Sohn des Konsuls und Dux Alberichs III. und der Ermilina; Neffe des Papstes Benedikt VIII.
eigentlich Teophylakt Graf von Tusculum
Lexikon des Mittelalters: Band I Seite 1859
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Benedikt IX., Papst von Okt. 1032-1. Mai 1045; erneut
8. Nov. 1047-16. Juli 1048
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+ Ende 1055
Grottaferrata ?
Zuvor Theophylakt, Sohn Alberichs III. von Tusculum und Neffe seiner beiden Vorgänger Benedikt VIII. und Johannes XIX., durch seinen Vater in relativ jugendlichem Alter (jedoch nicht mit 10-12 Jahren, wie polemische Quellen behaupten) zum Papsttum erhoben. Der tuskulanischen Politik distanzierten Einvernehmens mit dem Kaiser folgend, traf Benedikt IX. KONRAD II. 1037 in Cremona und 1038 in Spello, wobei er dessen Einschreiten gegen Erzbischof Aribert II. von Mailand unterstützte; im Streit zwischen Aquileia und Grado restituierte er nach dem Tode Poppos von Aquileia 1044 die Metropolitanrechte Grados. Im übrigen ist über seinen Pontifikat wenig Konkretes bekannt: heftige Vorwürfe gegen seine Lebensführung aus kirchlichen Reformkreisen sind gewiß stark übertrieben, aber kaum ohne realen Kern. September 1044 durch eine Adelsrevolte aus Rom vertrieben, konnte Benedikt IX. zwar im März 1045 den Gegen-Papst Silvester III. wieder verdrängen, resignierte jedoch am 1. Mai gegen eine hohe Geldabfindung zugunsten seines Taufpaten (Gregor VI.). Auf der römischen Synode HEINRICHS III. wurde er im Dezember 1046 auch förmlich abgesetzt, griff aber nach dem Tod Clemens' II. erneut nach dem Papsttum und mußte sich erst im Juli 1048 endgültig zurückziehen, als Damasus II. auf Geheiß des Kaisers durch Markgraf Bonifaz von Tuszien in Rom inthronisiert wurde. Nach lokaler Überlieferung soll er seine letzten Jahre in Grottaferrata zugebracht haben und dort begraben sein.
Quellen:
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LP II, 270-272 - Jaffe I, 519-523; II, 709, 748f.
Literatur:
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DBI VIII, 354-266 - DHGE VIII, 93-105 - HKG III/1, 290f.,
405 - Haller II, 174, 202-208 - Seppelt II, 412-418; III, 11 - H. Zimmermann,
Papstabsetzungen des MA, 1968, 120-139 - K.J. Herrmann, Das Tuskulanerpapsttum
(1012-1046), 1973 (vgl. dazu DA 34, 1978, 626f.)
BENEDIKT IX.
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* um 1016, + um 1050
= Graf Theophylakt von Tusculum
1032 durch den Vater und Kaiser
KONRAD II. Papst; ebenso unwürdig und unfähig wie
der Großonkel (Johann XII.)
und willfähriges Werkzeug des Kaisers; wird 1044 durch die CRESCENTIER
verjagt; kommt 1045 zurück und verkauft Papstwürde mit Tiara
an den Archipresbyter Johannes Gratianus Pierleoni (ehemals jüdische
Familie), der sich Gregor VI. nennt, Patenonkel Benedikts IX.).
Auf der Synode von Sutri 1046 werden beide endgültig für abgesetzt
erklärt; taucht 1048 nochmals auf, allerdings diesmal als Gegen-Papst
gegen Damasus II. und wird nach wenigen Wochen verjagt.
Er war der 7. Papst der TUSCULANER,
Neffe seiner beiden Vorgänger und Sohn Alberichs III., des
Consuls et Dux von Rom. Kaiser KONRAD II.
hatte die Wahl unterstützt, deutlicher den Kauf der Papstwürde
für den etwa 12-jährigen, eine Gestalt, die an Niederträchtigkeit
seinem Großonkel Johannes XII. glich. Er "führte im Palast
des Lateran ungehindert das Leben eines türkischen Sultans; er und
seine Familie erfüllten Rom mit Raub und Mord", wie Ferdinand Gregorovius
diesen Mann zutreffend kennzeichnet. Es gibt nicht den geringsten Beweis
für die Unglaubwürdigkeit des Desiderius von Monte Cassino, der
später als Victor III.
