Hlawitschka, Eduard: Seite 92,96-99
******************
"Konradiner-Genealogie, unstatthafte Verwandtenehen und spätottonisch-frühsalische Thronbesetzungspraxis. Ein Rückblick auf 25 Jahre Forschungsdisput."

f) Bevor Jackmann eine weitere Ehe - nämlich die Eppos von Nellenburg und seiner Frau Hadwig - als 3:3 Nahehe und deren Duldung durch Kaiser HEINRICH II. nachzuweisen versucht, betont er noch, daß uns aus der SALIER-Zeit "kein konsequentes Verfahren gegen Nahehen überliefert" ist.
g) Doch nun zur zweiten von Jackman angekündigten 3:3 Nahehe, die Kaiser HEINRICH II. in seinem engeren Umfeld geduldet haben soll: zur Ehe Eppos von Nellenburg und seiner Frau Hadwig. Auf sie ist Jackman bereits in seinem Konradiner-Buch von 1990 in der Form einer Arnbeitshypothese eingegangen [74 Jackman, Konradiner Seite 242-250.], die ich 1993 nur kurz zurückwies [75 Hlawitschka, Thronwechsel Seite 247 mit Anm. 349.]. Er stützt sich dabei auf eine schon 1964 vorgetragene Hypothese Karl August Eckhardts [76 Karl August Eckhardt, Eschwege als Brennpunkt thüringisch-hessicher Geschichte, Marburg/Lahn und Witzenhausen 1964, Seite 89-93.], die indessen in der kritischen Forschung keine Resonanz gefunden hat. Dieser hatte gemeint, Hadwig, die Mutter des ca. 1078 verstorbenen Grafen Eberhard von Nellenburg, werde eine Tochter des letzten hunfringischen Herzogs von Schwaben, Burchard III. (+ 973), und seiner Frau Hadwig, einer Tante (Vatersschwester) Kaiser HEINRICHS II. gewesen sein. Indem Jackman diese Hypothese übernimmt, konstruiert er für Eppo, den Vater Graf Eberhards von Nellenburg, folgende 3:3 Nahehe:

           Herzog Arnulf von Bayern
 

             -----------------------------------
          Judith                                  (Swanila?)

        oo Herzog Heinrich I. von       oo Markgraf Burkhard von der
             Bayern                                  Bayer. Ostmark

         ---                                   ---------------------
    Hadwig (von Hohentwiel)      Manegold       Heinrich Bischof von Augsburg

    oo Burchard III.                   oo NN
 

           ---                                 ----
         Hadwig              oo       Eppo von Nellenburg
 

