Bisinius                                          König der Thüringer (um 470?-510)
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    510
 

Sohn des N.N.
 

Unter seiner Führung strebte das Thüringer-Reich dem Höhepunkt seiner Macht entgegen, die er durch zielgerichtete Heiratspolitik zu festigen trachtete. Seine Tochter Radegunde heiratete den Langobarden-König Wacho, sein Sohn Herminafrid die Nichte des Ostgoten-Königs Theoderich. Seine Schwester Basena war die Gattin des Franken-Königs Childerich I. und Mutter Chlodwigs I. Bisinius teilte das Reich unter seine Söhne.

Dahn Felix: Seite 370
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"Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas."

Ganz ähnlich wie bis auf Chlodovech und nun abermals bei den MEROWINGERN, herrschten auch über die Thüringer drei Brüder: Baderich, Hermenefried und Berthachar, als Könige, deren Gebite wohl nach alten Gaumarken abgegrenzt waren. Früher, zur Zeit Childerichs, wird nur ein König der Thüringer genannt, jener Bisinius, was freilich nicht ausschließe, daß auch damals mehrere Gaue neben ihm eigene Könige hatten.

Jarnut Jörg: Seite 6
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"Agilolfingerstudien."

Das gleichzeitige Auftreten von AGILOLFINGERN im MEROWINGER- und im Langobarden-Reich sucht er zu erklären, indem er annimmt, Alboins Vater Audoin, ein GAUSE, sei ursprünglich in Thüringen beheimatet gewesen, aber im Gefolge seiner Stiefschwester Radegunde, einer Tochter des Thüringer-Königs Bisin, die mit dem Langobarden-König Wacho verheiratet worden war, in das Langobarden-Reich gelangt [17 Wagner 35ff.].

Offergeld Thilo: Seite 138-140
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter."

Der erste Thüringer-König ist mit Bessinus/Bisin zwar erst für die Zeit um 500 zweifelsfrei bezeugt [316 Venantius Fortunatus, Vita Radegundis II. 3, Seite 38. In die Zeit um 460 gehört die Erzählung Gregors von Tours, Historium libri decem II.12, Seite 61f., vom Exil des MEROWINGERS Childerich bei dem thüringischen König Bysinus und seiner anschließenden Vermählung mit dessen Gattin Basina. Ob die sagenhafte Geschichte einen historischen Kern enthält, ist unsicher; vermutlich hat Gregor die Gestalt Bisins einfach um Jahrzehnte zurückversetzt. Das Exil Childerichs wird allgemein bei den niederrheinischen als bei den mitteldeutschen Thüringern lokalisiert. Childerichs Hof war gleichwohl erkennbar von ostgermanisch-donauländischer Kultur beeinflußt, und auch die thüringische Herkunft Basinas gilt als recht wahrscheinlich; vgl. zu diesem Komplex Schmidt, Königreich Seite 289f.; Perin/Kazanski, Grab Seite 178; Schlesinger, Frühmittelalter Seite 321; Zöllner, Geschichte Seite 40.], doch erscheint dieser als Ausgangspunkt einer veritablen Königsdynastie mit weitgespannnten genealogischen Verbindungen zu den Herrscherhäuser der Nachbarreiche: Bisins Frau war die langobardische Adlige Menia, die nach seinem Tod den Vater des späteren Langobarden-Königs Audoin heiratete. Bisins Tochter Radegunde wurde die Gemahlin des Langobarden-Königs Wacho, sein ältester Sohn Herminafried heiratete gar eine AMALERIN, Theoderichs Nichte Amalaberga, wobei Theoderich die Herkunft des Thüringers aus einer stirps regia ausdrücklich würdigte. Das in diesen Heiratsverbindungen erkennbar werdende Bündnissystem mit Ostgoten und Langobarden deutet auf den thüringischen Interessenbereich im Donauraum, dürfte aber auch dem Schutz der Reiches gegen die fränkische Expansion gedient haben.
Nach Bisins Tod herrschten neben Herminafried auch seine beiden Brüder Baderich und Bertachar als Könige. Ob es sich hier um eine echte Samtherrschaft oder eher um eine Aufteilung des Reiches handelte, ist den spärlichen Nachrichten nicht eindeutig zu entnehmen [318 Gregor von Tours, Historiarum libri decem III. 4, Seite 99. Drei Teilreiche sieht darin Schlesinger, Frühmittelalter Seite 322; eine dem burgundischen System vergleichbare Oberherrschaft Herminafrieds vermuten Schmidt, Westgermanen 2, Seite 106, 108; Schwarz, Stammeskunde Seite 180.. Daß Herminafried seine Brüder systematisch, zum Teil mit fränkischer Hilfe, ausgeschaltet habe, wird man als Erfindung des die fränkische Aggression rechtfertigenden Gregor von Tours zu sehen haben [319 Die Ereignisse bei Gregor von Tours, Historiarum libri decem III. 4, Seite 99f. und III. 7, Seite 103-105, dessen ebenso oberflächlicher wie anektodenfreudiger Darstellungsform in den Interpretationen Scheibelreiters, Gesellschaft Seite 275f., 345, 464f., 504f., sicherlich zu viel historisches Gewicht beigemessen wird. Vgl. zum folgenden Schmidt, Westgermanen 2, Seite 107-111.], denn neben Herminafried war auch Bertachar noch König, als die MEROWINGER die nach Theoderichs Tod veränderte Machtlage ausnutzten und die nun auf sich gestellten Thüringer angriffen. 531 errangen Theuderich und Chlothar I. den entscheidenden Sieg. Um das Thüringer-Reich als politische Größe dauerhaft zu eliminieren, zielten sie in der Folgezeit offfensichtlich darauf ab, die Königsfamilie zu beseitigen bzw. zu eigenen Legitimierung in Dienst zu nehmen - deutliche Indizien für das hohe Prestige der Bisin-Sippe und den dynastischen Charakter ihrer Herrschaft. Die minderjährigen Kinder des gefallenen Berthachar wurden ins Franken-Reich entführt, die Tochter, Radegunde, bald darauf zur Ehe mit Chlothar I. gezwungen, der Sohn später als Heranwachsender ermordet [320 Zu seinem Alter Venantius Fortunatus, Appendix Carminum I. 133, ed. Friedrich Leo, in: MGH Auct. ant. 4,1, Berlin 1881, Seite 271-292, hier Seite 274; vgl. Schmidt, Westgermanen 2, Seite 107; zu Radegundes Alter Ewig, Studien Seite 56f.]. Herminafried selbst wurde zunächst anscheinend in einer Rest-Herrschaft belassen, drei Jahre später jedoch durch eine List an den MEROWINGER-Hof nach Zülpich gelockt und gleichfalls getötet. Allein Amalaberga gelang mit ihren Kindern die Flucht nach Italien, doch war an eine Wiedergewinnung des Thrones nicht zu denken. Im Zusammenbruch der italischen Goten-Herrschaft gerieten ihr Sohn Amalafrid wie auch ihre Tochter Rodelinde [321 Die Identität  der Herminafried-Tochter mit Audoins Gattin Rodelinde ist nicht zweifelsfrei gesichert; möglicherweise handelt es sich um zwei Ehefrauen Audoins; vgl. PLRE 3 B, Seite 1089; Schneider, Königswahl Seite 18f.] in Belisars Hände und wurden nach Byzanz verbracht; Amalafrid avancierte dort wenig später zum Heermeister, Rodelinde wurde dem Langobarden-König Audoin zur Frau gegeben. Mit dem Ende der Königssippe war das Thüringer-Reich vernichtet.

