IRLAND
Lexikon des Mittelalters:
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Irland
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A. Materielle Kultur und Kunst
I. Archäologie:
Die materielle Kultur des irischen Mittelalters ist hauptsächlich
durch Ausgrabungen bekannt; die Kleinkunst dagegen zumeist aus
Zufallsfunden, oder sie entstammt dem Besitz von Kirchen, deren
kostbare liturgische Geräte und Reliquien nach der Reformation der
Obhut traditioneller Hüterfamilien anvertraut wurden.
Archäologische Ausgrabungen haben drei Hauptsiedlungstypen
erfaßt:
1. Klostersiedlungen, zum Beispiel Inis Cealtra (Grafschaft Clare) oder
Nenrum (Grafschaft Down), in denen wegen nachträglichen
Bestattungen aber verhältnismäßig wenige
Alltagsgegenstände gefunden wurden. -
2. Ländliche Siedlungen, vor allem die Ringwälle (Ringforts),
von denen ca. 30.000 gezählt wurden, belegt in der Zeit von ca.
500-1.000; sie bestanden zumeist aus einem kreisförmigen Erdwall,
vereinzelt einer Steinmauer, gelegentlich auch einer dreifachen
Ringmauer mit Außengraben. Ein charakteristischer Siedlungstyp
sind die Crannogs, Ufersiedlungen, in denen grobe Keramik, Stein- und
Eisenwerkzeuge sowie guterhaltene Holzgefäße festgestellt
wurden (größte Verbreitung: 7.-8. Jh.). -
3. Städtische Siedlungen, unter anderem Waterford, Wexford,
Limerick und - als reichste Stätte - Dublin, die als
Wikinger-Siedlungen, zum Teil mit einheimischer
('hiberno-skandinavische') Bevölkerung, ihre Blüte als
Zentren des Handels und Handwerks erlebten, im 12. Jh. von den
Anglonormannen eingenommen wurden.
II. Baukunst:
Sichtbare Überreste von ir. Klosterbauten (siehe auch Abschnitt C)
bestehen insbesonders aus Rundtürmen, den charakteristischen
Hochkreuzen sowie Kirchen und Kapellen.
[1] Rundtürme:
Es sind ca. 100 Exemplare festgestellt worden, nur selten intakt
erhalten, alle an den Stätten ehemaliger Klöster. Sie
erreichten oft 30 m Höhe, besaßen mehrere, durch Leitern
verbundene Stockwerke, jeweils mit einem Fenster ausgestattet. Das
oberste Stockwerk hatte vier Fenster und ein konisches Dach. Mit einer
Ausnahme (Scattery Island) lagen die Türen bis zu 3 m über
dem Bodenniveau. Dies hat zur Annahme geführt, die Rundtürme
hätten als Zufluchtsorte bei feindlichen Einfällen gedient.
Dies ist zwar denkbar, ihrer Hauptfunktion nach waren sie jedoch
Glockentürme (vgl. die altirische Bezeichnung cloigtheach 'Glockenhaus').
Rundtürme sind von der Mitte des 10. Jh. bis ins 12. Jh.
belegt; möglicherweise entstammen einige jedoch bereits dem
9. Jh. Beziehungen zu den Türmen des St. Galler
Klosterplans sind möglich, aber unbeweisbar.
[2] Kirchenbauten:
Die ältesten Kirchenbauten Irlands
waren aus Holz errichtet. Steinbauweise verbreitete sich stärker
wohl erst seit d. 9./10. Jh., obwohl der erste Beleg bereits von
788 datiert. Die Klosterkirchen folgen meist einem einfachen
kastenartigen Grundriß, gelegentlich mit einem schmaleren
Altarraum als Annex. Charakteristisch sind die 'antae' (Vorbauten), das
heißt Erweiterungen der Nord- und Süd-Mauern über die
Ost- und West-Mauern hinaus, was als Übertragung von
Holzbautechniken auf die Steinarchitektur gedeutet worden ist. Die
Verbreitung dieses einfachen, kleinen Kirchentyps bis ins 12. Jh.
(im Westen des Landes gar bis in die 1. Hälfte des 13. Jh.)
zeigt den konservativen Charakter irischer Bautradition. Wenn auch
Schriftzeugnisse (Beschreibung der Kirche von Kildare durch Cogitosus
im 7. Jh.) die Existenz einiger größerer Kirchen
nahelegen, so drang die Basilikaform wohl erst im 12. Jh. in Irland
ein. Ausgeprägt romanische Formen zeigt erst Cormac's Chapel (1.
Hälfte 12. Jh.) in Cashel, die den irischen Kirchenbau des
Hoch-Mittelalters stark beeinflußt hat. Der Dekor war meist
englisch beeinflußt. Nach der Zisterzienser-Baukunst
(früheste Beispiele: Mellifont, Baltinglass) drang im Gefolge der
anglonormannischen Eroberung die Gotik ein, die aber bis ins
Spät-Mittelaler einige traditionell irische Sonderformen
beibehielt. An frühen Wohnbauten im städtischen Bereich sind
vor allem die Holzhäuser in Dublin mit verschiedenen Typen zu
nennen (Dublin, A. III).- Siehe auch Burg C XI.
