Begraben: Posen, Dom
Sohn des Herzogs
Mieszko I. von Polen aus dem Hause der PIASTEN
aus seiner 2. Ehe mit der Dubrawka
von Böhmen, Tochter von Herzog Boleslav I.
Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 359
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Boleslaw I. Chrobry, König von Polen
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* 965/67, + 17. Juni 1025
Begraben: Posen, Dom
Eltern:
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Mieszko I., Fürst von Gnesen (+ 25. Mai 992), und
die PREMYSLIDIN Dobrawa (Dabrowka, Dubrovka; + 997), Tochter Boleslavs
I. von Böhmen
Alleinherrscher nach dem Tod des Vaters; Krönung 1025
1. oo um 983/84
Tochter
des Markgrafen Rikdag von Meißen
2. oo um 985/86
Tochter eines
ungarischen (arpadischen) Fürsten
3. oo Emnilda (Emnildis), Tochter des „senior“ Dobromir
4. oo 3. Febr. 1018
Oda,
Tochter des Markgrafen Ekkehard I. von Meißen (+ nach 1025)
Kinder:
von 1.:
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Tochter (* um 984), oo Fürst von Pommern; Sohn (*
985), Mönch in Italien
von 2.:
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Bezprym (* 986, + nach 1032), Fürst von Polen 1031
von 3.:
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Tochter (* 988), Äbtissin 1017,
Regelindis (* 989, + nach 1014),
oo 1002 Markgraf Hermann von Meißen
Mieszko II. Lambert (* 990, + 10. Mai 1034), König
von Polen 1025,
oo Richeza (+ 21. März 1063), Tochter des Pfalzgrafen
Ezzo und der Schwester Kaiser OTTOS III.,
Mathilde; Tochter (* um 995, + nach 1018),
oo 1009/12 Svjatopolk von Kiev
Otto (* vor 1000, + 1033)
von 4.:
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Mathilde (* 1018/19, + nach 1036), oo 18. Mai 1035 mit
Otto von Schweinfurt
Die Ehe Mieszkos I.
mit Dobrawa war das Ergebnis eines
von Markgraf
Gero 963/964 herbeigeführten Interessenausgleichs zwischen
dem Reich und den konkurrierenden slavischen Mächten; sie besiegelte
das Bündnis zwischen Böhmen und Polen, band den Piasten-Staat
an das Reich (Tribut) und leitete die Taufe Mieszkos
I. und seines Landes (966) ein. Dobrawa
gab ihrem Sohn den Namen ihres Bruders (Thietmar IV, 56), der zum beliebtesten
Namen in der Piasten-Dynastiewurde.
Die feierliche Haarschur des Knaben nutzte der Vater, um mit der Übersendung
der Locken Boleslaws symbolisch unter
die Obhut des Papstes zu stellen, vermutlich damals, als er auf Befehl
Kaiser
Ottos I. Boleslaw als Geisel nach Deutschland schickte (Ostern
973); wo und wie lange Boleslaw sich
dort aufhielt, ist nicht bekannt. Nach dem Tode der Mutter (977), als die
Spannungen zum Prager Hof zunahmen und das Verhältnis zum Reich und
zu den sächsischen Grafenfamilien sich komplizierte, mit deren mächtigsten,
den Markgrafen
von Haldensleben, Mieszko sich
durch seine Ehe mit Oda
verband, als die Unterwerfung Pommerns zum Abschluß kam (vor 980)
und Kiev die Czerwiner Burgen 981 annektierte, wuchs Boleslaw
zu einer unentbehrlichen Stütze des Vaters heran, dessen politische
Vorstellungen und Ziele ihn entscheidend prägten.
