Eckhardt Karl August: Seite 85-98
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"Eschwege als Brennpunkt thüringisch-hessicher Geschichte."

Werners Vorgänger als Graf von Hessen war bekanntlich Friedrich I. von Luxemburg, + 1019, Bruder der Kaiserin Kunigunde und somit Schwager HEINRICHS II., selbst mit der KONRADINERIN Irmtrud verheiratet, einer Tochter Heriberts, Grafen im Kinziggau und Wetterau, und Schwester Ottos von Hammerstein, Grafen in Wetterau und Engersgau; wahrlich Rechtstitel genug, um zu erklären, warum ihm sein kaiserlicher Schwager zusätzlich zu der ererbten Moselgau-Grafschaft diejenige im Hessengau verlieh, die ja letztlich konradinisches Erbe war. In dieser Funktion erscheint Graf Friedrich 1008 (Kassel) und noch in seinem Todesjahr 1019 (Oberkaufungen, Niederkaufungen, Vollmarshausen und Uschlag). In der gleichen Grafschaft amtiert Werner I. 1027/39 (Holzhausen bei Grifte) und 1040 (Vogt von Kaufungen); ebenso Werner II. 1043 (Ihringshausen) und 10467 (Wüstung Venne bei Gudensberg), und, wie wir bereits wissen, auch Werner III. und Werner IV., die sich ausdrücklich Graf von Maden oder Graf von Gudensberg nennen.
Werners I. Vorgänger als königlicher Bannerträger war wahrscheinlich jener Graf Eppo, der im Jahre 1026 als Vorkämpfer König KONRADS II. den Aufstand der Ravennaten blutig niederschlug.
Es gab nur einen Mann, der ernsthaft in Frage kommt, und das ist der schwäbische Graf Eppo (III.) von Nellenburg (+ 1030/34) [62 Über ihn vgl. jetzt Kläui, Hochmittellaterliche Adelsherrschaften, a.a.O. Seite 50ff. (mit Stammtafel).]. Wahrscheinlich stammen die NELLENBURGER in gerader oder Seitenlinie von dem 799 im Kampfe gegen die Hunnen gefallenen im Kloster Reichenau beigesetzten Grafen Gerold ab, dem Bannerträger und Ratgeber (signifer et consilarius) KARLS DES GROSSEN, wie ihn Hermann von Reichenau nennt.
Es besteht heute Einigkeit darüber, daß  die Grafen Werner nicht hessicher, sondern schwäbischer Abstammung sind. Paul Kläui, der sie in Verbindung mit dem Rebellen Werner von Kyburg bringen und den Herren von Winterthur zurechnen möchte, hat Graf Werner I. als Ehemann der Irmgard (von Nellenburg) angesprochen und diese eher für eine Schwester als eine Tochter Eppos erklärt. Doch vermochte er keine Besitzbeziehungen der Grafen Werner zu dem von Kyburg und denen von Winterthur nachzuweisen, die nicht durch die Ehe der Willebirg von Achalm, Enkelin der Willebirg von Wülfingen (nordwestlich der Kyburg, westlich Winterthur), mit Graf Werner III. vermittelt sein können. Die Beziehungen zu den NELLENBURGERN sind aber älter, wie Kläui nicht verkannt hat. Zwischen 1027 und 1039 vertauschte Graf Udo von Katlenburg namens seiner Gemahlinn Beatrix, die eine Schwester Werners I. gewesen sein könnte, an KONRAD II. den Ort Nürtingen im Neckargau und Holzhausen im Hessengau in der Grafschaft Werners I. und am 7. September schenkte KONRADS Sohn und Nachfolger HEINRICH III. denselben Ort Nürtingen im Neckargau in der Grafschaft Werners II. an das Domkapitel Speyer. Am 22. November 1059 aber schenkte HEINRICH IV. die Münze in Kirchheim im Neckargau in der Grafschaft Eberhards an ebendiesen Grafen zur Belohung für seine treuen Dienste [72 DH IV 60.]