22. Die Grafen von Werl
Über die Grafen von Werl liegt bereits eine Reihe
von Einzeluntersuchungen vor. So kann man das genealogische Problem durch
die Arbeit von H. Bollnow insoweit als gelöst betrachten, als es nach
den vorliegenden Quellen möglich war. Da inzwischen keine neuen Quellen
gefunden wurden, stütze ich mich im wesentlichen auf seine Ergebnisse.
1950 erschien die umfangreiche und anregende Arbeit von K. Hömberg.
Hömberg bemühte sich um eine Klärung der Herrschaftsrechte
der WERLER, die Bollnow nicht berücksichtigte. Bei Hömberg
lag der Akzent vorwiegend auf hochmittelalterlichen Verhältnissen
in Westfalen. Die Vorgeschichte wurde lediglich zu ihrer Klärung herangezogen.
Er entging wohl nicht immer der Gefahr, Gegebenheiten des Hochmittelalters
in das 10. Jahrhundert zurückzuprojezieren. Wenn wir im Rahmen dieser
Arbeit noch einmal auf die Grafschaftsverhältnisse im 10. Jahrhundert
in Westfalen eingehen, so erhebt sich die Frage, inwieweit das von Hömberg
entworfene Bild zu revidieren ist.
Die gesicherte Geschichte des WERLER Grafenhauses
begann
997, als OTTO
III. dem Stift Meschede
ob petitionem Gerbergae
comitissae einen Besitz
in Stockhausen in pago Locdorf ac in comitatu Herimanni comitis
übertrug. Drei Jahre später erwirkte eine matrona
Gerberga
für das von ihr gegründete Nonnenkloster in Oedingen in pago
Lacdorpgo in comitatu Herimanni eius filius von OTTO
III. eine Bestätigungsurkunde, die dem Kloster freie Wahl
der Äbtissin und ihrem Sohn Hermann und seinen Nachkommen die
Stellung des Klostervogtes zusicherte.
Vermutlich war Gerbergas
Sohn mit Graf Hermann identisch, den Thietmar erwähnte. Der
Chronist berichtete zum Jahre 1007, dass Godila, die Witwe des Markgrafen
Lothar von Walbeck, nachdem sie ihrem unmündigen Sohn die Nachfolge
seines Vaters sowohl in der Markgrafschaft als auch in den Lehen gesichert
hatte, ihren consanguineus Hermann heiratete. Da consanguineus
die
Bezeichnung für die allgemeine Blutsverwandtschaft ist, läßt
sich kein genauer Verwandtschaftsgrad feststellen. Die Folge dieser Heirat
war, dass der Bischof von Halberstadt Godila bannte, was jedoch
nicht die Lösung der Ehe bewirkte. Es handelte sich demnach um eine
Ehe zwischen Verwandten mindestens 3. Grades, die nach kirchlichen Gesetzen
als unerlaubt galt. In anderem Zusammenhang wurde schon erwähnt, dass
Godilas
Vater vielleicht der 995 erwähnte Graf Werner war, der
im Lerigau amtierte. Höchst wahrscheinlich war Graf Hermann
schon einmal verheiratet. Im Jahre 1017 hatte er nämlich schon einen
waffenfähigen Sohn, der nicht aus der Ehe mit Godila hervorgegangen
sein kann. Die Vita Meinwerci berichtet, dass Graf Hermann vier
Söhne hatte, die 1024 zusammen mit ihrem Vater für Paderborn
testierten. Es heißt dort: in presentia Herimanni comitis
et filiorum eius Heinrici, Conradi, Athelberti, Bernhardi.
Thietmar
erwähnte
Graf Hermann, den er als Gerbergae filius kennzeichnete,
anläßlich einer Auseinandersetzung der
WERLER mit den
Bischof von Münster. Die Fehde brach 1016/17 aus, als sich Bischof
und Graf wechselseitig ihr Gebiet verheerten. Anlaß des Streites
könnte die Abtei Liesborn gewesen sein - wie schon Hömberg vermutete
-, die 1019 endgültig dem Bistum Münster überwiesen wurde.
Eine Urkunde bestätigte, dass sie in pago Dreine ac in comitatu
Herimanni
comitis lag. Zu diesem Zeitpunkt war der Konflikt schon beigelegt.
