f) Bevor Jackmann eine weitere Ehe - nämlich die
Eppos
von Nellenburg und seiner Frau Hadwig
- als 3:3 Nahehe und deren Duldung durch Kaiser
HEINRICH II. nachzuweisen versucht, betont er noch, daß
uns aus der SALIER-Zeit
"kein konsequentes Verfahren gegen Nahehen überliefert" ist.
g) Doch nun zur zweiten von Jackman angekündigten
3:3 Nahehe, die Kaiser HEINRICH II.
in seinem engeren Umfeld geduldet haben soll: zur Ehe Eppos von Nellenburg
und seiner Frau Hadwig. Auf sie ist Jackman bereits in seinem Konradiner-Buch
von 1990 in der Form einer Arnbeitshypothese eingegangen [74 Jackman,
Konradiner Seite 242-250.], die ich 1993 nur kurz zurückwies [75
Hlawitschka,
Thronwechsel Seite 247 mit Anm. 349.]. Er stützt sich dabei auf eine
schon 1964 vorgetragene Hypothese Karl August Eckhardts [76 Karl
August Eckhardt, Eschwege als Brennpunkt thüringisch-hessicher Geschichte,
Marburg/Lahn und Witzenhausen 1964, Seite 89-93.], die indessen in der
kritischen Forschung keine Resonanz gefunden hat. Dieser hatte gemeint,
Hadwig,
die Mutter des ca. 1078 verstorbenen Grafen Eberhard von Nellenburg,
werde eine Tochter des letzten hunfringischen Herzogs von Schwaben,
Burchard
III. (+ 973), und seiner Frau Hadwig,
einer Tante (Vatersschwester) Kaiser HEINRICHS
II. gewesen sein. Indem Jackman diese Hypothese übernimmt,
konstruiert er für Eppo, den Vater Graf Eberhards von Nellenburg,
folgende 3:3 Nahehe:
Herzog Arnulf von Bayern
-----------------------------------
Judith
(Swanila?)
oo Herzog Heinrich
I. von oo Markgraf Burkhard von der
Bayern
Bayer. Ostmark
---
---------------------
Hadwig (von Hohentwiel)
Manegold Heinrich Bischof von Augsburg
oo Burchard III.
oo NN
---
----
Hadwig
oo Eppo von Nellenburg
Dieses Konstrukt ist indessen an mehrern Stellen brüchig.
Unwichtig ist gewiß, daß der Name Swanila für eine Tochter
Herzog
Arnulfs von Bayern nicht bezeugt ist und nur auf einer luftigen
Identifizierungshypothese beruht, man also richtiger ein NN zu setzen hätte.
Deren Gemahl, Markgraf Burkhard von der bayerischen Ostmark, läßt
sich insofern ermitteln, als durch die Vita Udalrici der Bischof Heinrich
von Augsburg, ein Sohn des Markgrafen Burkhard, als nepos Herzog
Heinrichs II. (des Zänkers) von Bayern (Sohn
Herzog
Heinrichs I. und seiner Frau
Judith)
bezeugt ist und als Herzog Burchard III. von Schwaben
nach derselben
Quelle in Hadwig die Tochter einer
Mutterschwester (matertera) des Bischofs Heinrich zur Frau hatte
[77 Gebhardi Vita S. Oudalrici cap. 28, MGH SS 4 Seite 415, auch
ed. Kallfelz Seite 152.], wodurch in der Tat die Gemahlinnen Markgraf Burkhards
und Herzog Heinrichs I. Geschwister
gewesen sein müssen. Und eine Nachricht Widukinds von Corvey bestätigt
dies [78 Widukind, Res gesta Saxonicae lib. II cap. 36, Seite 97.].
