Ewig Eugen:
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"Die Merowinger"

Bei der Teilung nach dem Tode seines Vaters fiel Orleans an Gunthram. Das burgundische regnum wurde rekonstituiert und mit Orleans verbunden. Für die zur Provinz Tours gehörigen Loirestädte westlich von Orleans wurde Gunthram entschädigt mit Sens und Auxerre. Außerdem behielt er aus dem Erbe von Orleans die Metropole Bourges. In die wirtschaftlich wichtige Provinz teilten sich Gunthram (Arles) und Sigibert (Marseille). Konfliktstoff enthielt aber auch die Teilung der Provence, in die Gunthram offenbar nur widerstrebend eingewilligt hatte. Nach dem Todes seines älteren Bruders Charibert fielen Troyes, Sees und Nantes (Francia), Saintes, Angouleme, Perigueux und Agen (Aquitania), Eauze und Oloron (Novempopulana) an Gunthram. Die Zerstückelung des Charibert-Erbes führte bald zum Ausbruch eines bellum civile (Gregor von Tours).
Chilperich nutzte die durch die Ermordung Sigiberts entstandene Verwirrung, um sich der umkämpften Territorien zu bemächtigen, und verlegte seine Residenz nach Paris, womit er Gunthram auf den Plan rief. Der Bruderkrieg trat so in eine zweite Phase ein, die bestimmt war durch die Rivälität zwischen Chilperich und Gunthram. Zu einem ersten bewaffneten Zusammenstoß kam es 576 in Aquitanien.
Die Großen von Auster/Austria (Österreich) erhoben Sigiberts I. Sohn Childebert zu ihrem König und errichteten eine Regentschaft unter der Leitung des Hausmeiers Gogo. Gogo trat in Verbindung mit Gunthram als Senior der Dynastie, dem er die Hälfte von Marseille abtrat. Nach dem Tod der eigenen Söhne adoptierte der frankoburgundische König den "austrasischen" Neffen im Jahre 577 auf einer Zusammenkunft in Pompierre (Department Vosges) als Sohn und Erben.
In der Außenpolitik vertrat der Senior der Dynastie in der Tradition Chlodwigs und Childeberts I. von Paris eine antigotische Linie. Nach einer schweren Niederlage seiner Truppen in Italien bot der byzantinische Kaiser Tiberius II. um 578 über den Papst und vielleicht auch über den römischen Senat den Franken-Königen Subsidien für ein Eingreifen gegen die Langobarden an. Gunthram, der 575 seinen Frieden mit den Langobarden gemacht hatte, ließ sich nicht darauf ein, während Chilperich und Gogo Gesandte nach Konstantinopel schickten.
Nach dem Tod des austrasischen Hausmeiers Gogo forderten die Austrasier 581 von Gunthram die Rückgabe seines Anteils an Marseille und verbanden sich mit Chilperich. Das Einvernehmen mit der austrasischen Regierung ermöglichte Chilperich eine offensive Politik in Aquitanien, wo er 581 alle civitates Gunthrams aus dem Charibert-Erbe durch seinen Feldherrn Desiderius erobern ließ. Die Austrasier brachten gegen Gunthram indessen den Prätendenten Gundowald ins Spiel, einen angeblichen oder wirklichen Sohn Chlothars I., der im Exil am Kaiserhof lebte. Er traf Ende September 582 mit reichen Subsidien versehen in Marseille ein, wurde aber durch einen perfiden Coup Gunthram Bosos matt gesetzt.
Im folgenden Jahr kam es zu einem formellen Bündnis zwischen Chilperich und der austrasischen Regentschaft. Beide Parteien zogen zum Entscheidungskampf gegen Gunthram ihre Truppen zusammen. Chilperich marschierte ins Berry ein, stand aber dann dem Bruder allein gegenüber: die austrasische Führung war lahm gelegt durch eine Rebellion des minor populus, der gegen das Bündnis revoltierte. König Gunthram tat das Seinige dazu, indem er dem Neffen zu Anfang des Jahres 584 Marseille restituierte. Das Bündnis zwischen Gunthram und Childebert richtete sich in der Tat nicht nur gegen Chilperich, sondern auch gegen den Westgoten-König Leovigild, der seinerseits die Allianz mit Chilperich zu festigen versuchte.
Chilperichs Witwe Fredegund appellierte nach der Ermordung ihres Gatten im Herbst 584 an Gunthram als merowingischen Senior, um ihrem erst vier Monate alten Sohn wenigstens die Substanz des väterlichen Erbes zu sichern. Gunthram hielt Einzug in Paris, wo ihn eine austrasische Gesandtschaft aufsuchte, die die Auslieferung Fredegundes und die Rückgabe von Sigiberts Anteil am Charibert-Erbe verlangte. Der König wies die Gesandten schroff ab: das Charibert-Erbe nehme er selbst in die Hand; beide Neffen werde er zu gegebener Zeit Anteile nach seinem Gutdünken zukommen lassen. Den kleinen Sohn Chilperichs, der den Namen seines Großvaters Chlothar erhielt, nahm er in seinen Schutz. Die Großen um Fredegunde erkannten den Knaben als König an und vereidigten die Bevölkerung auf ihn und den Oheim Gunthram.
