Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 1696
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A. Das Stammesherzogtum des Früh- und Hochmittelalters (ca. 500-1000)
I. DAS ÄLTERE STAMMESHERZOGTUM (ca. 500-788)
[1] Die Ursprünge
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Die Bayern treten als "Bajuvarii"
(=
Männer aus dem Lande Baia = Böhmen ?) erstmals in der 1. Hälfte
des 6. Jahrhunderts im Raum der ehemaligen römischen Provinz Noricum
und Raetia II auf. Ihre Herkunft ist noch ungelöst und Gegenstand
wissenschaftlicher Kontroversen (Kelten-, Markomannen-,
Sueben-, Franken-Hypothese
usw.). Heute besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass
vermutlich unter dem Ostgoten-König
Theoderich
(471-526) zu Beginn des 6. Jahrhunderts das Land der
von ihm beanspruchten römischen Provinz Noricum und Raetien eine neue
germanische Herrschafts- und Bevölkerungsschicht erhielt, die wohl
von Böhmen her eingewandert war und mit der die noch ansässigen
römischen Provinzialen sowie anderen Stammessplitter der Völkerwanderung
verschmolzen. Im Rahmen der Bündnispolitik Theoderichs
mit
den Thüringern und Franken mag
das Machtvakuum in den ehemals römischen Provinzen mit dem Herzogtum
von Bayern aufgefüllt worden sein, wobei möglicherweise die Provinz
Raetia II westlich des Lechs den von den Franken 496 geschlagenen Alamannen
zugeteilt wurde. Nach dem Zusammenbruch der gotischen Vormachtstellung
mit dem Tode Theoderichs
wurde der
gotische Herrschafts- und Einflussbereich nördlich der Alpen an die
Franken abgetreten. Unter ihnen begegnet ein dux für die
Bayern,
Garibald
I. Die Abhängigkeit vom Franken-Reich
war in der Folgezeit unterschiedlich. Seitdem die Langobarden
568 in Nord-Italien ihr Reich begründet hatten, traten die bayerischen
Herzöge in Bündnisse mit ihnen ein. Eine Bestätigung hierfür
ist die Heirat der Tochter des
Bayern-Herzogs Garibald, Theudelinde,
mit dem Langobarden-König
Authari 589 (Schatz der Theudelinde
im Dom zu Monza). 592 wird jedoch Herzog
Tassilo I. durch den Franken-König eingesetzt, der 591 mit
den Langobarden Frieden geschlossen hatte. Die bayerischen Herzöge
gehörtem dem Geschlecht der AGILOLFINGER
an, das mit Garibald I. (ca. 530-590) seinen ersten
urkundlich fassbaren Ahnherrn hat und Bayern bis 788 regierte. Seine Herkunft
ist nicht erhellt: in langobardischen Quellen ist fränkische Abstammung
bezeugt. Außerdem wird burgundische und langobardische Abkunft erwogen.
[2] Die frühe Siedlung
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Der bayerische Siedlungs- und Herrschaftsraum, der durch
die -ing-Orte markiert ist, erstreckte sich am Ende des 6. Jahrhunderts
bereits bis zum Lech (starke schwäbische Siedlungsgruppen östlich
davon in sich aufnehmend), im Süden bis zu den Alpen, wo die Bayern
neben den Langobarden in den seit dem Ausgang des 6. Jahrhunderts vom Balkan
aus vordringenden Awaren und Slawen neue
Nachbarn erhielten. Ihr weiterer Vorstoß wurde im westlichen Pustertal
erstmals 592 unter Herzog Tassilo I. von den Bayern zum Stehen gebracht,
die sich damit den Weg nach Italien offen halten wollten. Herzog
Tassilo III. bannte die Gefahr 772 endgültig. Um die Mitte
des 7. Jahrhunderts amtete in Bozen bereits ein bayerischer Grenzgraf,
und die bayerische Siedlung drang über die Enns hinaus kolonisierend
nach Osten vor. Auf dem bayerischen Nordgau verlief 805 die Nordgrenze
der bayerischen Siedlung bei Premberg (Burglengenfeld), 905 bei Nabburg.
Der Kernraum des Herzogtums war das Land an der Donau mit dem ehemaligen
römischen Castrum Regensburg als Sitz des bayerischen Herzogs. Dort
lag, meist in der Umgebung alter Römerkastelle, ausgedehntes herzogliches
Fiskalgut, das vielleicht auf römisches Domänengut zurückgeht.
Der Besitz der fünf anderen bayerischen Hochadelsgeschlechter der
HUOSI, FAGANA, HAHILINGA, DROAZZA, ANNIONA
scheint im westbayerischen Raum gelegen zu haben, wo sich allerdings auch
Herzogsgut findet. Von einer "Zweiteilung" des Herzogtums in agilolfingischer
Zeit zu sprechen, ist deswegen wohl überspitzt. Über die soziale
Gliederung des Volkes in Adel, Freie und Unfreie gibt das zwischen 739
und 743 kodifizierte bayerische Volksrecht (Lex Bajuwariorum) Auskunft,
das auch eine hervorragende Quelle für Volksleben und Volkskultur
bildet.
[3] Mission und frühe Kirchengeschichte
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Über die ursprüngliche Religion der Bajuwaren
ist wenig bekannt. Während das Herzogsgeschlecht von Anfang dem christlichen
(katholischen) Glauben anhing, war das Volk in seiner Mehrheit im 6. Jahrhundert
noch heidnisch. Die bereits im Lande ansässigen kelto-romanischen
Christen konnten ihren Kult jedoch ungestört ausüben, wie es
die Verehrung der römischen Märtyrer Afra in Augsburg und Florian
im oberösterreichischen Lorch (Lauriacum) bezeugt. Die in der Römerzeit
mit großer Wahrscheinlichkeit schon bestehende Kirchenorganisation
dürfte allerdings nach dem Abzug der römischen Truppen und Staatsorgane
weitgehend untergegangen sein (Vergleiche Vita Severini des Eugippius).
Bayern musste deswegen fast wieder von Grund auf neu missioniert werden.