Die Geschwisterschaft der Gemahlinnen Herzog Heinrichs
I. von Bayern und des Ostmarkgrafen Burkhard gehört also
seit langem zu den bekannten genealogischen Fakten [79 Vgl. die
Tafel bei Reindel, Die bayerischen Luitpoldinger Seite VIII und 203f.;
Peter Schmid, Regensburg, Stadt der Könige und Herzöge im Mittelalter,
Kallmünz 1977, Seite 155; Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels
von Augsburg Band 1, hg. von Wilhelm Volkert, Augsburg 1985, Seite 90 nr.
160.]. Was jedoch gegen Jackmans Konstrukt spricht, ist der dreifach gesicherte
Umstand, daß die Ehe Hadwigs (von
Hohentwiel) und Herzog Burchards III. kinderlos war,
beide also keine nit Eppo von Nellenburg verheiratete Tochter namens
Hadwig hatten, sowie ebenso der Hinweis der Vita Udalrici, daß
Markgraf Burkhard außer dem Sohn Bischof Heinrich von Augsburg offenbar
keine weiteren Kinder hinterließ, also keinen von Jackman hier eingesetzten
Sohn Manegold gehabt hat. Man muß dazu folgende Quellenaussagen
beachten. Die Kinderlosigkeit Burchards III. und Hadwigs
wird zum einem vom St. Galler Mönch Ekkehard IV. bezeugt; bei diesem
heißt es nämlich: "Herzog Purchart führte sie mit
reicher Mitgift als Gattin heim. Er war aber schon alt und schwach, und
so lag sie, wie man sagte, umsonst mit ihm im ehelichen Gemach; und als
er bald darauf starb, ließ er sie, wie die Kunde geht, unerkannt,
wenn auch nicht unberührt, als Mädchen zurück mitsamt Heiratsgut
und Herzogtum" [80 Ekkehardi IV. Casus sancti Gali cap. 90, ed.
Haefele Seite 184f.].
[Persönlicher Einwurf: Diese Passage Ekekhards
ist völliger Unsinn. Da Burchard III. beim Tode seines Vaters
Burchard
II. (+ 926) bei der Nachfolge im Herzogtum übergangen
wurde, war er zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung, was auf ein Geburtsjahr
um 915 hindeutet. Bei seiner Eheschließung mit Hadwig
war
er also ungefähr 40 Jahre alt, genau wie Kaiser
OTTTO I. bei seiner Eheschließung mit
Adelheid.
Verschiedene Forscher vermuten in Burchard III.
den Sachsen Burkhard,
der auf dem Hoftag von Worms die Ehre einer neptis des Königs
mit der Wafffe erfolgreich gegen einen
KONRADINER
verteidigte. Seine Hinfälligkeit und Schwäche bewies der Schwaben-Herzog
auch beim Italienzug OTTOS I. (965-967),
als er als erfolgreicher Feldherr die Söhne
König
Berengars besiegte.]
Aber auch die Chronik des Klosters Petershausen vermerkt
die Kinderlosigkeit dieses Ehepaares: per idem tempus Burchardus
religiosus dux et Hadiwich eius
coniunx, cum non haberant carnalem, Christum sibi elegerunt heredem [81
Die
Chronik des Klosters petershausen lib. I cap. 43 ed. Otto Feger, Lindau
- Konstanz 1956, Seite 75ff.]. Und schließlich sieht man auch die
Kaiser
OTTO III. und HEINRICH II. nach
Hadwigs Tod (+ 994) hereditario
iure über den Hohentwiel, Waldkirch etc. sowie anderen Familienbesitz
dieses Paares verfügen [82 MGH D O III 154, 370, 371
(hierzu Böhmer-Uhlirz, Regesten Ottos III. Seite 582-584, nrn. 1122a-1124b
(ganz bezeichnend MGH D O III 157: noverit sollers industria, quomodo
nos cuidam monasterio Uualdkiricha vovitato in pago Brisiggoue dicto ...