Papst wurde und das Bild des TUSCULANERS im wesentlichen der Wahrheit
entsprechend überliefert hat, nicht ohne hinzuzufügen, dass manches
im Leben dieses verrotteten Papstes für den Chronisten unaussprechbar
sei. Kein Papst der Geschichte hat die kanonische Situation so verwirrt
wie Benedikt IX., der die Tiara in
bestürzender Weise zum Handelsobjekt für Meistbietende gemacht
hat - und dabei ein willenloses Werkzeug KONRADS
II. war. Es kam sogar zu einem Aufstand des Zweiges der CRESCENTIER
aus dem Hause TUSCULUM, und Benedikt IX.
mußte
Rom fluchtartig verlasen. Bald darauf kaufte Bischof Johannes von der Sabina
die Tiara. Doch Benedikt IX. kehrte
zurück und verkaufte seine Würde für teures Geld an den
späteren Gregor VI. Nach den von ihm verursachten Wirren tauchte
er noch einmal als Gegenpapst auf und wurde durch Papst
Leo IX.
exkommuniziert. Todesjahr und Todesursache des Tyrannen
sind unbekannt. Rom und das Papsttum sind durch ihn an den Rand des Tragbaren
gebracht worden. Die Reform von Cluny konnte das Papsttum nur noch auf
beinahe revolutionärem Wege aus dem Sumpf ziehen, in den es gesunken
war. Es wurde gerettet durch
HEINRICH III.,
der die Treuga Dei, den Gottesfrieden in der Konzeption des Odilo von Cluny
zum Reichsgesetz erheben und in einer fast ausweglosen Lage dem Papsttum
mit einer Reihe deutscher Päpste ein neues Fundament geben wollte.
I. ADLIGE AUF DEM PAPSTTHRON
Als Johannes XIX. am 20. Oktober 1032 verstarb,
war sein Bruder Alberich III. der letzte überlebende der drei
Brüder, die im Mai des Jahres 1012 die Macht für ihr Haus errungen
hatten. An ihm, dem Familienoberhaupt, lag es nun, den tuskulanischen
Einfluß auch weiterhin zu sichern. Bereits zwei Tage nach dem Tod
des Bruders gelang es dem Grafen durch Zugeständnisse an die Wählerschaft
und den Adel, seinen Sohn Theophylakt,
noch Laie, als Benedikt IX. wählen
und krönen zu lassen .
Der Übergang vom Pontifikat Johannes' XIX. zu
dem Benedikts IX. ging anscheinend
ruhig vor sich, auch deutet weiter nichts darauf hin, dass die exklusive
Herrschaft des TUSKULANER-Papstes zu irgendeinem Zeitpunkt seines
Pontifikates bis September 1044 in Frage gestellt worden wäre.
Der Mönch Rodulfus Glaber wußte zu vermelden,
dass der Papst, dessen Name er aber nicht erwähnte, bei seiner Erhebung
ein Knabe von "ungefähr" 10 bis 12 Jahren gewesen sei. Doch der Bericht
des unsteten Wandermönches aus Frankreich verdiente allein noch kein
Vertrauen, berichteten nicht übereinstimmend mit ihm der unbekannte
Biograph
Leos IX., Benedikt sei
"parvulus" gewesen, und Desiderius von Montecassino im Anschluß
an die Ereignisse des Jahrs 1044/45, der TUSKULANER habe als "adolescens"
weiterhin seinen verderblichen Lastern gefrönt. Auch wenn man dem
Anonymus wie Desiderius Parteilichkeit vorwerfen könnte - der erstere
wollte natürlicherweise den integren Charakter Leos IX. gegen
den verruchten des TUSKULANERS herausstellen, der andere, ein überzeugter
Anhänger der Reform im gregorianischen Sinn, versuchte in nachherein
den Umsturz des Jahres 1044/45 als Anbruch eines besseren Zeitalters anzupreisen
-, so fällt doch der Bericht des dem TUSKULANER-Haus nahestehenden
Lukas von Grottaferrata ins Gewicht, der die Jugend Benedikts
IX. im Jahr 1048 als besonderes Merkmal hervorhob. Was ist nun
davon zu halten?