III. Kleinkunst:
Die erhaltenen Objekte der reichen irischen Metallbearbeitung im
Früh-Mittelalter umfassen Trachtzubehör (gelegentlich auch
Pferdegeschirr) sowie kirchlich-liturgische Gefäße und
Reliquiare von höchstem Rang.
[1] Fibeln:
Außer den sogenannten latchets
von unbekannter Zweckbestimmung und verzierten Nadeln war die
runde Fibel der Hauptschmuck. Die Produktion begann wohl im 6. Jh.
mit sogenannten Penannular Brooches (Fibeln mit geschlossenem Ring),
befestigt mit einer beweglichen Nadel, wohl spätrömisch
beeinflußt. Das Ringende war verziert (stilisierte Tierköpfe
und anderes, gelegentlich mit Millefiori oder rotem Email). In der Zeit
von etwa 700 bis ins 9. Jh. war der Ring oft geschlossen und das
untere Drittel ausgefüllt und ornamentiert (Gold, Silber,
Bernstein, Glas; Flechtwerk, germanische Tier- und keltische
Spiralornamentik, manchmal in Filigrantechnik). Durch den Einfluß
der Wikinger-Kunst treten seit dem 9. Jh. Bossen als Verzierung
auf.
[2] Kirchliche Kleinkunst:
Kirchliche Prunkgefäße treten seit dem 8. Jh. auf.
Berühmte Zeugnisse sind der Hortfund von Derrynavlan (unter
anderem silberner goldverzierter Meßkelch und Patene mit
Untersatz) sowie der Silberkelch von Ardagh (Gft. Limerick).
Reliquienschreine aus Bronze, manchmal silberverziert, sind zum Teil
hausförmig oder in Form von Bischofsstäben oder Glocken
gestaltet; einzigartig ist ein Gürtelschrein aus Moylough
(Grafschaft Sligo). Einige dieser Arbeiten wurden in
Wikinger-Gräbern Norwegens gefunden; zwei hausförmige
Schreine fanden den Weg nach Italien. Außer Masken sind
menschliche Figuren selten, mit Ausnahme einer bronzenen
Kreuzigungsdarstellung aus St. John's bei Athlone. Gelegentlich
begegnen Eimer (Situlen), wohl zu liturgischen Zwecken. Der irische
Ursprung der Hanging Bowls ist zwar umstritten, doch aufgrund neuerer
Funde nicht unwahrscheinlich. Umstritten ist auch, wieweit der Verfall
des irischen Kunsthandwerks im 10. und 11. Jh. auf die
Wikinger-Einfälle zurückzuführen ist. Ein erneuter
Aufschwung kündigte sich um 1100 an (Reliquienschreine,
Prozessionskreuz von Cong, sogenannte Glocke des hl. Patrick und
andere). Nach der anglonormannischen Eroberung kamen die einheimischen
Werkstätten jedoch zum Erliegen; die wenigen, meist
geringerwertigen Objekte aus dem Spät-Mittelaler zeigen kaum noch
irischen Charakter.
IV. Buchmalerei:
Die Buchmalerei Irlands
(Buchmalerei, A. III), neben der Metallbearbeitung der bedeutendste
Zweig im frühmittelalterlichen Kunstschaffen des Landes, ist seit
dem frühen 7. Jh. belegt (um 600: Cathach des hl. Columba,
Dublin, Royal Irish Acad.); Hauptwerk der 2. Hälfte des
7. Jh. ist das Book of Durrow,
Gipfelpunkt das einzigartige Book of
Kells (um 800). Weniger reich gestaltet ist Cod. 51 der
St. Galler Stiftsbibliothek. Im 8.-9. Jh. entstanden neben
den großen Evangelien auch kleinere Gebetbücher mit
Evangelistenbildern. Qualität und Zahl der illuminierten
Handschriftensammlungen gehen in der Wikinger-Zeit deutlich
zurück. Nach einer bescheidenen Wiederbelebung im 12. Jh. ist
aus dem Irland der
anglonormannischen Zeit kaum noch Buchmalerei belegt.
P. Harbison
B. Allgemeine und politische Geschichte
I. Vom Frühmittelalter bis ins späte 12. Jh.
[1] Der Umbruch des Frühmittelalters:
Das frühmittelalterliche Irland
nimmt im 6. Jh. stärkere Konturen an, nachdem das Land wohl
schon seit etwa einem Jahrhundert vom 431 förmlich
eingeführten Christentum geprägt war (zur Frage der
Christianisierung siehe auch Patrick, hl.). Die erhaltenen Quellen des
weltlichen (Annalen, Genealogien, volkssprachliche Rechtstexte) wie des
kirchlichen (vor allem Texte der Hagiographie) Bereiches weisen auf
tiefgreifende Wandlungen der sozialen und politischen Strukturen
gegenüber der prähistorischen Zeit hin. War Irland
in der älteren Zeit durch eine 'Pentarchie' in Gestalt von
(fünf) großen Provinzial-Königreichen (cóiced) geprägt worden
(Ulster, Leinster, Munster, Connacht, Mide), so trat spätestens
seit dem 6. Jh. eine Vielzahl von Klein-Königreichen (tuath) auf. Die Umwälzung
schlug sich im Wandel von Loyalitätsbindungen nieder: an die
Stelle der alten, vielfach auf irische Gottheiten
zurückgeführten Stammesgruppen trat die Zugehörigkeit zu
stärker lokal gebundenen Einheiten; diese bildeten sich
vorzugsweise in neueroberten Gebieten, in denen expandierende
Dynastien, die aus dem Chaos des 5. und 6. Jh. hervorgegangen
waren, herrschten. Charakteristisch für diesen Umbruch ist das
Verschwinden von Begriffen, die die alte Stammeszugehörigkeit
bezeichneten (zum Beispiel der Bestandteil moccu in Familiennamen)
zugunsten eines neuen Vokabulars, das die Abstammung von
identifizierbaren Figuren der historischen Überlieferung
ausdrückte (zum Beispiel Uí Néill 'Nachkommen des
Niall'; Uí Dúnlainge 'Nachkommen des Dúnlang'
usw.). Der Strukturwandel dürfte durch Perioden der Hungersnot und
des Bevölkerungsrückgangs im 5. Jh. und erneut um die
Mitte des 6. Jh. beschleunigt worden sein. Zu Beginn des
7. Jh. sind eine Reihe alter Völkerschaften, die in Annalen
und Genealogien noch genannt werden, von der historischen Landkarte
verschwunden; vielfach lassen sie sich nicht einmal mehr lokalisieren.