. Daß es sich dabei um Eberhard IV. von Nellenburg, den jüngsten Sohn Eppos handelt, ist außer Streit. Seit dem Jahre 1071 - das heißt nach dem Tode seines Vertrauten Werner III. (1066) und der Niederlage Ruggers II. von Bilstein bei Eschwege (1070) - bediente sich der König (HEINRICH IV.) zumeist des Rates des Grafen Eberhard, eines sehr klugen Mannes [73 Lamperti Opera, Seite 119; Jahrbücher des Lambert von Hersfeld, Seite 95.]. Ja HEINRICH IV. selbst sprach dies in einer Urkunde für das Regensburger Kloster Niedermünster vom 27. Oktober 1073 mit fast den gleichen Worten aus. Die dreifache Beziehung der Grafen Werner zu den NELLENBURGERN läßt sich kaum durch die Annahme erklären, daß Werner I. von Hessen mit einer Schwester Eppos III. und Vaterschwester Eberhards IV. von Nellenburg verheiratet war. Eine solche Verschwägerung würde weder den mutmaßlichen Übergang des Bannerträgeramtes von Eppo auf Werner I., noch die Vertreterrolle, die Eberhard während der Minderjährigkeit Werners III. (1053-1059) und erneut während derjenigen Werners IV. (1066-1075) spielte, zu rechtfertigen vermögen. Selbst wer die Deutung der Wipo-Stelle auf das Bannerträgeramt und die Gleichsetzung des dort genannten Grafen Eppo mit Eppo von Nellenburg ablehnt, müßte die Verschwägerung eine Generation tiefer ansetzen, das heißt Werners I. (oder Werners II.) Frau für eine Schwester Eberhards IV. halten. Bejaht man jedoch die hier gegebene Ausdeutung Wipos, so bleibt nur der Schluß, daß Werner I. der älteste Sohn Eppos III. war, wodurch alles aufs beste in die Reihe käme.
Eppos Ehe wird nun freilich im allgemeinen auf 1009 datiert, reichlich spät, wenn man Werner I. als einen Sproß dieser Ehe ansehen will. Denn er scheint schon gegen 1020 der hessische Amtsnachfolger Friedrichs von Luxemburg geworden zu sein, wird von Wipo schon zum Jahre 1024 als erprobter Berater KONRADS II. genannt und erhielt 1025 eine Ehrengeschenk des Königs. Doch hat schon Kläui darauf hingewiesen, daß "das in der Literatur genannte Heiratsdatum 1009 nicht strikte zu nehmen ist". Da Eppos jüngster (und wohl vierter) Sohn Eberhard spätestens 1018, wahrscheinlich merere Jahre früher geboren ist, steht von hier aus nichts im Wege, die Geburt des ältesten Sohnes gleicher Ehe auf ca. 1000 anzusetzen, und das würde zu den Lebensdaten Werners I. durchaus passen. Eben diese Lebensdaten liefern einen weiteren Anhaltspunkt für die Zurechnung Werners zu den NELLENBURGERN.
