Tochter des N.N.
Schwennicke Detlev: Tafel 3
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"Europäische Stammtafeln Neue Folge Band I. 1"
KARL MARTELL (martellus = Hammer)
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†
Quierzy 22.X.741
Begraben: Saint-Denis
717 Hausmeier in Austrien
718 im Gesamtreich
I. oo CHROTRUD
† 725
II. oo SWANAHILD illustris matrone, urk. 725/41
†
Nichte von Herzog Odilo von Bayern (AGILOLFINGER)
32 Chrodtrud - (Ruodhaid)
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Chrodtrud wird in
keiner erzählenden Quelle und in keiner Urkunde ausdrücklich
als Gemahlin Karl
Martells erwähnt. Da jedoch in der Gruppe der älteren
karolingischen
Annalen (Ann. Moselani, Ann. Laureshamenses, Ann. Petaviani, Ann. Nazariani),
die dem KAROLINGER-Hause
bekanntlich sehr nahe stehen, zu 725 Chrothrud
mortua bzw. Hrottrudis
mortua
bzw.
Chrotrudis
mortitur überliefert wird (MG. SS. 16, Seite 494, MG. SS. 1, Seite
24, 9, 25) und andererseits Karl Martell gerade im nämlichen
Jahr 725 von einem Feldzug nach Bayern
Swanahild
mitbringt, die er dann zur Gemahlin nimmt, hat man seit A. Valesius (1638)
und J. Mabillon (1703) geschlossen, daß diese Chrodtrud Karl Martells
erste Gemahlin gewesen sein müsse; vgl. H. Hahn, Jahrbücher
des Fränkischen Reiches 741-752, Berlin 1863, Seite 1f., und Th. Breysig,
Jahrbücher (wie in Nr. 18), Seite 9. Hahn hat außerdem zur Stützung
dieser These auf die Wiederholung des Namens Chrodtrud
bei einer Tochter
KARLS DES GROSSEN
hingewiesen.
Alle Zweifel werden meines Erachtens durch einen Eintrag
ins Reichenauer Verbrüderungsbuch beseitigt. Dort findet man an der
Spitze der Nomina defunctorum, qui presens coenobium sua largitate fundaverunt,
die folgenden Namen:
Karolus maior domus - Pippin
rex - Karlomannus maior domus -
Karolus
imperator
- Karlomannus -
Karolus
rex - Pippinus
rex - Bernardus
rex - Ruadtraud - Ruadheid
- Suanahil regina - Berhta
regina - Hiltikart regina
- Fastrat
regina - Liutkart
regina
- Ruadheid
(danach
Rasur) -
Hirminkar regina;
MG. Libri confrat., Seite 292, Spalte 460.
Hier handelt es ganz augenscheinlich um Karl
Martell, König Pippin,
dann dessen älteren Bruder Karlmann,
schließlich um KARL DEN GROSSEN
und seinen Bruder Karlmann,
um KARLS DES GROSSEN Söhne Karl
und Pippin sowie
KARLS
Enkel
Bernhard von Italien. Die Frauenreihe
ist nach Suanahil regina
(!),
der zweiten Gemahlin Karl Martells,
auch übersichtlich. Es handelt sich um Gemahlinnen einiger der oben
angeführten Männer, und zwar um Swanahild
(die freilich niemals echte regina war) als zweiter
Gemahlin Karl Martells, Berta
als Gemahlin König Pippins,
Hildegard,
Fastrada
und Liutgart als Gemahlinnen KARLS
DES GROSSEN, Irmingard,
die 818 verstorbene Gemahlin des zur Anfertigung des Eintrages noch lebenden
LUDWIGS
DES FROMMEN, und bei Ruadheid,
nach deren Namen man das gleichfalls eingetragene
regina wieder
tilgte, wohl um die gleichnamige Schwester oder Tochter
KARLS
DES GROSSEN (nach L. Levllain, La charte de Clotilde [Bibliotheque
de l'Ecole des Chartes 105, 1944], Seite 48-63, um die Gemahlin Pippins
von Italien; mit der Annahme, daß diese Zusammenstellung
von Abt Adalhard
von Corbie (Nr. 51) verfertigt sei, geht er jedoch bei seinem Deutungsversuch
jedoch von falschen Voraussetzungen aus, wodurch gerade jene Zuweisung
hinfällig wird). Da somit in der Liste auch eine generationsmäßige
Abfolge eingehalten zu sein scheint, kann die an der Spitze der Frauen
stehende
Ruadtrud nur mit dem an der Spitze
der Männer stehenden Karl Martell in Verbindung gebracht und
als Karl Martells erste Gemahlin betrachtet werden. Zumal nun außerdem
feststeht, daß Karl Martells Söhne Bernhard,
Hieronymus
und
Remedius/Remigius
weder Vollgeschwister Karlmanns und
König
Pippins (Nr. 45 und 48) noch Vollgeschwister
Grifos
(Nr 41) waren, Karl Martell also neben der
hiermit gesicherten Chrodtrud und neben
Swanahild noch eine
Nebenfrau gehabt haben muß, wird man nicht fehlgehen, wenn
man jene in der an zweiter Stelle unter den Frauen der Reichenauer Liste
stehenden
Ruadheid
zu erkennen meint. Dabei darf man darauf verweisen, daß dann der
Name
Ruadheid auch bei einer Schwester
KARLS
DES GROSSEN (Nr. 60) sowie bei einer Tochter KARLS
DES GROSSEN (Einhard, Vita Karoli c.18) wieder auftaucht. -
Auf
Chrodtruds
Abstammung könnte etwas
Licht fallen, wenn man jenen propinquus Karl Martells namens
Wido, der Laienabt von St. Wandrille war und 739 wegen Hochverratsabsichten
hingerichtet wurde (Gesta abb. Fontanell. c. 11, MG. SS. 2, Seite 284f.),
als einen nahen Verwandten Chrodtruds oder mit A. Halbedel, Fränkische
Studien (wie in Nr. 4), Seite 29 Anmerkung, gar als Schwager Karl Martells
ansehen und H. Schreibmüller, 'Die Ahnen Kaiser Konrads
II. (Herbipolis jubilans, Würzburg 1952), Seite 201, jenen wiederum
in das bekannte Geschlecht der WIDONEN
einordnen dürfte. Sichere Anhaltspunkte hierfür liegen jedoch
keineswegs vor.