Er wurde nach Thietmar 1017 auf dem Hoftag zu Allstedt von HEINRICH
II. geschlichtet. Graf Heinrich,
Hermanns
ältester Sohn, unterstützte in diesem Kampf seinen Vater nach
besten Kräften. Durch eine lockere Verbindung der WERLER mit
den Grafen von Walbeck, die wahrscheinlich
Godila
herstellte, blieb
ihnen weiterhin das Interesse des Chronisten erhalten. Thietmar berichtet
ferner, dass sein Vetter, Graf Udo von Stade, 1018 Hermannus coequalem
sibi tam in nobilitate quam in potestate auf seiner (ungenannten) Burg
gefangen setzte. Wahrscheinlich erfolgte dieses Vorgehen im Einvernehmen
mit Bischof Dietrich von Münster. Beide stammten aus dem Stader Grafenhaus
und waren Vettern. Über den weiteren Verlauf des Konfliktes sind wir
nicht unterrichtet. Ungefähr in die gleiche Zeit fällt die Auseinandersetzung
Hermanns von Werl mit Erzbischof Heribert von Köln. Anlaß
der Feindseligkeit war die durch den Erzbischof erfolgte Festnahme Gerbergas,
der Mutter des Grafen. Die tieferen Gründe dieses Vorgehens treten
nicht zutage.
Überhaupt finden wir die WERLER
ständig
in Opposition. So auch im Jahre 1019, als Thietmar,
der Sohn Herzogs
Bernhard von Sachsen, zusammen mit den Söhnen des
Grafen
Hermann, die als consobrini imperatoris bezeichnet werden, eine
Empörung gegen
HEINRICH II. anstifteten.
Nicht lange darauf wurde ihnen omnes pariter imperatoris gratia condonantur.
Das einmütige Handeln des BILLUNGERS
mit den WERLERN beruht kaum auf Zufall. Die vorliegenden Zeugnisse
reichen zwar nicht aus, einen Sippenzusammenhang zwischen ihnen anzunehmen.
Da der Amtsbereich beider Familien eng benachbart war, vertraten sie wohl
gemeinsam ihr Interesse im westfälischen Raum. Das geht auch aus den
Urkunden hervor. In den beiden Zeugenlisten von 1024 stand Herzog Bernhard
an erster Stelle, wie es seinem Rang zukam. Anschließend folgte die
WERLER
Grafenfamilie, vertreten durch Graf Hermann und seine vier Söhne.
Beide Familien traten erneut zusammen bei der Schlichtung des Erbstreites
um die Abtei Helmarshausen zwischen Thietmar, dem Bruder Herzogs
Bernhard II., und Bischof
Meinwerk von Paderborn in Aktion, der 1024 in Anwesenheit des
Grafen Hermann de Westfalen beigelegt wurde. Nur ein Testat zeigte
Graf
Hermann ohne seinen Familienanhang. Dieses Mal erhielt er den Beinamen
Hermannus de Werla. Nach 1024 versiegen die Zeugnisse über
ihn. Daraus dürfen wir schließen, dass er nicht lange nach dem
Datum seiner letzten Erwähnung starb.
Versuchen wir im Rückblick Klarheit über den
Amtsbereich des Grafen Hermann von Werla zu gewinnen. Es wurden
schon seine Grafschaften im Locdorp- und im Dreingau erwähnt. Zwei
weitere Urkunden von 1017 bezeugten ihn durch die Lage der aufgeführten
Ortschaften, die an Paderborn fielen, ebenfalls im Dreingau. Es handelte
sich dabei um Grundbesitz in Dülmen, Nieheim (wüst bei Hohen-Nieheim),
Sythen, Berg-Haltern, Lembeck und Erle (RB Münster). Das
liudolfingische
Nonnenkloster Nordhausen erhielt im Dreingau
die curtis Gemen in pago Wesualorum in comitatu Herimanni comitis.
Eine weitere Urkunde sprach ihm die Gerichtshoheit über den Ort Herbede
(an der Ruhr, bei Hattingen) in pago Westfalo heriscafse zu. Zu
Hermanns Herrschaftsbereich rechnete ebenfalls eine Grafschaft im
südlichen Lerigau, aus der die curtis Triburi (Drebber, Kr.