Wenn Werner I. die Grafschaft Hessen im Jahre 1020 oder doch jedenfalls nicht allzulange nach dem Tode seines 1019 gestorbenen Vorgängers Friedrich erhielt, so wurde seine Ernennung von Kaiser HEINRICH II. (+ 13. Juli 1024) ausgesprochen. Nach jahrelangen erbitterten Kämpfen des Kaisers mit den Brüdern seiner Frau Kunigunde, darunter Friedrich von Luxemburg und Hessen, ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß er Hessen einem Sohn oder Schwiegersohn Friedrichs verliehen hätte. Wenn also Werner die Grafschaft auf Grund verwandtschaftlicher Beziehungen erhielt, so könnnen es nicht solche zu seinem Vorgänger, sondern nur solche zum Kaiser selbst gewesen sein. Daß solche bestanden, wird durch die beiden anderen bereits zitierten Nachrichten sehr wahrscheinlich gemacht. Wipo berichtet zum Regierungsbeginn KONRADS II., daß ihm seine Aufgabe durch drei bevorzugte Berater erleichtert worden sei: Hierzu tat am meisten der Scharfblick des Bischofs Brun von Augsburg und der Rat Bischof Werners von Straßburg; so auch der des Ritters Werner, den der König geraume Zeit als vorsichtig im Rat und kühn in Kämpfen oft erprobt hatte. In einer Urkunde von 1025 aber erklärt KONRAD II. selbst [79 D KII 35.], er habe auf Intervention und beständigen hingebenden Dienst Unseres geliebten Brun, das heißt des Bischofs von Augsburg, Unserem Getreuen Werner 661/2 Hufen geschenkt. Bischof Brun tritt nicht nur als Intervenient auf, sondern seine Dienste in erster Linie, nicht diejenigen Werners, sollen durch die Schenkung an Werner belohnt werden. Folglich ist Werner als nnaher Verwandter Bischof Bruns, neben dem er im königlichen Rate saß, zu erachten.
Mit der Feststellung, daß Werner I. ein Verwandter Kaiser HEINRICHS II. und seines Bruders Bischof Brun von Augsburg gewesen sein muß, haben wir einen unmittelbaren Beweis dafür in den Händen, daß Werner ein Sohn Eppos III. von Nellenburg war. Denn Eppos Frau Hadwig war nach einer Notiz des über die NELLENBURGER gut informierten Bernold von St. Blasien eine consobrina, das heißt eine 'Base' Kaiser HEINRICHS II.
Eine consobrina kann sein:
1. die Tochter der Mutterschwester (allenfalls auch des Mutterbruders)
2. die Tochter des Vaterschwester (dagegen eigentlich nicht des Vaterbruders)
3. die Tochter der eigenen Schwester, schließlich jede weibliche Verwandte, die nicht zu den Agnaten
    gehört, nicht aber eine Verwandte der eigenen Frau.
Die große Sippe Kunigundes scheidet also aus. HEINRICH und Brun hatten nur eine einzige Schwester: Gisela, die den Ungarn-König Stefan I. heiratete. In Prinz Isenburgs Stammtafeln ist ihr prompt eine Tochter Hedwig, Frau des Grafen Eberhard II. im Thurgau (= Eppo III. von Nellenburg), zugeschrieben worden, was Szabolcs de Vajay mit Recht zurückgewiesen hat.
Damit stehen wir schon vor der letzten Möglichkeit, und diese scheint aussichtslos. Denn HEINRICHS und Bruns Vater Heinrich der Zänker hatte (außer der Gandersheimer Äbtissin Gerberga) wiederum nur eine einzige Schwester: Hadwig Herzogin von Schwaben. Aber Hadwig, geboren frühestens 938, vermählt ca. 954/55 mit Herzog Burkhard II. von Schwaben, seit 11./12. November 973 Witwe, + als solche am 28. August 994, war nach Angabe ihres Biographen kinderlos, ja trotz 18-jähriger Ehe "unerkannt, wenn auch nicht unberührt" [85 Meyer von Knonau/Placid Bütler, Ekkeharts IV. Casus Sancti Galli (GDV XXXVIII), ²1925, Seite 157.]. Allerdings ist Ekkehard IV. in diesem Punkt keineswegs glaubwürdig [86 Ebd. Seite XXXIV.]:
   "Nirgends stehen wir auf einem recht sicheren Boden. In geradezu unerträglicher Weise aber
   häuften sich diese Verwirrungen mit der Zeit des ersten Abtes Burkhart ... Die im November 973
   verwitwete Herzogin Hadwig besucht erst jetzt nach dem Tode ihres Gemahls den (schon im Mai
   971 vom Amt zurückgetretenen) Abt Burkhart und nimmt, trotz der entschiedenen Warnungen des
   (schon am 14. Januar 973 verstorbenen) Decanes Ekkehart I., dessen gleichnamigen Neffen
   [Ekkehart II.] als Lehrer nach dem Twiel mit, und darauf empfiehlt sie denselben nach Verfluß einer
   nicht allzu kurzen Zeit dem (seit Mai 973 verstorbenen) Kaiser  OTTO I. als Lehrer für dessen
   (schon einige Jahre völlig selbständig gewordenen) Sohn OTTO II. Man sieht, was für ein wirrer
   Knäul von gänzlich unmöglichen Dingen hier vorliegt."