Dies betrifft sogar einst dominierende Stämme wie die Mairtine (im
westlichen Munster, um Emly). Allerdings wurden die einzelnen Regionen Irlands
wohl in unterschiedlichem Maße von diesen Wandlungen betroffen;
so erfuhr das alte Provinzial-Königreich Connacht, dessen
frühe Geschichte schlecht erhellt ist, wohl geringere Wandlungen
als andere irische Regionen, wenngleich gerade in Connacht die
erfolgreichste der frühmittelalterlichen Dynastien, die UI
NEILL, ihren Ursprung hatte.
[2] Das nördliche Irland im Zeichen der Vorherrschaft der
Uí Néill:
Anhand einer Reihe von Schlachten (sofern es sich nicht, wie bei der
angeblichen Eroberung von Emain Macha durch Vorfahren der UI
NEILL im 4. Jahrhundert, um fiktive Nachrichten handelt)
wird der Weg der Expansion der UI
NEILL im 5. und
6. Jh. zumindest annähernd faßbar. Zwar vermochten die
Dynastien in Ulster ihre insgesamt noch mächtige und angesehene
Stellung bis zur Schlacht von Mag Roith zu wahren; dennoch ist
unübersehbar, daß die
UI NEILL tief in das
Gebiet von Ulster und Leinster, die damit etwa auf ihre heutige
Ausdehnung reduziert wurden, vordrangen und ein breites Band von
Königreichen (vom äußersten Nordwesten bis nach Brega
an der Ostküste) errichteten. Mit ihren beiden Hauptzweigen, den
Nördlichen und den Südlichen UI NEILL
(zentriert auf Ailech bzw. den alten sakralen Königssitz Tara),
bildeten sie im 7.-12. Jh. die dominierende politische Kraft im
Norden
Irlands. - Zum
Königtum der Dál Riada im westlichen Schottland Dál
Riada; Iona.
Quelle: Lexikon des Mittelalters, CD-ROM-Ausgabe. Verlag
J. B. Metzler 2000. LexMA 5, 655
[3] Das südliche Irland:
Das frühe genealogische Material aus Leinster weist auf turbulente
Machtverhältnisse während des 6. Jh. hin; im Zuge
innerer Kämpfe und unter dem äußeren Druck von seiten
der UI NEILL lösten
kurzlebige Stammesherrschaften
einander in rascher Folge ab. Eine Ogam-Inschrift in der Grafschaft
Meath deutet für das 6. Jh. auf eine weite Ausdehnung der
Herrschaft einer dieser Dynastien, der UI ENECHGLAIS, im Norden
(bis zum Boyne, der alten Grenze zu Ulster) hin. Am Beginn des
7. Jh. hatte sich die Dominanz der beiden mächtigen Dynastien
der UI DUNLAINGE im Norden
und der Uí
Cénnselaig im Süden herausgebildet; diese beiden
Familienverbände sollten das Schicksal der Provinz bis zum
Vordringen der Anglo-Normannen im
späten 12. Jh. bestimmen.
Munster, das am schlechtesten dokumentierte Provinzial-Königreich
in Irland., scheint
ebenfalls im 5. und 6. Jh. starke Einbrüche erfahren zu
haben. Die als Déisi ('Vasallen') bezeichneten
Bevölkerungsgruppen verteilten sich in einem breiten Band
über das südliche Munster, von der Grafschaft Clare im Westen
zur Grafschaft Waterford im Osten; sie werden insbesonders mit den
eigentümlichen Ogamsteinen in Verbindung gebracht. Die Tatsache,
daß die Ogamsteine auch in Devon, Cornwall und dem südlichen
Wales gefunden wurden, weist auf eine Landnahme irischer Gruppen im
westlichen Britannien, über die Irische See, hin; dies war wohl
ein Ergebnis von Vertreibung oder erzwungener Auswanderung eines Teils
der Bevölkerung. Dynastien aus Munster dehnten ihre Herrschaft
weit nach Naus (Burren Region in der Grafschaft Clare, Aran Islands,
Gft. Galway), wohl unter Verdrängung der Vorbevölkerung.