Die drei Ehen, die Boleslaw
zwischen 983 und 987 schloß, dienten der Absicherung piastischer
Interessen, wofür - außer den Arpaden
- vor allem das Bündnis mit den jeweiligen Herren von Meißen
erforderlich war (983 mit Markgraf
Rikdag; 987 mit Markgraf
Ekkehard I.). Die bislang umstrittene Frage nach der Herkunft der
dritten Gemahlin
Boleslaws
und das
rätselhafte nahe Verwandtschaftsverhältnis zwischen Piasten
und Ekkehardinern
lassen sich einleuchtend und widerspruchsfrei klären, wenn man die
Herrschaft des »senior Dobromir« nicht in Kleinpolen
(Lowmianski) oder Pommern, sondern im Elbslavengebiet (Zakrzewski, Widajewicz,
Grabski), genauer im östlichen Vorfeld der Mark
Meißen (Lausitz und Milsener Land), sucht (Ludat). Das Bündnis
das 987 Piasten und Ekkehardinerzur
Wahrung ihrer Interessen hier durch eine Doppelhochzeit (Boleslaw
mit Emnilda
und ihre Schwester mit
Graf
Gunzelin, dem Bruder Markgraf Ekkehards) besiegelten, war
zugleich gegen Böhmens Ansprüche gerichtet. Diese zielbewußte
Politik einer engen Zusammenarbeit mit dem Reich im Markengebiet zwischen
Elbe und Oder im Kampf gegen die heidnischen Lutizen, wo Mieszko
wohl auch die Aufgabe des 985 abgesetzten Markgrafen der Nordmark,
Dietrichs
von Haldensleben, übernommen hatte (986 Lehnseid; Necr. Fuld.:
992: »Miseco marchio obiit«),
brachte ihm schließlich mit der Abtrennung Schlesiens und des Krakauer
Landes (990/991) von Böhmen die seit langem angestrebte Arrondierung
des Piasten-Staates bis zum Kamm der
Sudeten und Karpaten ein.
Als Mieszko 992 starb,
setzte Boleslaw als Senior diese
erfolgreich erprobte Politik nahtlos fort: Der Versuch Odas,
den Anspruch ihrer Söhne gegen Boleslaws
Alleinherrschaft mit Kiever Hilfe durchzusetzen, mißlang und endete
mit der Vertreibung aller ihrer Anhänger (1033 wurde bei der Teilung
Polens der Erbanspruch berücksichtigt). Weder dieses Problem noch
die Gegensätze zwischen Piasten-Hof
und Reichsregierung in der Frage der künftigen Kirchenorganisation
(990/991) Dagome-iudex-Dokument mit der Unterstellung der Civitas Schinesghe
[Gnesen] unter den Apostolischen Stuhl gegen die Magdeburger Metropolitanansprüche
[Magdeburg] auf alle Gebiete östlich der Oder; 995 Meißener
Bistumsplan, der Teile Schlesiens und Böhmens zu einer eigenen Diözese
vereinen sollte), noch gelegentlich Schwankungen der Reichspolitik, die
um Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Böhmen und Polen bemüht
war, konnten Boleslaws Verhältnis
zum Reich beeinträchtigen. Seit dem Sommer 995 nahm
Boleslaw auch persönlich an der Seite König
Ottos III. den Kampf gegen die Lutizen und Abodriten wieder
auf, zusammen mit Sobeslav, dem Haupt der Opposition in Böhmen, der
so dem Blutbad unter den Slavnikiden in Libice (29. September 995) entging.
Dieses Ereignis machte alle Vermittlungsversuche zwischen
Piasten
und
Premysliden
(wie zum Beispiel Meißener Bistumsplan Dezember 995) hinfällig.