Diesen Knäul hat Franz Beyerle ebenso einfach wie ingeniös entwirrt [87 Das Burgkloster auf dem Hohen Twiel (Hohentwiel, Bilder aus der Geschichte eines Beges, ²1957, Seite 126ff.) Vgl. auch Otto Feger, Herzogin Hadwig in Dichtung und Wirklichkeit (ebd. Seite 114ff., speziell Seite 120ff.]: Die Geschichte spielt nicht nach dem Tode, sondern zu Lebzeiten Herzog Burkhards, und zwar offenbar mehrere Jahre vorher, als Abt Burkhard noch amtierte und OTTO II. noch nicht mündig war; Ekkehards Berufung an den Hof wird mit den seit 967 betriebenen und durch die Verheiratung OTTOS II. mit Theophanu am 14. April 972 gekrönten griechischen Heiratsplänen zusammenhängen. Als Ekkehard II. als Lehrer Hadwigs auf dem Hohentwiel war, mag sie in der Tat noch kinderlos gewesen sein; die Ehe blieb lange ohne Kinder, und das Herzogspaar hatte die Hoffnung auf Nachwuchs bereits aufgegeben [88 MGH SS XX, Seite 637 = Casus monasterii Petrishusensis (aus dem 12. Jahrhundert), neu herausgegeben und übersetzt von Otto Feger, Die Chronik des Klosters Petershausen, 1956, Seite 74f., I 43: Per idem tempus Burchardus religiosus dux et Hadiwich eius coniunx, cum non haberant carnalem, Christum sibi elegerunt herdem, ac prionde in castello suo quod est in monte Duello [= Twiel] monasterium constituerunt.]. Aber da Hadwig beim Tode Burkhards höchstens 35 Jahre alt war, kann sie wohl noch geboren haben; ja, ich möchte ihr sogar zwei Kinder zuschreiben:
1. den (dann natürlich nach Hadwigs Vater und Bruder genannten) Reichenauer Mönch Heinrich,
    der im Reichenauer Verbrüderungsbuch [89 MGH Libri confraternitaum, Seite 164, Spalte 34.]
    zwischen Burkhard und Hadwig [90 Diese allein stehen auch in der umgekehrten Folge Hadevic,
    Purcart im gleichen Verbrüderungsbuch, a.a.O. Seite 258, Spalte 368.] steht: Purchart, Heinrihc
    mon(achus), Hadwihc, (geistlich geworden wohl in Erfüllung eines Gelübdes des so lange
    kinderlosen Paares mit Zustimmung Hadwigs, die lieber Herzogin als Herzogin-Mutter sein wollte
    [91 Vgl. Robert Holtzmann, Geschichte der Sächsischen Kaiserzeit, Seite 253.], und früh verstorben
2. die spätere Frau Eppos III. von Nellenburg.
Hadwigs Biograph Ekkkehard IV. hat das entweder nicht gewußt - er schrieb beträchtlich später und ist erst nach 1057 gestorben - oder er hat es unterschlagen. Das vertraute Verhältnis der "überaus schönen" Herzogin [92 Meyer von Knonau, a.a.O. Seite 156.], "welche überhaupt für ihn eine Lieblingsfigur ist" [93 Ebenda Seite 156 Anm. 4.], zu Ekkehard III., St. Gallens Stolz, mag überliefert und von der Klostertradition weidlich ausgeschmückt worden sein; er hat es dann zur Erhöhung des pikanten Reizes in die Witwenzeit Hadwigs verlegt und um die typische Mönchserfindung ihrer fortdauernden Jungfräulichkeit [94 Ebenda Seite 157 Anm. 2. - Vor allem auch Franz Beyerle, a.a.O. Seite 132 mit Anm. 40.] bereichert. Quellenwert kommt dem kaum zu.
