Um 497 gebar Chrodechilde
Childebert
I. und um 501/02 noch Chlothar
I., der freilich beim Tod seines Vaters 511 noch klein war.
Entweder bald nach Chlodomers
Schlachtentododer
aber erst 531/32, wie der Erzählzusammenhang bei Gregor von Tours
nahe legt, teilten sich die jüngeren Brüder
Childebert
I. und Chlothar I. das Reich
ihres Bruders und übergingen die Ansprüche ihrer Neffen
Theudoald,
Gunthar
und
Chlodoald
auf brutale Weise.
Chlothar I. - ein König und viele Königinnen
Man hat es als Verhängnis bezeichnet, dass 561 beim Tod Chlothars I. nur noch seine Söhne als Nachfolger vorhanden waren, wurde doch der jüngste Chlodwig-Sohn und König des Teilreichs von Soissons von Gregor von Tours als besonders brutal und dekadent beurteilt, obwohl ja auch seinem Vater Chlodwig und seinen Brüdern durchaus Züge von Gewaltbereitschaft und Skrupellosigkeit zu attestieren sind. Ob es allerdings berechtigt ist, die verheerenden merowingischen Bruderkämpfe des weiteren 6. und 7. Jahrhunderts allein darauf zurückzuführen, dass das Königshaus "nur in den männlichen Nachkommen Chlothars weiterherrschen sollte, in deren allmählicher Dekadenz wohl nicht zuletzt die Folgen der Ausschweifungen und Verbrechen dieses Königs zutage treten" (Erich Zöllner), kann hier nicht erörtert werden. Die Ermorung der Chlodomer-Söhne hat er, wie erwähnt, nach Gregor von Tours maßgeblich zu verantworten und brutal erledigt. Sodann heiratete er die Witwe Chlodomers, Guntheuca, deren Kinder er umgebracht bzw. ins Kloster gedrängt hatte. Chlothars erste Gemahlin war Ingunde, die er um 517 geheiratet hatte; um 533/34 vermählte er sich dann aber noch gleichzeitig mit Ingundes Schwester Arnegunde:
Als er Ingunde
schon zur Ehe genommen hatte und
sie mit besonderer Liebe verehrte, da
hörte er eine
ein Bitte von ihr: "Mein Herr", sagte
sie, "hat mit seiner
Magd getan, wie ihm beliebte, und mich
seinem
Lager zugesellt. Nun hörte mein
Herr und König,
um das Maß seiner Gunst voll zu
machen, um was
seine Magd ihn bittet. Ich bitte euch,
bestellt gnädig
meiner Schwester, die eure Sklavin ist,
einen angesehenen
und wohlhabenden Mann, damit ich durch
sie nicht
erniedrigt, sondern vielmehr erhöht
werde und euch
umso ergebener diene." Als er dies hörte,
wurde er,
da er allzu ausschweifend war, von Begier
nach
Arnegunde
befallen, nahm seinen Weg zu dem Hof,
wo sie wohnte, und vermählte sich
mit ihr. Und als
er sie zum Weibe genommen hatte, kehrte
er zu
Ingunde
zurück und sagte: "Ich habe gesucht, dir
die Gunst zu gewähren, um welche
deine süße Liebe
mich bat. Und da ich einen reichen und
weisen Mann
suchte, welchem ich deine Schwester vermählen
könnte, habe ich keinen besseren
gefunden als mich
selbst. So wisse denn, dass ich
sie zum Weibe
genommen habe, und dies wird dir, wie
ich glaube,
nicht missfallen." Da sagte jene: "Was
in den Augen
meines Herrn gut scheint, das möge
er tun; wenn nur
deine Magd in der Gnade des Königs
lebt."
