Chlothar IV.                                   Franken-König (717-719)
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   719
 

Sohn des Franken-Königs Dagobert III.
Nach Martina Hartmann Sohn des Franken-Königs Theuderichs III.
 

Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 1872
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Chlothar IV., merowingischer König
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     719

Der von der Nachfolge ausgeschlossene Fridelsohn Pippins des Mittleren, Karl Martell, konnte noch 715 aus der Haft seiner Stiefmutter Plektrud entweichen und den Kampf um das väterliche Erbe aufnehmen. Nach seinem Sieg über den König Chilperich II. und dessen Hausmeier Raganfrid (21. März 717 bei Vinchy im Chambresis) und der Überwindung Plektruds in Köln, die ihm den väterlichen Schatz auslieferte, erhon Karl einen - nicht näher einzuordnenden - MEROWINGER Chlothar IV. zum König (vor 3. Februar 718), praktisch als Gegen-König. Chlothar IV., völlig von Karl abhängig ("anno primo Hlotharii regis quem Karolus post fugam Hilperici ac Raganfridi regem sibi statuerat": Dat. eines Deperditums aus St- Wandrille [I. Heidrich, ADipl 11/12, 1965/66, 274]), starb bereits 719. Karl, der bei Soissons den entscheidenden Sieg über Raganfrid errang (719; nach Semmler, 10 nach 718), verzichtete auf die Erhebung eines neuen eigenen Königs und erkannte offenbar Chilperich II. an.

Quellen: Liber hist.Fr. 53; Cont. Fred. 10 (MGH SRM II) -

Literatur:
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R. Schneider, Königswahl und Königserhebung im FrühMA, 1972, 174 - J. Semmler, Zur pippinid.-karol. Sukzessionskreise 714-723, DA 33, 1977, 1-36 -



Thiele, Andreas: Tafel 3
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1"

CHLOTHAR IV. (unsichere Abstammung)
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    719

Chlothar IV. wurde von Karl Martell als Schatten-König eingesetzt.



Schneider Reinhard: Seite 180
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"Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter"

Die relative Bedeutung des Königtums in dieser Phase innerfränkischer Politik wird durch Karl Martell selbst unterstrichen, der nach seinem Sieg über die Neustrier und nachdem er sich erfolgreich gegen Plektrudis durchgesetzt hatte, regem sibistatuit Chlotharium nomine. Dieser Chlothar IV. (718 vor Februar 3-719) war bestimmt ein MEROWINGER, wie alt und wessen Sohn er gewesen sein könnte, verschweigt die Überlieferung. Man hat in ihm, dem König Karl Martells, den Typ eines in der fränkischen Geschichte so seltenen Gegen-Königs zu sehen, auf den der ARNULFINGER gegenüber seinen politischen Gegnern offenbar nicht verzichten konnte. Chlothar IV. starb 719 zu seinem Zeitpunkt, als Karl Martell alle innerfränkischen Widerstände aus dem Weg geräumt hatte.

Offergeld Thilo: Seite 266
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter."

Gegen die in Chilperichs Namen agierende Reichsregierung zog Pippins Sohn Karl (Martell) als sich allmählich durchsetzender Anführer der pippinidischen Partei mit einem eigenen, vermutlich fingierten und vielleicht auch minderjährigen MEROWINGER zu Felde, Chlothar IV. [721 Sein Vater wird nicht genannt; wenn es tatsächlich ein MEROWINGER war, so kann es sich nur um Theuderich III. oder Childebert III. gehandelt haben; in diesen Fällen wäre Chlothar volljährig gewesen. Vgl. Ewig, Namengebung Seite 68. Als minderjährig bezeichnen ihn viel spätere Quellen; vgl. Breysig, Jahrbücher Seite 119f.] Da auch die königliche Abstammung Chilperichs II. nicht gänzlich außer Zweifel zu stehen scheint [722 Vgl. Schneider, Königswahl Seite 178 mit Anm. 633; Gerberding, Rise Seite 170.], markiert die Konkurrenz dieser beiden fragwürdigen MEROWINGER noch einmal das zunehmend Fiktive, ja Chimärische der spät-merowingischen Königsherrschaft. Chlothar IV. freilich verstarb - passenderweise, wie man wohl sagen muß, - bald nach dem entscheidenden Sieg Karls, so daß dieser, seit 718/19 konkurrenzloser Inhaber der faktischen Macht, sich nicht zwischen zwei Königen entscheiden mußte.

Hartmann Martina: Seite 85,165
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"Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger."

Karl Martell brachte den Neustriern im März 717 eine Niederlage bei und ging nun daran, seiner Herrschaft eine Legitimation zu verschaffen, indem er einen eigenen MEROWINGER-König erhob, Chlothar IV. (717-718), über dessen Abstammung uns die Quellen nicht unterrichten und der bereits im Jahr darauf starb. Chlothar IV. wird aber kein "Pseudeo-MEROWINGER", das heißt ein nicht von der Dynastie abstammender König gewesen sein, wie in der Forschung gelegentlich vermutet worden ist, denn nur ein leibliches Mitglied der Dynastie konnte Karl legitimieren: So muss es sich bei Chlothar IV. entweder um einen dritten Sohn Theuderichs III. (675-691) gehandelt haben, dann wäre er bei seiner Erhebung ca. 35 Jahre alt gewesen, oder um einen Sohn Childeberts III. (694-711) mit einem Alter von ungefähr 20 Jahren.
Als Karls Gegen-König plötzlich starb - dass der Hausmeier ihn aus dem Weg räumen ließ, entbehrt jeder Quellengrundlage und muss nicht vermutet werden -, brauchte Karl dringend eine neue Legitimationsfigur.
Wo Karls Gegen-König Chlothar IV. seine letzte Ruhe gefunden hatte, ist nirgends überliefert.
 
 
 
 

Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Dahn, Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth 1997, Seite 466 - Hartmann Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag 2003 Seite 85,165 - Nack Emil: Germanien. Ländern und Völker der Germanen. Gondrom Verlag GmbH & Co. KG, Bindlach 1977, Seite 270 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 182,266,297 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 40 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, Seite 180 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 3 -