Dieses Konstrukt ist indessen an mehrern Stellen brüchig. Unwichtig ist gewiß, daß der Name Swanila für eine Tochter Herzog Arnulfs von Bayern nicht bezeugt ist und nur auf einer luftigen Identifizierungshypothese beruht, man also richtiger ein NN zu setzen hätte. Deren Gemahl, Markgraf Burkhard von der bayerischen Ostmark, läßt sich insofern ermitteln, als durch die Vita Udalrici der Bischof Heinrich von Augsburg, ein Sohn des Markgrafen Burkhard, als nepos Herzog Heinrichs II. (des Zänkers) von Bayern (Sohn Herzog Heinrichs I. und seiner Frau Judith) bezeugt ist und als Herzog Burchard III. von Schwaben nach derselben Quelle in Hadwig die Tochter einer Mutterschwester (matertera) des Bischofs Heinrich zur Frau hatte [77 Gebhardi Vita S. Oudalrici cap. 28, MGH SS 4 Seite 415, auch ed. Kallfelz Seite 152.], wodurch in der Tat die Gemahlinnen Markgraf Burkhards und Herzog Heinrichs I. Geschwister gewesen sein müssen. Und eine Nachricht Widukinds von Corvey bestätigt dies [78 Widukind, Res gesta Saxonicae lib. II cap. 36, Seite 97.]. Die Geschwisterschaft der Gemahlinnen Herzog Heinrichs I. von Bayern und des Ostmarkgrafen Burkhard gehört also seit langem zu den bekannten genealogischen Fakten [79 Vgl. die Tafel bei Reindel, Die bayerischen Luitpoldinger Seite VIII und 203f.; Peter Schmid, Regensburg, Stadt der Könige und Herzöge im Mittelalter, Kallmünz 1977, Seite 155; Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg Band 1, hg. von Wilhelm Volkert, Augsburg 1985, Seite 90 nr. 160.]. Was jedoch gegen Jackmans Konstrukt spricht, ist der dreifach gesicherte Umstand, daß die Ehe Hadwigs (von Hohentwiel) und Herzog Burchards III. kinderlos war, beide also keine nit Eppo von Nellenburg verheiratete Tochter namens Hadwig hatten, sowie ebenso der Hinweis der Vita Udalrici, daß Markgraf Burkhard außer dem Sohn Bischof Heinrich von Augsburg offenbar keine weiteren Kinder hinterließ, also keinen von Jackman hier eingesetzten Sohn Manegold gehabt hat. Man muß  dazu folgende Quellenaussagen beachten. Die Kinderlosigkeit Burchards III. und Hadwigs wird zum einem vom St. Galler Mönch Ekkehard IV. bezeugt; bei diesem heißt es nämlich: "Herzog Purchart führte sie mit reicher Mitgift als Gattin heim. Er war aber schon alt und schwach, und so lag sie, wie man sagte, umsonst mit ihm im ehelichen Gemach; und als er bald darauf starb, ließ er sie, wie die Kunde geht, unerkannt, wenn auch nicht unberührt, als Mädchen zurück mitsamt Heiratsgut und Herzogtum" [80 Ekkehardi IV. Casus sancti Gali cap. 90, ed. Haefele Seite 184f.].
[Persönlicher Einwurf: Diese Passage Ekekhards ist völliger Unsinn. Da Burchard III. beim Tode seines Vaters Burchard II. (+ 926) bei der Nachfolge im Herzogtum übergangen wurde, war er zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung, was auf ein Geburtsjahr um 915 hindeutet. Bei seiner Eheschließung mit Hadwig war er also ungefähr 40 Jahre alt, genau wie Kaiser OTTTO I. bei seiner Eheschließung mit Adelheid. Verschiedene Forscher vermuten in Burchard III. den Sachsen Burkhard, der auf dem Hoftag von Worms die Ehre einer neptis des Königs mit der Wafffe erfolgreich gegen einen KONRADINER verteidigte. Seine Hinfälligkeit und Schwäche bewies der Schwaben-Herzog auch beim Italienzug OTTOS I. (965-967), als er als erfolgreicher Feldherr die Söhne König Berengars besiegte.]