Dies geschah hauptsächlich durch angelsächsische, aber auch durch
irische und fränkische Mönche, die ihren Rückhalt weniger
im Papsttum als bei den fränkischen Königen hatten, welche in
der Christianisierung eine wertvolle Hilfe für die politische Erschließung
der eroberten Gebiete erblickten. Bereits zu Beginn des 7. Jahrhunderts
wirkten die drei irischen Wandermönche Agilus, Eustasius und Agrestius
aus dem Jurakloster Luxeuil in Bayern; das Kloster Weltenburg führt
seine Gründung auf Eustasius zurück. Gegen 700 kamen die irischen,
in ihrer Mehrzahl aber wohl west-fränkischen Missionare Erhard von
Narbonne und Emmeran von Poitiers nach Regensburg, Rupert aus dem Wormsgau
nach Salzburg und Korbinian aus Arpajon bei Melun nach Freising, alle auf
Geheiß der bayerischen Herzöge, die an den genannten Orten ihre
Pfalzen hatten. Herzog
Theodo erreichte 716 von Papst Gregor II. eine Anweisung
(älteste Urkunde der bayerischen Geschichte) für die Einrichtung
von festen Bistümern in einem bayerischen Metropolitansprengel, doch
kam diese nicht oder nur teilweise zur Ausführung. So vollendete der
Angelsachse Winfried (Bonifatius) mit seinen Helfern die
bayerische Kirchenorganisation 739 im Zusammenwirken mit Herzog
Odilo im Auftrag Papst Gregors III. An den früheren
Herzogssitzen wurden Bistumssitze eingerichtet und kanonisch geweihte Bischöfe
eingesetzt (Regensburg, Freising, Salzburg, Passau). Die Bistümer
Säben, Brixen und Augsburg, die älter waren, wurden davon nicht
berührt. Entscheidender als die Einrichtung von festen Bischofssitzen
waren für die Missionierung des Landes die Klöster, die seit
dem 7. Jahrhundert ins Leben gerufen wurden. Die große Welle der
benediktinischen Klostergründungen setzte jedoch erst im 8. Jahrhundert
unter der Regierung Herzog Tassilos III. (748-788) ein. Tassilo
selbst gründete (zumindest gilt er als Gründer) die Klöster
Kremsmünster (777, Tassilo-Kelch),
Niederaltaich,
Innichen (769),
Niedermünster zu Regensburg,
Thierhaupten,
Polling,
Wessobrunn,
Mondsee,
Mattsee usw.
Hochadlige Geschlechter des Landes, wie zum Beispiel
die HUOSI, gründeten die Stifte Tegernsee und Benediktbeuren.
Die Bistümer selbst wurden Besitzer von Eigenklöstern (zum Beispiel
Scharnitz-Schlehdorf). Das staatliche und religiöse Leben wurde auf
Landessynoden geordnet (Aschheim 750 und 756, Neuching 771, Dingolfing
774). Die Klöster entwickelten sich in kurzer Zeit zu Zentren geistlicher,
geistiger und weltlicher Kultur, in denen Schulen eingerichtet und von
denen aus das Land gerodet wurde. Im Bund mit den Bistümern wetteiferten
sie in der Ostmission (Innichen, Kremsmünster, Chammünster, St.
Emmeran, Niederaltaich, Metten), die mit der bayerischen Kolonisation einherging.
II. BAYERN IM KAROLINGERREICH (788-911)
[1] Politische Geschichte
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Seit dem 8. Jahrhundert versuchten die KAROLINGER,
das relativ unabhängig gewordene Herzogtum Bayern wieder stärker
unter ihre Kontrolle zu bringen (Vorstoß Karl
Martells nach Bayern 725; Sieg Pippins
und Karlmanns über Herzog Odilo am Lech 743). Obwohl
Herzog Tassilo III.
757
Pippin
und seinen Söhnen den Lehnseid schwören musste, führte er
seine selbständige Politik im Bündnis mit den Langobarden fort
- er heiratete 765 die
langobardische Königs-Tochter Liutberga.
Die Unterwerfung der Langobarden 774 durch KARL
DEN GROSSEN beraubte den Herzog seiner wichtigsten Bundesgenossen.
788 wurde Tassilo
von KARL DEM GROSSEN
wegen
angeblicher Fahnenflucht als Herzog abgesetzt und mit seiner ganzen Sippe
in Klöster verbannt. Bayern wurde fränkische Provinz. Nach dem
Bericht Einhards gab KARL DER GROSSE Bayern
Grafen zum Regieren, was als Einführung der fränkischen Grafschaftsorganisation
gedeutet wird, die wohl auf agilolfingische Vorläufer
zurückgriff. Die Grafen waren vermutlich Angehörige fränkischer
"Reichsaristokraten-Familien", die sich aber bald mit dem einheimischen
Adel versippten. Nach der Eingliederung ins Frankenreich blieb Bayern in
seinem territorialen Umfang erhalten und behielt sein eigenes Stammesrecht.
Die Eigenständigkeit der karolingischen Provinz Bayern wurde noch
dadurch erhöht, dass KARL DER GROSSE 798
eine bayerische Kirchenprovinz mit Salzburg als Erzbistum begründete.
Die Einrichtung von Marken an der Ostgrenze sicherte das Land vor den Awaren.
Unter Ludwig dem Deutschen (817-876)
und unter Karlmann (876-880)
ist Bayern karolingisches
Teil-Königreich.
Nach dem Aufgehen Bayerns im ostfränkischen Reich war Regensburg neben
Frankfurt der Hauptort des Reiches (Errichtung einer neuen Pfalz durch
Kaiser
ARNULF
"VON
KÄRNTEN"; spät-karolingische
Grablege in St. Emmeram).
[2] Die Klöster und ihre Bedeutung für die kulturelle
Entwicklung
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Die in der AGILOLFINGER-Zeit
begründete Klosterkultur der nunmehrigen Reichsklöster setzte
sich ohne Bruch im KAROLINGER-Reich
fort. "Der Stamm an der Grenze der abendländischen Welt" rezipierte
als erster im Gebiet des heutigen Deutschland die lateinische Bildung durch
eigene literarische Schöpfungen. Waren in der Frühzeit des Stammesherzogtums
insulare und langobardisch-südliche Kultureinflüsse stärker
ausgeprägt, die zur Begegnung mit der lateinischen Liturgie führten,
so wurde die von Anfang an vorhandene westliche Kulturströmung aus
dem fränkischen Reich aufgrund der herrschaftlich-staatlichen Bindungen
seit der KAROLINGER-Zeit immer bestimmender.
Träger der kulturellen Aktivität waren seit dem 8. Jahrhundert
die Domklöster an den Bischofssitzen (Abt-Bischof Virgil von Salzburg,
ca. 700-784) und die benediktinischen Monasterien von Benediktbeuren, Wessobrunn,
Niederaltaich, Tegernsee, Herrenchiemsee, Niedernburg (Passau), Monsee
und Kremsmünster. Sie setzt sich in die KAROLINGER-Zeit
ungebrochen fort (Augsburger beziehungsweise Staffelseer Schreibschule;
Wessobrunner Gebet), wobei die Hofkapelle der ostfränkischen KAROLINGER
die
"dichteste Kontaktstelle zwischen karolingischer
Politik und bayerischem Episkopat" war. Theologische, seelsorgerische und
hagiographisch-biographische Gebrauchsliteratur überwog, auch gab
es bereits Ansätze für annalistische Fixierung, sowie poetische
Versuche neben Rechtssammlungen.
