Ähnlich wie nach dem Tode Mieszkos
I.
damals Boleslaw
sah dieses Mal Mieszko
II. die Einheit des PIASTEN-Staates,
die durch seine und Richezas
Krönung sofort nach dem Tode des Vaters unmißverständlich
betont worden war und deshalb auch das Mißfallen am deutschen Hof
erregt hatte, durch die Ansprüche seiner Brüder und deren Nachkommen
und Anverwandten aus Odas
Geschlecht aufs schwerste bedroht, was die Zeugnisse dieser
Jahre und die nachfolgenden Ereignisse klar bestätigen. Zu seinen
einflußreichsten Gegnern auf sächsischer Seite zählte fraglos
das Haus
HALDENSLEBEN, vor allem Bernhard,
der Markgraf der Nordmark, und Dietrich,
der Sohn der Thietburga
und des 1009 erschlagenen Grafen
Dedi von Wettin, ein Neffe also Bernhards und der Mathilda
von Brandenburg.
4. Boleslaw erhielt
damit die Teilhabe am Imperium Romanum und wurde durch die Absprache eines
Ehebündnisses zwischen dem Kaiserhaus
und der PIASTEN-Dynastie zu einem ebenbürtigen
frater gemacht [425 Vgl.
M. Uhlirz, Jbb. Ottos III., Seite 322,416 und 558. - Über die "Familie
der
Könige" vgl. F. Dölger,
in: Hist. Jb., Band 60, 1940, Seite 397ff. - Durch die Eheabsprache
zwischen Herrscherhäusern entsteht
eine familienrechtliche Bindung (affinitatis iura), die meist
durch weitere Verträge (foedus,
amicitia, pax perpetua) ergänzt wurden (vgl. M. Wielers, a.a.O.,
Seite 62). Frater betont die
Gleichrangigkeit und Ebenbürtigkeit.]. Die Ehe wurde vorgesehen
zwischen Boleslaws
noch unmündigem Sohn Mieszko und
der Nichte des Kaisers Richeza, die
Tochter des Pfalzgrafen Ezzo und
der Schwester des Kaisers Mathilde.
Außerdem empfing
Boleslaws
jüngster Sohn
in der Taufe den Namen des Kaisers. Bereits einige Jahre zuvor war durch
ähnliche Akte die Verwandtschaft
zum Dogenhaus und zu den ARPADEN hergestellt
worden.
Für diesen Zug Boleslaws
gab es gewiß gewichtige Gründe: die Teilnahme an der in Magdeburg
erneut vertagten Verhandlung gegen Erzbischof Gisiler von Magdeburg, der
die Gnesener Lösung als Schmälerung seiner Rechte ablehnte, sowie
die Absprache mit dem Pfalzgrafen-Ehepaar über die Eheschließung
der Kinder Richeza und Mieszko
[451 Die Eheabsprache, über die kein genaues Datum vorliegt,
die aber nur in die Zeit OTTOS
III. fallen kann und über deren Zweck wir auf Grund
der zuverlässigen und sich als gut unterrichtet erweisenden Baruweiler
Übberlieferung (vgl. H. Patze; Adel und Stifterchronik, in: Bll. f.
dt. Landesgesch., Band 100, 1964, Seite 51), die noch unmittelbar auf Richeza
selbst zurückgeht, informiert werden, ist schon von den späteren
Quellen mit den Gnesener Vorgängen verknüpft und mit legendären
Zügen ausgeschmückt worden. Die Verwendung des Terminus "frater"
in der Schilderung des Gnesener Aktes beweist, daß dort die
leibliche Verwandtschaft zwischen dem Kaiserhaus und der
PIASTEN-Dynastie hergestellt worden ist, wofür die Anwesenheit
des Pfalzgrafen nicht erforderlich war (vgl. u.a. M. Wielers, a.a.O., Seite
60ff.).].