Der Zorn des merowingischen Seniors richtete sich gegen die austrasischen Regenten, die augenscheinlich Verbindungen zu Gundowald unterhielten, nicht gegen den Neffen. Gunthram und Childebert trafen erneut zusammen im Januar 585, als Childebert das Mündigkeitsalter von 15 Jahren erreichte. Gunthram dürfte als Haupt der Familie die Wehrhaftmachung des Neffen vollzogen haben. Er erneuerte jedenfalls feierlich die Einsetzung Childeberts zu seinem Erben und restituierte ihm den väterlichen Anteil am Charibert-Erbe. Zugleich mahnte er ihn, vor schlechten Ratgebern und auch vor seiner Mutter Brunichild auf der Hut zu sein.
Der Usurpator Gundowald wurde auf diese Weise isoliert. Gunthram rüstete ein Heer, das der Rebellion ein Ende machte. Der unglückliche Prätendent fiel in Comminges einem neuen Verrat der Seinen zum Opfer. Die dem merowingischen Senior feindlichen Kreise in Auster und Neuster gaben indessen den Kampf nicht auf. Gregor von Tours verzeichnet mehrere Mordanschläge auf Gunthram, Brunichild und Childebert. Brunichilds Einfluß auf die austrasische Regierung war seit dem Eintritt ihres Sohnes in die Mündigkeit zwar gewachsen, hatte aber auch den verschärften Widerstand der Optimaten geweckt, die ihren eigenen Einfluß schwinden sahen. Die Krise konnte letztlich nur durch die Aussöhnung zwischen Gunthram und Brunichild behoben werden. Dazu trug die Geburt von Childeberts Söhnen Theudebert und Theuderich in den Jahren 586 und 587 bei, die die Solidarität der Königssippe stärkte.
Die Lage spitzte sich 587 dramatisch zu. Eine Gruppe austrasischer Aristokraten plante die Ermordung Childeberts II. und die Bildung einer neuen Regentschaft für Childeberts kleine Söhne. Gunthram kam der Verschwörung auf die Spur und benachrichtigte den Neffen, der sofort reagierte. Die Rebellion wurde im Keim erstickt. Die königliche Familie kam daraufhin in Andelot (Diözese Langres) zusammen, um die noch bestehenden innerfamilären Streitpunkte endgültig auszuräumen.
In dem an 28. November 587 abgeschlossenen Vertrag von Andelot zedierte Childebert II. dem Oheim seine Rechte an Paris und den Exklaven Chateaudun und Vendome; seinen Anteil an Ressons-sur-Matz tauschte er gegen Gunthrams Anteil an Senlis aus. Der Oheim bestätigte dem Neffen seinen Anteil am Charibert-Erbe und die Stadt Senlis. Er erkannte ferner Brunichilds Recht auf die Mitgift der ermordeten Königin Gailswinth in Aquitanien und in Novempopulana an, die er selbst der Schwägerin einst als Blutpreis für die Schwester zugesprochen hatte. Brunichild mußte sich allerdings zunächst mit der civitas Cahors begnügen - die civitates Bordeaux, Limoges, Bearn und Bigorre behielt sich Gunthram auf Lebenszeit vor. Die so wiederhergestellte Eintracht zwischen dem frankoburgundischen und dem austrasischen Zweig der Königssippe wurde feierlich bekräftigt. Oheim und Neffe setzten sich gegenseitig zu Erben ein. Sie verpflichteten sich für den Fall des Todes eines der beiden Partner, die Interessen der nächsten Verwandten des Verstorbenen zu wahren. Die Großen, die während des Bürgerkriegs die Partei gewechselt hatten, wurden amnestiert. Damit waren die letzten Folgen der unseligen Teilung von 567 endlich beseitigt.
In der Außenpolitik verfolgte Gunthram seit 585 ein einziges Ziel: die Eroberung der westgotischen Provinz Septimanien (Narbonne) unter dem Vorwand der Rache für Hermenegild und Ingunth. Gunthram gab 588 schließlich widerwillig seine Zustimmung zur Ehe von Childeberts Schwester Chlodoswintha mit dem Westgoten-König Rekkared, ohne deshalb seine eigene antigotische Politik aufzugeben, die letztlich erfolglos blieb.
Gunthram wollte seinerseits nichts von dem Bündnis wissen, das die Austrasier 579 mit dem Imperium gegen die Landgobarden geschlossen hatten.
Der merowingische Senior Gunthram starb am 28. März 592. Sein Teilreich fiel an Childebert II.