III. DAS "JÜNGERE" STAMMESHERZOGTUM (ca. 907-1180)
[1] Politische Geschichte:
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Der gegen Ende des 9. Jahrhunderts einsetzende Niedergang
des Reiches ließ führende Adelsgeschlechter in den Stämmen
wieder zu Herzögen aufsteigen, wodurch das sogenannte "jüngere"
Stammesherzogtum begründet wurde. Der Sohn des mit dem bayerischen
Heerbann gegen die Ungarn bei Pressburg 907 gefallenen Markgrafen Luitpold,
Arnulf
(907-937)
nannte sich wieder Herzog von Bayern. 919 zum König
(von Bayern?
von Ost-Franken?) gewählt, unterwarf er
sich nach anfänglichem Widerstand dem von
KONRAD
I. designierten, von Franken und Sachsen zum König erhobenen
HEINRICH I. VON SACHSEN, der ihm sonst
außen- und kirchenpolitische Selbständigkeit beließ. Durch
die Säkularisierung von Klostergütern, die Arnulf
an berittene Vasallen zur Ungarnabwehr zu Lehen ausgab (Beiname: der
Böse), konsolidierte er seine Macht. König
OTTO I. entsetzte
die LUITPOLDINGER des Herzogtums Bayern 947, das er seinem Bruder
Heinrich, der mit der LUITPOLDINGERIN
Judith, Tochter Herzog Arnulfs,
verheiratet war, übertrug. Unter seinem Sohn Heinrich
dem Zänker (955-976 und 985-995)erhielt Bayern seine größte
territoriale Ausdehnung überhaupt (953 Markgrafschaft Verona, Mark
Krain und Istrien zu Bayern, aber bereits 976 dem von Bayern abgetrennten
Herzogtum Kärnten zugeschlagen). Der Sohn
des
Zänkers, Heinrich IV. (995-1004),
wurde 1002-1024 deutscher König (HEINRICH
II.). Er stattete das 1007 von ihm begründete Bistum Bamberg
vor allem mit bayerischen Herzogsgut aus. Unter den salischen
Kaisern wurde Bayern zu einer Art Kronland, das von den regierenden
Königen meist an Familienmitglieder verliehen wurde. Die Wahl durch
die bayerischen Großen war dabei auf die Akklimation reduziert (1026-1027
Herzog Konrad = König
KONRAD II.; 1027-1042 und 1047-1049 Herzog Heinrich VI.
= Kaiser HEINRICH
III.; 1054-1055 Herzog Konrad II.,
Sohn Kaiser HEINRICHS
III.; 1053-1054 Herzog Heinrich VIII. = König
HEINRICH IV.; 1055-1061 Herzogin
Agnes, Witwe Kaiser
HEINRICHS III.). Bayern wurde so eine entscheidende Machtgrundlage
der deutschen Könige, Regensburg sogar einer der Hauptorte des Reiches.
Seit 1070 herrschten für mehr als ein Jahrhundert die WELFEN
als Herzöge von Bayern (bis 1180; mit Unterbrechung des Jahres 1139
bis 1156, in denen das Herzogtum in den Händen der BABENBERGER
lag). Die Familie der jüngeren, italienischen WELFEN
errang unter Herzog Heinrich dem Stolzen (1126-1138) 1137 auch das
Herzogtum Sachsen, womit sie zur mächtigsten Familie im Reich aufstieg.
So war der Grund zur Rivalität mit den
STAUFERN
gelegt,
die 1180 mit der Absetzung Heinrichs des Löwen durch
FRIEDRICH BARBAROSSA und der Verleihung des bayerischen Herzogtums
an Otto von Wittelsbach sein Ende fand. Dieser war ein Nachkomme
der seit der Mitte des 11. Jahrhunderts urkundlich nachweisbaren Grafen
von Scheyern(-Wittelsbach), die seit ca. 1120 das bayerische Pfalzgrafenamt
innehatten.
[2] Siedlung und Verfassung
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Nach dem Sieg auf dem Lechfeld 955 über die Ungarn
begann die 2. Welle der bayerischen Ostsiedlung. Um 970 war die in den
Ungarnstürmen untergegangene bayerische Ostmark wieder aufgerichtet
und über den Wienerwald hinaus erweitert worden. 976 wurden die BABENBERGER
Markgrafen
in der Ostmark, die Ende des Jahrhunderts erstmals "Ostarrichi" genannt
wird. 1156 wird sie beim Ausgleich der BABENBERGER mit den
WELFEN
vom Herzogtum Bayern abgetrennt und mit der Verleihung an
Heinrich Jasomirgott
als Herzog zum selbständigen Herzogtum erhoben. Die Steiermark wurde
1180 abgetrennt, während das Kolonisationsgebiet in Kärnten und
in den südlichen Marken Krain und Istrien schon seit 976 verloren
war. Träger des Landesausbaus waren Bistümer, Klöster und
der hohe Adel, deren Spuren in Besitz und Ortsnamen zum Teil bis in die
Gegenwart nachwirken.
Grundherrschaft und Lehenswesen, die ihre Anfänge
in agilolfingisch-karolingischer
Zeit haben, kamen auch in Bayern seit dem ausgehenden 10. und 11. Jahrhundert
zu voller Entfaltung. Zusammen mit Allodialbesitz wurden sie zu Grundlagen
der Hochadelsherrschaften des 12. Jahrhunderts, wie sie die gräflichen
Dynastengeschlechter der ANDECHS(ER), WITTELSBACH(ER),
FALKENSTEIN(ER)
(Codex Falkensteinensis), BOGEN(ER) usw. innehatten. Seit etwa 1000
begegnen in Bayern auch Ministerialen, die im ausgehenden 13. Jahrhundert
zum landsässigen Adel aufstiegen und Landstände wurden. Bereits
in agilolfingischer und
karolingischer Zeit finden wir eine ausgebildete Großgrundherrschaft
der größeren Stifte und Klöster (Fronhof- und Hufenverfassung;
älteste Traditionsbücher: Indiculus Arnonis, Breviarius Urolfi,
Freisinger Traditionscodex des Cozroh, Breviarium Exempla usw.). Seit der
in ottonischer Zeit erfolgten Unterstellung
der Bistümer und größerer Klöster unter Königsherrschaft,
womit zugleich auch die Immunität (Freiheit vom Grafengericht, Einrichtung
einer Gerichtsvogtei) verbunden war, verfügte das Königtum in
Bayern über eine unmittelbare, vom Herzogtum unabhängige Machtgrundlage.