quod per traditionem Burghardi strenuissimi
ducis Alemannorum
una cum consensu et comprobatione contectalis sue Hadeuuige
hereditario iure in nostrum decidit ius, talem donamus atque largimur libertatem
... Auch ist OTTO III., nicht eine
Tochter Hadwig und ein Schwiegersohn
Eppo, Ausführer von vota et petitiones bonne memorie Burghardi
Alemannorum ducis strenuissimi sueque contectalis
Haduuuige;
MGH D O III 158. Vgl. auch MGH D H II +511. - Nach den Worten der
Chronik des Klosters Petershausen (lib. II cap. 3, Seite 88ff.) nahm
HEINRICH II., als er OTTO
III. nachgefolgt war und seine Bamberger Kirchenstiftung reichlichst
beschenkte, auch omnia que fuerant Burchardi quondam ducis de
monte Duello et eius uxoris Hadewige
in potestatem suam quasi hereditario iure. Wäre dies beim Vorhandensein
einer Erbtochter möglich gewesen?], nicht aber eine Tochter Hadwigs
und
Burchards (gleichen Namens Hadwig) mit Ehemann
Eppo.
Daß dieses Paar (Herzog Burchard III. und Hadwig)
keinen leiblichen (carnalis) Erben hatte, ist somit unbestreitbar.
Hätten sie sonst Christum sibi zum heredem
setzen können? Auch ein Hinweis auf das am Anfang des 14. Jahrhunderts
verfaßte Stifterbuch des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen mit
seiner Nachricht, daß Eppo von Nellenburg in Hadwigdes
hohen kaiser Hainriches swester tochter als Ehefrau hatte, fügt
sich nicht in Jackmans Rekonstruktion ein; denn - da bekanntlich
schon HEINRICHS II. Vater Heinrich
der Zänker und Hadwig vom Hohentwiel
Geschwister waren - hätte eine Tochter der Hohentwiel-Herrin, wäre
Jackmans Konstruktion richtig, ja als Tochter der Vatersschwester HEINRICHS
II. bezeichnet werden müssen [83 Karl Schib, Das
Buch der Stifter des Klosters Allerheiligen Seite 2; neuere Ausgabe von
Gallmann, Das Stifterbuch Textteil Seite 10. - Zur Bestimmung der
Herkunft von Eppos Gemahlin Hadwig vgl. Hlawitschka, Untersuchungen
Seite 163f. mit Anm. 227; vgl. auch unten Seite 178f.]. - Dennoch meint
Jackman, daß die Mitteilung Ekkehards eher in die Kategorie "vorzüglicher
Stoff für Gerüchte" einzureihen sei; und er fügt an: "Entgegen
der Meinung Hlawitschkas spricht meines Erachtens die Passage eher für
das Vorhandensein einer Erbtochter Burchards III." [84 Jackman,
Eherecht Seite 172.] Und zur Petershausener Chronik bemerkt er, daß
zu jener Zeit, als die Klosterstiftung auf dem Hohentwiel erfolgte,
"die Ehe zwischen Burchard III. und Hadewig
noch
nicht mit Kindern gesegnet war". Die Stiftung sei "eine Opfergabe, die
erhoffte Belohnung die Fortsetzung des herzöglichen Geschlechts" gewesen
[85 Ebd. Seite 137f.]. Aber setzt man dann, wenn man noch auf Nachkommenschafft
hofft, Christus zum Erben ein? Jackman suggeriert hiermit außerdem,
daß der Petershausener Chronist zu einer Zeit schrieb, als Burchard
und Hadwig
noch auf Nachkommen
hoffen konnten. Seine Chronik schrieb dieser Mann aber erst in der ersten
Hälfte des 12. Jahrhunderts [86 Vgl. Wilhelm Wattenbach - Robert
Holtzmann, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter I,2, Tübingen
1948, Seite 250.]! Somit - wie schon einmal gesagt -: um auch noch so fadenscheinige
Ausreden darf man nicht verlegen sein. Und Schlüsse, die aus der erbrechtlichen
Nachfolge auf dem Hohentwiel und in Waldkirch nach Hadwigs
Tod zu ziehen sind, bei der keine Tochter Hadwigs
und kein Schwiegersohn hervortritt, verschweigt oder übergeht man
am besten wortlos!