Zunächst war die Herrschaft in der Hand älterer, doch nur
kurzlebiger Dynastien, die durch kriegerische Ereignisse, mehr noch
infolge von Hungersnöten, wieder erloschen. Im 7.-9. Jh.
errangen dann die Eóganachta die Vorherrschaft. Vergleichbar den
UI NEILL, wenn auch weniger
auf dynastischen Zusammenhalt
und Zentralisierung der Herrschaftsgewalt bedacht als diese,
monopolisierten sie das Königtum in Munster, als dessen
geheiligter Sitz Cashel galt.
[4] Der Kampf um
die Hochkönigswürde:
Um die Mitte des 7. Jh. war von den Propagandisten der UI
NEILL die Theorie geprägt worden, daß die Würde
des gesamtirischen Hochkönigtums seit unvordenklicher Zeit bei den
UI NEILL gelegen habe.
Diese Auffassung ist in der
»Vita Columbae« des
Adamnanus von Hy († 704) wie in der »Vita
Patricii« des Muirchú
moccu Machtheni († ca. 700) voll ausgebildet.
Obwohl
ein solcher Anspruch ohne reale Grundlage war, bemühten sich die
rivalisierenden Provinzial-Könige der nächsten Jahrhunderte,
Mythos und Theorie zur Realität werden zu lassen.
Als Bewerber um das Hochkönigtum kamen erfolgreiche Dynastien in
Frage, die, ausgehend von einer sich konsolidierenden Herrschaft
über ein kleinräumiges Gebiet, die Kontrolle über ein
weites Territorium errungen hatten, nicht selten durch Verdrängung
oder Vertreibung dort ansässiger Bevölkerungsgruppen oder
zumindest der herrschenden Familienverbände. Angesichts eines
solchen Konzentrationsprozesses gerieten diejenigen Dynastien, die
bereits in der Frühzeit großzügige Landschenkungen an -
von Abgabepflicht freie - Kirchen vorgenommen hatten, ins
Hintertreffen, waren sie doch der Möglichkeit beraubt, ihre
Gefolgsleute mit hinreichendem Landbesitz zu entlohnen. Der starke
Aufstieg der irischen Kirche, deren Besitzanhäufung nicht zuletzt
auf Kosten von weltlichen Dynastien vor sich ging, dürfte
insbesonders zum Niedergang der Südlichen Uí NEILL
beigetragen haben, wie andererseits der Aufstieg einer weltlichen
Dynastie oft von Übernahme einflußreicher geistlicher
Ämter (Abtswürde großer Klöster) durch einen
geistlichen Zweig dieser Dynastie über mehrere Generationen
begleitet war. In den ersten Jahrzehnten des 8. Jh. traf die bis
dahin unangefochtene Führungsposition der UI NEILL
auf zunehmende Konkurrenz, namentlich von Dynastien aus Munster. Cathal mac Finguine,
König von Cashel († 747), war der erste in einer
ganzen Reihe von Munster-Königen, der den UI NEILL
den Anspruch auf die Hochkönigswürde im nördlichen Teil Irlands
streitig machte.
Ein neuer Faktor in den Machtverhältnissen Irlands
war das Auftreten der Wikinger, die seit 795 an den irischen
Küsten erschienen und schließlich feste Stützpunkte
errichteten (Dublin, Limerick, Waterford, Wexford). Ihr Einfluß
auf die irischen Herrschaftsstrukturen war zwar längst nicht so
groß, wie ältere Historiker angenommen haben, doch haben
ihre Invasionen die Südlichen UI
NEILL an einem
Vordringen in die Gebiete Mittel-Irlands
gehindert und damit mittelbar zum Wiederaufstieg der Dynastien aus
Munster beigetragen. Feidlimid
mac Crimthain († 848) und andere Könige der
Eóganachta konnten erstmals Ansprüche auf eine
beherrschende Machtstellung durchsetzen, doch blieb dies Episode. Den
entscheidenden Schlag gegen die Vorherrschaft der UI
NEILL führten erst die DAL CAIS, ein Zweig der
DEISI (aus Clare), die das
Kräftegleichgewicht in Munster
zu ihren Gunsten veränderten. Ihre führende
Persönlichkeit, der dynamische und expansive König Brian Bóruma († 1014),
drang im Norden bis Armagh vor und erreichte 1008, daß sein Name
mit dem Titel 'imperator Scottorum'
in das Book of Armagh
eingetragen wurde.
Während im Norden die alte Vorherrschaft der UI
NEILL trotz eines Restaurierungsversuches im 9. Jh. in
Verfall geraten war, stieg im frühen 10. Jh. in Leinster die
Dynastie der Osraige unter
Cerball mac
Dúnlainge († 888) auf. Die ältere
Vorherrschaft der UI DUNLAINGE
wurde abgelöst von
den UI CENNSELAIG, deren bedeutendster
Repräsentant, Diarmait
mac
Máel na mBó († 1072), anderen Dynastien die
Hochkönigswürde streitig machen konnte. Im folgenden
Jahrhundert wechselten die »Hochkönige mit Opposition«
(so die klassische Formel in irischen Quellen) in allen vier Provinzen Irlands
ab. Mit dem Ur-Enkel von Diarmait mac Máel na mBó,
Dermot Mac
Murrough
(† 1171), erreichte die politische
Rivalität zwischen Leinster und Connacht, das von der Dynastie der
UI CONCHOBAIR beherrscht wurde, ihren Höhepunkt. Der
besiegte Dermot
Mac Murrough mußte aus Irland
fliehen und suchte im Exil die Unterstützung Heinrichs II. von
England. Das erste Eintreffen anglonormannischer Truppen,
1169, dem 1171-1172 der Irlandzug König
Heinrichs folgte,
wurde zum Wendepunkt in der irischen Geschichte.