Dies erklärt unter anderem die königstreue Haltung vieler alter
bayerischer Stifte im Investiturstreit, während der Hochadel mit den
von ihm gegründeten Familienklöstern (Reform- und päpstliche
Klöster) zum Teil der päpstlichen Partei anhing. Über den
Umweg der Vogtei gelang es den gräflichen Dynasten, auch die Herrschaft
über den Besitz der Reichskirche an sich zu reißen. Die vizekönigliche
Stellung des bayerischen Herzogs, die sich gerade in der Reichslandepoche
herausgebildet hatte, verhinderte mit der hier schon früh (1094) einsetzenden
herzoglichen Landfriedenswahrung den vorzeitigen Auseinanderfall des landrechtlich/stammesherzoglichen
Verbandes, der allerdings auch durch vasallitische Bindungen der Dynasten
zum Herzog untermauert war. Die tatkräftige Wahrnehmung vizeköniglich-herzoglicher
Rechte durch die ersten WITTELSBACHER
war zusammen mit dem Erwerb unmittelbarer Herrschaften des aussterbenden
Hochadels ein Hauptgrund für die Bewahrung des stammesherzoglichen
Kernraumes in landesfürstlichen Territorialstaat.
B. Der Territorialstaat des Spätmittelalters (1180-1508)
I. DIE ERSTEN WITTELSBACHER HERZÖGE (1180-1255)
Die Belehnung des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern 1180 begründete eine neue Dynastie. Sein früher Tod 1183 stürzte das noch unfertige Herzogtum in eine schwere Krise. Sein Sohn Ludwig I. (1183-1231) musste sich gegenüber den zentrifugalen Tendenzen des Hochadels und der Bischöfe durchsetzen. In der Bogener Fehde unterlag er und wurde erst durch das Eingreifen Kaiser HEINRICHS VI. 1193 gerettet. Im Krieg mit den Bischöfen von Regensburg um die Rechte in der Stadt konnte er die Lösung des Hochstiftes und der Stadt vom Herzogtum nicht verhindern, dafür aber wichtige bischöfliche Lehen erhalten. Auch im Konflikt mit Erzbischof Eberhard II. 1218/19 musste er die Ausbildung des Erzstiftes Salzburg anerkennen, konnte aber das Peilsteiner Erbe Reichenhall behaupten. Obwohl seit 1198 auf staufischer Seite, erkannte er 1208 OTTO IV. an, was ihm die Bestätigung der Erblichkeit des Herzogtums Bayern sowie die Reichslehen des Mörders König PHILIPPS VON SCHWABEN, des Pfalzgrafen Otto VIII., sowie des (angeblich gleichfalls an der Mordtat beteiligten) ANDECHSER Heinrich von Istrien eintrug. Die Verlobung seines Sohnes Otto mit Agnes, Tochter des welfischen Pfalzgrafen Heinrich des Langen und die Anerkennung König FRIEDRICHS II. im Jahre 1212 brachte 1214 die Belehnung mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein. Durch dieses Amt stärker an der Reichspolitik beteiligt, leitete er 1221 den Kreuzzug nach Kairo; 1226 wurde er Reichsgubernator und Vormund König HEINRICHS (VII.). Dessen Verbindung mit den 1227 rehabilitierten ANDECHSERN ließ das Verhältnis zu den STAUFERN abkühlen, doch wurde 1229/30 der Frieden wiederhergestellt. Otto II. (1231-1253) kam in seinem Krieg mit HEINRICH (VII.) und den bayerischen Bischöfen in schwere Bedrängnis, aus der ihn erst der Anschluss an Kaiser FRIEDRICH II. befreite. Doch als 1238 Otto II. Hoffnungen auf die Länder des geächteten Herzogs Friedrich II. von Österreich enttäuscht wurden, konnte ihn der päpstliche Legat Albert Behaim, der ihn gegen die Bischöfe unterstützte, vorübergehend für den Kampf gegen FRIEDRICH II. gewinnen. Die wachsende Isolierung führte den Herzog 1241 an die staufische Seite zurück. Die Verbindung wurde durch die VermählungKönig KONRADS IV. mit Elisabeth, Tochter Ottos II., noch enger geknüpft, womit sich dieser die Exkommunikation zuzog. Die Erwerbung Österreichs gelang auch 1246 nicht, doch konnte der Herzog 1242 die Grafen von Bogen, 1248 die ANDECHSER und die älteren ORTENBURGER beerben und Konrad, den letzten Grafen Wasserburg, vertreiben.
