BIGOD
Lexikon des Mittelalters:
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Bigod
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Englische Adels-Familie, seit 1141 Grafen (Earls)
von Norfolk.
Roger Bigod (†
1107), ein Normanne
unbekannten Standes, erlangte Bedeutung, als er Landbesitz in Suffolk,
der dem Earl von East Anglia, Ralph, konfisziert worden war,
erhielt. 1086 war er Sheriff
von
Norfolk und Suffolk, wo er 117 adlige Lehen (lordships) besaß (Domesday
Book). Unter König
Wilhelm II. wurde er Steward des königlichen
Hofhaltes, welches Amt er bis zu seinem Tode bekleidete; König Heinrich I. übertrug
ihm Framlingham in Suffolk.
Sein Sohn
Wilhelm war gleichfalls
königlicher Steward; er
kam 1120 auf der Blanche-nef um.
Ihm folgte sein Bruder Hugh († 1177), eine sehr bedeutende
Persönlichkeit. Sein Eid, daß König Heinrich I.
seine Tochter Mathilde zugunsten Stephans von Blois
enterbt habe, half letzterem sehr bei der Erlangung des englischen
Thrones; doch fiel Hugh Bigod
1141 von Stephan
ab und wurde von Mathilde
mit
der Würde des Grafen von Norfolk
belohnt. Stephan
war genötigt, Hughs
gräflichen Rang 1153 anzuerkennen; 1155 bestätigte ihm König Heinrich II. den Besitz
dieses Titels. Er war in eine Fehde mit Stephans
Sohn Wilhelm verwickelt;
1157
verlangte Heinrich II.
von ihm die Übergabe seiner Burgen
Walton, Bungay und Framlingham, doch erhielt er die
beiden letztgenannten 1165 zurück. 1173-1174 beteiligte sich Bigod
an der Erhebung Heinrichs, des »Jungen Königs«; nach
seiner Unterwerfung ließ Heinrich
II. Framlingham
zerstören.
Obwohl Hughs Sohn
Roger († 1221)
während des Aufstandes auf seiten Heinrichs II.
kämpfte, erhielt er wegen eines Streites mit der zweiten Gemahlin
seines Vaters den gesamten Familienbesitz und das Earldom
erst 1189. Er betätigte sich als königlicher
Richter und
schloß sich 1215 den aufständischen Baronen
gegen König Johann
Ohneland an. Bigod
und sein Sohn Hugh gehörten
zu den 25
Baronen, welche die Magna Carta
garantierten. Der Earl ließ
Framlingham Castle wieder aufbauen,
das ein frühes Beispiel für eine Burg ohne Bergfried, die
durch eine Mantelmauer mit Flankentürmen befestigt ist, bildet.
Die Burg wurde 1216 von Johann
eingenommen; 1217 kehrte Bigod
in die Botmäßigkeit des Königs zurück.
Sein Sohn Hugh († 1225) erwarb durch seine
Heirat
mit der ältesten Tochter
von William Marshal der
Familie das Amt des Marshal von
England und die Herrschaft
(lordship)
Chepstow.
Hughs Sohn Roger († 1270)
verlor das Recht auf das Amt
des Stewards von England
an
Simon de Montfort. Obwohl einer der Führer der baronialen
Opposition von 1258 und Mitglied des
Ausschusses der 24 und des Rates
der 15, unterstützte er später wieder die Krone. Er war
Gegner eines harten Vorgehens gegen die ehemaligen Rebellen nach 1265.
Sein Bruder Hugh († 1266) wurde 1258 zum Justitiar
erhoben und spielte
während des frühen Stadiums der baronialen Reformbewegung
eine wichtige Rolle. Bei seiner Tätigkeit als Reiserichter
1258-1259 (eyre) deckte er
eine Reihe von Mißständen auf, wobei er in bemerkenswerter
Weise die querela, die
mündliche Klage gegen königliche und baroniale
Amtsträger, anwendete. 1260 trat Hugh
als Justitiar zurück, und
1264 kämpfte er für den
König.
Sein Sohn Roger Bigod
(† 1306) war als letztes
Mitglied der Familie im Besitz des Earldom
Norfolk; Bigod
spielte bei der Eroberung von Wales
durch König Eduard I. eine wichtige
Rolle, doch verschlechterten sich die Beziehungen zum König in den
1290-er Jahren. Der Baron war in finanziellen
Schwierigkeiten und
mußte Anleihen bei italienischen Kaufleuten aufnehmen. 1293 bat
er das Parlament um Erlaß
seiner Schulden bei der Krone; es wurde
ihm eine ratenweise Abzahlung gewährt. 1294 geriet er mit Eduard I.,
der einen anderen zum Marshal
des königlichen
Heeres eingesetzt hatte, in Konflikt; 1297 stand er gemeinsam
mit Humphrey
de Bohun, Earl of Hereford,
an der Spitze der Opposition gegen die Pläne des Königs. Er
lehnte es ab, in der Gascogne zu kämpfen und wurde zeitweise als Marshal abgesetzt, da er sich
weigerte, die in London
aufgebotenen Truppen registrieren zu lassen. Er begab sich mit Hereford zum Exchequer,
um gegen verfassungswidrige Besteuerung zu protestieren und nahm am
königlichen Feldzug in Flandern nicht teil. Sein Argwohn gegen Eduard blieb
beständig. Zwar nahm er noch an der Schlacht von Falkirk
(1298) teil, doch übte er ansonsten sein Marshal-Amt zunehmend durch einen
Stellvertreter aus. Allerdings konnte er, vielleicht aufgrund seiner
Geldnöte, die Opposition nicht wirksam fortsetzen; 1302 erreichte
er eine Übereinkunft, aufgrund derer er seinen Landbesitz der
Krone übereignete, die sie ihm - nebst einer zusätzlichen
Rente von 1.000 £ (in
Land) - auf Lebenszeit zurückerstattete.
Nach Roger Bigods Tod (1306) fielen seine
Güter
daher an die Krone.
Er hinterließ keine direkten Nachkommen, so
daß die Familie ausstarb.
Aus dem späten 13. und frühen 14. Jh. sind eine Reihe von
Finanzdokumenten von den Gütern der BIGOD
in England, Wales und Irland erhalten. Sie beleuchten viele
Einzelheiten der grundherrschaftlichen Wirtschaft und Verwaltung;
einige sind wegen der in ihnen enthaltenen Berechnungen des Profits,
welche die Kassenprüfer anstellten, bemerkenswert. Rechnungen des
Hofhalts der BIGOD sind
zwar
nicht überliefert, doch zeigt eine Liste der Gefolgschaft von Roger Bigod,
daß er fünf bannerets,
neun knights
(Ritter), 17
Reiter und sieben Schreiber unterhielt. Im Winter 1297-1298
verpflichtete er sich vertraglich, mit 130 Reisigen in Schottland zu
kämpfen. Der Soldvertrag (indenture),
den er 1297 mit John de Seagrave
abschloß, ist ein bedeutendes frühes Beispiel des für
den sogenannten Bastard Feudalism
charakteristischen Dienstvertrages auf Lebenszeit.
M.C. Prestwich