Jüngerer Sohn des Thüringer-Königs
Bisinius und der Menia
Dahn Felix: Seite 370
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"Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte
Europas."
Ganz ähnlich wie bis auf Chlodovech
und nun abermals bei den MEROWINGERN,
herrschten auch über die Thüringer drei Brüder: Baderich,
Hermenefried
und Berthachar, als Könige, deren
Gebite wohl nach alten Gaumarken abgegrenzt waren. Früher, zur Zeit
Childerichs,
wird nur ein König der Thüringer genannt, jener Bisinius,
was freilich nicht ausschließe, daß auch damals mehrere Gaue
neben ihm eigene Könige hatten.
Die Sage hat die Bruderkriege, wie bei dem burgundischen
und bei den merowingischen Königshaus,
auch bei dem thüringischen mit ihrem Gerank geschmückt
und zugleich verhüllt. Aber der geschichtliche Kern ist, daß
Hermenefried,
der Gemahl
Amalabergas,
Tochter
Amalafridas,
der Schwester Theoderichs
des Großen, zuerst seinen Bruder Berthachar
überfiel und tötete (oder doch vertrieb), dessen Söhne
(und Tochter Radegundis)
von der Herrschaft ausschloß, darauf Theuderich
von Austrasien herbeirief zum gemeinsamen Angriff auf Baderich.
Erfreut und eilig folgte der Erbe Chlodovechs
diesem
Ruf. Die Verbündeten schlugen und töteten
Baderich. Aber nachdem Theuderich nach
Hause gezogen war, ließ Hermenefied
seine Versprechungen ihm gegenüber, angeblich das halbe Reich Baderichs
ihm
zu überlassen, unerfüllt.
Berthachar regierte gemeinsam mit seinen Brüdern und fiel in einer Schlacht gegen die Franken.
Offergeld Thilo: Seite 139
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im
frühen Mittelalter."
Nach Bisins Tod herrschten
neben Herminafried auch seine beiden
Brüder Baderich und Bertachar
als Könige. Ob es sich hier um eine echte Samtherrschaft oder eher
um eine Aufteilung des Reiches handelte, ist den spärlichen Nachrichten
nicht eindeutig zu entnehmen [318 Gregor
von Tours, Historiarum libri decem III. 4, Seite 99. Drei Teilreiche
sieht darin Schlesinger, Frühmittelalter Seite 322; eine dem burgundischen
System vergleichbare Oberherrschaft Herminafrieds
vermuten
Schmidt, Westgermanen 2, Seite 106, 108; Schwarz, Stammeskunde Seite 180.
Daß Herminafried seine Brüder
systematisch, zum Teil mit fränkischer Hilfe, ausgeschaltet habe,
wird man als Erfindung des die fränkische Aggression rechtfertigenden
Gregor von Tours zu sehen haben [319 Die Ereignisse bei Gregor von
Tours, Historiarum libri decem III. 4, Seite 99f. und III. 7, Seite 103-105,
dessen ebenso oberflächlicher wie anektodenfreudiger Darstellungsform
in den Interpretationen Scheibelreiters, Gesellschaft Seite 275f., 345,
464f., 504f., sicherlich zu viel historisches Gewicht beigemessen wird.
Vgl. zum folgenden Schmidt, Westgermanen 2, Seite 107-111.], denn neben
Herminafried
war auch Bertachar
noch König,
als die MEROWINGER die nach Theoderichs
Tod veränderte Machtlage ausnutzten und die nun auf sich gestellten
Thüringer angriffen. 531 errangen
Theuderich und Chlothar
I. den entscheidenden Sieg. Um das Thüringer-Reich
als politische Größe dauerhaft zu eliminieren, zielten sie in
der Folgezeit offfensichtlich darauf ab, die Königsfamilie zu beseitigen
bzw. zu eigenen Legitimierung in Dienst zu nehmen - deutliche Indizien
für das hohe Prestige der Bisin-Sippe
und den dynastischen Charakter ihrer Herrschaft. Die minderjährigen
Kinder des gefallenen Berthachar wurden
ins Franken-Reich entführt,
die Tochter, Radegunde, bald
darauf zur Ehe mit Chlothar I. gezwungen,
der Sohn später als Heranwachsender ermordet [320
Zu
seinem Alter Venantius Fortunatus, Appendix Carminum I. 133, ed. Friedrich
Leo, in: MGH Auct. ant. 4,1, Berlin 1881, Seite 271-292, hier Seite 274;
vgl. Schmidt, Westgermanen 2, Seite 107; zu Radegundes Alter Ewig, Studien
Seite 56f.]. Herminafried selbst wurde
zunächst anscheinend in einer Rest-Herrschaft belassen, drei Jahre
später jedoch durch eine List an den MEROWINGER-Hof
nach Zülpich gelockt und gleichfalls getötet. Allein
Amalaberga gelang mit ihren Kindern die Flucht nach Italien,
doch war an eine Wiedergewinnung des Thrones nicht zu denken. Im Zusammenbruch
der italischen Goten-Herrschaft gerieten ihr Sohn Amalafrid
wie
auch ihre Tochter
Rodelinde [321
Die Identität der Herminafried-Tochter
mit
Audoins
Gattin Rodelinde
ist nicht zweifelsfrei
gesichert; möglicherweise handelt es sich um zwei Ehefrauen Audoins;
vgl. PLRE 3 B, Seite 1089; Schneider, Königswahl Seite 18f.] in Belisars
Hände
und wurden nach Byzanz verbracht; Amalafrid
avancierte dort wenig später zum Heermeister, Rodelinde
wurde dem Langobarden-König Audoin
zur Frau gegeben. Mit dem Ende der Königssippe war das Thüringer-Reich
vernichtet.
oo N.N.
†
Kinder:
Radegunde
†
13.8.587
538
oo Chlothar I. Franken-König
500 †
561
Literatur:
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Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische
Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977 Seite 370
- Ewig Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. W. Kohlhammer
GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988 Seite 34 - Gregor
von Tours: Fränkische Geschichte. Phaidon Verlag, Essen und Stuttgart
1988 Buch II Kapitel 4,7 - Mägdefrau
Werner: Vom Thüringer Königreich bis zum Ende der Sächsischen
Kaiserzeit 531-1024. Thüringen im frühen Mittelalter. Verlag
Rockstuhl 2003 Seite 8-12 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum
Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover
2001 Seite 139 - Zöllner
Erich: Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Verlag
C. H. Beck München 1970 Seite 82 -