Die Einsicht, die Probleme an der Ostgrenze mit herkömmlichen Mitteln
nicht mehr lösen zu können, bestärkte
Otto III. in der Aufnahme des Renovatio-Konzepts (996/997):
Nach byzantinischem Modell sollte das östliche Vorfeld des Reiches
durch Bande geistlicher und leiblicher Verwandtschaft mit fremden Dynastien
gesichert werden; anstelle einer kirchenpolitischen Ausweitung des Reiches
(»Germania«) sollte der Osten des Imperium Romanum durch ein
selbständiges Glied, die »Sclavinia (Slavania)«, repräsentiert
sein, eine Lösung, die den Wünschen Boleslaws
voll
entsprach. Das Martyrium des Prager Bischofs Adalbert im Lande der Prußen
(23. April 997) beschleunigte die Realisierung dieses Konzepts: Boleslaw
ließ
den Leib Adalberts bergen und in Gnesen feierlich beisetzen; das Band zwischen
Kaiser
Otto und
Boleslaw
festigte
der gemeinsame Eifer, die Verehrung des neuen Martyrers und seine Heiligsprechung
(999) zu betreiben. Nach sorgfältigen Vorbereitungen, an denen
Boleslaws Unterhändler in Rom mit dem Bruder Adalberts,
Radim-Gaudentius (2. Dez. 999 archiepiscopus Sancti Adalberti),
an der Spitze beteiligt waren, erfuhr die Politik
Boleslaws mit der Wallfahrt, die Kaiser
Otto im Einvernehmen mit dem Papst
als servus Jesu Christi zum Grab Adalberts Ende 999 von Italien aus antrat,
ihren größten Triumph: Boleslaw
empfing den Kaiser und sein Gefolge am Bober bei Eulau und geleitete ihn
nach Gnesen, wo während der Feierlichkeiten im März 1000 mit
der Errichtung des Erzbistums Gnesen unter Leitung Radims, mit den Suffraganen
in Krakau, Breslau und Kolberg, zugleich die Eingliederung der Sclavinia
(Polonia seit Anfang des 11. Jh.) in das Imperium vollzogen wurde: Boleslaw
als amicus und socius, als cooperator des Kaisers,
erhielt von diesem in der Verfügungsgewalt über die eigenen und
die künftig in den Missionsgebieten noch entstehenden Bistümer
kaiserliche Rechte (als Patricius?) zugewiesen und als Herrschaftszeichen
und Symbol für die Aufgabe als defensor ecclesiae eine Nachbildung
der hl. Lanze überreicht, wofür Boleslaw
dem Kaiser ein Armreliquiar des hl. Adalbert schenkte. Mit der Taufe von
Boleslaws
jüngstem Sohn auf den Namen des Kaisers und der Absprache über
die Ehe seines Sohnes Mieszko
Lambert mit Richeza,
der Nichte des Kaisers, wurde die Piasten-Dynastie
in die »Familie der Könige« aufgenommen. Wohl auch nach
byzanzinischem Vorbild setzte der Kaiser ein imperiale diadema »in
amicicie foedus« (Gall I, 6) Boleslaw
aufs Haupt. Als Rangerhöhung vom tributarius zum dominus
wertete
Thietmar
von Merseburg den Akt von Gnesen. Boleslaw
gab
dem Kaiser das Geleit bis Aachen, wo er gewiß Zeuge der Öffnung
des Grabes Karls
des Großen war (Ademar von Chabannes: Schenkung des
Thrones Karls des Großen an
Boleslaw; vgl. Renovatio). Der Tod Kaiser
Ottos III. (24. Jan. 1002), der Thronstreit und die Ermordung
des Markgrafen Ekkehard von Meißen (30. April 1002) erschütterten
auch die Grundfesten der piastischen
Politik.
In der Kandidatur Heinrichs
von Bayern mußte Boleslaw
die
Gefahr eines Wiederauflebens traditioneller bayerisch-böhmicher Kooperation
(Heinrich
der Zänker) sehen, die den Besitz Schlesiens und des
Krakauer Landes sowie der Rechte im Markengebiet in Frage stellen konnte:
Im Einvernehmen mit den Ekkehardinern, das durch die Ehe seiner
Tochter Regelindis
mit Graf
Hermann,
dem ältesten Sohn des ermordeten
Ekkehard, erneut bekräftigt
wurde, besetzte Boleslaw im Mai 1002
rasch und ohne Widerstand die Lausitz, die Markgraf
Gero II. unterstand, und das Milsener Land, die er auf dem Hoftag
von Merseburg (25. Juli 1002), wo er König
Heinrich II.