(Gregor von Tours, Historien IV, 3
= I Seite 197)
An dieser Schilderung fällt auf, dass Gregor von
Tours Chlothar zwar als eingebildet
und ausschweifend charakterisiert, dass er die Verbindung mit Arnegunde
aber nicht als Konkubinat bezeichnet, sondern als Ehe. Daraus muss man
wohl schließen, dass es sowohl im 6. als auch noch im 7. Jahrhundert
für die Könige nicht ungewöhnlich war, zwei Königinnen
gleichzeitig zu haben, das heißt, dass sich erst allmählich
unter Einfluss der Kirche die Monogamie durchsetzte. Einen Beweis dafür,
dass der Bischof von Tours die Verbindung mit Arnegunde
völlig zutreffend als Ehe bezeichnete, hat die Archäologie erbracht,
denn bei Ausgrabungen in Saint-Denis, der dritten bedeutenden Grablege
der MEROWINGER,
von der noch zu sprechen sein wird, hat man 1959 ein Frauengrab mit reichen
Beigaben gefunden, darunter einen Ring mit der Aufschrift Arnegundis
und einem Monogramm, das als regina aufgelöst wurde. Wahrscheinlich
ist also diese Gemahlin Chlothars
nach ihrem Tod in Saint-Denis beerdigt wordem, wenngleich die erste Bestattung
eines Königs dort erst die Dagoberts
I. († 639) war. Nach dem archäologischen
Befund war Arnegunde bei ihrem Tod
ungefähr 45 Jahre alt, demnach wäre sie zwischen 565 und 570
gestorben, jedenfalls einige Jahre nach Chlothar.
Doch außer diesen drei Frauen heiratete Chlothar
noch
eine Frau namens Chunsina,
deren Sohn
Chramn
ja schon erwähnt wurde (siehe auch unten Seite 56), dann die Thüringer-Prinzessin
Radegunde
(siehe unten Seite 54); er hatte von einer Frau unbekannten
Namens einen Sohn Gundowald,
den er aber nicht anerkannte (siehe unten Seite 63f.), und nach dem Tode
Theudowalds
von
Reims 555 annektierte er nicht nur dessen Reich, er heiratete
auch seine Witwe Waldrada.
Es mutet nicht wie ein Zufall an, dass gerade Chlothars
Ehen mit den "erbeuteten" Königinnnen Guntheuca
und Waldrada bzw. der Prinzessin
Radegunde
kinderlos geblieben sind. Ingunde
dagegen gebar Chlothar jeweils drei
Kinder, fünf Söhne und eine Tochter, und Arnegunde
einen Sohn namens Chilperich,
der zusammen mit den überlebenden drei Söhnen Ingundes
nach Chlothars Tod die erneute
Vierteilung des Franken-Reiches
vornahm.
Es ist auch nicht zu übersehen, dass drei dieser
vier Söhne genau wie ihr Vater es auf drei bis vier Gemahlinnen brachte
mit teilweise dramatischen Verwicklungen. So ist Erich Zöllners Diktum
über das Verhängnisvolle an der alleinigen Nachfolge der Chlothar-Söhne
auf dem MEROWINGER-Thron vielleicht
nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Im Jahre 531 hatte Chlothar
sich
von seinem Bruder Theuderich
I. (511-533) zu einem Angriff auf das Reich der Thüringer
gewinnen lassen, denn mit dem Tod Theoderichs
des Großen 526 hatten die Thüringer unter ihrem
König
Herminafrid
(† 533/34), der mit einer Nichte des Ostgoten-Königs
verheiratet war, einen starken Bundesgenossen eingebüßt. Sie
verloren dann auch die entscheidende Schlacht, und drei Jahre später
(534) lockte Theuderich Herminafrid
unter dem Vorwand von Verhandlungen nach Zülpich und stieß ihn
eigenhändig von der Mauer.
Für Herminafrids
Nichte Radegunde (520/25-587)
war
bereits das Jahr 531 zur Katastrophe geworden: Sie gehörte zur Beute
des Siegers, nachdem die thüringische Königsburg zerstört
worden war. Zunächst sollen sich beide Brüder um diese "Beute"
gestritten haben, schließlich erhielt Chlothar
die kleine Prinzessin, die zwischen 520 und 525 geboren sein muss. Er brachte
sie ins Franken-Reich, ließ sie erziehen, wohl auch katholisch taufen
und heiratete sie, vermutlich um 540, obwohl er ja bereits die Königinnen
Ingunde
und Arnegunde
hatte.
