Raganfrid                                       neustrischer Hausmeier (714-720)
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    731
 

Sohn des N.N.
 

Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 397
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Raganfrid, fränkischer Hausmeier
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     731

In der 714 nach dem Tod Pippins II. ausbrechenden Krise empörten sich die Neustrier gegen Plektrud, schlugen ihren Enkel, den Hausmeier Theudoald, in die Flucht und erhoben den aus der neustrischen Oberschicht stammenden, im Vexin begüterten Raganfridin principatum maiorum palacu“. Mit dem neuerhobenen König Chilperich II. zog er plündernd bis in die Ardennen und zur Maas; im Bündnis mit dem Friesen-Herzog Radbod gelang ein Sieg gegen Karl Martell, der der Haft seiner Stiefmutter Plektrud entwichen war. 716 gelangte Raganfrid bis nach Köln, wo Plektrud zur Herausgabe ansehnlicher Teile des Schatzes gezwungen wurde. Nun aber wandte sich das Blatt: Durch Siege bei Amblève 716 und bei Vinchy 717 errang Karl Martell die Herrschaft in Austrasien, dem er einen eigenen König (Chlothar IV.) gab. Raganfrid verbündete sich nun mit dem aquitanischen dux Eudo. Noch 718 (nicht 719: vgl. Semmler) schlug Karl die Verbündeten bei Soissons und kämpfte sich nach Paris und bis zur Loire vor. Eudo unterwarf sich; spätestens 720 war Raganfrid endgültig aus dem Hausmeieramt verdrängt. Eine lokale Herrschaft im Anjou vermochte er bis zu seinem Tod zu behaupten.

U. Nonn



Schneider, Reinhard: Seite 179
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"Königswahl und Königserhebung im Frümittelalter. Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowingern."

Dieser Daniel wird also von einer Adelsgruppe, die in politischem Gegensatz zu Karl Martell und unter Führung des neustrischen Hausmeiers Raganfred stand [640 E. Hlawitschka, Die Vorfahren Karls des Großen, in: Karl der Große I (1965) 62.], als Chilperich II. zum Königg erhoben (715 nach September 2 und vor 716 Februar 29).

Schieffer Rudolf: Seite 36-39
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"Die Karolinger."

Sie bemächtigten sich des Königs Dagobert und brachten ihn dazu, einen der Ihren, den nördlich von Paris begüterten Raganfrid, zum Hausmeier zu machen an Stelle des geflohenen Theudoald, der bald nach seiner Niederlage umgekommen zu sein scheint. Da Dagobert III. im Winnter 715/16 starb, kamen Raganfrid und sein Anhang rasch in die Lage, ganz nach dem Vorbild Pippins einen weiteren MEROWINGER als nominellen König bestimmen zu können. Wie schlecht die Sache der PIPPINIDEN mittlerweile stand, wurde deutlich, als Raganfrids Leute nicht zu hindern waren, plündernd in die Ardennen und bis zur Maas vorzustoßen, also nach der angestammten Machtbasis ihrer Gegner zu greifen. Im Zusammenspiel mit den Friesen unter Radbod (dem Schwiegervater des ermordeten Grimoald), die rheinaufwärts heranrückten, wurde im Frühjahr 716 sogar Köln das Ziel ihres Angriffs, wo der bedrängten Plektrud schließlich nichts übrigblieb, als Chilperich und seinem Hausmeier ansehnliche Schätze auszuhändigen.
In der doppelten Rebellion gegen die neustrische Reichsregierung wie auch gegen die bisher tonangebende austrische Führungsgruppe um Plektrud verharrend, sammelte Karl Martell indes weitere Kräfte hinter sich und war übers Jahr imstande, Chilperich II. und Raganfrid am 21.3.717 bei Vinchy im Cambresis siegreich aus dem Felde zu schlagen.
Mit der Einsetzung eines eigenen merowingischen Königs namens Chlothar IV. erhob er offen den Anspruch auf Gleichrangigkeit mit seinem Gegenspieler Raganfrid, der sich seinerseits mit Eudo, dem dux von Aquitanien verbündete. Die Entscheidung fiel, als Karl wohl schon im Frühjahr oder Sommer 718 vor den Mauern von Soissons aus der Defensive heraus den Durchbruch nach Paris und weiter bis zur Loire erkämpfen konnte. Eudo untwerwarf sich und lieferte den mitgeführten neustrischen König Chilperich II. samt dessen Schätzen dem Sieger aus. Da Chlothar IV. rasch gestorben war, bot sich die Lösung an, daß Karl den überlebenden MEROWINGER unter seine Kuratel nahm, von ihm das Hausmeieramt empfing (ab 720 bezeugt) und damit auch formal den Rivalen Raganfrid verdrängte, der indes eine lokale Herrschaft im Anjou bis zu  seinem Tode (731) behauptete.
 
 
 
 

Literatur:
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Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977 Seite 464,465,468 - Ewig Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988 Seite 205 - Hartmann Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag 2003 Seite 84 - Paulus Diakonus und die Geschichtsschreiber der Langobarden: Geschichte der Langobarden. Phaidon Verlag Kettwig 1992 Buch VI Kapitel 42 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 55,64 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992 Seite 36-39,45 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frümittelalter. Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowingern, Anton Hiersemann Stuttgart 1972 Seite 179 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995 Seite 364 -