Setzt man die Prämisse, daß Burkhard und Hadwig eine Tochter gehabt haben können, ergibt sich der weitere genealogische Beweis mit großer Zwangsläufigkeit:
a) Die Ehefrau Eppos III. von Nellenburg und Mutter seiner Kinder, von denen man das jüngste,
    Eberhard IV., eher vor als nach 1015 geboren sein wird, kann zeitlich eine Tochter Herzog
    Burkhards und seiner Frau Hadwig sein, insbesondere wenn man davon ausgeht, daß deren Ehe
    lange kinderlos blieb.
b) Als Tochter Hadwigs wäre sie eine Vaterschwestertochter, also eine echte consobrina Kaiser
    HEINRICHS II. und Bischof Bruns von Augsburg
c) Sei heißt Hadwig wie die Herzogin.
d) Ihr (älterster oder) zweitältester Sohn heißt Burkhard wie der Herzog und trägt damit einen bei den
    NELLLENBURGERN bis dahin nicht nachzuweisenden Namen; Burkhard heißt ebenso einer ihrer
    Enkel, ein Sohn Eberhards IV. von Nellenburg
e) Die Reihe Purchart, Heinrihc mon(achus), Hadwihc im Reichenauer Verbrüderungsbuch, in deren
    beiden Außengliedern bereits Franz Beyerle [95 A.a.O. Seite 129 mit Anm. 30. - Allerdings würde
    ich nicht unterstellen, daß das Herzogspaar gelegentlich eines Besuches in das Verbrüderungsbuch
    aufgenommen sein muß; ich denke eher an eine Aktion Eberhards IV. von Nellenburg zu ihren
    Gunsten.] das Herzogspaar erkannte, folgt - nach Zwischenschaltung von drei nicht hierher
    gehörenden Namen Hadewich, Eberhart, das heißt auf Frau und Sohn Eppos III. von Nellenburg.
    Denn die zweite Spalte derselben Seite wird von Chunigunt comitissa, EBEHART eröffnet, die
    dritte Spalte von Manegolt com(es) [96 A.a.O. Seite 164, Spalte 35 und 36.]. Schon der
    Herausgeber Piper betonte [97 Ebd. Anm. 34,2.], daß es hier "ohne Zweifel" um die Grafen
    Eberhard II. und Mangold von Nellenburg handele. Die genannte dritte Spalte schließt mit Ebo,
    Werinhere, das heißt doch wohl mit Eppo III. von Nellenburg und Werner I. von Hessen. Die
    gesamte nächste Generation der NELLENBURGER finden wir im Anschluß an
    NOMINA FRATRUM DE MONASTERIO QVOD DICITVR DUELLVVM (die Namen der Brüder
    des Klosters, das Twiel genant wird [98 Ebd. Seite 339 Spalte 625-627; Faksimilie bei Beyerle,
    a.a.O. Seite 135.]; wie Franz Beyerle mit Recht bemerkt [99 A.a.O. Seite 134.]: "Besucher- oder
    Pilgernamen beiderlei Geschlechts". Unter den 36 Namen der älteren Schicht dieser in die
    Gebetsbrüderschaft Aufgenommenen finden wir mindestens 9 nellenburgische: Adalbreht ...
    Purchart, Eberhart ... Adelheit ... Ita, Eberhart [Ehepaar!] ... Werinhere [also erneut Werner!] ...
