Begraben: St. Denis
Illegitimer Sohn des fränkischen Hausmeiers Pippin
der Mittlere aus dem Hause der ARNULFINGER
von der Fridelfrau Chalpaida
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 954
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Karl Martell, fränkischer Hausmeier
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* ca. 688/89, † 22.
Oktober 741
Quierzy
Begraben: St. Denis
Pippin II. der Mittlere,
dessen als Nachfolger vorgesehener Sohn Grimoald
II. im April 714 ermordet worden war, bestimmte kurz vor seinem
Tod (16. Dezember 714) dessen Sohn Theudoald
zum Hausmeier und schloß seinen Sohn aus einer Friedelehe
mit Chalpaida,
Karl Martell von der Nachfolge aus; seine
Witwe Plektrud
setzte Karl in Köln gefangen. Er entkam und errang in zähem
Kampf gegen Plektrud und die Neustrier unter ihrem Hausmeier
Raganfrid
(Siege bei Ambleve 716 und Vinchy 717) zunächst die Herrschaft in
Austrasien, dem er mit
Chlothar
IV. (717-720) einen
eigenen König gab. Die inzwischen mit Eudo, Herzog von Aquitanien,
verbündeten Neustrier schlug er bei Soissons 718 (nicht 719; vgl.
Semmler) und erlangte schließllich die Anerkennung als gesamtfränkischer
Hausmeier, zumal er nach
Chlothars IV.
Tod den neustrischen König Chilperich
II. anerkannte; nach dessen Tod 721 setzte er den nur den
Namen nach bekannten Theuderich
IV. († 737) ein.
Jahr für Jahr zog er nun ins Feld, um die fränkische
Reichsgewalt zu sichern und auszuweiten: gegen die Sachsen,
die Friesen (Herrschaft über West-Friesland gesichert), die Aquitanier
(720 Friede mit Eudo), die Thüringer
(Herzogtum erloschen), die Alamannen
(um 740 Ende des elsässischen Herzogtums), die Bayern,
nach Burgund und in die Provence. Die schwersten und langwierigsten Kämpfe
galten der 'gens perfida' der Sarazenen: ihren Vorstoß von
Spanien her stoppte er im Oktober 732 mit dem (später oft überschätzten)
Sieg bei Poitiers und drängte sie in zahlreichen Kämpfen (737
Siege bei Avignon und an der Berre südlich Narbonne) aus Süd-Gallien
heraus; lediglich Septimanien blieb in ihrer Hand, während Burgund
und die Provence nun in die fränkische Grafschaftsverfassung einbezogen
wurden.
Zur Finanzierung der zahlreichen Feldzüge griff
Karl Martell auf Kirchengut zurück, das
er seinen Vasallen als Leihen zuteilte: diese in der Forschung oft unzutreffend
als "Säkularisationen" bezeichneten Maßnahmen haben in den Quellen
seit Hinkmar von Reims das Bild Karls als "Kirchenräuber"
verdunkelt; daß sie nicht antiklerikaler Haltung entsprangen, zeigt
Karls Förderung der Missionare und Klostergründer
Willibrord (Utrecht, Echternach); Pirmin (Reichenau, Murbach)
und Bonifatius (Schutzbrief 723). Auf das Hilfegesuch des von den
Langobarden bedrängten Papstes Gregor III., der ihn mit dem
römischen 'Konsulat' (gemeint wohl Patriziat) auszeichnete,
reagierte er allerdings ausweichend: er war doch selbst im Sarazenenkampf
von den Langobarden militärisch
unterstützt worden und hatte seinen jüngeren Sohn
Pippin
von König
Liutprand
adoptieren lassen.
Der erste 'KAROLINGER'
Karl urkundete korrekt als 'maior
domus' unter den merowingischen
Schatten-Königen, regierte aber praktisch das Franken-Reich
("rexitque populum Francorum ann, 27", Cont. Fredeg. 8) und ließ
seit 737 sogar den Thron unbesetzt, ohne selbst nach der Königswürde
zu greifen. Die Chronisten bezeichnen ihn als 'dux' und 'princeps',
die Päpste zuweilen als 'patricius' und 'subregulus'.
Wie ein König teilte er vor seinem Tod das Reich unter seine Söhne
aus erster Ehe (mit Chrotrud),
Karlmann
(Austrasien mit Alemannien und Thüringen) und Pippin
dem Jüngeren (Neustrien mit Burgund und der Provence),
während
Grifo,
der Sohn aus seiner zweiten Ehe mit der AGILOLFINGERIN
Swanahild,
im Reichsinneren ausgestattet werden sollte (was zu ständigen Spannungen
unter den Brüdern führte).
Der 'egregius bellator' Karl
wird
seit dem 9. Jh. mit dem Beinamen 'der Hammer' ('Tudes', 'Tudites',
'Martellus') ausgezeichnet, lebt aber andererseits (seit Hinkmar)
als der im Jenseits verdammte Kirchenräuber fort.
Quellen:
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MGH DD Merov. - Liber hist. Fr. 51-53 (MGH SRM II) -
Cont. Fredeg. 8-24 (MGH SRM II) - Isidori cont. Hispana (MGH AA XI) - Ann.
Mettenses priores (MGH SRG 10) -
Literatur:
------------
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1869 - H. L. Mikoletzky, K.M. und Grifo (Fschr. der arnulf. Hausmeier,
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des 8. und 9. Jh., FMASt 4, 1970, 70-137 - E. Hlawitschka, K. M., das Röm.
Konsulat und der Röm. Senat (Fschr. E. Ennen, 1972), 74-90 - U. Nonn,
Vom maior domus zum rex. Die Auffassung von K. M.s Stellung im Spiegel
der Titular, RhVjbll 37, 1973, 107-116 - J. Semmler, Die pippinid.-karol.