Diepholz) in pago Saxonico Westfala dem Kloster Abdinghof unterstellt
wurde. Überblicken wir seinen Amtsbereich auf der Karte, so erstreckte
er sich vom Locdorpgau im Süden über den Dreingau bis in den
nördlich gelegenen Lerigau. Von diesen Herrschaftsrechten ausgehend,
gilt es zu erschließen, wer in diesem Gebiet als sein Vorgänger
amtierte, und das heißt, wer sein Vater und Gatte der Gerberga,
der namentlich nirgendwo unmittelbar als solcher bezeugt ist, in Betracht
kommt.
Fragen wir zunächst: wer war die urkundlich bezeugte
Gerberga?
Bollnow stellte als Ergebnis seiner Arbeit an Hand des Sächsischen
Annalisten fest, dass Gerberga, die
Mutter Hermanns von Werl, allenfalls mit Gerberga
von Burgund, der Tochter König
Konrads von Burgund und der Mathilde,
einer Enkelin HEINRICHS
I., identisch sein könnte, was nach seiner überkritischen
Methode keinesfalls für ihn zwingend ist. Von einer Vermutung zur
Behauptung und deren Begründung ging Fr. von Klocke über. Er
unterschied eine Gerberga "aus dem Sauerland" von Gerberga
von Burgund. Die Stifterin des Klosters Oedingen sei identisch
mit Gerberga aus dem Sauerland, einer Frau von großer Tatkraft
und reichem väterlichen Erbgut, mit dem sie wesentlich zum Ausbau
des Machtbereiches der Werler Grafen beigetragen habe. Wer ihr Gatte
war, ist ungewiß. Fr. von Klocke schaltete sowohl den 978 erwähnten
als auch den 985 bezeugten
Grafen Hermann als Stammvater der
WERLER Grafen aus. Als gesichert ließ er nur gelten, dass
der von Thietmar genannte und in der Stiftungsurkunde aufgeführte
Hermann ihr Sohn war. Die Unterscheidung der beiden Gerbergen ging
wesentlich von der Titulierung comitissa und der Tatsache ihrer Festnahme
durch den Erzbischof von Köln aus. Gerberga von Burgund sei
hingegen wesentlich jünger gewesen. Sie habe nach dem Tode ihres ersten
Gatten, des Herzogs
Hermann von Schwaben, in zweiter Ehe den seit 997 bezeugten Grafen
Hermann, den Sohn der Gerberga aus dem Sauerland und den ersten
wirklich in Werl erweisbaren Angehörigen dieses Grafenhauses, geheiratet.
Gerberga
habe
aus erster Ehe schon die beiden Töchter Mathilde
und Gisela,
wie Hermann von einer unbekannten Gattin die Söhne Heinrich,
Konrad und Adalbert gehabt. Aus beider um 1004 geschlossenen
Ehe seien dann die Kinder Rudolf, Bernhard und Mathilde
hervorgegangen. Hömberg dagegen trat nachdrücklich für eine
Personengleichheit der beiden Gerbergen ein. Endgültige Sicherheit
ist meines Erachtens aus Mangel an Zeugnissen nicht zu gewinnen. Gerberga
war vermutlich in erster Ehe mit einem ungenannten Grafen von Werl verheiratet,
den Bollnow vorsichtigerweise nicht namhaft macht. In zweiter Ehe heiratete
sie Herzog Hermann von Schwaben, dem sie die Kinder Gisla
- die spätere Kaiserin - Beatrix, Bertold und
Hermann
(Herzog von Schwaben, + 1012) gebar. Bollnow hielt eine dritte
Ehe nach dem Tode Herzog Hermanns (+ 1003) erneut mit einem
Grafen von Werl für nicht ausgeschlossen. Die Schwierigkeit beruht
darin, dass der Sächsische Annalist als Geschwister der Gisla
von Schwaben erwähnt: soror eius Mathildis fratresque
eius Rodulfus et Bernardus nati erant in Westfalia de loco,
qui dicitur Werla. Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage ergeben
sich dadurch, dass Rudolf in der Vita Meinwerci kein einziges Mal
in den Zeugnislisten auftauchte. Andererseits wird man aus chronoligischen
Erwägungen den Bernhard des Annalisten mit Bernhard,
dem Sohn des Grafen Hermann von Werl, identifizieren müssen,
so dass dem Annalisten in der Generationsfolge ein Gedächtnisfehler
unterlaufen wäre. Bollnow löste das Problem auf die Weise, dass
er Hermann von Werl einen Sohn Gerbergas aus erster Ehe und
damit einen Halbbruder der Kaiserin Gisela
sein ließ. Die übrigen Geschwister der Gisela,
die der Annalist aufführte - also Mathilde, Rudolf
und Bernhard
- sollen Kinder des Grafen Hermann (von Werl) und damit Giselas
Bruderkinder sein. Die Lösung hat viel für sich, zumal wenn man
die zweite Ehe Hermanns in Erwägung zieht, die Bollnow nicht
erwähnte. Wir können nur mutmaßen, dass vielleicht Rudolf
und
Mathilde Kinder aus dieser zweiten Ehe waren, was allerdings der
Aussage Thietmars widerspricht, der die Ehe wegen der nahen Verwandtschaft
für kinderlos hielt: nullam in procreanda prole spem deinceps adipiscitur.