D. Ó Cróinín
II. Vom späten 12. Jahrhundert bis ins frühe
16. Jahrhundert:
[1] Der Beginn der anglonormannischen Eroberung:
Die Periode des späten 12. Jh. bis zum Ende des 13. Jh.
ist gekennzeichnet von der Vorherrschaft englischer und walisischer
Adliger und Siedler. Die ersten 'Anglo-Normannen' kamen 1169 als
Söldner des vertriebenen Königs
Dermot Mac Murrough
auf die Insel. Nach ihrem ersten Erfolg und der Einsetzung des
englischen Barons Richard FitzGilbert
(Strongbow) aus der Familie CLARE
als Nachfolger in der Lordship Leinster durch Dermot Mac Murrough,
setzte König Heinrich II. rasch nach Irland
über, um der Bildung einer allzu selbständigen
anglonormannischen Herrschaft in Irland
zuvorzukommen (Winter 1171-1172). Ausgerüstet mit der
päpstlichen Bulle Laudabiliter -
Heinrichs
Irlandzug stand auch im Zeichen der beginnenden Wiederversöhnung
zwischen der englischen Monarchie und dem Papsttum -, empfing der
König die Unterwerfung und Huldigung von seiten der irischen
Bischöfe, der Nachfolger
Strongbows und zahlreicher irischer Könige und Herren.
Damit begann ein rascher Prozeß der Siedlung und der
Einführung des englischen Feudalsystems, der zunächst
Leinster, dann Munster erfaßte. Auf der Versammlung von Oxford
(1177) übertrug Heinrich II.
die
Lordschaft (Lordship) von Irland
seinem jüngsten Sohn Johann (Ohneland), der 1185 Irland
besuchte und zwischen 1185 und 1189 zahlreichen seiner Günstlinge
große Stücke des neueroberten oder zu erobernden Landes
überschrieb. Die Expansion nach Ulster begann mit der
Eroberungstätigkeit des
englischen Barons John
de Courcy im Gebiet östlich des
Flusses Bann (seit 1177). Seit ca. 1190 erfolgten erste, noch schwache
Ansätze zur Eroberung von Connacht, die aber erst seit ca. 1230 zu
stärker konsolidierter Herrschaft führten. Im späten
12. Jh. setzte die Gründung von Städten ein, bzw. es
wurden bereits bestehende Siedlungen bei Burgen oder Klöstern
formal zu Städten erhoben; so erhielten die bedeutenden
Küstenstädte Dublin, Cork und Limerick im letzten Viertel des
12. Jh. königliche Privilegien. Diese Politik wurde im
13. Jh. namentlich von den Lords
of Leinster fortgesetzt; sie verliehen Städten wie Kilkenny
und Leighlin Statuten, die uner anderem auch Markt- und
Jahrmarktprivilegien umfaßten. Allerdings erfüllte sich die
Hoffnung, dadurch neue Bürger anzuziehen, nicht immer. Im Zuge der
Etablierung kontinentaler Orden - ein Prozeß, der schon vor der
Zeit der englischen Eroberungen begonnen hatte - kamen unter anderem
Zisterzienser, Regularkanoniker und schließlich die großen
Bettelorden nach Irland.
Die englische Siedlung führte zur Errichtung von zentralen und
lokalen Regierungs- und Verwaltungsinstitutionen nach englischem
Vorbild: Unter Johann
wurde ein Exchequer
geschaffen, 1232 eine Kanzlei (chancery),
in der Lokalverwaltung wurde das Amt des Sheriff eingeführt.
Doch
längst nicht alle Iren standen unter englischer Herrschaft:
Erst seit dem 2. Viertel des 13. Jh. kam Connacht unter
angloirische Kontrolle, während Ulster in nur geringem Maße
von ihr erreicht wurde. Die große Mehrheit der einheimischen Iren
genoß kein Englisches Recht (Common
Law); das heißt sie konnten zwar vor Gericht beklagt
werden, selbst aber keine Klage gegen Leute mit Englischem Recht
führen. Dies führte zu schweren Problemen, die unter anderem
auf kirchenrechtlichem Gebiet faßbar sind: Es häuften sich
Klagen bei der Kurie wegen 'exceptio
personarum'; sie betrafen zumeist Bestrebungen von privater oder
öffentlicher Seite, Benefizien, die zuvor einheimischen Iren
vorbehalten gewesen waren, an Angloiren zu vergeben. Doch wurde hier
bis zur Mitte des 13. Jh. ein Modus
vivendi erreicht, nach dem in mehrheitlich von Angloiren
besiedelten Gebieten der Klerus zumeist aus Angloiren bestand;
umgekehrt galt das Gleiche.