huldigte, zu Lehen erhielt, aber auf Meißen
verzichten mußte, das der König Ekkehards Bruder, Markgraf
Gunzelin, zusprach. Das Mißtrauen zwischen Boleslaw
und dem König verstärkten die Vorgänge in Böhmen: Herzog
Boleslav III. war in Adelskämpfen vertrieben und durch Vladivoj
ersetzt worden, der Ende 1002 König Heinrich
huldigte, aber kurz darauf starb; als Jaromír eingesetzt
wurde, vertrieb Boleslav III. seinen Bruder mit polnischer Hilfe, mußte
aber erneut am Piasten-Hof Schutz suchen,
wo Boleslaw ihn blenden ließ
und danach selbst die Herrschaft in Böhmen übernahm. Der König
forderte die Huldigung (ut ius antiquum poscit), die
Boleslaw verweigerte, vielleicht weil er Böhmen als Bestandteil
der Sclavinia ansah und auf die Fürstenopposition im Reich setzte.
Der König beantwortete diese Herausforderung durch das Bündnis
mit dem Erzfeind des Reiches, den heidnischen Lutizen, was die Abkehr vom
Konzept Ottos III. bedeutete: Anstelle
der gemeinsamen Bekämpfung der Heiden entbrannte ein fast 15 Jahre
dauernder Krieg zwischen Boleslaw und
Heinrich
II.; für Boleslaw
galten
die Abmachungen von Gnesen, und er trat für seine Aufgabe und Teilhabe
am christlichen Universalreich ein; der König berief sich auf die
Konzeption
Ottos des Großen und
kämpfte für die Revision des Akts von Gnesen (Aufhebung der eigenen
Kirchenorganisation zugunsten der Magdeburger Ansprüche sowie der
Sonderstellung Boleslaws). Die Hoffnungen
Boleslaws
auf Erfolge der Gegner König Heinrichs
erfüllten sich nicht: Bereits 1004 wurde
Boleslaw aus Böhmen (Mähren blieb piastisch)
vertrieben, wobei Sobieslav, der Bruder Adalberts, ums Leben kam; Jaromír
wurde vom König wieder eingesetzt. Im Herbst mußte
Boleslaw auch das belagerte Bautzen
aufgeben und aus dem Markengebiet weichen. Ein Feldzug (Spätsommer
1005) zwang Boleslaw zum Frieden, den
der Magdeburger Erzbischof Tagino in Auftrag des Königs in Posen abschloß
und in dem Boleslaw wahrscheinlich
seine Ansprüche auf Böhmen und das Markengebiet preisgab. Damals,
vor 1007, verlor Boleslaw auch die
Herrschaft über Pommern.
Boleslaws Verhandlungen
(Lutizenbund, Wollin) und Intrigen am Prager Hof (Udalrich suchte bei Boleslaw
Schutz vor seinem Bruder Jaromír) verleiteten den König, Boleslaw
erneut den Krieg (1007-13) zu erklären: Boleslaw,
darauf vorbereitet und gerüstet, besetzte die verlorenen Marken und
führte Raubzüge bis in die Nähe von Magdeburg, während
König
Heinrich II., in jahrelange Streitigkeiten im Reich verstrickt,
sich auch der Diplomatie Boleslaws
nicht
gewachsen zeigte: Vom Piasten-Hof aus
forderte Brun von Querfurt (1007/08) den König auf, den schändlichen
Krieg im Bunde mit den Heiden sofort zu beenden und sich mit
Boleslaw, den er als Ideal des christlichen Herrschers mit Konstantin
und Karl verglich, der Mission zu widmen.