II. VON DER ERSTEN TEILUNG BIS ZUM TODE LUDWIGS DES BAYERN (1255-1347)
Die Söhne Herzog Ottos II. teilten 1255 Bayern: Ludwig II. (1253/55-1294) bekam den kleineren westlichen Teil Bayerns ("Ober-Bayern"), den Nordgau und die Pfalzgrafschaft bei Rhein, Heinrich XIII. (1253/55-1290) den größeren östlichen Teil Bayerns ("Nieder-Bayern"). Als staufische Parteigänger traten die Herzöge für ihren Neffen Konradin ein.1269 teilten sie das "Konradinische Erbe" auf dem Nordgau und am oberen Lech. Sie übten beide bei den Königswahlen von 1257 und 1273 jeweils für Bayern und die Pfalzgrafschaft das Kurrecht aus. Von seinem Bruder im Stich gelassen, musste Heinrich XIII. 1282 die Festsetzung der HABSBURGER in Österreich und 1289 den Verlust der bayerischen Kur an Böhmen hinnehmen. Der Kampf an der Seite König ADOLFS gegen seinen habsburgischen Gegner ALBRECHT I. führte die Herzöge Rudolf I. von Ober-Bayern und Otto III. von Nieder-Bayern 1298 in die Niederlage von Göllheim. Nach dem Zusammenbruch einer weiteren Erhebung gegen ALBRECHT I. musste Herzog Rudolf einen Teil des "Konradinischen Erbes" abtreten und seinen Bruder LUDWIG IV. (1294/1301-1347) zum Mitregenten annehmen. Zur Schuldentilgung bewilligte 1302 der oberbayerische Adel auf einem Rittertag zu Oberschneidbach erstmals eine Viehsteuer. 1307 verpfändeten die Herzöge den drei Ständen der Ritter, Prälaten sowie Städten und Märkten gegen eine weitere Steuerbewilligung die Ingolstädter Münze. Inzwischen war Otto III. als Enkel König Belas IV. von Ungarn 1305 zum ungarischen König gekrönt worden, konnte sich jedoch gegen den Prätendenten Karl Robert von Anjou nicht halten und musste 1307 Ungarn verlassen. Die bei diesem Unternehmen und im österreichischen Krieg 1309-1311 angehäuften Schulden nötigten Otto III. 1311 zum Erlass der "Ottonischen Handfeste": Gegen die Gewährung einer einmaligen Vieh- und Getreidesteuer erhielten Ritter und Prälaten die niedere Gerichtsbarkeit in ihren Hofmarken. Die Wahrung der Vormundschaft über die drei niederbayerischen Herzöge nach dem Tod Ottos III. († 1312) veranlasste LUDWIG IV. zur Aussöhnung mit seinem Bruder Rudolf und zum Bruch mit Österreich. Der Sieg bei Gammelsdorf 1313 wehrte den Zugriff der HABSBURGER auf Nieder-Bayern ab und verbreitete LUDWIGS Ruhm im Reich. 1314 wurde LUDWIG von der luxemburgischen Partei der Kurfürsten zum Römischen König gewählt. In seinem Kampf um den Thron zwang er Herzog Rudolf 1317 zum Verzicht auf die Herrschaft und schlug zusammen mit seinen niederbayerischen Vettern 1322 den Gegen-König FRIEDRICH DEN SCHÖNEN bei Mühldorf entscheidend. Bayern bildete seitdem die unerschütterliche Basis seiner Reichspolitik, auch nach seiner Exkommunikation (1324). Noch 1323 hatte er seinen Sohn Ludwig V. die durch das Aussterben der ASKANIER erledigte Mark Brandenburg verliehen. Nach der Einigung mit FRIEDRICH DEM SCHÖNEN und der Kaiserkrönung (1328) verglich er sich mit den Erben seines Bruders Rudolf: Im Hausvertrag von Pavia trat er 1329 an Rudolf II., Ruprecht I. und II. die Pfalzgrafschaft bei Rhein und fast den ganzen Nordgau ("Ober-Pfalz") ab. Die Ausübung der Kur sollte künftig zwischen den beiden wittelsbachischen Linien wechseln. 1340 erlosch die niederbayerische Linie; ihr Territorium fiel an Ober-Bayern zurück. 1342 ließ Kaiser LUDWIG die Ehe der Gräfin Margarethe Maultasch von Tirol mit Johann Heinrich von Luxemburg für ungültig erklären und vermählte sie mit seinem Sohn Ludwig V. 1346 brachte er auf Grund des Erbrechts seiner zweiten Gattin Margarethe die Grafschaften Holland, Seeland, Friesland und Hennegau an sich. Seine Hausmachtpolitik untergrub schließlich seine Stellung. Der Tod LUDWIGS DES BAYERN (1347) verhinderte den Entscheidungskampf mit KARL IV.
III. DIE TEILUNG UND DIE TEILHERZOGTÜMER DES 14. UND 15. JAHRHUNDERTS (1347/49-1450)
Gegen LUDWIGS DES BAYERN
Pläne teilten seine sechs Söhne 1349 beziehungsweise 1351/53
Bayern und die hinzuerworbenen wittelsbachischen
Territorien dergestalt auf, dass
Ludwig V. Ober-Bayern
mit Tirol, Ludwig VI. und
Otto
V. gemeinsam die Mark Brandenburg, Stephan
II. fast ganz Nieder-Bayern mit der Hauptstadt Landshut,
Wilhelm
I. und
Albrecht I. das Straubinger
Land und die Niederlande erhielten. Bei dieser Zersplitterung ihrer
Hausmacht waren die bayerischen Herzöge
Kaiser
KARL IV. nicht gewachsen und mussten es hinnehmen, dass in der
Goldenen Bulle (1356) unter Umgehung der bayerischen Ansprüche allein
die pfälzische Kurwürde anerkannt wurde. Schon 1363 fiel Ober-Bayern
an Stephan II. von Nieder-Bayern zurück.
Dagegen konnte dieser Tirol, das die Herzogin-Witwe Margarethe sogleich
an Herzog Rudolf
IV. von Österreich übergab, gegen die mitKaiser
KARL IV. verbündeten HABSBURGER
nicht halten. Im Frieden von Schärding musste Stephan
II. 1369 Tirol preisgeben. KARL IV.
konnte
inzwischen seinen Einfluss auch auf die Mark Brandenburg ausdehnen und
nötigte den schwachen Otto V.,
der bereits seinen Neffen Friedrich zum Erben eingesetzt hatte,
nach zwei militärischen Einfällen im Frieden von Fürstenwalde
(1373) zur Abtretung Brandenburgs. In Bayern regierten die drei Söhne
Stephans
II. († 1375) gemeinsam. Die Aussöhnung mit den LUXEMBURGERN
und die erfolgreiche Vermittlung im Städtekrieg (1377) brachte den
Herzögen
Stephan III. und Friedrich
vorübergehend die Reichslandvogteien in Ober- und Niederschwaben ein.
Auch schlossen sie sich dem Rothenburger beziehungsweise Nürnberger
Landfrieden König WENZELS
an.
Der kurze bayerisch-österreichische Krieg um den Einfluss auf die
Propstei Berchtesgaden endete mit einem Bündnis der bayerischen Herzöge
mit Herzog Leopold
III. gegen die Städtebünde (1382) und mit einem Vergleich
über Berchtesgaden (1384). Das Bündnis der schwäbischen
Städte mit Erzbischof Pilgrim II. von Salzburg führte
1388 zum Krieg der bayerischen Herzöge mit König
WENZEL und dem schwäbischen und rheinischen Städtebund.
Zur Wahrung des Egerer Reichslandfriedens von 1389 diente ein Sechserausschuss
von Fürsten, an deren Spitze seit 1390 Herzog
Friedrich stand. Auf Drängen
Herzog
Johanns II., der sich bei der ehrgeizigen Politik seiner Brüder
zurückgesetzt fühlte, kam es 1392 zu der von den Landesständen
durchgeführten dritten bayerischen Landesteilung. Demnach erhielt
Herzog
Johann II. den geschlossenen südwestlichen
Teil Ober-Bayerns (Bayern-München),
Herzog
Friedrich Nieder-Bayern im Umfang von 1353 (Bayern-Landshut),
Herzog
Stephan III. aber einen unglücklich
verteilten Streubesitz an der oberen Donau und im Alpenvorland (Bayern-Ingolstadt).