Schon Baronius beargwöhnte den Report des Rodulf
Glaber und vertrat die Ansicht, Benedikt habe
bei seinem Amtsantritt das pubertäre Alter bereits überschritten
gehabt. In der Tat scheinen die Altersverhältnisse innerhalb der tuskulanischen
Familie
dafür zu sprechen, dass Theophylakt/Benedikt
IX. kein Knabe oder Heranwachsender,
sondern eher ein Mann von etwa 30 Jahren war, als er im Oktober 1032 die
Papstwürde übernahm. Seine Brüder Gregor
II. und Petrus
verwalteten bereits in den 20-er Jahren weltliche Ämter, Neffen
werden zu 1030 und 1044 erwähnt. Überdies beweist eine kurze
Kopfrechnung zumindest - nimmt man Rodulf Glabers Bericht von den 10 oder
12 Jahren zu 1032 als wahr an -, dass das "adolescans" des Desiderius 1045
im abwertenden Sinn gebraucht wurde.
Doch das sind keine schlagkräftigen Gegenbeweise.
Weder das auffällige Schweigen des sonst dem TUSKULANER-Papsttum
feindlich gegenüberstehenden Beno noch der kluge Regierungsstil des
Papstes selbst können darüber hinwegtäuschen, dass die oben
zitierten Quellen - wenn auch in tendenziöser Form - die Jugend des
Papstes berichten.
Man wird vorsichtig folgern dürfen, dass Benedikt
IX. bei seiner Stuhlbesteigung in jugendlichem Alter stand.
Dass er noch ein Kind war, wie es Rodulf Glaber zu wissen vorgibt, erscheint
dagegen wenig glaubwürdig.
Deutete der Papstname Benedikt
in Erinnerung an den großen Oheim ein politisches Konzept an, so
setzte doch der neue Papst - mit einigen Nuancierungen - in Rom und im
Kirchenstaat den Kurs Johannes' XIX. mit der Duldung der Machtpositionen
der STEPHANIER und OKTAVIANER fort und beließ in der
Verwaltung alles, wie es sich seit April 1024 eingependelt hatte. Der
STEPHANIER Crescentius behielt weiterhin das Amt des Stadtpräfekten,
und auch die OKTAVIANER Oddo und Crescentius verblieben im
Rektorat der Sabina. Sollte der Vater Benedikts
IX., Alberich III., die stille Hoffnung gehegt haben,
über seinen Sprößling mehr Einfluß auf die päpstliche
Politik gewinnen zu können, so sah er sich darin getäuscht. Der
Papst wußte es klug zu vermeiden, sich zum Spielball adelspolitischer
Interessen degradieren zu lassen. So verschwand der Vater - letztlich vielleicht
auch zufrieden damit, dass sein Sohn die Papstwürde so souverän
behauptete - von der öffentlichen Bühne der stadtrömischen
Politik, um fortan vielleicht das beschauliche Leben eines Privatiers zu
führen. Gleichermaßen in Ablösung der alten Garde rückte
in die Stelle bzw. in die gewichtigere Position, die Alberich III.
unter seinem Bruder Benedikt VIII. innegehabt hatte, Gregor II.
von Tuskulum, der nun auf Benedikts IX.