Seine Gattin Chrodtrud
aus nicht näher bekanntem Adel tritt in keiner seiner Urkunden und
in keiner erzählenden Quelle als mithandelnd in Erscheinung und wird
überhaupt nur anläßlich ihres Todes (725) in verschiedenen
Annalen vermerkt; sie hat an Karls Seite gewiß
keine mit Plektrud
vergleichbare Rolle gespielt. Von ihren Söhnen
Karlmann
und Pippin (dem Jüngeren),
die sie neben einer Tochter Hiltrud
gebar, findet sich lediglich der ältere 723 einmal mit seinem Handzeichen
in einer Urkunde des Vaters (und ist damit wohl damals als erwachsen bezeugt),
doch blieb er ebenso wie Pippin vor
dem Tode Karls ohne jede offizielle
Funktion. Während unter den Abkömmlingen der
Stiefmutter
Plektrud einzig der erwähnte
Hugo
(† 730) als Inhaber bedeutender neustrischer Bistümer
und Abteien zu einer führenden Stellung kam, war Karls
illegitimer Halbbruder Childebrand,
der über Besitz in der Gegend von Melun verfügte, bloß
mit einem regionalen Kommando in Burgund und dem Grafentitel ausgestattet.
Er hat sich eher einen Namen dadurch gemacht, dass er später eine
Fortschreibung des sogenannten Fredegar zu "einer Familienchronik des
karolingischen Hauses" (W. Levison) für die Jahre 736 bis
751 veranlaßt und darin mit seinem Sohne
Nibelung
auch noch einen Nachfolger für die Zeit bis 768 fand. Erst recht im
Hintergrund standen drei weitere Söhne Karls
namens Bernhard,
Hieronymus und
Remedius (Remigius),
die er von einer Nebenfrau mit dem vermutlichen Namen Ruodhaid
hatte. Alle Fäden liefen, so scheint es, mehr als 20 Jahre lang bei
dem Hausmeier zusammen, der allerdings insofern der politischen Tradition
seines Hauses treu blieb, als er die bloße Institution des Königtums
auch weiterhin nicht antastete.
Ein folgenschwerer Unterschied zu Pippinlag
ferner darin, dass sich Karl Martellkeineswegs
mit dem Gewinn der Vorherrschaft in der Francia begnügte, sondern
sogleich daran ging, seine Macht nach allen Richtungen hin zu erweitern,
bis an die äußeren Grenzen des MEROWINGER-Reiches
und womöglich noch darüber hinaus. Diese Expansionspolitik ergab
sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit aus den Erfahrungen der Sukzessionskrise
nach 714, in die von der Peripherie her Friesen, Sachsen und Aquitanier
gegen Karl und seine Austrier eingegriffen
hatten. Offenkundig war zudem geworden, dass die auf Distanz zu den Hausmeiern
bedachten rechtsrheinischen Herzöge leicht versucht waren, sich mit
innerfränkischen Rivalen der KAROLINGER
zu verbünden oder ihnen zumindest Rückhalt und Zuflucht zu gewähren.
oo 1. Karl Martell
um 688 † 15. oder 22.10.741
Kinder:
Pippin III. der Kleine
714 † 24.9.768
Karlmann
um 707 † 17.8.754
Chiltrudis
um 715 † 754
oo Odilo Herzog von Bayern
um 715 †
748
Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899
- Hlawitschka Eduard: Die Vorfahren Karls des Großen. In:
Braunfels Wolfgang: Karl der Große Lebenswerk und Nachleben. Verlag
L. Schwann Düsseldorf Band I Seite 78 - Illig Heribert: Das
erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte.
ECON Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1996, Seite 360 - Konecny
Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische
Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie
vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien
1976, Seite 53 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt
Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991,
Seite 55,62 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH
Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 40,42,49,81 - Schnith Karl
Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern
zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 97 - Schwennicke
Detlev: Europäische Stammtafeln Neue Folge Band I. 1, Vittorio Klostermann
GmbH Frankfurt am Main 1998 Tafel 3 - Werner Matthias: Adelsfamilien
im Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
1982, Seite 271,311 -