Boleslaws
Einfluß auf die Heveller und Lutizen sowie den Prager Hof (Udalrich
löste 1012 Jaromír ab) und seine engen Beziehungen zur sächsischen
Aristokratie und König Heinrichs
Gegnern im Reich (Pfalzgraf Ezzo) nährten die Abneigung gegen
den Krieg und ließen keine erfolgreiche Offensive (1010 Vorstoß
bis Glogau) mehr zu. Gunzelins Verbannung (1009-17) bedeutete keinen
Rückschlag für die Politik Boleslaws,
da Hermann, Boleslaws Schwiegersohn,
die Nachfolge in Meißen antrat. Der für den Spätsommer
1012 vom König angesetzte Feldzug unterblieb nach Absprachen mit Erzbischof
Walthard von Magdeburg und den sächsischen Großen; ebenso aber
auch der erwartete Vorstoß Boleslaws
über die Elbe: König Heinrich
verhandelte mit den Lutizen und beendete plötzlich den erbitterten
Streit mit Ezzo, gab die Mathildischen Erbgüter heraus und
beschenkte Ezzo mit Kaiserswerth, Duisburg und Saalfeld, offenbar
um ihn für seine Verdienste bei den Vermittlungs- und Friedensverhandlungen
mit Boleslaw zu belohnen. Der Friede
wurde Pfingsten 1013 in Merseburg gefeiert und mit der Hochzeit der Tochter
Ezzos,
Richeza,
mit Boleslaws designiertem Nachfolger
Mieszko
besiegelt.
Boleslaw huldigte dem König
für die Belehnung mit der Lausitz und dem Milsener Land. Der Friede
war jedoch nur von kurzer Dauer: Der Feldzug Boleslaws
im
Sommer 1013, den er - auch mit deutschen Kontingenten - zur Befreiung seines
Schwiegersohnes Svjatopolk (Fürst
von Turov) gegen Kiev unternahm, blieb erfolglos; eine Teilnahme am
Romzug des Königs verweigerte er; die Forderung Heinrichs,
sich vor ihm zu rechtfertigen, beantwortete er mit der Aufkündigung
der Lehenspflicht. Den (3.) Krieg (1015-18) eröffnete Heinrich
II. (seit 1014 Kaiser) mit Lutizen und Böhmen verbündet,
erlitt aber am Bober eine schwere Niederlage, die das Heer zur Umkehr zwang,
während Boleslaws Sohn
Mieszko vor Meißen zog, es aber nicht erobern konnte.
Die Aufgaben Kaiser Heinrichs im Westen,
Burgund und Italien und die Interessen Boleslaws
in Kiev (nach Vladimirs Tod 1015) machten
beide verhandlungsbereit. Boleslaws Beharren,
nur auf dem Boden der umstrittenen Marken zu verhandeln, weckte erneut
des Kaisers Mißtrauen; er verbündete sich mit Jaroslav
von Kiev und Stephan von Ungarn,
deren Feldzüge jedoch keine Entlastung brachten, und griff mit lutizischen
und böhmischen Kontingenten Glogau und Nimptsch vergeblich an, während
Boleslaw von Breslau aus das Kriegsgeschehen verfolgte. Die
Unlust der sächsischer Großen, der drohende Aufstand der Abodriten
und die Gefahren in Italien zwangen Kaiser Heinrich
zu einem raschen Frieden, der am 30. Januar 1018 in Bautzen abgeschlossen
und durch die 4. Ehe Boleslaws mit
Oda,
der jüngsten Tochter Markgraf Ekkehards, die ihm sein eigener
Sohn Otto
nach Zützen zuführte,
besiegelt wurde. Diese Ehe bekräftigte die traditionelle Freundschaft
zwischen beiden Dynastien (seit 987) und bestätigte Boleslaw
im freien Besitz von Lausitz und Milsener Land. Die Stellung Boleslaws
glich der beim Akt von Gnesen im Jahre 1000: Der Kaiser verband sich mit
Boleslaw,
der, von deutschen und ungarischen Truppen begleitet, nicht nur Jaroslav
aus Kiev vertrieb und Svjatopolk dort
wieder einsetzte, sondern zugleich damit eine - allerdings erfolglose -
Aktion des westlichen Imperiums gegen Byzanz ausführte (Thietmar VIII,
33), mit dem damals Kaiser Heinrich
in Italien kämpfte. Der Rückgewinn der Czerwiner Burgen (1019)
wurde kurz darauf (vor 1022) durch den Verlust Mährens an die Premysliden
ausgeglichen.
