Angeblicher Sohn des Franken-Königs Chlothar
I.
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 1792
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Gundowald, König in Austrien
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† 585
Der angebliche oder wirkliche Sohn Chlothars I. (nach Gregor von Tours von seinen Feinden auch ‚Ballomer‘ genannt) wurde als Schachfigur in den inner-merowingischen Auseinandersetzungen benutzt. Von Childebert I. zunächst anerkannt, von Chlothar I. selbst aber als Sohn bestritten, von Charibert aufgenommen, von Sigibert I. schließlich nach Köln verbannt, floh Gundowald nach Italien zu Narses und weiter nach Konstantinopel. Als von Kaiser Tiberios I. reich ausgestatteter Prätendent landete er Ende September 582 auf Einladung einer austrasischen Gesandtschaft in Marseille, wurde aber vom dux Gunthram Boso kaltgestellt. Nach der Ermordung Chilperichs I. im Herbst 584 riefen die Austrasier Gundowald nach Aquitanien. Im Dezember in Brives-la-Gaillarde (Limousin) zum König proklamiert, geriet Gundowald durch die neuerliche Annäherung Gunthrams und Childeberts II. (Anfang 585) in Isolation und wurde in Comminges grausam getötet.
Quellen:
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Gregor von Tours, Hist. Fr. VI, 24,26; VII, 10-11,14,26-28,30-38
(MGH SRM I) - Fredegar III, 89; IV, 2 (MGH SRM II)
Literatur:
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E. Ewig, Die fränkischen Teilungen und Teilreiche
(511-613), AAMZ 9, 1953, 682-685 (Ders., Spätantikes und frk. Gallien
I, 1976, 141-144) - Ders., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 45-48.
GUNDOBALD (unehelich)
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†
585 gefallen
Gundobald wurde vom
Vater gezwungen, Mönch zu werden. Er floh 567 zu Narses
nach
Italien und ging in byzantinische Dienste. Er kämpfte 583 um ein Erbteil
gegen Brüder und Neffen und scheiterte letztlich an
König
Guntram.
Die Austrasier brachten gegen Gunthram
indessen den Prätendenten
Gundowald ins Spiel, einen angeblichen oder wirklichen Sohn
Chlothars
I., der im Exil am Kaiserhof lebte. Im Sommer 581 ging eine
Gesandtschaft nach Konstantinopel unter Leitung des intriganten und skrupellosen
dux Gunthram Boso, der Gundowald
nach Gallien "einlud". Die Chancen scheinen günstig, da
auch Desiderius, der dux
Chilperichs
in Aquitanien, und König
Gunthrams bester Feldherr Mummolus, der sich mit seinem
Herrn überworfen hatte, mit im Spiel waren. Kaiser
Tiberius II. gab seine Einwilligung und stattete Gundowald
mit
reichen Sudsidien aus. Der Prätendent traf Ende September 582
in Marseille ein, wurde dann aber zunächst überraschend durch
einen perfiden Coup Gunthram Bosos matt gesetzt und zog sich auf
eine provencalische Insel zurück.
Nach der Ermordung Chilperichs
legte
der Herzog Desiderius die Hand auf den Schatz der
Königs-Tochter
Rigunth
in Toulouse und rief den Prätendenten
Gundowald nach Aquitanien. Der Aufstand erfaßte vor allem
die Novempopulana (Gascogne), die zweite aquitanische Provinz (Boedeaux)
und die Gebiete von Cahors und Limoges. Gundowald
wurde im Dezember 584 in Brives-la-Gaillarde (Limousin) durch Schilderhebung
zum
König proklamiert. Er nahm aus dem Charibert-Erbe
die Anteile Gunthrams und Chilperichs
für sich in Besitz, ließ aber die einst Sigibert
von Reims zugefallenen civitates auf Childebert
II. vereidigen.
Der Zorn des merowingischen
Seniors richtete sich gegen die austrasischen Regenten, die augenscheinlich
Verbindungen zu Gundowald unterhielten,
nicht gegen den Neffen. Gunthram und
Childebert
trafen
erneut zusammen im Jahre 585, als Childebert
das Mündigkeitsalter von 15 Jahren erreichte. Der Usurpator
Gundowald wurde auf deise Weise isoliert. Gunthram
rüstete ein Heer, das der Rebellion ein Ende machte. Der unglückliche
Prätendent fiel in Comminges einem neuen Verrat der Seinen zum Opfer.
