Gundowald                                     König in Austrien
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um 545 Anfang März 585
              Comminges
 

Angeblicher Sohn des Franken-Königs Chlothar I.
 

Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 1792
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Gundowald, König in Austrien
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      585

Der angebliche oder wirkliche Sohn Chlothars I. (nach Gregor von Tours von seinen Feinden auch ‚Ballomer‘ genannt) wurde als Schachfigur in den inner-merowingischen Auseinandersetzungen benutzt. Von Childebert I. zunächst anerkannt, von Chlothar I. selbst aber als Sohn bestritten, von Charibert aufgenommen, von Sigibert I. schließlich nach Köln verbannt, floh Gundowald nach Italien zu Narses und weiter nach Konstantinopel. Als von Kaiser Tiberios I. reich ausgestatteter Prätendent landete er Ende September 582 auf Einladung einer austrasischen Gesandtschaft in Marseille, wurde aber vom dux Gunthram Boso kaltgestellt. Nach der Ermordung Chilperichs I. im Herbst 584 riefen die Austrasier Gundowald nach Aquitanien. Im Dezember in Brives-la-Gaillarde (Limousin) zum König proklamiert, geriet Gundowald durch die neuerliche Annäherung Gunthrams und Childeberts II. (Anfang 585) in Isolation und wurde in Comminges grausam getötet.

Quellen:
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Gregor von Tours, Hist. Fr. VI, 24,26; VII, 10-11,14,26-28,30-38 (MGH SRM I) - Fredegar III, 89; IV, 2 (MGH SRM II)

Literatur:
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E. Ewig, Die fränkischen Teilungen und Teilreiche (511-613), AAMZ 9, 1953, 682-685 (Ders., Spätantikes und frk. Gallien I, 1976, 141-144) - Ders., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 45-48.



Thiele, Andreas: Tafel 2
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1"

GUNDOBALD (unehelich)
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    585 gefallen

Gundobald wurde vom Vater gezwungen, Mönch zu werden. Er floh 567 zu Narses nach Italien und ging in byzantinische Dienste. Er kämpfte 583 um ein Erbteil gegen Brüder und Neffen und scheiterte letztlich an König Guntram.



Ewig Eugen: Seite 45,47
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"Die Merowinger und das Frankenreich"

Die Austrasier brachten gegen Gunthram indessen den Prätendenten Gundowald ins Spiel, einen angeblichen oder wirklichen Sohn Chlothars I., der im Exil am Kaiserhof lebte. Im Sommer 581 ging eine Gesandtschaft nach Konstantinopel unter Leitung des intriganten und skrupellosen dux Gunthram Boso, der Gundowald nach Gallien "einlud". Die Chancen scheinen günstig, da auch Desiderius, der dux Chilperichs in Aquitanien, und König Gunthrams bester Feldherr Mummolus, der sich mit seinem Herrn überworfen hatte, mit im Spiel waren. Kaiser Tiberius II. gab seine Einwilligung und stattete Gundowald mit reichen Sudsidien aus. Der Prätendent traf Ende September 582 in Marseille ein, wurde dann aber zunächst überraschend durch einen perfiden Coup Gunthram Bosos matt gesetzt und zog sich auf eine provencalische Insel zurück.
Nach der Ermordung Chilperichs legte der Herzog Desiderius die Hand auf den Schatz der Königs-Tochter Rigunth in Toulouse und rief den Prätendenten Gundowald nach Aquitanien. Der Aufstand erfaßte vor allem die Novempopulana (Gascogne), die zweite aquitanische Provinz (Boedeaux) und die Gebiete von Cahors und Limoges. Gundowald wurde im Dezember 584 in Brives-la-Gaillarde (Limousin) durch Schilderhebung zum König proklamiert. Er nahm aus dem Charibert-Erbe die Anteile Gunthrams und Chilperichs für sich in Besitz, ließ aber die einst Sigibert von Reims zugefallenen civitates auf Childebert II. vereidigen.
Der Zorn des merowingischen Seniors richtete sich gegen die austrasischen Regenten, die augenscheinlich Verbindungen zu Gundowald unterhielten, nicht gegen den Neffen. Gunthram und Childebert trafen erneut zusammen im Jahre 585, als Childebert das Mündigkeitsalter von 15 Jahren erreichte. Der Usurpator Gundowald wurde auf deise Weise isoliert. Gunthram rüstete ein Heer, das der Rebellion ein Ende machte. Der unglückliche Prätendent fiel in Comminges einem neuen Verrat der Seinen zum Opfer.