Was dieser piastisch-liudolfingische
Ehebund
für die Politik Boleslaws und
in der Auffassung des PIASTEN-Hofes
bedeutete, geht nun unmißverständlich auch daraus hervor, daß
dem aus dieser Ehe im Jahre 1016 geborenen Sohn Kazimierz
[493 Ann. Capit. Crac. zu 1016: Kazimirus
dux natus est VIII kal. Augusti, Iuna XVI." (in: MPH II, Seite 793).]
noch der programmatische Beiname Karolus gegeben wurde [494
Galli
Anonymi Cronica, Band 1, c. 17: "... Kazimirum
id est Karolum, ...". Diese einwandfreie Überlieferung
(K. Maleczynski, Seite 40, n. 4) wird auch durch andere Zeugnisse bestätigt
(vgl. O. Balzer, Genealogia Piastow, Seite 81ff.). Die spätere Überlieferung
hat die Legende vom "Mönch" Kazimierz
gesponnen, obwohl die gewichtigen Krakauer Kapitelsannalen zum Jahr 1026
nur sagen: "Kazimierus traditur
ad discendum", das heißt, er wurde zur Erziehung in eine Klosterschule
geschickt, wie es damals weithin üblich war und wo auch sein Vater
Mieszko
nur die ihm nachgerühmte hohe Bildung erhalten haben kann, vermutlich
irgendwo in der rheinischen Heimat seiner Mutter Richeza;
vgl. die Zusätze in einigen Handschriften der Vita S. Stanislai (in:
MPH IV, Seite 366): "... Casemerus vero in Alemania litterarum apicem
attigisse dinoscitur, sicut in cronici comprobatur." Jedenfalls empfiehlt
es sich nicht, auf derartigen legendären und apokryphen Zeugnisse
die Geschichte
Mieszkos II. und Richezas
aufzubauen, wie es kürzlich durch D. Borawska, Kryzys, geschehen ist.
Ihre glänzend beschriebene Studie beruht weithin nur auf der unbeweisbaren
und völlig unglaubwürdigen Prämisse, dass Richeza
seit Beginn ihrer Ehe mit Mieszko nahezu
zwei Jahrzehnte lang eine Nebenfrau am PIASTEN-Hofe
habe ertragen müssen, bis sie es dem offenbar leid gewesen sei und
die Gelegenheit der Bruderkämpfe benutzt habe, um nach Deutschland
zurückzukehren!].
Ohne damit auf das vieldiskutierte Problem von Einheit
und Teilbarkeit des PIASTEN-Staates
beim Tode Boleslaws anspielen zu wollen,
mag noch eine spätere Nachricht, Mieszko
II. habe die Würde eines Königs propter dignitatem
uxoris erhalten, hier angeführt werden als Zeugnis für das
große Gewicht, das man noch Jahrhunderte danach diesem Ehebund mit
der Kaiser-Nichte, die in den späteren Quellen meist zur Schwester
OTTOS III. wurde, beigemessen hat. Daß diese hohe Einschätzung
in dem düsteren Bild, das die Chronistik inzwischen von der Zeit Mieszkos
II. und Richezas entworfen
hatte, der historischen Wirklichkeit am Hofe Boleslaws
in
jenen Jahren nahekommmt und die Bedeutung jener Vorgänge, in deren
Mittelpunkt Richeza gerückt war,
durchaus treffend charakterisiert, scheint mir nicht zweifelhaft.
Richeza, die Nichte
OTTOS
III., Enkelin der Theophanu
und Ur-Enkelin OTTOS
DES GROSSEN, aus Lothringen, der Wiege karolingischer
Überlieferung entstammend, durch ihren Vater selbst karolingischen
Geblüts,
muß dem PIASTEN-Hof und insbesondere
Boleslaw
Chrobry als die Personifizierung all der großen Traditionen
und Aufgaben erschienen sein, in deren Zeichen der Akt von Gnesen gestanden
hatte. Durch sie, seit
Kazimierz-Karolus,
konnten sich alle Angehörigen der PIASTEN-Dynastie
rühmen, zugleich auch Nachfahren der OTTONEN
und KAROLINGER
zu sein.
Richeza selbst hat
zeit ihres Lebens den Titel einer Regina Poloniae geführt,
die Wiederherstellung des Königtums durch ihren Enkel Boleslaw
II. hat sie nicht mehr erlebt, aber die EZZONEN-Tradition
hat den Stolz auf die Erneuerung des PIASTEN-Staates
durch ihren Sohn Kazimierz bewahrt.