Sukzessionskrise 714-723, DA 33, 1977, 1-36 - J. Jarnut, Untersuchungen
zur Herkunft Swanhilds, der Gattin K.M.s, ZBLG 40, 1977, 245-249 - U. Nonn,
Die Schlacht bei Poitiers ... (Beitr. zur Gesch. des Regnum Francorum,
hg. R. Schieffer, 1990), 37-56. -
KARL MARTELL (martellus = Hammer
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†
Quierzy 22.X.741
Begraben: Saint-Denis
717 Hausmeier in Austrien
718 im Gesamtreich
I. oo CHROTRUD
† 725
II. oo SWANAHILD illustris matrone, urk. 725/41
†
Nichte von Herzog Odilo von Bayern (AGILOLFINGER)
31 Karl Martell
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Belege zur Filiation bei Nr. 16. In den Ann. Mett. prior.,
hrsg. von B. v. Simon, Seite 19 und 20, wird Plektrud,
Pippins des Mittleren Gemahlin, überdies Karls
noverca
genannt.
- Zu der ihm wiederholt zugeschriebenen Tochter Aldana vgl.
bei Nr. 26. - Seine Urkunden MG. DD. Merow., Seite 97 bis 102, weiteres
BM² 301-43a.
Schnith Karl:
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"Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern"
Karl Martell war während
seiner gesamten Herrschaft ein sehr kriegerischer Fürst; lediglich
zum Jahr 740 - also kurz vor seinem Tod - berichten die Annalen davon,
dass es ausnahmsweise keinen Kriegszug gegeben habe. Die schwersten Kämpfe
hatte Karl in Aquitanien und in den Gebieten östlich des Rheins
zu bestehen; in Aquitanien mußte er nicht nur die vorstoßenden
Sarazenen zurückschlagen, sondern auch versuchen, die seit längerer
Zeit dem Zugriff der Franken sich entziehenden Aquitanier wieder zu unterwerfen;
ein endgültiger Sieg ist hier von Karl nicht erreicht worden.
Die Beziehungen zur Kirche waren
- anders als es die kritischen Stimmen seit Ende des 9. Jahrhunderts vermuten
lassen - nicht gespannt, sondern zeitweise sogar sehr eng. Bonifatius
hat
sich weder beim Papst noch bei anderen Briefpartnern darüber beklagt,
dass der Hausmeier seine Missions- und Organisationspläne behindert
hätte. Es ist wohl kaum ein hemmendes Einwirken Karl Martells
zurückzuführen, dass es Bonifatius bis 741 nicht gelungen
ist, die für Hessen und Thüringen geplanten Bistümer zu
errichten.
In die Zeit Karl Martells
fallen die ersten eindeutigen Versuche des Papsttums, die Franken als Bündnispartner
gegen die im 8. Jahrhundert erneut expandierenden Langobarden zu gewinnen,
nachdem die Beziehungen zum Kaisertum in Konstantinopel seit der Unterstützung
der Bilderfeinde durch den Kaiser gespannt waren. Karl Martell hat
allerdings das Hilfsgesuch des Papstes Gregor III. im Jahre 739
nicht zum Anlaß genommen, in Italien auf der Seite des Papstes einzugreifen.
Karl
lehnte ein Eingreifen gegen die Langobarden ab, weil sie ihn gegen die
Sarazenen so nachhaltig unterstützt hatten.
Gegen Ende seines Lebens wurde
die königsgleiche Stellung Karl Martells von den Zeitgenossen
durchaus gewürdigt; einige Annalen sprechen 741 davon, dass
der König gestorben sei. Und die unter der Aufsicht eines KAROLINGERS
redigierte Fortsetzung der Chronik des sogenannten Fredegar läßtKarl
als das Abbild des Josua erscheinen, der wie Karl Martell zwar ebenfalls
nicht den Titel, aber doch die Macht eines Königs besessen hatte und
der vor allem als kriegerischer Schöpfer des Reiches Israel hervorgetreten
war.
Als Karl Martell am
22.10.741
starb,
hatte er das Franken-Reich wie ein König unter seine beiden Söhne
Karlmann
und Pippin aufgeteilt. Diese waren
beim Tode ihres Vaters ungefähr 30 (Karlmann)
und 27 (Pippin) Jahre alt. Karlmann
als der ältere erhielt Austrasien, dazu Alemannien und Thüringen;
Pippin
wurden Neustrien, Burgund und die Provence übergeben, aber auch er
hat anscheinend einen gewissen Anteil am in Austrasien gelegenen Hausgut
erhalten. Kurz vor seinem Tod hatte Karl Martellnoch
sein Testament geändert, um auch seinen Sohn
Grifo
(aus einer zweiten Ehe) mit einem Reichsteil zu bedenken. Noch 741 scheint
es zu Auseinandersetzungen zwischen den Brüdern gekommen zu sein,
wobei
Karlmann und Pippin
die Initiative zum Kampf gegen ihren Stiefbruder Grifo
ergriffen.
1. oo Chrotrud
um 690 † 725
2. oo Swanahild
um 710 † nach 741
Kinder:
Pippin III. der Kleine
714 † 24.9.768
Karlmann
um 707 † 17.8.754
Chiltrudis (Hiltrud)
um 715 † 754
oo Odilo Herzog von Bayern
um 715 †
748
2. Ehe
Grifo
um 726 † 753
Illegitim von Nebenfrau Ruodhaid
Bernhard
vor 732 †
787
Hieronymus
†
Remigius Bischof von Rouen (755-771)
†
771
Aldana
†
oo Theoderich Graf von Autun
†
Literatur:
-----------
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genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband
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Stefan: Die Salier und das Reich Band 1- 3. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
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