Chindaswinth                                  König der Westgoten (642-653)
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563? † 30.9.653
 

Sohn des Westgoten-Königs Swintila und der Theodora, Tochter vom Westgoten-König Sisebut
 

Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 1837
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Chindaswinth, westgotischer König seit 17. (30.) April 642
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      † 30. September 653

Der ‚primas‘ gelangte 79-jährig durch Usurpation an die Macht; der abgesetzte König Tulga wurde geschoren und so zur Herrschaft unfähig gemacht; seit 649 war Chindaswinths Sohn Rekkeswinth Mitregent. Die Herrschaftgewinnung und die Frühphase der Regierung waren durch gewaltsame, teils blutige Unterdrückung der Gegner gekennzeichnet. Auch rechtlich wurde sofort versucht, künftigen Usurpationen (»morbus Gothicus«) - auch durch Unterstützung der Kirche - zuvorzukommen. Chindaswinth hatte die Kirche fest in der Hand; so schlug er Braulio von Zaragoza die Bitte ab, ihm seinen Archidiakon Eugenius (II.) zu belassen, den Chindaswinth zum Bischof von Toledo machte. Legitimiert wurde diese Haltung und die gesamte, sich auch auf Gefolgschaft stützende Herrschaft dadurch, daß Chindaswinth sich auf göttliche Einsetzung und Inspiration berief. Am bedeutendsten war die Gesetzgebungstätigkeit Chindaswinths. Sein Sohn und Nachfolger veröffentlichte 654 eine Gesetzessammlung (Leges Visigothorum), die 99 Gesetze Chindaswinths und 87 Rekkeswinths enthielt. Ihr folgenreichstes Charakteristikum ist das Abgehen vom Personalitätsprinzip mit der nationalen Trennung von Goten und Romanen zugunsten des Territorialitätsprinzips, das alle Untertanen gleichermaßen umfaßte; möglicherweise ging dem schon 643/644 eine entsprechende Sammlung ausschließlich Chindaswinths voraus. Chindaswinths bedeutende Reformgesetzgebung zugunsten der Sklaven fand offenbar im Episkopat keine Anerkennung. - Die harte Herrschaft Chindaswinths wird in dem wahrscheinlich ernst gemeinten Lasterkatalog »Epitaphion Chindasvintho regi conscriptum« Eugenius'II. gegeißelt.

W. Schuller



Thiele, Andreas: Tafel 219
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband"

KINDASWINTH (CHINDASWINTH)
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     † 653

Kindaswinth (Chindaswinth) beherrschte seinen Neffen Tulga und zwang ihn 642 zum Verzicht und folgte als König. Er versuchte die Königsgewalt zu erneuern, führte viele Hinrichtungen und Konfiskationen durch, verringerte die Macht der Kirche und rief eine große Fluchtwelle des Adels und Konspirationen von außen hervor.



Chindaswinth entfachte in Pamplona einen Aufstand, eilte mit seinen Mitverschworenen nach Toledo, besetzte den Palast und schickte den König Tulga ins Kloster. Am Beginn seiner Regierung schlug er eine Erhebung der Basken nieder. Er machte die Krone von Adel und Kirche unabhängig und ging mit unbekannter Härte gegen den Adel vor. Er erließ viele Einzelgesetze zur Stärkung seiner Macht. 649 ernannte er seinen Sohn Rekkeswinth zum Mitregenten. Der willfährige Klerus bestätigte Chindaswinths Maßnahmen und Gesetze auf der Synode von Toledo (18.10.646).

Offergeld Thilo: Seite 101,102,103
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter."

Bei Chintilas Sohn Tulga (639-642) sprechen die Quellen von seiner tenera aetas und adulescencia [181 Fredegar, Chronicae IV. 82, Seite 162f. Vgl. Claude, Adel Seite 106f.; Orlandis, Sucesion Seite 88.], und eindeutig ist die Lage bei Ricimer, den sein Vater Suinthila (621-631) in consortio regni aufnahm und den als Mitregenten und zukünftigen Nachfolger zu rühmen der Zeitgenosse Isidor von Sevilla offenbar aufgrund dessen geringen Alters für angebracht hielt.
So zeichnet sich in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts eine verstärkte Tendenz zur Erblichkeit ab, die allerdings wesentlich auch durch die brutale, zahlreiche königsfähige Konkurrenten ausschaltende Proskriptionspolitik Chindasvinths (642-653) bewirkt wurde [188 Vgl. Thompson, Goths Seite 190f., 198; Claude, Westgoten Seite 79; Orlandis, Sucesion Seite 88f.].
In dieser Zeit kam es erneut zu Mitregentschaften von Königssöhnen [190 Sowohl Chindasvinths Sohn Recceswinth (649/52-672) als auch Egicas Sohn Witiza (698/702-710) scheinen bei ihrer Erhebung volljährig gewesen zu sein; letzterer wird allerdings als adulescens bezeichnet (Chronica Rotense Seite 609) und war wohl erst ca. 17 Jahre alt; vgl. Orlandis, Sucesion Seite 89f., 99; Claude; Adel Seite 131-133, 194; Ders., Untergnag Seite 341 Anm. 41.], jedoch hatten Minderjährige offensichtlich weiterhin keine Chance.
 
 
 
 

  oo N.N.
           †
 
 
 
 

Kinder:

  Rekkeswinth
       † 1.9.672

  Theodefred Herzog von Cordoba
       †

  oo Rekilona Prinzessin von Cordoba
             †

  Favila Herzog von Kantabrien
       †

  Er war der Vater des Königs Pelayo von Asturien († 737).
 
 
 
 

Literatur:
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Claude, Dietrich: Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich. Vorträge und Forschungen Sonderband 8, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1971 Seite 115-126 - Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977 Seite 138,176 - Fredegar: Chronik - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 101,102,103,109 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frümittelalter. Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowingern, Anton Hiersemann Stuttgart 1972 Seite 199 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband, R.G. Fischer Verlag 1994 Tafel 219 - Thiess Frank: Die griechischen Kaiser. Die Geburt Europas. Paul ZsolnayVerlag Gesellschaft mbH Hamburg/Wien 1959 Seite 726 -