Hartmann Martina: Seite 53,63-65
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"Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger."

Doch außer diesen drei Frauen heiratete Chlothar noch eine Frau namens Chunsina, deren Son Chramn ja schon erwähnt wurde (siehe auch unten Seite 56), dann die Thüringer-Prinzessin Radegunde (siehe unten Seite 54); er hatte von einer Frau unbekannten Namens einen Sohn Gundowald, den er aber nicht anerkannte (siehe unten Seite 663f.), und nach dem Tode Theudowalds von Reims 555 annektierte er nicht nur dessen Reich, er heiratete auch seine Witwe Waldrada.

Gundowald - ein Merowingerprinz?

Im Zusammenhang mit den Gattinen und Konkubinen König Gunthrams verwies Gregor von Tours, wie bereits erwähnt, eigens darauf, dass als merowingischer Königs-Sohn derjenige gelte, der von einem MEROWINGER-König gezeugt wurde, und dass hierbei die Herkunft und Stellung der Mutter keine Rolle spiele (siehe oben Seite 58). Ungewöhnlich ist dagegen das Schicksal Gundowalds, von dem Gregor ausführlich berichtet: Ungefähr im Jahre 555 hatte seine Mutter den damals etwa zehnjährigen Knaben seinem Onkel Childebert als Sohn Chlothars I. präsentiert, der von seinem Vater abgelehnt werde. Chlothar ließ, als er davon hörte, Gundowald zu sich bringen:

   Als Chlothar ihn aber sah, befahl er, ihm die Locken
   abzuscheniden, und sprach: "Den habe ich nicht
   gezeugt!"
         (Gregor vonn Tours, Historien VI, 24 = Seite 43)

Nach Chlothars Tod 561 wurde Gundowald zunächst von König Charibert (561-567) aufgenommen, dann von Sigibert I. (561-575) geholt, der ihn allerdings genau wie Chlothar scheren und nach Köln verbannen ließ. Gundowald entkam, begab sich nach Italien zum byzantinischen Feldherrn Narses (551-574), heiratete, wurde Vater zweier Söhne und ging schließlich nach Konstantinopel. 579 brachte die Regentin Brunichild ihn wieder ins Spiel, indem sie ihm nach Byzanz eine "Einladung" ins Franken-Reich verbunden mit einer Heiratsofferte schickte.
Als Gundowald 582 dann endlich mit einer kaiserlichen Gesandtschaft eintraf, war die Lage völlig verändert und Brunichild als Regentin entmachtet. So wartete Gundowald ab, ob sich die Situation zu seinen Gunsten ändern würde, was dann mit der Ermordung Chilperichs 584 eintraf: Gundowald griff sogleich in Aquitanien ein und ließ sich im Dezember 584 durch Schilderhebung dort zum König proklamieren. Er besetzte Gunthrams und Chilperichs Gebiete aus dem Charibert-Erbe und überließ Childebert II. (575-596) lediglich den Anteil seines Vaters Sigibert.
Doch nun griff Gunthram ein, wobei es sich günstig fügte, dass Childebert im Januar 585 das Mündigkeitsalter von 15 Jahren erreichte, also von nun an keiner Regentschaft mehr bedurfte. Gunthram, dessen Zorn sich gegen die austrasische Regentschaft und damit auch gegen Brunichild richtete, weil sie offenbar mit Gundowald konspirierte, erneuerte sein Versprechen, den Neffen zum Erben seines Reiches zu machen, und restituierte ihm zur Bekräftigung den Anteil seines Vaters am Erbe Chariberts. Gleichzeitig warnte er seinen Neffen vor schlechten Ratgebern, was sich auch gegen dessen Mutter Brunichild richtete. Damit wurde Gundowald zunehmend isoliert, sodass Gunthram mit einem Heereszug zum Schlag gegen ihn ausholen konnte.
Gregor von Tours hat sehr spannend beschrieben, wie Gundwalds Anhänger von ihm abfielen, indem sie nun plötzlich Zweifel an seiner königlichen Abstammung laut werden ließen:

   Es stiegen aber manche die Höhe hinauf und riefen
   öfters Gundowald zu, schmähten ihn und sprachen:
   Bist du nicht jener Maler, der zu König Chlothars
   Zeiten Wände und Decken in den Bethäusern bemalte?
   "Bist du nicht der, den die Bewohner Galliens
   oft Ballomer nannten! Nicht der, den wiederholt
   die Franken-Könige wegen dieser Ansprüche, die du
   erhebst, scheren ließen und in die Verbannung
   schickten! Sage doch, wer hat dich, unseligster aller
   Menschen, in dieses Land geführt? Wer hat dich zu
   solcher Vermessenheit verleitet, dass du wagst, das
   Gebiet unserer Herren und Könige zu betreten? Bist
   du von jemandem gerufen, so sage es offen und klar.
   Siehe, dir steht der Tod vor Augen, siehe, die Grube
   zu deinem Untergange, den du schon lange
   heraufbeschworen hast, liegt vor dir, und du wirst in sie
   stürzen ..."
        (Gregor von Tours, Historien VII, 36 = II Seite 139 und 141)

Mit Sinn für Dramataik lässt Gregor in den Schmähungen schon auf Gundowalds Ende anspielen und als Antwort dann den angeblichen oder tatsächlichen Sohn Chlothars eine lange Rede halten, in der er sein Schicksal von Geburt an erzählt und die in dem Appell gipfelt:

   "Wollt ihr die Wahrheit erkunden von alledem, was
   ich sage, so fragt bei Radegunde zu Poitiers und bei
   Ingotrude zu Tours an, sie werden euch bestätigen,
   dass alles so ist, wie ich es euch sage."
          (Gregor von Tours, Historien VII, 36 = II Seite 143)

Die Thüringer-Prinzessin Radegunde, die um 540 Gemahlin Chlothars I. hatte werden müssen, ihn aber ca. zehn Jahre später wieder verlassen hatte, lebte zum Zeitpunkt von Gundowalds Endkampf immer noch in Poitiers und hatte die Wahrheit über die Abstammung des ja während ihrer Ehe mit Chlothar gezeugten Gundowald wissen können. Die zweite von Gundowalds als Zeugin für die Vaterschaft Chlothars Angerufene war die dritte Schwester von Chlothars Gemahlinnen Ingunde und Arnegunde. Vielleicht hat Gregor von Tours auch über Ingotrude, die in Tours lebte, einige Informationen, die Gundowald betrafen, erhalten.
Genützt hat dem angeblichen Chlothar-Sohn sein Appell nichts, denn er wurde von seinen Anhängern verrraten und ermordet, als diese sahen, dass das Heer König Gunthrams übermächtig war und nahte (585). Gregor von Tours hat Gundowalds Untergang dramatisch beschrieben, und an der Art seiner Darstellung kann man erkennen, dass er zwar seinen Untergang als Strafe Gottes gewertet und gestaltet hat, da der Prätendent sich gegen Kirchen und auch gegen Mitbischöfe Gregors vergangen hatte, dass er aber offenbar an die Abstammung Gundowalds von Chlothar I. glaubte.
 
 
 
 

Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Dahn, Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth 1997, Seite 408,419 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 58 - Ewig Eugen: Die fränkischen Teilungen und Teilreiche (511-613). Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 1952 - Ewig Eugen: Die fränkischen Teilungen und Teilreiche (511-613). Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 1952 - Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1993, Seite 45,47,80,82 - Hartmann Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag 2003 Seite 53,63-65,155,165,182,188 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 205, 208,217 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter. Anton Hirsemann Stuttgart 1972, Seite 98-109,121,217,235,237,247,263 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 2 - Thiess Frank: Die griechischen Kaiser. Die Geburt Europas. Paul ZsolnayVerlag Gesellschaft mbH Hamburg/Wien 1959 Seite 222 - Zöllner Erich: Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Verlag C. H. Beck München 1970, Seite 108,125-127,154,243 -