Schneider, Reinhard: Seite 18,68
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"Königswahl und Königserhebung im Frümittelalter. Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowingern"

Aus vornehmen Geschlecht stammte Audoin bestimmt, wenngleich nichts Näheres darüber bekannt ist. Es war jedoch mit dem alten langobardischen Königshaus und dem der Thüringer über Audoins Mutter versippt. Diese mit dem Namen Menia, war in erster Ehe mit dem Thüringer-König Bisin verheiratet, so daß Wachos erste Gemahlin Radegunde, die aus dieser Ehe stammte, Audoins Halbschwester war. Audoins Vater, den Menia in zweiter Ehe heiratete, ist namentlich nicht bekannt. Hinzugefügt werden kann, daß Audoin selbst Rodelinde zur Frau hatte, die vielleicht bayerischer Herkunft war. Aus dieser Ehe stammte Audoins Sohn und Nachfolger Alboin.
Auf Veranlassung des Kaisers heiratete Audoin in zweiter Ehe eine Tochter des Thüringer-Königs Herminafried, deren Vater einst  nach Italien geflohen und im Jahre 540 von Belisar zusammen mit dem gefangengenommenen Ostgoten-König Witiches nach Byzanz gebracht worden war. Audoins jetztige Frau war über ihre Mutter Amalaberga und Großmutter Amalafrieda, eine Schwester Theoderichs, mit dem Ostgoten-König direkt als seine Großnichte verwandt.
Childerichs Wiedereinsetzung setzt gewiß auch dessen sittliche Läuterung voraus, die herauszustellen Gregor sehr am Herzen lag. Hierbei steht die utilitas im Mittelpunkt, deren Rühmen einer Frau in den Mund gelegt wird: Weil Basina, die Gattin des Thüringer-Königs Bisin, bei dem Childerich jahrelang im Exil lebte, niemanden kennengelernt hatte, der utilior als Childerich gewesen, folgte sie diesem in das Franken-Reich nach. Ihrer neuen Ehe entstammte Chlodwig.

Zöllner Erich: Seite 40
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"Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts."

Gregor berichtet uns, Childerich sei wegen seines lasterhaften Lebens von den Franken vertrieben worden, das Volk hätte den Aegidius zum König gewählt. Mit dessen Herrschaft wurden die Franken auch unzufrieden und als sie das achte Jahr ihrer Dauer erreicht hatte, rief ein im Lande gebliebener Vertrauter den Childerich zurück, der sich beim Thüringer-König Bisin und dessen Gemahlin Basina verborgen gehalten hatte. Basina verließ ihren Gemahl und folgte dem Childerich [4 Greg. Tur. II 12.].
 
 
 
 

  oo Menia
          
 
 
 
 

Kinder:

  Herminafrid
       534

  Baderich
     

  Berthachar
      529
 

  Radegunde
        505
 

  oo Wacho Langobarden-König
            540
 
 
 
 

Literatur:
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Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977 Seite 370 - Ewig Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988 Seite 34 - Gregor von Tours: Fränkische Geschichte. Phaidon Verlag, Essen und Stuttgart 1988 Buch II Kapitel 12 - Jarnut Jörg: Agilolfingerstudien. Anton Hiersemann Stuttgart 1986 Seite 6 - Mägdefrau Werner: Vom Thüringer Königreich bis zum Ende der Sächsischen Kaiserzeit 531-1024. Thüringen im frühen Mittelalter. Verlag Rockstuhl 2003 Seite 8-12 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 138-140 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frümittelalter. Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowingern, Anton Hiersemann Stuttgart 1972 Seite 18,68 - Zöllner Erich: Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Verlag C. H. Beck München 1970 Seite 40 -