Aber auch die Chronik des Klosters Petershausen vermerkt die Kinderlosigkeit dieses Ehepaares: per idem tempus Burchardus religiosus dux et Hadiwich eius coniunx, cum non haberant carnalem, Christum sibi elegerunt heredem [81 Die Chronik des Klosters petershausen lib. I cap. 43 ed. Otto Feger, Lindau - Konstanz 1956, Seite 75ff.]. Und schließlich sieht man auch die Kaiser OTTO III. und HEINRICH II. nach Hadwigs Tod (+ 994) hereditario iure über den Hohentwiel, Waldkirch etc. sowie anderen Familienbesitz dieses Paares verfügen [82 MGH D O III 154, 370, 371  (hierzu Böhmer-Uhlirz, Regesten Ottos III. Seite 582-584, nrn. 1122a-1124b (ganz bezeichnend MGH D O III 157: noverit sollers industria, quomodo nos cuidam monasterio Uualdkiricha vovitato in pago Brisiggoue dicto ... quod per traditionem Burghardi strenuissimi ducis Alemannorum una cum consensu et comprobatione contectalis sue Hadeuuige hereditario iure in nostrum decidit ius, talem donamus atque largimur libertatem ... Auch ist OTTO III., nicht eine Tochter Hadwig und ein Schwiegersohn Eppo, Ausführer von vota et petitiones bonne memorie Burghardi Alemannorum ducis strenuissimi sueque contectalis Haduuuige; MGH D O III 158. Vgl. auch MGH  D H II +511. - Nach den Worten der Chronik des Klosters Petershausen (lib. II cap. 3,  Seite 88ff.) nahm HEINRICH II., als er OTTO III. nachgefolgt war und seine Bamberger Kirchenstiftung reichlichst beschenkte, auch omnia que fuerant Burchardi quondam ducis de monte Duello et eius uxoris Hadewige in potestatem suam quasi hereditario iure. Wäre dies beim Vorhandensein einer Erbtochter möglich gewesen?], nicht aber eine Tochter Hadwigs und Burchards (gleichen Namens Hadwig) mit Ehemann Eppo. Daß dieses Paar (Herzog Burchard III. und Hadwig) keinen leiblichen (carnalis) Erben hatte, ist somit unbestreitbar.
Hätten sie sonst Christum sibi zum heredem setzen können? Auch ein Hinweis auf das am Anfang des 14. Jahrhunderts verfaßte Stifterbuch des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen mit seiner Nachricht, daß Eppo von Nellenburg in Hadwigdes hohen kaiser Hainriches swester tochter als Ehefrau hatte, fügt sich nicht in Jackmans Rekonstruktion ein; denn -  da bekanntlich schon HEINRICHS II. Vater Heinrich der Zänker und Hadwig vom Hohentwiel Geschwister waren - hätte eine Tochter der Hohentwiel-Herrin, wäre Jackmans Konstruktion richtig, ja als Tochter der Vatersschwester HEINRICHS II. bezeichnet werden müssen [83 Karl Schib, Das Buch der Stifter des Klosters Allerheiligen Seite 2; neuere Ausgabe von Gallmann, Das Stifterbuch Textteil Seite 10. -  Zur Bestimmung der Herkunft von Eppos Gemahlin Hadwig vgl. Hlawitschka, Untersuchungen Seite 163f. mit Anm. 227; vgl. auch unten Seite 178f.]. - Dennoch meint Jackman, daß die Mitteilung Ekkehards eher in die Kategorie "vorzüglicher Stoff für Gerüchte" einzureihen sei; und er fügt an: "Entgegen der Meinung Hlawitschkas spricht meines Erachtens die Passage eher für das Vorhandensein einer Erbtochter Burchards III." [84 Jackman, Eherecht Seite 172.] Und zur Petershausener Chronik bemerkt er, daß zu jener Zeit, als die Klosterstiftung auf dem Hohentwiel  erfolgte, "die Ehe zwischen Burchard III. und Hadewig noch nicht mit Kindern gesegnet war". Die Stiftung sei "eine Opfergabe, die erhoffte Belohnung die Fortsetzung des herzöglichen Geschlechts" gewesen [85 Ebd. Seite 137f.]. Aber setzt man dann, wenn man noch auf Nachkommenschafft hofft, Christus zum Erben ein? Jackman suggeriert hiermit außerdem, daß der Petershausener Chronist zu einer Zeit schrieb, als Burchard und Hadwig noch auf Nachkommen hoffen konnten. Seine Chronik schrieb dieser Mann aber erst in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts [86 Vgl. Wilhelm Wattenbach - Robert Holtzmann, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter I,2, Tübingen 1948, Seite 250.]! Somit - wie schon einmal gesagt -: um auch noch so fadenscheinige Ausreden darf man nicht verlegen sein. Und Schlüsse, die aus der erbrechtlichen Nachfolge auf dem Hohentwiel und in Waldkirch nach Hadwigs Tod zu ziehen sind, bei der keine Tochter Hadwigs und kein Schwiegersohn hervortritt, verschweigt oder übergeht man am besten wortlos!