Befehl hin in besonderen Fällen Richterfunktionen übernahm. Der
später von den Quellen schwarz in schwarz gezeichnete Papst wußte
über 12 Jahre seines Pontifikates mit ruhiger und geschickter Hand
das Steuer der Kirche zu lenken; auch zeigten seine Entscheidungen, dass
sich der letzte TUSKULANER-Papst seiner Verantwortung in hohem Ausmaß
bewußt war. Auf einer zahlreich besuchten Synode im November l036
- es war die erste des Papstes, von der wir Kenntnis haben - entschied
Benedikt
IX. in einem Rechtsstreit zwischen Bischof Andreas von Perugia
und dem Petruskloster in Perugia zugunsten der Ansprüche des Coenobiums.
Der Bischof von Perugia verzichtete ohne Murren auf seine angeblichen Rechte
und versprach eidlich dem Papst wie seinem Bruder Gregor, das Kloster nie
mehr mit Ansprüchen zu behelligen.
Weiterhin besitzen wir interessante Belege, die beweisen,
dass Benedikt
eine Kurienreform anstrebte.
Den entscheidenden Schritt dazu vollzog der Papst im November 1037, als
er dem bisherigen Kanzler Petrus von Silva Candida über die Neukonfirmierung
seiner bereits von Johannes XIX. verliehenen Rechte hinaus auch
das Amt des Bibliothekars der römischen Kirche verlieh. Mit diesem
Akt wurde das Sacrum palatium, das Herzstück der päpstlichen
Verwaltung, mit dem scrinium, dem Amt für die Ausstellung von Urkunden,
zu einer Behörde zusammengefaßt. Dass diesem neuen Superministerium
für Verwaltung und Finanzen aber nicht auch das für die persönliche
Verwaltung des päpstlichen Haushaltes angeschlossen wurde - es unterstand
weiterhin der Kontrolle eines "vicedominus" im Range eines Archidiakons
-, beweist, dass der TUSKULANER-Papst sehr wohl zwischen kurialen
wie persönlichen Angelegenheiten monetärer Art zu unterscheiden
wußte und beide nicht zum eigenen Vorteil zu vermischen suchte.
Außenpolitisch baute Benedikt
IX. den Weg der Kooperation mit dem deutschen Königtum
seit 1037 stärker aus als sein unmittelbarer Vorgänger. Vielleicht
war es auch diese Politik des päpstlichen Engagements für deutsche
Belange, die unzufriedenen Adelscliquen -1044 das vordergründige Argument
lieferte, der Papst kümmere sich nicht um das römische Volk,
und die schließlich den Sturz des TUSKULANERS bewirkte.
Die Epoche des TUSKULANER-Papsttums bildete ohne
Zweifel eine Epoche des Übergangs in der Papstgeschichte. Benedikt
VIII., Johannes XIX. und Benedikt IX.
entstammten einer adligen Umwelt, die sie nachhaltigst prägte. Drückte
ihnen diese Herkunft auch später das negative Prädikat "Baronalpäpste"
auf, so unterschieden sie sich in ihrer Wirkung und Ausstrahlung doch weit
von anderen Gestalten auf der Cathedra Petri, die ihre Würde adligen
Parteien zu verdanken hatten. Zielbewußt befreite sich Benedikt
VIII. von jeder weltlichen Bevormundung; seine Kriegszüge in und
um Rom galten nicht der Steigerung seines Familieneinflusses, sondern dienten
dem Ausbau der römischen Kirche. Johannes XIX. ging auf diesem
Weg noch ein Stück weiter: Die teilweise Entmachtung seines eigenen
Bruders Alberich und seine Unterordnung machten deutlich, dass das tuskulanische
Papsttum
sich seiner Eigenständigkeit voll bewußt war. So blieb es auch
unter Benedikt IX. Die Mittel der eigenen
tuskulanischen
Hauspartei
dienten der Kirche, nicht umgekehrt. Ohne Zweifel stärkte eine solche
Amtsauffassung die Autorität des Papstes in Rom und erlaubte es, seinen
Entscheidungen überall das nötige Ansehen zu verschaffen.