Das Verhältnis Boleslaws zum Kaiser
blieb offenbar ungetrübt; seine Bemühungen um den Erwerb der
Krone in Rom schlugen jedoch trotz des Peterspfennigs fehl. Erst nach Heinrichs
II. Tod wagte Boleslaw sich
in Gnesen (vermutlich zu Ostern 1025) krönen zu lassen, ein Akt, der
die Einheit und Unteilbarkeit des Piasten-Staates
und seinen Rang als Glied des Imperiums dokumentieren sollte, der aber
im Reich bereits auf Widerspruch stieß.
Boleslaw, dessen
Beiname
Chrobry (Chabri = animosus 'tapfer mutig') erst spät, im 13. Jh.,
belegt ist,
haben schon die Zeitgenossen den Ehrennamen Magnus
verliehen (die ältesten polnischen Annalen zu 1025: »Bolezlaus
Magnus obiit«; die Krak. Kap. Annalen: »Primus
Bolezlaus
Magnus rex obiit«; der Verfasser der »Povest'«
zu 1030: »Umre Boleslavz Velikyj v Ljasechz«), den auch Gallus
Anonymus (neben: Gloriosus) und die aus dem 14. Jh. überlieferte Grabschrift
(auf verlorenen Quellen aus dem Anfang des 12. Jh. fußend) verwenden.
Auf Münzen die ungewöhnl. Aufschrift: »Dux
Bolizlaus
inclitus«. - Die feindselige Einstellung
Thietmars und sein negatives Urteil über Boleslaw
haben ebenso wie die ein Jahrhundert später in der Chronik des Gallus
sich wiederfindende Tradition am Piasten-Hof,
die Boleslaw bereits heroisiert, bis
in die moderne Geschichtsforschung hinein nationalgefärbten Interpretationen
auf polnicher wie auf deutscher Seite Vorschub geleistet. Allein die Heiratspolitik
des Piasten-Hofes mit den deutschen
Adelsfamilien bis zum Königshaus läßt nachdrücklich
davor warnen, Boleslaws Kriege mit
Heinrich
II. mit einem nationalen Vorzeichen zu versehen. Als Repräsentant
einer gesamtslavischen Großmachtidee und Vorkämpfer gegen die
Deutschen (Poln. Millenium!) ist Boleslaw
gänzlich
ungeeignet. Die Motive und Antriebe der Politik
Boleslaws,
den Brun von Querfurt als Ideal des christlichen Herrschers beschreibt
und den Adam von Bremen als rex christianissimus rühmt, dessen
Grabschrift ihn als athleta Christi feiert und seine Krone vom Kaisertum
Ottos
III.
herleitet, der Kirchen und Klöster bauen ließ,
die Bekehrung und Unterwerfung der slavischen und baltischen Nachbarvölker
sich zum Ziel gesetzt hatte und der seinem Enkel
Kasimir
den bezeichnenden Namen
Karolus
gab, sind letztlich nur aus der Faszination zu begreifen, die der Begegnung
mit der chr. Universalkultur des Ottonischen
Zeitalters entsprang: Sein Streben nach Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit,
nach Anschluß an den westlichen Kulturkreis war die eigtliche Triebfeder,
wofür das Renovatio-Konzept sich ihm in geradezu idealer Weise als
Rahmen seines politischen Handelns anbot. Polen, Piasten.