Hartmann Martina: Seite 53,63-65
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"Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger."
Doch außer diesen drei Frauen heiratete Chlothar noch eine Frau namens Chunsina, deren Son Chramn ja schon erwähnt wurde (siehe auch unten Seite 56), dann die Thüringer-Prinzessin Radegunde (siehe unten Seite 54); er hatte von einer Frau unbekannten Namens einen Sohn Gundowald, den er aber nicht anerkannte (siehe unten Seite 663f.), und nach dem Tode Theudowalds von Reims 555 annektierte er nicht nur dessen Reich, er heiratete auch seine Witwe Waldrada.
Gundowald - ein Merowingerprinz?
Im Zusammenhang mit den Gattinen und Konkubinen König Gunthrams verwies Gregor von Tours, wie bereits erwähnt, eigens darauf, dass als merowingischer Königs-Sohn derjenige gelte, der von einem MEROWINGER-König gezeugt wurde, und dass hierbei die Herkunft und Stellung der Mutter keine Rolle spiele (siehe oben Seite 58). Ungewöhnlich ist dagegen das Schicksal Gundowalds, von dem Gregor ausführlich berichtet: Ungefähr im Jahre 555 hatte seine Mutter den damals etwa zehnjährigen Knaben seinem Onkel Childebert als Sohn Chlothars I. präsentiert, der von seinem Vater abgelehnt werde. Chlothar ließ, als er davon hörte, Gundowald zu sich bringen:
Als Chlothar
ihn
aber sah, befahl er, ihm die Locken
abzuscheniden, und sprach: "Den habe
ich nicht
gezeugt!"
(Gregor
vonn Tours, Historien VI, 24 = Seite 43)
Nach Chlothars Tod
561 wurde Gundowald zunächst von
König
Charibert (561-567)
aufgenommen, dann von Sigibert I. (561-575)
geholt, der ihn allerdings genau wie Chlothar
scheren und nach Köln verbannen ließ. Gundowald
entkam, begab sich nach Italien zum byzantinischen Feldherrn Narses
(551-574), heiratete, wurde Vater zweier Söhne und ging schließlich
nach Konstantinopel. 579 brachte die Regentin Brunichild
ihn wieder ins Spiel, indem sie ihm nach Byzanz eine "Einladung" ins Franken-Reich
verbunden mit einer Heiratsofferte schickte.
Als Gundowald 582
dann endlich mit einer kaiserlichen Gesandtschaft eintraf, war die Lage
völlig verändert und Brunichild
als Regentin entmachtet. So wartete Gundowald
ab,
ob sich die Situation zu seinen Gunsten ändern würde, was dann
mit der Ermordung Chilperichs 584 eintraf:
Gundowald griff sogleich in Aquitanien
ein und ließ sich im Dezember 584 durch Schilderhebung dort zum
König proklamieren. Er besetzte Gunthrams
und Chilperichs Gebiete aus dem Charibert-Erbe
und überließ Childebert II. (575-596)
lediglich den Anteil seines Vaters Sigibert.
Doch nun griff Gunthram ein,
wobei es sich günstig fügte, dass Childebert
im Januar 585 das Mündigkeitsalter von 15 Jahren erreichte, also von
nun an keiner Regentschaft mehr bedurfte. Gunthram,
dessen Zorn sich gegen die austrasische Regentschaft und damit auch gegen
Brunichild
richtete, weil sie offenbar mit Gundowald
konspirierte, erneuerte sein Versprechen, den Neffen zum Erben
seines Reiches zu machen, und restituierte ihm zur Bekräftigung den
Anteil seines Vaters am Erbe Chariberts.
Gleichzeitig warnte er seinen Neffen vor schlechten Ratgebern, was sich
auch gegen dessen Mutter Brunichild
richtete. Damit wurde Gundowald zunehmend
isoliert, sodass Gunthram mit einem
Heereszug zum Schlag gegen ihn ausholen konnte.
Gregor von Tours hat sehr spannend beschrieben, wie Gundwalds
Anhänger
von ihm abfielen, indem sie nun plötzlich Zweifel an seiner königlichen
Abstammung laut werden ließen:
Es stiegen aber manche die Höhe hinauf
und riefen
öfters Gundowald
zu, schmähten ihn und sprachen:
Bist du nicht jener Maler, der zu König
Chlothars
Zeiten Wände und Decken in den Bethäusern
bemalte?
