Über Theodelinda,
die Tochter des agilolfingischen Dux Garibald
und seiner langobardischen Gemahlin Walderada,
berichtet Fredegar anläßlich ihrer Heirtat mit dem Langobarden-König
Ago/Agilulf:
"Ago rex Langobardum accepit
uxorem
Grimoaldi et Gundoaldi germanam Teudelendae
ex genere Francorum" [45 Fred. IV, 34.].
Bevor sich Childebert
im Jahre 585 Faileuba
zur Frau nahm [245 Greg., H. F. IX, 38.], beabsichtigte
der austrasische Hof nämlich, den heranwachsenden König mit Theodelinda,
einer Tochter des agilolfingischen Herzogs
Garibald und seiner lethingischen
Gemahlin Walderada,
zu verheiraten [246 Fred. IV, 34.]. Die geplante Ehe zwischen Childebert
II. und Theodelinda kam
aber nicht zustande. Nach dem Bericht "Fredegars" wäre die Auflösung
der Verlobung auf den Willen Brunichildes
zurückzuführen.
Der brüskierte und weiterhin von den Franken bedrohte
Langobarden-Herrscher nahm nun einen radikalen Kurswechsel vor: 599 verlobte
er sich mit der von Childebert verschmähten
AGILOLFINGERIN
Theodelinda, der Tochter
Herzogs Garibalds [251
Origo gentis Langobardorum Kap. 6, Seite 5.; PD III, 30.], deren Schwester
übrigens schon seit Jahren mit dem mächtigen langobardischen
Herzog Eoin von Trient verheiratet war.
Die Franken reagierten prompt auf diesen Affront der
AGILOLFINGER:
Ein austrasisches Heer drang in Bayern ein. Garibalds Sohn Gundoald
und seine Schwester
Theodelinda flohen
nach Italien, wo die Herzogs-Tochter im Mai 589
Authari
heiratete.
Der König machte seinen Schwager zum Herzog von Asti. Damit war 588/89
ein antiaustrasisches Bündnis entstanden, das den langobardischen
König, den bayerischen Herzog und den langobardischen
Dux von Trient verband und das durch die Heiratsverbindung mit den
zwei
AGILOLFINGERINNEN abgestützt
war.
Agilulf hatte im
November 590 die junge Witwe Autharis,
Theodelinda,
geheiratet.
Die Bedeutung Theodelindas für
die langobardische Geschichte um 590, die bis jetzt vor allem mit ihrer
lethingischen
Abstammung und ihrer faszinierenden Persönlichkeit erklärt
worden ist, liegt demnach - was bisher übersehen wurde - auch darin,
daß sich über sie als Tochter eines der mächtigsten fränkischen
Optimaten die Möglichkeit eröffnete, in den krisenhaften Beziehungen
und in den für die Langobarden zeitweise existenzbedrohenden Auseinandersetzungen
mit den Franken Einfluß auf das innerfränkische Geschehen zu
gewinnen und so vielleicht den von den Langobarden ersehnten Frieden zu
erlangen. Dies könnnte jedenfalls (auch) erklären, warum sie
nacheinander Authari und Agilulf
in
dieser für die langobardische Geschichte verzweifelten Situation zur
Frau nahmen.
Es ist in der Forschung immer wieder die Frage erörtert
worden, warum die AGILOLFINGERIN Theodelinda
in zweiter Ehe einen Mann namens Agilulf heiratete.
Bereits oben wurde festgestellt, daß dieser König nicht der
Namengeber für das Geschlecht der AGILOLFINGER
gewesen sein kann, da er dem "genus" ANAWAS zugehörte [262
Edictum
Rothari, Prolog. Vgl. oben Seite 10.]. Nun hat Norbert Wagner wahrscheinlich
machen können, daß Agilulf
wohl
durch die Einheirat einer AGILOLFINGERIN
in das altthüringische Geschlecht der ANAWAS zu seinem Namen
gekommen ist [263 Vgl. Wagner, bes. 34f.]. Eine Erklärung,
wie ein Thüringer zu einer führenden
Stellung im Langobarden-Reich kommen
konnte, ist relativ leicht zu finden. Er könnte im Gefolge
Chlodeswindes,
der Tochter Chlothars
I. und Gemahlin König Alboins,
zu den Langobarden gelangt sein. Es wäre zweifellos ein kluger politischer
Zug Chlothars gewesen, einen thüringischen
Hochadligen, der über seine agilolfingische
Mutter oder Großmutter mit dem königstreuen bayerischen
Herzog Garibald verwandt war, zu Audoin
zu entsenden, um dort am Hofe der aus dem Franken-Reich
stammenden jungen Königin für eine Stabilisierung des Verhältnisses
zwischen Franken, Bayern und Langobarden zu arbeiten, die bis dahin auf
die frankenfeindliche Familie des 534 ermordeten Thüringer-Königs
Hermanafrid
gesetzt hatten [264 Vgl. Jarnut, Langobarden 23f.].
617/18 traf eine langobardische Gesandtschaft bei Chlothar
ein, die durch eine einmalige Zahlung von 36.000 solidi den bis dahin geleisteten
Jahrestribut von 12.000 solidi ablöste. Zugleich schloß sie
mit dem fränkischen Großkönig eine "pax perpetua". In diesen
Jahren führte die AGILOLFINGERIN Theodelinda
nach dem Tod ihres Gatten Agilulf
(† 616) für ihren jungen Sohn Adaloald
die Regierungsgeschäfte. Die politisch überaus erfahrene Königin
hatte sich also nicht verrechnet, als sie glaubte, trotz des Machtwechsels
im Franken-Reich, das seit 590/91 bestehende freundschaftliche Verhältnis
zwischen beiden Völkern ausbauen zu können. Daß sie bei
ihrer Politik besonders auf die von den AGILOLFINGERN
mitgeführte Friedenspartei setzte, wird daraus ersichtlich, daß
der Führer ihrer Gesandtschaft eine "nobilis" namens Aghyulfus
war,
also wohl selbst der AGILOLFINGER-Sippe
angehörte.