VII DER STURZ VOM THRON
Was den Umsturz im September 1044 bewirkte, der das Ende
des TUSKULANER-Papsttums einleitete, ist nicht mit letzter Sicherheit
auszumachen. Die auf uns gekommenen Quellen widersprechen sich nicht nur
im Detail, sie sind auch durch spätere Parteinahme so eingefärbt,
dass schwer zu entscheiden ist, wo die Wahrheit in der Berichterstattung
aufhört und wo die Tendenz beginnt. Die Tatsache, dass Benedikt
IX. fliehen mußte, die spätere Entscheidung
HEINRICHS III. gegen den TUSKULANER und nicht zuletzt
der ein knappes Menschenalter nach 1046 ausbrechende Kampf um die gregorianische
Kirchenreform beflügelten die Phantasie der Geschichtsschreiber. Zwei
Protagonisten dieses späteren Kampfes, der antigregorianische Kardinal
Beno und der für die Reform eintretende Bonizo von Sutri, versuchten
die Vertreibung publizistisch zu rechtfertigen. Dass dabei auf der Suche
nach plausibel klingenden Gründen der Persönlichkeit des Papstes
Unrecht geschah, liegt auf der Hand, denn beide Seiten wollten mit Berufung
auf des Papstes verruchten Charakter ihre Programme für Reich und
Kirche rechtfertigen. Nach Beno hatte sich der Papst 1039, nach dem Tode
Kaiser
KONRADS, dazu verstiegen, die Reichskrone Petrus
von Ungarn anzubieten. Als HEINRICH
davon erfuhr, beschloß er, nach Rom aufzubrechen und Benedikt
zu
bestrafen. Der Papst aber verkaufte aus Angst seine Würde an den Komplicen
Johannes Gratianus. Obwohl diese Quelle nichts über die Septemberrevolte
verlauten läßt, wird das spätere Eingreifen
HEINRICHS
damit
gerechtfertigt, dass der TUSKULANER seit 1039 ein Majestätsverbrecher
gewesen sei.
Bonizo motivierte die Entfernung mit dem verbrecherischen
Lebenswandel des Papstes. Nach ihm wollte Benedikt
IX. eine Tochter des Girard de Sasso zur Frau nehmen; dieser
aber mochte keinen Papst als zukünftigen Schwiegersohn und wies daher
Benedikt auf die Resignation hin. Obwohl dieser seine Würde
tatsächlich an Johannes Gratianus abtrat und somit die Forderungen
des Grafen erfüllte, bekam er die gewünschte Gemahlin nicht.
Girard erhob dagegen mit anderen den Bischof von Sabina, Johannes, zum
Papst; erst die Brüder Benedikts IX.,
Gregor und Petrus von Tuskulum, konnten mit Gewalt ihrem
betrogenen Blutsverwandten den Papststuhl zurückgewinnen.
Während Beno und Bonizo für ihre Vorwürfe
Benedikt
IX. gegenüber noch schmückende Beispiele erfanden,
die seine Vertreibung rechtfertigen sollten, begnügten sich andere
Quellen damit - ohne weitere Erklärungen - Benedikt
IX. einen Lüstling und Mörder zu schimpfen. Dabei
interessierte chronologische Ablauf der Ereignisse weniger als die vermeintlichen
Gründe der späteren Resignation des Papstes, über die man
sich anscheinend nicht so recht im klaren war.