H. Ludat
H 17
Lü: 17.6. Bozislaus dux + 1025 Boleslaw Chrobry
Zu Boleslaw, dem Gegenspieler der Ostpolitik
HEINRICHS
II. und den daraus
resultierenden Polenkriegen, zu seiner Verwandtschaft mit der Familie der
EKKEHARDINER und seinem dadurch begründeten Verwandtschaftsverhältnissen
zu
den BILLUNGERN, siehe Ludat, An Elbe und Oder, Seite 18f. und Seite
67f.; Wenskus,
Studien Seite 186ff. Zur fraternitas, die Boleslaw
mit dem Magdeburger Domkapitel
verband; vgl. Claude, Magdeburg Seite 249ff. Die Bedeutung des Eintrags
ins Lüneburger
Necrolog für die Erhellung der Haltung des sächsischen Adels
zur Ostpolitik
HEINRICHS II. ist in einem eigenen Kapitel diskutiert, vgl.
oben Seite 104ff. Belege für
das Todesdatum Boleslaws bringt Bresslau,
Jbb. Konrads II. 1, Seite 98.
BOLESLAW I. "DER TAPFERE"
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* um 967, + 1025
Nach dem Tode seines Vaters vertrieb er insgesamt drei
Halbbrüder, huldigte 996 Kaiser OTTO III.,
förderte die Mission des Heiligen Adalbert, rächte dessen Ermordung
in Preußen brutal, bestattete dessen Gebeine in Gnesen, gründete
dort im Beisein des Kaisers, der ihn als gleichrangig anerkannte, 1000
das nationale Erzbistum Gnesen und die Bistümer Kolberg, Krakau und
Breslau, führte 1002-1018 barbarische Plünderungskriege gegen
Kaiser
HEINRICH II., besetzte zeitweise Böhmen, Meißen
und Mähren und behauptete im Frieden von Bautzen (1018) die
Lausitzen und das Milzener Land als Reichslehen. Er eroberte Kleinpolen-Krakau,
Pomerellen-Danzig, Schlesien, Tscherwenien (Raum Bug-San) und 1015-1019
sogar Kiew. Er schuf ein erstes kurzlebiges polnisches Großreich,
das nur von seiner wilden, kraftvollen Persönlichkeit zusammengehalten
wurde. Er brach blutig die letzten patriarchalischen Widerstände,
schuf die Kastellanverfassung und krönte sich 1025 selbst zum König.
Er war einer der bedeutendsten Herrscher Polens aus der
Dynastie der PIASTEN und von den Polen
stark legendenhaft verklärt.
1. oo N
(HEMNILDE?) VON MEISSEN
+
geschieden 985
Tochter des Markgrafen Rikdag
2. oo JUDITH
VON UNGARN
+
987 geschieden
Tochter des Fürsten Geisa
3. oo HEMINILDE
+ 1017
Tochter des Elbsorbenhäuptlings Dobromir
4. oo ODA
VON MEISSEN
+ 1025
Tochter des Markgrafen Ekkehard I.
Bemerkenswert bleibt die persönliche Teilnahme des
PREMYSLIDEN-Fürsten
im Kampf gegen die Lutizen, deren Bundesgenossenschaft er offensichtlich
zugunsten anderer Interessen preisgegeben hatte, während der PIASTEN-Herrscher
Boleslaw, der Sohn Mieszkos,
der am 25. Mai gestorben war und sein Reich geteilt hatte, sich
wegen eines drohenden Krieges an seinen Ostgrenzen entschuldigt hatte.
Wenn sich aber in den beiden folgenden Jahren die Polen nicht an den Kriegen
um Brandenburg beteiligt haben, so läßt diese Tatsache wohl
den Schluß zu, dass Boleslaw
mit Errichtung seiner Alleinherrschaft, die mit der Vertreibung seiner
Stiefmutter Oda
und ihrer Söhne endete, vorübergehend kein sonderliches
Interesse verspürt haben mochte, sich für die Rechte ihrer Familie,
speziell ihrer Schwester
Mathilda
und deren Gemahls Pribislav, in Brandenburg zu engagieren.