Der Streit um die Vormundschaft überHerzog
Friedrichs
(† 1393)
Sohn Heinrich XVI. (1393-1450)
endete
1395 mit einer Versöhnung der Herzöge, die eine vorübergehende
gemeinschaftliche Regierung Ober-Bayerns brachte. Doch der Führungsanspruch
Herzog
Stephans III. gegenüber seinen Münchener NeffenErnst
(1397-1438)und
Wilhelm
III. (1397-1435) schuf neuen Zwist, zumal Stephan
III. und sein Sohn Ludwig VII. in
den Münchner Bürgerunruhen die Partei der aufständischen
Zünfte ergriffen und München zu besetzen suchten. Erst 1403 ergab
sich die von Stephan III. nicht länger
unterstützte Stadt ihren Herzögen. Das Königtum des Kurfürsten
RUPRECHT III. VON DER PFALZ, von den Ingolstädter Herzögen
seit 1399 betrieben, wurde 1401 auch von der Münchener Linie
anerkannt. Der Österreichische Krieg von 1410 war ein letzter erfolgloser
Versuch zur Rückgewinnung Tirols. Im Abendländischen Schisma
hatten sich die bayerischen Herzöge seit 1378 einhellig zur römischen
Obödienz bekannt, traten aber 1409 zur Pisaner Obödienz über.
Das von allen bayerischen Herzögen beschickte Konzil von Konstanz
bildete den Hintergrund für den erbitterten Hausstreit zwischenHerzog
Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt
(1413-1445/47)
und seinem
Landshuter VetterHeinrich.
Dieser sammelte in der Konstanzer Liga alle wichtigen Nachbarn des Ingolstädters
gegen
diesen. Der Streit flackerte im Bayerischen Krieg von 1420 erneut auf,
in dessen Verlauf Ludwig VII. schließlich
halb Süd-Deutschland gegen sich aufbrachte. Auch der 1422 von König
SIGISMUND vermittelte Waffenstillstand von Regensburg brachte
keinen Ausgleich. 1425 erlosch mit Herzog Johann
III. die Straubinger Linie
im Mannesstamm. Seine Nichte Jakobäa
musste Herzog Philipp von Burgund 1428
die Mitregierung, 1433 die Alleinherrschaft über die Niederlande abtreten.
König
SIGISMUND zog bei der Uneinigkeit der bayerischen Herzöge
die Entscheidung über das Erbe an sich und fällte nach
dem Erbverzicht Herzog Albrechts V. von Österreich
1429 den Pressburger Schied: Gemäß der von den Ständevertretern
der vier Teilherzogtümer vollzogenen Teilung fiel das Straubinger
Land zur Hälfte an die beiden
Münchner Herzöge,
zu je einem Viertel an Bayern-Landshut und Bayern-Ingolstadt.
Der bayerische Hausstreit verhinderte eine gemeinsame Front gegen die Hussiten.
Die militärischen Erfolge des Pfalzgrafen Johann von Neumarkt stärkten
die Abwehrkraft des Grenzlandes, doch erst die Verhandlungen Herzog
Wilhelms III., des Protektors des Basler Konzils, beendeten
die Einfälle. Das Konzil wurde von allen bayerischen Herzögen
unterstützt, am längsten von Albrecht
III. von Bayern-München (1438-1460), der erst 1448
zur römischen Obödienz zurückkehrte. Seit 1438 befehdete
Herzog
Ludwig VIII. von Bayern-Ingolstadt (†
1445) seinen Vater Ludwig VII. und
nahm ihn schließlich gefangen. Aus der Pfandschaft des Markgrafen
Albrecht Achilles von Heinrich XVI.ausgelöst,
starb er in dessen Haft 1447 als letzter seiner Linie. Ohne Widerstand
vermochte Heinrich, das Ingolstädter
Territorium einzuziehen.
IV. DER WEG ZUR EINHEIT DES HERZOGTUMS (1450-1508)
Im Erdinger Vertrag von 1450 trat Herzog
Ludwig IX. von Bayern-Landshut seinen Münchner Vetter
einen kleinen Teil des Erbes ab. Ludwig IX. bewahrte
im Krieg des Markgrafen Albrecht Achilles mit der Reichsstadt Nürnberg
eine für den Markgrafen wohlwollende Neutralität und vermittelte
einen Ausgleich. Der Anspruch des Markgrafen auf die Zuständigkeit
seines kaiserlichen Landgerichts Nürnberg auch für Bayern führte
zum Bruch zwischen beiden Fürsten. Durch die Besetzung der Reichsstadt
Donauwörth 1458 zog sich Ludwig IX. die
Reichsacht zu, mit deren Vollstreckung der Markgraf beauftragt wurde. Gestützt
auf sein Bündnis mit dem Pfälzer Kurfürsten Friedrich
I. und die Neutralität des böhmischen Königs Georg
Podiebrad behauptete sich der Herzog erfolgreich. Im Prager
Frieden musste er auf Donauwörth, der Markgraf auf die Ausdehnung
seines Landgerichts verzichten. Die Absetzung des böhmischen Königs
durch den Papst veranlasste den Herzog zur Abwendung von ihm und zur Aussöhnung
mit dem Kaiser (1468). Herzog Albrecht
IV. von Bayern-München (1463-1508)
nützte die finanziellen Schwierigkeiten Herzog
Siegmunds von Tirol aus, der ihm seit 1478 zahlreiche Besitzungen
verpfändete. 1487 verschrieben sich die beiden Herzöge gegenseitig
eine Million Gulden auf ihre Lande. Zur Aufbringung der nötigen Summen
verständigte sich Herzog Albrecht
IV. mit
Herzog
Georg von Bayern-Landshut (1479-1503),
der 1486 von Siegmund Burgau, 1487
zusammen mit Albrecht Vorder-Österreich
kaufte. 1485 zog
Albrecht IV. die Grafschaft
Abensberg ein; 1487 unterstellte sich die verschuldete Reichsstadt Regensburg
seiner Landeshoheit. Gegen die Expansionspolitik des Herzogs schlossen
sich schon 1485 die bedrohten Nachbarn im Schwäbischen Bund zusammen,
den der König gegen Albrecht in
Bewegung setzte. Die Diplomatie König
MAXIMILIANS I. neutralisierte Herzog
Georg,
der 1489 auf Burgau verzichtete. Nach der Niederwerfung des Adelsbundes
der Löwler vom Kaiser geächtet und von Herzog
Georg verlassen, musste sich Albrecht
1492 dem Augsburger Spruch König
MAXIMILIANS beugen und auf alle
Erwerbungen außer Abensberg verzichten. Gegen die Verträge von
1392 und 1450 setzte der erbenlose Herzog
Georg 1496 seine TochterElisabeth
und deren künftigen Gatten Pfalzgraf Ruprecht zu Erben ein.