Die angloirische Expansion setzte sich bis ins 3. Viertel des
13. Jh. fort. Die Bemühungen südirischer Bischöfe,
für ihre Landsleute um 1276-1280 das Englische Recht zu erwerben,
zeigen, daß von den Zeitgenossen eine Ausdehnung der englischen
Kontrolle über das gesamte Land erwartet wurde. Aufgrund einer
veränderten Gesamtkonstellation der englischen Monarchie, die
unter Eduard I.
durch ihre Kriege in Wales,
Schottland und der Gascogne gebunden war, kam die angloirische
Expansion jedoch um ca. 1275 zum Stillstand. Hierzu trug auch bei,
daß die einheimischen irischen Herren durch die Anwerbung
schlagkräftiger schottischer Söldner (Gallóglaigh) ein wirksames
Gegenmittel gegen das Vordringen der Anglo-Iren gefunden hatten. Die
größeren angloirischen Adligen (zum Beispiel der Earl of Ulster) gingen von
kriegerischer Expansion stärker zu einträglichen
Herrschaftsbeziehungen über, wobei sie als overlords von irischen Herren und
Grundbesitzern Kommendation und reguläre Tributleistungen
empfingen. Gegen Ende des 13. Jh. hatten sich eine Reihe von liberties (unter anderem Meath,
Kilkenny, Koldare, vor allem aber das mächtige Earldom Ulster)
gebildet, die sich dem Einfluß und der Besteuerung von seiten der
englischen Zentralverwaltung weitgehend entzogen hatten. Bauerntum D
VII.
[2] Die Krisenzeit des Spätmittelalters:
Das 14. Jh. stand auch in Irland
im Zeichen von Verfalls- und Krisenerscheinungen. Ein erster schwerer
Schlag traf das Land 1315 in Gestalt einer verheerenden schottischen
Invasion unter Eduard Bruce († 1318), dem Bruder von Robert Bruce, die mit der
allgemeineuropäischen Hungersnot (1315-1317) zeitlich
zusammenfiel. In diesen Jahren sanken die Erträge mancherorts um
50%. Eine zweite Krise wurde ausgelöst durch die Ermordung Williams
de Burgh († 1333),
des 'Brown Earl'
of Ulster,
die nicht nur eine sechsmonatige Familienfehde zur Folge hatte, sondern
auch weite Gebiete im Westen und Norden der Kontrolle der
Zentralregierung entgleiten ließ. Die dritte Krise, von
katastrophalen Ausmaßen, war der Schwarze Tod von 1348, dem
weitere Pestzüge (1357,1361,1370,1373,1382,1384) folgten; am
stärksten betroffen waren die angloirischen Gebiete, insbesonders
die Städte.
Die Herrschaftsstruktur des Landes im Spät-Mittelalters war
gekennzeichnet durch fortschreitende Zersplitterung in einzelne 'lordships'. Diese gehörten
zum Teil loyalen Anhängern der englischen Krone (zum Beispiel den Earls of Ormond), oft jedoch in England residierenden Adligen. Als
mächtige Lords erscheinen
aber auch eingesessene irische Familien
wie die O CONNOR in
Connacht, die in unablässige Fehden
untereinander und mit den BURKES
verstrickt waren, und die O
NEILLS in
Ulster, die die Schwäche der englischen Zentralgewalt zur
Errichtung einer eigenen overlordship
ausnutzten.
Die reguläre englische Zentralregierung war in die Defensive
geraten, wie die Statutes of
Kilkenny (1366) zeigen; ihre Position wurde durch den
wirtschaftlichen Rückgang und die mangelnde Unterstützung von
seiten der mit dem Hundertjährigen
Krieg vollauf beschäftigten englischen Monarchie weiter
geschwächt. Reformansätze, wie sie sich unter den Statthaltern Lionel von Clarence
und William von Windsor
in der
kurzen Phase der Euphorie nach dem Vertrag von Brétigny
(1360) abzeichnen, blieben Episode.
Die aktiven Bemühungen König
Richards II., die
englischen Lordship in Irland
wieder zu konsolidieren (persönliches Erscheinen: 1394-1395,
1399),
hatten zwar gewisse oberflächliche Erfolge. Nach seinem Sturz
wurde Irland
von der englischen Monarchie jedoch erneut mit Gleichgültigkeit
behandelt; die Verwaltung stand gänzlich unter dem Einfluß
von angloirischer Magnaten wie James
Butler, dem 'White
Earl' of
Ormond (1405-1452).
Auch
die irische Kirche, beherrscht von einheimischen Familien, ging in der
Zeit des Großen Abendländischen Schismas (1379-1415) ihre
eigenen Wege, doch bildete die Ausbreitung der Bettelorden,
insbesondere der Observanten, gerade in dieser Periode einen Ansatz zur
kirchlichen Reform.
[3] Der Ausgang des Mittelalters:
Irland
stand seit ca. 1420/1430 im Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung,
die sich im Bau zahlreicher Burgen und Klöster, aber auch im
Anstieg kirchlicher Einkünfte in der zweiten
Jahrhunderthälfte deutlich niederschlägt. Wenig profitierte
davon das unmittelbare englische Herrschaftsgebiet, reduziert auf den
ca. 30 Meilen umfassenden Umkreis von Dublin und einige Siedlungsinseln
(Städte Cork, Waterford, Limerick, Galway und Kilkenny). Die
englische Regierung wurde allenfalls noch unterstützt von den
großen Adels-Herrschaften (Earldoms)
Ormond (unter den BUTLER),
Kildare und - in geringem
Maße - Desmond (unter den FITZGERALD).