    Hirmingart, Manegolt. Gewiß, die Nellenburg lag nicht weit vom Hohentwiel entfernt, aber eine
    derartig starke Anziehungskraft des kleinen Burgklosters auf die NELLENBURGER läßt sich
    kaum ohne eine nahe persönliche Beziehung zu dessen Stiftern verstehen.
f) Ein hervorragender Kenner der Besitzverhältnisse in diesem Raum, Theodor Mayer, hat gesagt:
    "Die Vermengung und Verzahnung von Nellenburger und Burkhardinger Besitz scheint die
    Tatsache der Abstammung [der NELLENBURGER von den BURKHARDINGERN] sicher
    zustellen [100 Die Anfänge des Stadtstaates Schaffhausen, 1954, Seite 11.]." "Herzog Burkhard II.
    hat vor seinem Tode dem Kloster Reichenau Schleitheim [an der Wutach], Beggingen,
    Schlatterhöfe und Talerhof geschenkt... Andererseits aber wissen wir aus den Schenkungen der
    NELLENBURRGER, daß diese ebenfalls im Wutachtal und hinauf gegen den Schwarzwald
    Besitzungen hatten, die sie an das Kloster Allerheiligen (gestiftet 1049/50 von Eberhard IV. von
    Nellenburg) gaben Burkhardinger und Nelllenburger Besitz lag also auch in diesem Raum in enger
    Nachbarschaft. Die Verzahnungen der Besitzungen der beiden Häuser fällt umsomehr ins Auge,
    wenn man den Hegau überhaupt herauszieht, wo immer wieder herzoglicher und nellenburgischer Besitz im ganzen gesehen in Gemengelage sich befand.
Mag man diese Beweisführung, die mit der gesetzten Prämisse steht und fällt, akzeptieren oder ablehnen - eines hat man sich jedenfalls aus dem Vorgetragenen mit hochgradiger Gewißheit ergeben: Die Grafen Werner sind nicht nur schwäbischer Abstammung, sie verdanken ihren schwäbischen Beziehungen auch die beiden bedeutenden Rechtstitel, die sie später auf Kunigunde von Bilstein und durch sie auf die GISONEN und die LUDOWINGER vererbt haben: die Stellung als königliche Bannerträger unmittelbar der Erblichkeit dieses Amtes, die Hessische Grafschaft der Gunst ihres Verwandten Kaiser HEINRICHS II. Konradinische Beziehungen haben offenbar nicht mitgespielt, und für die BILSTEINER ist in der älteren wernerischen Genealogie kein Raum.
Umgekehrt liegt es mit der Hersfelder Vogtei, an der die Grafen Werner in keiner Weise beteiligt waren. Vorgänger der BILSTEINER, GISONEN, LUDOWINGER war hier der Graf Udo, der ein KONRADINER gewesen sein kann. Wir finden ihn in Urkunden von 1057,1059/72,1072/90 (wohl 1072/75) und 1075 als Hersfelder Vogt genannt, in der letzterwähnten gleichzeitig mit Rugger II., der ebenfalls als Vogt bezeichnet wird. Da neben den beiden noch ein Untervogt Dietmar (Dietmarus subadvocatus) erscheint, kann Rugger kein bloßer Untervogt gewesen sein, was ohnehin mit seiner Betitelung als comes et advocatus und seiner Funktion als Vorsitzender des Grafengerichts nicht vereinbaren wäre. Ebensowenig kann er als Vogt der Hersfelder Propstei Petersberg angesehen werden; denn dieses Amt versah 1073 wie 1096 ohne jeden Zweifel der für sie handelnde Graf Meginfrid (von Felsberg), den man in völliger Verkennung seiner Funktion als Vorgänger und darum als zweiten Schwiegervater des seit 1099 bezeugten Hersfelder Vogtes Giso angesprochen hat. Weder in früheren noch in späteren Urkunden treten jemals zwei Hersfelder Vögte nebeneinander auf: Der 1057 neben Udo genannte Vogt (advocatus ecclesie nostre) und Burggraf  (urbis comes) Sigebodo, den Landau irrig