-985
1. oo Emnildis von Meißen, Tochter des Markgrafen
Rikdag
-
986-987
2. oo Judith von Ungarn, Tochter des Großfürsten
Geisa
-
987
3. oo Emnildis, Tochter des Elbsorbenhäuptling
Dobremir
um 970- 1017
3.2.1018
4. oo Oda von Meißen, Tochter des Markgrafen
Ekkehard I.
um 995- nach 1025
Kinder:
1. Ehe
Tochter
-
oo Fürst von Pommern-Danzig
-
2. Ehe
Otto Bezprym
968- 1032 ermordet
3. Ehe
Otto
um 1000- 1033 ermordet
Mieszko II. Lambert
990-10./11.5.1034
Regilindis
989-21.3. nach 1014
1002
oo Hermann II. Markgraf von Meißen
um 980-1.11.1038
Tochter
-
oo Swjatopolk I. Großfürst von Kiew
980-
1019
4. Ehe
Mathilde
um 1018- nach 1035
1035
oo Otto I. Markgraf von Schweinfurt
um 995-28.9.1057
Literatur:
-----------
Adam von Bremen: Hamburgische Kirchengeschichte.
in: Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters
Band XI - Althoff Gerd: Adels- und Königsfamilien im Spiegel
ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger
und Ottonen. Wilhelm Fink Verlag München 1984, Seite 108,117,379 H
17 - Althoff, Gerd: Otto III., Primus Verlag, Darmstadt 1997, Seite
88-207 - Althoff Gerd: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation
in Frieden und Fehde. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1997
Seite 24 Anm. 8,25,27 - Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W.
Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln, Seite 112,128,138,146,150,153, 159-167,169,171
- Boshof, Egon: Die Salier. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin
Köln 1987, Seite 45,72,118 - Bresslau, Harry: Jahrbücher
des Deutschen Reiches unter Konrad II. 2 Bände Verlag von Duncker
& Humblot Leipzig 1879 Band I Seite 98 - Claude, Dietrich: Geschichte
des Erzbistums Magdeburg bis ins 12. Jahrhundert, Mitteldeutsche Forschungen
67 Band 1 und 2, Böhlau Verlag Köln 1972 Seite 249 - DIE
BEGEGNUNG DES WESTEN MIT DEM OSTEN. Kongreßakten des 4. Symposiums
des Mediävistenverbandes in Köln 1991 aus Anlaß des 1000.
Todesjahres der Kaiserin Theophanu.Hg. Odoilo Engels und Peter Schreiber,
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1993 Seite 207 - Erkens, Franz-Reiner:
Konrad II. Herrschaft und Reich des ersten Salierkaisers. Verlag Friedrich
Pustet Regensburg 1998, Seite 151,155 - Giese, Wolfgang: Der Stamm
der Sachsen und das Reich in ottonischer und salischer Zeit. Franz Steiner
Verlag Wiesbaden 1979, Seite 112,144-148 - Görich Knut: Otto
III. Romanus Saxonicus et Italicus, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1995,
Seite 19-206 - Holtzmann Robert: Geschichte der sächsischen
Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1971 Seite 215,308-310,322,335,343-347,356.359,369,373,380-387,389-395,406-408,419,423-430,
472,498 - Lazar Istvan: Kleine Geschichte Ungarns. Österreichischer
Bundesverlag Wien 1990 Seite 55 - Lebe
Reinhard: Ein Königreich als Mitgift. Heiratspolitik in der Geschichte.
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1998 Seite 190 - Ludat, Herbert:
An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches
und der slavischen Mächte in Mitteleuropa, Böhlau Verlag Weimar
Köln Wien 1995, Seite 18-33,36-38,46-48,50,52-56,63,69-92;Anmerkungen
96,98,100,102,104,106, 108,110,113,116,118,125,131,156,160,162,167,177,186,189-191,193,196,199,202,204,209,215,217,
219,221,224,228-232,234,346,353,357,374,392,407,411,415,418,422,426,428,431,434,448,453,
456-458,460-462,466,472,475,492,494,497,500-502,506-508,510-512 - Pohl
Walter: Die Welt der Babenberger. Schleier, Kreuz und Schwert, hg. von
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