrich
vermählt war, hat 1133 das Kloster Bürgel gegründet und
die Gründung des Klosters Lausnitz eingeleitet. Auch in Bürgel
war ein Sizzo, vermutlich der Sohn des eben genannten, erbberechtigt.
Die Verwandtschaft zwischen Bertha und Sizzo läßt
sich allerdings nicht genauer bestimmen.
Als Sizzo III. 1143 das Zisterzienserkloster
Georgenthal gründete, steckte er die westliche Grenze des schwarzburgischen
Anspruchsraumes ab. Das Kloster wurde in Altenbergen, wo eine käfernburgische
Burg
gestanden haben dürfte, in Angriff genommen. Durch die Verwendung
des - nach Georgenthal verlegten - Klosters als Grablege für den Stifter
betonten die KÄFERNBURGER die besondere Bedeutung der Ziserze,
die der landgräflichen Grablege Reinhardsbrunn
gegenüber lag.
Sizzos III. ältester Sohn Günther
II. (1160-1197) besaß die Käfernburg. Wie er
auch in den Besitz der Herrschaften Wiehe und Rabenswald gelangt
ist, wissen wir nicht, vielleicht durch Heirat, vielleicht haben auch hier
die alten Beziehungen der Familie zu Hersfeld eine Rolle gespielt: Wiehe
war Besitz des hersfeldischen Eigenklosters Memleben.
Sizzos III. jüngerer Sohn Heinrich
I.
(+
1184) erhielt die Schwarzburg und besaß Lehen bei Naumburg,
wohl auch bei Weißenfels. Nach Heinrichs I. kinderlosem Tod
fiel die Schwarzburg an seinen Bruder Günther II., der sie
seinem älteren Sohn Heinrich
II. (+ 1236), dem
Gründer der Linie Schwarzburg
überließ.
Günthers
III. gleichnamiger Sohn (IV.,
+ 1269) begründete die bis 1385 bestehende Linie Käfernburg.
Durch geschickte Parteinahme Günthers III., seines Bruders
Heinrich
II. und des schwarzburgischen Erzbischofs
Albert von Magdeburg (1205-1235)
für PHILIPP
VON SCHWABEN und das sofortige Überschwenken zu OTTO
IV. nach dem Tode des STAUFERS
konnte Günther III. 1208 Saalfeld
auf Wiederkauf erwerben; Albert hat das Verdienst, sächsische
Fürsten auf die Seite OTTOS IV. gezogen
zu haben. Durch den Erwerb von Saalfeld hatten die Grafen endlich
Zugang zu einer wichtigen Verkehrslinie erhalten.
Günthers IV. Sohn Günther V.
(1217-1259) trat seinem Bruder Albert
I. (1217-1255) Wiehe und Rabenswald ab. Damit entstand die
Linie Wiehe und Rabenswald, die 1312 ausstarb. Günther V.
unterwarf sich 1249 Heinrich
dem Erlauchten.
Die Söhne Günthers VI. (1259-1269),
Günther
VII. (1269-1289) und Günther VIII. (1269-1302),
regierten bis 1280 gemeinsam. Sie ordneten 1273 in einem umfänglichen
Vertrag ihre Rechte an Arnnstadt mit ihrem Lehnsherrn, dem Abt von Hersfeld.
Der Abt behielt alle Zinsen und Liegenschaften sowie das Marktrecht, den
Grafen blieben die Vogteirechte, die Hälfte der Rechte am Kaufhaus
und als Lehen die Burg Neideck. Gericht, Münze und Zoll wurden
geteilt. Der Vertrag bewahrte beide Teile auch in Zukunft nicht vor Streitigkeiten.
1290 mußte König
RUDOLF, der 1289/90 von Erfurt aus die Burg Ilmenau
zerstörte, zwischen Abt und Graf Günther VIII. schlichten.