für einen Hersfelder Burggrafen hielt, ist in Wahrheit der erzbischöfliche Vogt und Burggraf von Mainz; der 1099 neben Giso genannte Marcwart advocatus ist der Vogt des Abtes Ebo von Schlüchtern, wie sich in beiden Fällen eindeutig aus dem Text der betreffenden Urkunde ergibt. Hatte das Stift Hersfeld also (wie ohnehin vorauszusetzen) nur einen Hochvogt, so muß Rugger II., der 1075 als Vogt erscheint, aber noch in der Hersfelder Urkunde vonn 1073 lediglich als Graf und nicht als Vogt bezeichnet wird, kein Amtskollege, sondern der Amtsnachfolger des von 1057-1075 als Vogt auftretenden Udo sein. Ihr scheinbares Nebeneinander in der Urkunde von 1075 erklärt sich daraus, daß bei ihr, wie so oft, Rechtsakt und Beurkundung nicht auf den gleichen Tag fielen. Wir kennen nur das Datum des Rechtsaktes: 27. Juli 1075 (Hec ... traditio facta est ... VI. Kal. Augusti). Bei diesem amtierte noch Udo als Vogt. Beurkundet wurde die Tradition offenbar erst, nachdem Rugger, der bei ihr lediglich als Vorsitzender des Grafengerichts im Vierbach mitgewirkt hatte, auch das Vogtamt übernommen hatte, was der Schreiber berücksichtigte. Am 1. Dezember desselben Jahres 1075 war der Hersfelder Mönch Ruthard von HEINRICH IV. zum Abt von Fulda ernannt worden. Er wird Udo mitgenommen oder nachgeholt haben, um sich in seiner nnicht ganz einfachen Lage einen Rückhalt zu schaffen. Im Jahre 1079 ist Udo auch urkundlich als Vogt von Fulda bezeugt. Ob zwischen Udo und Rugger II. verwandtschaftliche Beziehungen bestanden, läßt sich angesichts des Umstandes, daß dieser ihn nicht beerbte, sondern dem Lebenden ins Amt folgte, schlechterdings nicht klären.
Hinsichtlich der bilsteinisch-gisonischen Besitzungen an der Sieg und bei Wied hat bereits H. Gensicke einen sehr interessannten Hinweis gegeben: Die BILSTEINER, so vermutet er, "seien vielleicht durch weibliche Verwandtschaft mit dem Grafen Otto von Hammerstein Inhaber der Grafschaft des Engergaues geworden", in dem diese Güter liegen. Wir lassen es dahingestellt, ob jemals ein BILSTEINER im Engersgau als Graf geboten hat, zumal die vielfach vertretene Abstammung der Grafen von Wied von Rugger von Bilstein unbewiesen ist. Aber daran, daß die BILSTEINER im Engersgau Allodialbesitz hatten, ist kein Zweifel möglich, und dieser wird letzen Endes aus konradinischem Erbe stammen. Verstärkt wird dieser Schluß durch die Festsellung, daß die BILSTEINER auch in der Wetterau begütert waren. Denn in der Wetterau gebot seit dem frühen Tod seines älteren Bruders Gebhard (+ 1016) ebenfalls Otto von Hammerstein als Graf, wie Generationen seiner Vorfahren vor ihm. Nach seinem Tode am 5. Juni 1036 erscheinen in beiden Gebieten neue Grafen. Die Eigengüter der KONRADINER jedoch werden, wie im Engersgau, so auch in der Wetterau an die Allodialerben Ottos von Hammerstein gefallen sein, dessen einziger (gleichnamiger) Sohn vor ihm gestorben war. Zu diesen Erben scheinen auch die BILSTEINER gehört zu haben.
Am deutlichsten zeigen sich Beziehungen zu den KONRADINERN bei Braubach am Rhein. Im Jahre 983 schenkte die edle Frau Woltrud, die Mutter Konrads, an das Kloster Seligenstadt durch die Hand desselben ihres Sohnes Konrad ... allen Zehnt in der Diezer und der Braubacher Mark, sowie in Lahnstein eine Hufe, einen Weinberg, einen Garten und allen Zehnt desselben Dorfes.