"Bist du nicht der, den die Bewohner
Galliens
oft Ballomer nannten! Nicht der,
den wiederholt
die Franken-Könige wegen dieser
Ansprüche, die du
erhebst, scheren ließen und in
die Verbannung
schickten! Sage doch, wer hat dich, unseligster
aller
Menschen, in dieses Land geführt?
Wer hat dich zu
solcher Vermessenheit verleitet, dass
du wagst, das
Gebiet unserer Herren und Könige
zu betreten? Bist
du von jemandem gerufen, so sage es offen
und klar.
Siehe, dir steht der Tod vor Augen, siehe,
die Grube
zu deinem Untergange, den du schon lange
heraufbeschworen hast, liegt vor dir,
und du wirst in sie
stürzen ..."
(Gregor von
Tours, Historien VII, 36 = II Seite 139 und 141)
Mit Sinn für Dramataik lässt Gregor in den Schmähungen schon auf Gundowalds Ende anspielen und als Antwort dann den angeblichen oder tatsächlichen Sohn Chlothars eine lange Rede halten, in der er sein Schicksal von Geburt an erzählt und die in dem Appell gipfelt:
"Wollt ihr die Wahrheit erkunden von alledem,
was
ich sage, so fragt bei Radegunde
zu Poitiers und bei
Ingotrude
zu Tours an, sie werden euch bestätigen,
dass alles so ist, wie ich es euch sage."
(Gregor von Tours, Historien VII, 36 = II Seite 143)
Die Thüringer-Prinzessin Radegunde,
die um 540 Gemahlin Chlothars I. hatte
werden müssen, ihn aber ca. zehn Jahre später wieder verlassen
hatte, lebte zum Zeitpunkt von Gundowalds Endkampf
immer noch in Poitiers und hatte die Wahrheit über die Abstammung
des ja während ihrer Ehe mit Chlothar gezeugten
Gundowald
wissen können. Die zweite von Gundowalds
als Zeugin für die Vaterschaft Chlothars
Angerufene war die dritte Schwester von Chlothars
Gemahlinnen
Ingunde und
Arnegunde. Vielleicht hat Gregor von
Tours auch über Ingotrude, die in Tours lebte, einige Informationen,
die Gundowald betrafen, erhalten.
Genützt hat dem angeblichen Chlothar-Sohn
sein Appell nichts, denn er wurde von seinen Anhängern verrraten und
ermordet,
als diese sahen, dass das Heer König Gunthrams
übermächtig war und nahte (585). Gregor von Tours hat Gundowalds
Untergang
dramatisch beschrieben, und an der Art seiner Darstellung kann man erkennen,
dass er zwar seinen Untergang als Strafe Gottes gewertet und gestaltet
hat, da der Prätendent sich gegen Kirchen und auch gegen Mitbischöfe
Gregors vergangen hatte, dass er aber offenbar an die Abstammung Gundowalds
von Chlothar I. glaubte.
Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899
- Dahn, Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth
1997, Seite 408,419 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag
C.H. Beck München 1994, Seite 58 - Ewig Eugen: Die fränkischen
Teilungen und Teilreiche (511-613). Verlag der Akademie der Wissenschaften
und der Literatur in Mainz 1952 - Ewig Eugen: Die fränkischen
Teilungen und Teilreiche (511-613). Verlag der Akademie der Wissenschaften
und der Literatur in Mainz 1952 - Ewig, Eugen: Die Merowinger und
das Frankenreich. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1993,
Seite 45,47,80,82 - Hartmann Martina: Aufbruch ins Mittelalter.
Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag 2003 Seite 53,63-65,155,165,182,188
- Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger
im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 205,
208,217 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung
im Frühmittelalter. Anton Hirsemann Stuttgart 1972, Seite 98-109,121,217,235,237,247,263
- Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur
europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main
1993 Tafel 2 - Thiess Frank: Die griechischen Kaiser. Die Geburt
Europas. Paul ZsolnayVerlag Gesellschaft mbH Hamburg/Wien 1959 Seite 222
- Zöllner Erich: Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6.
Jahrhunderts. Verlag C. H. Beck München 1970, Seite 108,125-127,154,243
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