Das englische Irland
war in der 2. Hälfte des 15. Jh. in die politischen
Auseinandersetzungen und Thronkämpfe Englands
verwickelt, wobei
der in England residierende 5.
Earl of Ormond der Partei
der LANCASTER,
der 7. Earl of Kildare, Thomas, dagegen den YORK
anhing. Im Zuge dieser Konflikte ergaben sich für Irland
zwei bemerkenswerte Resultate:
1. 1460 erklärte das angloirische Parlament, daß Irland
nicht Untertan des englischen Parlaments sei, sondern nur der Krone
England unterstehe,
das heißt englische Gesetzgebung nicht
automatisch in Irland
gelte.
2. Durch den Sieg der 'Yorkists'
errang der 7. Earl of Kildare
(und nach
ihm seine Leibeserben) die Vorherrschaft im Lande, die sie - im Namen
der Krone - durch ein komplexes Geflecht von
Klientelbeziehungen, das sich sowohl auf angloirische als auch auf
einheimische Familien
erstreckte, ausübten. Auch der
schließliche Sieg der 'Lancastrians'
(1485) veränderte diese Machtstellung der Earls of Kildare
zunächst nicht,
wenn auch angloirischen Autonomieansprüche
durch
den Beauftragten König Heinrichs VII., Edward
Poynings, 1494 in die
Schranken
gewiesen wurden. Die Position der Earls of Kildare
wurde erst 1520-1534 allmählich zurückgedrängt; nach der
Rebellion von 1534 wurden sie
gestürzt, die bisherige Praxis, Irland
durch führende angloirische Aristokraten zu regieren, beendet. Auf
kirchlichem Gebiet wurde der Bruch
Heinrichs VIII.
mit Rom vom irischen Parlament 1536-1537 gehorsam nachvollzogen, die
irischen Klöster aufgehoben. Die mittelalterlichen
Lordship of Ireland endete formell 1541 mit
der Annahme des Titels 'King of
Ireland'
durch den englischen König.
G. Mac Niocaill
C. Monastisches und kirchliches Leben
Die großen irischen Klöster zeigen in ihrer Blütezeit,
dem 6.-12. Jh., den hohen Stand der irischen Zivilisation. Der hl.
Patrick christianisierte Irland
im 5. Jh. und organisierte die irische Kirche auf der Grundlage
einer Reihe von Bistümern, deren führendes Armagh war.
Besonders im 6. Jh. erfolgte dann die Gründung einer Vielzahl
von Klöstern. Hierdurch wurde die frühe kirchliche
Organisation aus der Zeit Patricks
in den Hintergrund gedrängt;
die kirchliche Leitungsgewalt ging stärker an die
unabhängigen Äbte über, die von ihren Klöstern aus
wohl auch die Verwaltung in den umliegenden Gebieten kontrollierten.
Diese Klöster gewannen in kurzer Zeit hohes Ansehen und
großen Zulauf aus der Bevölkerung; so wird zum Beispiel
für Bangor (Grafschaft Down) die Zahl von 3.000 Mitgliedern
genannt, wobei unklar bleibt, wieweit es sich hierbei
ausschließlich um Religiosen handelte, denn in den frühen
irischen Monasterien lebten neben den 'geistlichen' Mönchen
zahlreiche 'Laien-Mönche' (manaig),
ferner Asketen, sodann auch in der Verwaltung tätige Leute, in
manchen Klöstern wohl auch Bischöfe. Die Asketen hielten die
spirituelle Tradition aufrecht, indem sie nach einer Regel, zum
Beispiel der des hl. Columba,
ein Leben in Mühsal und
Bußfertigkeit führten. Die Mönche sammelten sich
sechsmal am Tag zu gemeinsamem Gebet und waren im übrigen mit
Gebetsübungen, Lehrtätigkeit (Fer léigind), Arbeit
oder Studium beschäftigt.
Die oft mit Erd- oder Steinwällen befestigten großen
Klöster lagen zumeist im Osten (zum Beispiel Kells, Clonard,
Bangor, Glendalough), während im Westen vorwiegend kleinere, wohl
asketisch geprägte Gemeinschaften (Skellig Michael) bestanden. Die
größeren Klöster (wie zum Beispiel Clonmacnoise)
verfügten über gute Verkehrslage an Wasser- und Landwegen;
die grenznahe Lage mehrerer Klöster ist wohl durch die Schenkungen
von Provinzial-Königen bedingt; bei einigen (Kilcullen, Armagh)
ist die Nähe zu vorchristlichen Heiligtümern feststellbar.
Sehr gering ist die Zahl von Frauen-Klöstern (wohl nur vier); das
von einer Äbtissin geleitete Kildare bietet das seltene Beispiel
eines irischen Doppel-Klosters. Wie die in frühmittelalterlichen
irischen Klöstern entstandene volkssprachliche Lyrik, Ausdruck
eines frühen Naturgefühls, zeigt, lebten die irischen
Mönche in enger Verbindung mit der Natur. Spätestens seit dem
7. Jh. traten die Klöster - neben den weltlichen Königen
- als wichtigste Förderer der Kunst und Gelehrsamkeit hervor. Die
Bibliotheken der Klöster hatten reichen Bestand an illustrierten
Handschriften (Buchmalerei, A. III); Bibel, Psalter und
Kirchenväter wurden studiert, und in den Klöstern entstanden
komputistische kalendarische Werke, Litaneien, Annalen und
Heiligenleben (Hagiographie; Félire Oengusso; Tallaght,
Martyrologium von); große Verdienste erwarben sich die
Mönche um die Tradierung der alten keltischen Volks- und
Heldenüberlieferung, auch wenn sie deren Inhalt und Werte oft
ablehnten.