Der Sohn des Wiltrud ist, wie schon H.B. Wenck gesheen hat, Konrad 'Kurzbold', Graf im Niederlahngau, der im Jahre 910 das Kloster Limburg stiftete und am 30. Juni 948 starb, Sohn des KONRADINERS Eberhard, ebenfalls Graf im Lahngau, + 902. Auf Konrad folgte im Niederlahngau ein Graf Eberhard, zu dessen Grafschaft am 4. April 958 Oberneisden südlich Limburg gehörte und der am 10. Mai 966 starb. Man hält ihn um dieser Amtsnachfolge und um seines Namens willen gleichfalls für einen KONRADINER, wohl einen Brudersohn des kinderlosen Konrad. Trifft das zu, so gewinnt eine genealogische Kombination für uns unmittelbares Interesse. Eberhard Winkhaus hält nämlich Willebirg von Wülfingen-Embrach, die Großmutter der Willebirg von Achalm (Frau des Grafen Werner III. und Mutter des Grafen Werner IV.), für eine KONRADINERIN, so daß sich die auf der folgenden Seite dargestellte Abstammung erben würde.
Diese Reihe, die hier nicht überprüft werden kann, verdient unsere Aufmerksamkeit vor allem deswegen, weil sie sich auf ganz andere Argumente als die hier Zur Erörterung stehenden stützt. Winkhaus hat sie nämlich nur bis auf Willebirg von Wülfingen-Embrach herabgeführt, ohne etwas davon zu ahnen, daß Werner III. als erstes Glied seines Geschlechts in der einstmals konradinischen Ohm-Lahn-Grafschaft gräfliche Rechte ausgeübt hat und daß sein Sohn Werner IV. die Hälfte von Braubach besaß und an Mainz schenkte, dessen Zehnt dereinst von Wiltrud und ihrem Sohne Konrad Kurzbold vergabt worden war.
Ist die Reihe richtig, so folgt aus ihr weiter, daß die BILSTEINERIN Kunigunde, die in der anderen (nicht in der von Werner IV. an Mainz geschenkten) Hälfte von Braubach begütert war und deren Mann Giso IV. nach dem Tode Werners IV. die Grafschaft Maden-Gudensberg erhielt, ebenfalls von Willebirg von Achalm abstammen muß. Da Kunigundens Vater Rugger II. ein Sohn Ruggers I., folglich kein Sohn Werners III. war, muß also dessen Frau, Kunigundens Mutter, eine Tochter Werners III. und der Willebirg von Achalm gewesen sein.
Ein weiter Umweg, um die Frau Ruggers II. zu ermitteln, könnte man urteilen. Aber dies war keineswegs der Endzweck der angestellten Untersuchungen. Sie haben vielmehr zu einer bedeutsamen Bereicherung unseres Wissens um die hessische Geschichte geführt:
1. Rugger II. von Bilstein hat - außer rheinischen Besitzungen - die, in ihrer nunmehrigen
    Begrenzung nach ihm genannte, Grafschaft Rucheslo geerbt [und über seine Tochter Kunigunde
    an die GISONEN, über seine Enkelin Hedwig an die LUDOWINGER weiterverebt], weil er mit
    einer Tochter seines Amtsvorgängers Werner III. verheiratet war.
2. Giso IV. von Gudensberg verdankt seiner Ehe mit der Tochter Ruggers II. von Bilstein - außer
    rheinischen Besitzungen und der Grafschaft Rucheslo [und der seit 1075 bilsteinischen Vogtei über
    Hersfeld] - die Hessische Grafschaft Maden-Gudensberg; denn seine Frau Kunigunde von Bilstein
    erheilt als Schwestertochter des kinderlosen Grafen Werner IV. dessen hessisches Erbe.
Es waren Ehen von echter geschichtlicher Bedeutung, und es ist keine Übertreibung zu sagen: Die BILSTEINERIN Kunigunde ist die Schlüsselfigur bei der Entstehung der thüringisch-hessichen Landgrafschaft. Ohne sie wäre die Geschichte unseres Landes und unserer Heimat anders verlaufen.