Angesichts seiner vielen "Frauengeschichten" könnte
man Chlothars militärische Unternehmungen
fast vergessen, doch bestand zwischen beiden oft ein Zusammenhang: Nicht
nur die Ehen mit Guntheuca und Radegunde
hingen mit Eroberungen von Ländern bzw. Teilreichen zusammen, auch
die letzte Frau, die Chlothar zur Ehe
nahm, war eine "Eroberung": Waldrada,
die Witwe seines Großneffen Theudowald
von Reims († 555), dessen Reich
Chlothar
damit
übernahm. Sie war Langobardin, und Chlothar
strebte zu diesem Zeitpunkt ein Bündnis mit den Langobarden
an, denen in Italien (nach 568) die Zukunft gehören sollte, weshalb
er auch seine Tochter Chlodoswinth
(† vor 568) dem langobardischen
Königs-Sohn
Alboin
(560/65-572/73)
zur Frau gab.
Die Kirche zwang jedoch
Chlothar, die Ehe mit Waldrada
wieder
zu lösen wegen zu naher Verwandtschaft zwischen ihrem ersten
und ihrem zweiten Ehemann. Hatte also die Kirche in den vergangenen 30
jahren bereits an Einfluss gewonnen? Als Chlothar
die Witwe seines Bruders Chlodomer
heiratete,
war die genauso nahe Verwandtschaft von der Kirche noch nicht als Ehehindernis
angesehen worden.
Gemeinsam mit seinem Sohn
Chilperich I. (561-584)
führte Chlothar
in seinen letzten Lebensjahren Kämpfe mit den Dänen, Sachsen
und Thüringern. Auch gegen seinen Sohn Chramn
ließ er noch einmal ein Heer zu Felde ziehen, als dieser sich erneut
gegen den Vater verschwor, diesmal mit den Bretonen. Chramn
unterlag schließlich (560):
Aber während
er noch sein Weib und seine Töchter
retten wollte,
wurde er vom Heere des Vaters überwältigt,
gefangen und gebunden.
Als dies König Chlothar
vernahm, befahl
er, ihn mit seinem Weibe und seinen
Töchtern zu
verbrennen. Und sie wurden eingesperrt
in die Hütte
eines armen Mannes, Chramn auf
eine
Bank gelegt und
mit
einem Schweißtuch erdrosselt
und dann die Hütte
über ihren Häuptern angezündet.
(Gregor von
Tours, Historien IV,20 = I Seite 223 und 225)
Chlothar erscheint einmal mehr gegen Ende seines Lebens abstoßend in seiner Brutalität, wenngleich Gregor ihn nach diesen Ereignissen zum heiligen Martin nach Tours ziehen und die Sünden seines Lebens bereuen lässt, bevor er ziemlich genau ein Jahr nach dem Tod Chramns und drei Jahre nach seinem Bruder Childebert im Dezember 561 im Alter von 60 Jahren gestorben sein soll, nach einer Herrschaft von 50 Jahren. Der bischöfliche Historiograph legt ihm als letzte Worte in den Mund:
Wehe! Was glaubt
ihr, wie mächtig nuss jener
König des
Himmels sein, der so große Könige
so elend umkommen
lässt!
(Gregor von Tours, Historien IV, 21 - I Seite 225)
Diesen Satz kann man zugleich als "in seiner Primitivität
großartiges Machtbewußtsein" (Eugen Ewig) deuten wie auch als
"tiefes christliches Erschrecken" (Franz Steinbach).
Chlothar hatte wie
sein Vater Chlodwig und sein Bruder
Childebert
gegen Ende seines Lebens eine Kirche gegründet über dem Grab
eines Heiligen, nämlich bei seiner ursprünglichen Residenzstadt
Soissons für den heiligen Medardus, Bischof von Noyon (†
vor 561), der Chlothars Königin
Radegunde
zur Nonnne geweiht hatte. Dorthin, nach Saint-Medard, brachten Chlothars
Söhne den toten Vater, den letzten Sohn des Reichsgründers
Chlodwig,
und bestatteten ihn im Dezember 561 an der Seite des Heiligen.