Bereits in der 2. Hälfte des 6. Jh. ergriff der hl. Columba
die erste Initiative zur Mission mit der Gründung von Iona, dem
Ausgangspunkt für die Bekehrung der Pikten und die
Missionstätigkeit im angelsächischen England, insbesondere
durch die Gründung von Lindisfarne in Nordhumbrien. Dies war ein
Prozeß, der über seine allgemein- und kirchenhistorische
Bedeutung hinaus geistes- und kunstgeschichtliche Wechselwirkung
beinhaltete: Wie Irland
einerseits zur kulturellen Blüte in Nordhumbrien beitrug, so
gelangten andererseits über England kontinentale Vorstellungen und
Ideen nach Irland. Nach
der von Columba angeregten Missionsbewegung waren es andere große
irische Mönche wie Columban, Kilian, Gallus und Virgil, die aus
Bußgesinnung sich der Lebensweise der peregrinatio aussetzten und ins
kontinentale Europa zur Bekehrung der heidnischen oder wieder
halbheidnischen Bevölkerung zogen (Franken-Reich). Am Hofe KARLS DES GROSSEN
wirkten schließlich zahlreiche Iren als Gelehrte und wichtige
Träger der Bildungsreform. Noch bis zum Ende des 10. Jh.
pilgerten irische Asketen nach Mittel-Europa und traten zum Teil in
dortige Kloster ein; stellvertretend für die namentlich im
süddeutschen Raum seit dem 11./12. Jh. bedeutenden
Schotten-Kloster ist St. Jakob in Regensburg zu nennen.
Auseinandersetzungen um den Termin des Osterfestes führten im
England des 7. Jh. zur heftigen Kontroverse des Osterstreits,
bekannt vor allem aus Bedas
Bericht über die Synode von Whitby
(664). Auch Irland
war stark in den Osterstreit verwickelt, da eine Reihe von
Klöstern in Süd-Irland
infolge des vordringenden Einflusses der römischen Mission die
neue Osterfestberechnung des Victorius angenommen hatte, während
die meisten der traditionsreichen Klöster im Norden dem alten, auf
apostolischen Ursprung zurückgeführten Ostertermin anhingen.
Im 8. Jh. ist klar erkennbar, wie sehr sich die irischen
Klöster in die überkommenen institutionellen und sozialen
Strukturen integriert hatten, was auch in den Rechtstraktaten zum
Ausdruck kommt. Durch das System des fosterage
wurden enge Beziehungen zwischen Monasterien und Laienwelt
geknüpft. Die Klöster vereinigten großen Landbesitz in
ihrer Hand und fungierten als Grundherren, die von abhängigen
Bauern Dienste und Abgaben erhielten, Gastfreundschaft und
Mildtätigkeit ausübten und den Verfolgten und Rechtsbrechern
Asyl gewährten, das aber nicht immer respektiert wurde.
Am Ende des 8. Jh. überwogen die weltlichen Interessen die
spirituellen: dieses Mißverhältnis rief die Reformbewegung
der Céli Dé auf den Plan. Ihr Wirken wurde bald
überschattet von den Wikinger-Einfällen, die im
8.-9. Jh. zahlreiche irische Klöster schwer schädigten;
die Angreifer waren allerdings keineswegs ausschließlich
Wikinger, sondern vielfach auch Iren.
Im 11. Jh. war die kirchlich-monastische Kultur Irlands
offenkundig auf einem Tiefpunkt angelangt; Reformen erwiesen sich als
dringend erforderlich. Im Kielwasser der Gregorianischen Kirchenreform
des 11. Jh. wurde die irische Kirche im 12. Jh. von
papsttreuen Kräften, unter maßgeblicher Leitung des hl.
Malachias, erneuert. Auf den Synoden von Ráith Bresail (1111)
und Kells (1152) wurde eine territoriale Diözesanorganisation nach
kontinentalem Vorbild mit vier Ebm.ern geschaffen, die im wesentl. noch
heute besteht. Damals setzte auch der Einfluß der augustinischen
Regularkanoniker und der Zisterzienser ein.
Durch die Invasion des anglonormannischen England wurden Teile Irlands
auch kirchlich stark im kontinentalen Sinne beeinflußt
(Laudabiliter; Dublin, Erzbistum); während des gesamten
Spät-Mittelalters gab es Auseinandersetzungen zwischen englischen
und irischen Kirchenmännern um die Suprematie, die Besetzung von
Benefizien usw. Um 1200 war der Großteil der alten monastischen.
Zentren verlassen, mit Ausnahme einiger Klöster, die nach der
Augustinerregel lebten. Andererseits wurden die kontinentalen Orden in Irland
heimisch, nach den Zisterziensern vor allem die Bettelorden
(Dominikaner, Franziskaner).
P. Harbison