Nach dem Tod des Herzogs löste der rasche Zugriff des Pfalzgrafen
auf Landshut und Burghausen noch im Jahre 1503 den Landshuter Erbfolgekrieg
aus. Albrecht IV. wurde 1504 mit Bayern-Landshut
belehnt, Ruprecht geächtet; den Ausschlag gab das militärische
Eingreifen des Königs zugunsten
Albrechts.
Im "Kölner Schied"
König
MAXIMILIANS I. (1505) wurde das Landshuter mit dem Münchener
Territorium vereinigt, doch musste Albrecht IV.
an die Pfalzgrafen Ottheinrich und Philipp, Söhne Ruprechts
und Elisabeths (beide
† 1504), verstreute Gebiete zwischen Fichtelgebirge und oberer
Donau zur Bildung des Fürstentums der "Jungen Pfalz" (Pfalz-Neuburg)
und erheblichen "Interessen" an den König (Gerichte Kufstein, Rattenberg
und Kitzbühel) sowie an die Reichsstadt Nürnberg abtreten. Das
Primogeniturgesetz von 1506 sicherte für die Zukunft die Einheit Bayerns.
Um die Mitte des 6. Jahrhunderts dürften sich die
germanischen Neusiedler zwischen Donau und Zentralalpen zum Stamme der
Bayern zusammengeschlossen haben. Der Eisack folgten sie zunächst
bis ins Brixener Becken. Später gelang es ihnen, die langobardischen
Nachbarn über Bozen hinaus hinter die Salurner Klausen zurückzudrängen.
Im Passeiertale rückten bayerische Höfe nahe an den Vintschgau
heran. Währenddessen mischten sich unter awarischer Herrschaft im
Donautale bis in den Linzer Raum aufwärts Slawen mit der germanischen
Bevölkerung. In den Ostalpen erreichten ihre Spitzen von der Mur aus
über den Tauernpass hinweg die Oberläufe der Enns, Traun und
Salzach. Östlich von Bruneck blieb das Pustertal eine menschenleere
Siedlungszone gegen die Karantanen, bis sich deren Fürst 772 Bayern
unterordnete. Die Zerschlagung des Awarenreiches durch KARL
DEN GROSSEN führte 788/805 zur Annexion des Donaulaufs
bis zum Wienerwald und Oberpannonien östlich der Alpen. Seitdem blühte
der Handel mit den slawischen Nachbarn. Bayern lieferte Salz, Luxusgüter,
Metallwaren und Waffen. Eingeführt wurden Pferde, Sklaven, Wachs und
Honig. Zum bedeutendsten Marktort des Landes entwickelte sich Regensburg,
das im Schutze der römischen Ummauerung seine Bedeutung wohl nie ganz
verloren hatte. Im Fernhandel tätige Juden unterhielten von hier aus
wirtschaftliche Beziehungen zu Italien und zum Rheinland. Den Verkehr auf
der Donau überwachten Zollstellen in Lorch, Linz, Raffelstedten, Ybbs
und Mautern.
Während des 9. Jahrhunderts entwickelte sich Bayern,
dessen rechtliche Besonderheit die Franken ungeschmälert bestehen
ließen, zu einem selbstbewussten Teilreich, doch ging ihm durch die
Landnahme der Magyaren das Vorfeld östlich der Alpen verloren. Im
Donautale musste die Grenze 907 hinter die Enns in den Traungau zurückgenommen
werden. Die militärisch bedrohliche Lage stärkte indessen die
innere Geschlossenheit des Stammes. Freiwillig ordneten sich weltliche
und geistliche Herren dem zum Reichsadel gehörenden LIUTPOLDINGER
Arnulf
(907-937) als ihrem Herzog
unter. Sie überließen ihm das karolingische Krongut, das Recht
der Bischofserhebung und den Vorsitz auf geistlichen Synoden. Er hielt
am Protektorat über Böhmen fest, erwarb Vintschgau und Engadin.
Nur die Annahme des Königstitels konnte ihm HEINRICH
I. verwehren, und auch sein kühner Griff nach der lombardischen
Krone misslang.
Erst OTTO DER GROSSE
konnte nach
Arnulfs Tode Bayern fest
ins Reich einbinden. Domänen und Ödländereien unterstellte
er der Aufsicht eines Pfalzgrafen. Auch den Schutz der Kirche und ihrer
Güter nahm er wieder für den Herrscher in Anspruch. Dem neuen
Amtsherzog, Arnulfs Bruder
Berthold (938-947), verblieben
Heerbannführung, Vorsitz auf Landtagen, schiedsrichterliche Gewalt
über Adel und Klerus zur Wahrung des Landfriedens, Kammergut, Salinen,
Vogteien, ererbte Grafschaften und die gewaltigen Allodien seines Hauses.
Um Bayern aber der sächsischen Dynastie
noch
enger zu verbinden, erhob der König seinen BruderHeinrich,
den Gemahl einer LIUTPOLDINGERIN, zum Herzog (947-955). Mit Verona,
Trient und Istrien überließ er ihm 952 sogar den Zugang zur
Poebene und die Häfen der nördlichen Adria. Die Grenze an der
Donau wurde nach der siegreichen Lechfeldschlacht 955 abermals bis an Kamp
und Traisen vorverlegt. Dieser beachtliche Zuwachs an Macht erlaubte es
Herzog
Heinrich dem Zänker (955-976,985-995)beim
Thronwechsel der Jahre 973 und 983, nochmals den Anspruch seines Stammes
auf die Krone nachdrücklich, wenn auch vergeblich geltend zu machen.
Sein Scheitern hatte zur Folge, dass Kärnten mit den Marken südlich
der Alpen als selbständiges Herzogtum angetrennt wurde.
Eng verwandt mit den ARIBONEN waren die gräflichen
Stifter von Kloster Sonnenburg im Pustertal und St. Georgen im Lurngau
(um 1010). Dieser das Eisacktal beherrschenden Familie entstammtem die
Bischöfe
Hartwig von Brixen (1022-1039) und Ulrich von Trient (1022-1055).