Diese Aussage stand möglicherweise unter dem Eindruck der göttlichen
Strafe für die Exkommunikation. Vielleicht wurden die Kinder auch
erst nach Thietmars Tod (+ 1018) geboren. Die zweite Ehe würde erklären,
warum Rudolf, der an zwei Stellen als comes natus de Westfalia,
ex loco, qui dicitur Werla bezeugt ist, in der Vita Meinwerci
nicht unter den vier Söhnen
Hermanns aufgezählt wurde.
Zum Zeitpunkt des Testates (1024) war er demnach noch unmündig und
kam als Zeuge nicht in Betracht, da er frühestens 1007 geboren wurde.
Hömberg fand eine andere Lösung, auf die in einem anderen Zusammenhang
bereits hingewiesen wurde.
Ebenso strittig ist die Beantwortung der Frage nach Gerbergas
Gatten. Bollnow wich ihr aus. Er begnügte sich mit der allgemeinen
Feststellung, dass er ein Graf von Werl war. Hömberg machte Graf
Bernhard als Gatten der Gerberga
namhaft. Dieser Bernhard ist durch zwei Urkunden belegbar. Sie wurden
zu einer Zeit ausgefertigt, als er nach zeitlichen Erwägungen durchaus
ihr Gatte hätte sein können. Die Urkunden datieren aus dem Jahr
980. OTTO
II. sprach der erzbischöflichen
Kirche in Magdeburg urkundlich den Besitz des Ortes Brackel (bei Dortmund)
in pago Westfalon... in comitatu Bernhardi comitis situm
zu. Die andere Urkunde wurde zugunsten des Klosters Memleben ausgestellt,
das das Kloster Wildeshausen mit Landbesitz in comitatibus
Bernhardi
comitis et Eilhardi in pagis quoque Leri, Dersiburg et Ammeri tradiert
erhielt. Es ist allerdings zu erwägen, dass Graf Hermann später
ebenfalls im Lerigau bezeugt ist. Für Hömberg war ausschlaggebend,
dass dieses Gebiet in den folgenden Generationen nachweisbar den Grafen
von Werl unterstand. Er verwarf entschieden die Möglichkeit, dass
auch ein anderer Graf als Gerbergas
Gatte in Betracht kommen könnte.
In Frage käme ein Graf Hermann, der zur gleichen
Zeit auftrat. Nach Auslage einer Urkunde sprach er im Ort Böllinghausen
(bei Erwitte) im Gau Engern Recht, der in den Besitz des Klosters Meschede
überging. Dieses Gebiet liegt in der Nähe von Werl, dem Stammsitz
der Familie. Es schließt sich organisch an die Grafschaft des Grafen
Hermann im Locdorpgau an. Zeitliche Bedenken erheben sich ebenfalls
nicht. Vor allem spricht eine Erwähnung bei Thietmar dafür, ihn
als Mitglied des WERLER Grafenhauses zu betrachten. Die Textstelle
besagt, dass 984 der Streit zwischen Heinrich
von Bayern und seinem Sohn - dem späteren König
- Herimanni comitis consilio geschlichtet wurde. Was
konnte einen westfälischen Grafen veranlassen, sich in Sachen des
bayerischen Herzogshauses zu verwenden. Die Antwort lautet: hier sprachen
verwandtschaftliche Verpflichtungen mit.