Ihr stehen die Grafen von Suben nahe, die sich nach einer Burg am Unterlauf
des Inn benannten, die aber auch im Alpenraume begütert waren. Verwandte
von ihnen erwarben vom Lurngau aus Lehen in Friaul und beteiligten sich
als Kolonisatoren um Görz an der Erschließung des Isonzotals.
Aus der gleichen Wurzel stammen die genealogisch schwer fassbaren SIGEHARDINGER
oder SIZZONEN
im Isen- und Chiemgau, um Burghausen, im Gasteintale,
östlich der Salzach, in Kärnten, um Melk und St. Pölten,
auch im Nordgau. Man kennt sie als Stifter des Klosters Baumburg und Förderer
von Michaelbeuren. Verschwägert waren ihnen die Grafen im Jaunetale,
die Inhaber der Mark an der Drau. Zu ihnen gehörte Bischof Albwin
(um 975-1006), der seinen Sitz nach Brixen verlegte und sich durch
Gütererwerb eine beherrschende Stellung an den Passstraßen zwischen
Kärnten und Friaul verschaffte. Als Grafen im Ries- und Sundergau
erwarben sie durch Verschwägerung mit den Grafen von Öhringen
auch schwäbischen Besitz. Von ihnen stammen die HOHENSTAUFEN
ab. Zum Sippenverband der ARIBONEN zählen ferner die den EBERSBERGERN
nahestehenden Grafen von Rott in Isen-, Chiem-, Sunder- und Westgau, in
Tirol und Ostmark.
Liutpold | 899- 907 |
Arnulf | 907- 937 |
Eberhard | 937- 938 |
Berthold | 938- 947 |
Heinrich I. von Sachsen | 947- 955 |
Heinrich II. der Zänker | 955- 976 |
Otto I. von Schwaben | 976- 982 |
Heinrich III. | 982- 985 |
Heinrich II. der Zänker | 985- 995 |
HEINRICH II. (IV.) | 995-1004 |
Heinrich V. von Luxemburg | 1004-1009 |
HEINRICH II. (IV.) | 1009-1017 |
Heinrich V. von Luxemburg | 1017-1026 |
KONRAD II. | 1026-1027 |
HEINRICH III. (VI.) | 1027-1042 |
Heinrich VII. von Luxemburg | 1042-1047 |
HEINRICH III. (VI.) | 1047-1049 |
Konrad I. von Zütphen | 1049-1053 |
HEINRICH IV. (VIII.) | 1053-1061 |
Otto II. von Northeim | 1061-1070 |
WELFEN 1070-1180
Welf I. (IV.) | 1070-1077 |
HEINRICH IV. (VIII.) | 1077-1096 |
Welf I. (IV.) | 1096-1101 |
Welf II. der Dicke | 1101-1120 |
Heinrich IX. der Schwarze | 1120-1126 |
Heinrich X. der Stolze | 1126-1139 |
Leopold IV. von Österreich | 1139-1141 |
Heinrich XI. Jasomirgott | 1141-1156 |
Heinrich XII. der Löwe | 1156-1180 |
WITTELSBACHER 1180-1918
Otto I. | 1180-1183 |
Ludwig I. der Kelheimer | 1183-1231 |
Otto II. der Erlauchte | 1231-1253 |
NIEDER-BAYERN 1253-1340
OBER-BAYERN
Heinrich XIII. | 1253-1290 | Ludwig II. der Strenge | 1253-1294 |
Otto III. König von Ungarn | 1290-1312 | Rudolf I. von der Pfalz | 1294-1319 |
Ludwig III. | 1294-1296 | LUDWIG IV. | 1294-1347 |
Stephan I. | 1294-1310 | Ludwig V. der Ältere | 1347-1349 |
Heinrich XIV. | 1310-1339 | Stephan II. | 1347-1349 |
Otto IV. | 1310-1334 | Ludwig VI. der Römer | 1347-1349 |
Heinrich XV. | 1310-1334 | Wilhelm I. | 1347-1349 |
Johann I. | 1339-1340 | Albrecht I. | 1347-1349 |
Otto V. de Faule | 1347-1349 |
OBER-BAYERN
Ludwig V. der Ältere | 1349-1361 |
Ludwig VI. der Römer | 1349-1351 |
Meinhard | 1361-1363 |
NIEDER-BAYERN
Stephan II. | 1349-1353 |
Wilhelm I. | 1349-1353 |
Albrecht I. | 1349-1353 |
NIEDER-BAYERN-STRAUBING
Wilhelm I. | 1353-1358 |
Albrecht I. | 1353-1404 |
Wilhelm II. | 1404-1417 |
Johann III. | 1404-1425 |
NIEDER-BAYERN-LANDSHUT
Stephan II. | 1353-1375 |
Otto V. der Faule | 1375-1379 |
Stephan III. | 1375-1392 |
Friedrich | 1375-1392 |
Johann II. | 1375-1392 |
BAYERN-INGOLSTADT
Stephan III. | 1392-1395/1402 |
Ernst | 1395-1402 |
Wilhelm III. | 1395-1402 |
Stephan III. | 1402-1413 |
Ludwig VII. | 1413-1443 |
Ludwig VIII. | 1443-1445 |
BAYERN-LANDSHUT
Friedrich | 1392-1393 |
Heinrich IV. der Reiche | 1393-1450 |
Ludwig IX. der Reiche | 1450-1479 |
Georg der Reiche | 1479-1503 |
BAYERN-MÜNCHEN
Johann II. | 1392-1397 |
Stephan III. | 1395-1402 |
Ernst | 1397-1402 |
Wilhelm III. | 1397-1402 |
Ernst | 1402-1438 |
Wilhelm III. | 1402-1435 |
Adolf | 1435-1440 |
Albrecht III. der Fromme | 1438-1460 |
Johann IV. | 1460-1463 |
Sigismund | 1460-1467 |
Albrecht IV. der Weise | 1465-1508 |
Wilhelm IV. | 1508-1550 |
Ludwig X. in Landshut | 1508-1545 |
Albrecht V. | 1550-1579 |
Wilhelm V. der Fromme | 1579-1598 |
Maximilian I. | 1598-1651 |
Ferdinand Maria | 1651-1679 |
Maximilian II. Emanuel | 1679-1726 |
KARL VII. ALBERT | 1726-1745 |
Maximilian III. Joseph | 1745-1777 |
Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach | 1777-1799 |
Maximilian I. (IV.) von Pfalz-Birkenfeld | 1799-1825
König seit 26.12.1805 |
Ludwig I. | 1825-1848 |
Maximilian II. | 1848-1864 |
Ludwig II. | 1864-1886 |
Otto | 1886-1913 |
Ludwig III. | 1913-1918 |