Gerbergas Halbschwester
und somit Hermanns vermutliche Schwägerin war Gisela,
die Gattin des Bayern-Herzogs Heinrich des Zänkers,
der sich 984 mit seinem Sohn auseinandersetzte. Von hier aus gesehen erhellt
sich die schon erwähnte Bezeichnung der Annalen consobrini imperatoris
für die Söhne Hermanns von Werl. Hömberg hielt den
978 erwähnten Grafen Hermann für Gerbergas
Schwiegervater, und zwar auf Grund der Tatsache, dass ihr Sohn wiederum
den Namen Hermann trug. Da nur eine einzige Erwähnung vorliegt,
können aus seinen Amtsdaten auch nicht annähernd gesicherte Angaben
über das Alter des genannten Grafen gemacht werden. Alle anderen Kombinationen
- wie Gatte oder Schwager - haben darum genau so viel Wahrscheinlichkeit
für sich. Vielleicht war er mit dem Grafen Hermann identisch,
der nach dem Fuldaer Totenbuch am 13. Juli 995 starb, zu welchem Tage auch
das Merseburger Totenbuch das Ableben eines Grafen Hermann verzeichnete.
Der zuvor erwähnte Graf Bernhard, den Hömberg
als Gatten der Gerberga annahm, verwaltete
nach seinen Aussagen, "im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts eine Grafschaft,
die aus wenigstens 15 Einzelkomitaten bestand". Hömberg blieb den
Beweis dieser These schuldig. In einer Anmerkung machte er allerdings eine
Einschränkung: "Eine genaue Bestimmung der Zahl der Comitate, die
um 990 im Besitz der Grafen von Werl waren, ist nicht möglich... Ausdrücklich
ist bezeugt als Besitz dieses Geschlechts in dieser Zeit nur die Grafschaft
im Leri- und Dersigau; da jedoch im Bistum Osnabrück schon seit dem
10. Jahrhundert nur noch eine Grafschaft erkennbar ist, darf angenommen
werden, dass die ganze Diözese zu ihrem Machtbereich gehört hat".
Vielleicht gelingt es, noch eine weitere Generation in
diese Familie einzubeziehen. Als Vorgänger der beiden Grafen Hermann
und Bernhard kommt ein Graf Heinrich in Frage, der an Hand
von zwei Urkunden in Westfalen nachweisbar ist. Da sich sein Name auf den
ältesten Sohn Hermanns übertrug, ist die Einordnung durch
Übereinstimmung von Namen und Amtsbereich gerechtfertigt. Graf
Heinrich verfügte 947 nachweislich über eine Grafschaft
im Lerigau, aus der für das Kloster Enger Besitz eximiert wurde.
Eine zweite Urkunde mit dem Ausstellungsjahr 955 machte ihn als Grafen
in pago Westfala namhaft. In Graf Heinrich hätten wir
dann das erste greifbare Mitglied des WERLER Grafenhauses vor uns.
Von einer ausschließlichen Herrschaft der Grafen
von Werl im westfälischen Raum kann im 10. Jahrhundert kaum die Rede
sein. Das mag folgende Übersicht verdeutlichen: das Gebiet des Agradingaues
entfiel für die Familie des Grafen Thuring. Im benachbarten Hasegau
übten die LIUDOLFINGER
Grafenrechte aus, vom Wehsigau, Theothmalli und Wethigau aus schoben sich
billungische Herrschaftsrechte über den Padergau bis in den Borhteresgau
hinein vor. In dem Streifen zwischen Ittergau und Theotmalli verfügten
die HAOLDE über gräfliche Amtsbefugnisse. Das Gebiet von Nethegau,
Ittergau bis zum Borhteresgau unterstand der mit den HAOLDEN versippten
Grafenfamilie. Im Raume von Sorath-, Sinuthfeld, Almungau und Treversgau
amtierte Graf Liudolf. Vielleicht besaß die Stifterfamilie von Borchorst
auch im Dreingau selber Herrschaftsrechte.
Wenden wir uns zum Schluß noch der Feststellung
ihres Eigenbesitzes zu. Ihr Stammsitz und vermutliches Zentrum ihres Eigengutes
war Werl. Wahrscheinlich lag im Locdorpgau, wo das Kloster Oedingen gegründet
wurde, eine weitere Anhäufung ihres Allods.