Was war nun wirklich das auslösende Moment für
die Vertreibung des TUSKULANERS im September 1044? Bonizo läßt
an einer Stelle den Grund der Opposition gegen
Benedikt anklingen, wenn er berichtet, die TUSKULANER
hätten alle Macht in Rom in einer Hand vereinigt und die römische
Kirche wie ein "Erbgut" behandelt. Seinen Bericht ergänzen und erklären
die Aussagen der Leo-Vita und des Rodulfus Glaber. Nach dem Biographen
Leos IX. ging die Initiative zur Verschwörung Anfang September
1044 von den Römern aus. Rodulfus Glaber, der diese Erhebung irrigerweise
zu 1033 vermeldet, teilt mit, dass es "principes Romanorum" gewesen seien,
die den Papst beseitigen wollten. Nach diesen drei Berichten war der Aufstand
also nicht eine unmittelbare Reaktion auf "rapinas, caedes aliaque nevanda
in Romanum populum", sondern vielmehr die Folge umstürzlerischer Pläne
einzelner Adelskreise, die eben zu jenem Zeitpunkt versuchten, der Vormachtstellung
der TUSKULANER in Rom den Garaus zu machen. Raub und Mord waren
nicht die auslösenden Momente, sondern Folgeerscheinungen des nun
beginnenden Kampfes. Die These von einem "gelenkten Aufstand" erhält
eine weitere Stütze durch den Report der Annales Romani, die zu vermelden
wissen, dass nicht das gesamte Rom sich im Aufstand befand. Die transtibertinischen
Stadtteile hielten so fest zum Papst, dass die Stadtrömer und ihre
Anführer sich gezwungen sahen, am 7. Januar 1045 Trastevere einzuschließen
und zu belagern. Wer aber waren diese opponierenden Adligen, die im Verbund
mit einem Teil der Stadtrömer den Papst zwingen konnten, die Ewige
Stadt zu verlassen und sich auf seine tuskalanischen Hausgüter
zurückzuziehen?
Nach dem oben erwähnten Bericht Bonizos hieß
der Hauptanführer Girard de Sasso, der schon 1019 Papst Benedikt
VIII. dazu angehalten hatte, Friede mit den STEPHANIERN zu schließen.
Diese Nachricht wäre ganz unverfänglich, stünde sie nicht
in offenem Widerspruch zu dem Bericht der Annales Romani, die unter den
Helfern, mit deren Unterstützung Benedikt
IX. im Januar 1045 die Schlacht um Rom und seinen Papstthron
begann, eben jenen Girard und seine Reiter erwähnen. Es ist kaum anzunehmen,
dass ein und derselbe Mann Rom belagerte und zur selben Zeit als Wahlhelfer
des Gegen-Papstes Silvester III.
agierte. Wir müssen die Initiatoren
des Aufstandes anderswo suchen. Des Rätsels Lösung bietet uns
der Fortgang der Ereignisse selbst.
Benedikt IX. war
Anfang 1045 in transtibertinisches Gebiet zurückgekehrt. Seine Truppen,
die aus Kontingenten der Brüder des Papstes, des Grafen von Galeria
und der oktavianischen CRESCENTIER bestanden, hatten eine Offensive
der Stadtrömer am 10. Januar an der "Forta Sassia" blutig zurückgeschlagen.
Ganz in der Nähe dieses Kampfplatzes aber lag das Kastell S. Angelo,
der Sitz der stephanischen CRESCENTIER. Es ist äußerst
wahrscheinlich, dass die Erreger des stadtrömischen Aufstandes vom
September 1044 eben diese STEPHANIER waren, die zwar 1019/20 ihren
vorläufigen Frieden mit den TUSKULANERN geschlossen hatten,
nun aber, vielleicht nach dem Tode des tuskulanischen Familienoberhauptes
Alberich III. die Gelegenheit gekommen sahen, ihre verlorene Macht
und Herrlichkeit mit einem Schlag zurückzugewinnen.
Die Römer, durch die schreckliche Niederlage ebenso
wie durch ein zusätzliches Erdbeben verunsichert, wählten wohl
nicht ohne Zuspruch der STEPHANIER deren "Hausbischof" Johannes
als Silvester III. zum neuen Papst und inthronisierten ihn am 13.
oder 20. Januar 1045. Doch Benedikt IX.
war nicht gewillt, den Kampf um seine Papstwürde aufzugeben. Er exkommunizierte
den Gegen-Papst. Und als er am 10. März 1045 seine Rückkehr in
die Leostadt erzwingen konnte, mußte der Gegner mit Schande beladen
auf sein Bistum in der Sabina ausweichen.
Es waren Zeichen für die militärische Schwäche
Benedikts,
dass er jetzt dulden mußte, seinen Gegner Silvester III. ungestraft
unter dem Waffenschutz der STEPHANIER in der Sabina verbleiben zu
lassen. Der Aufstand hatte aber mit einem Schlag längst vergessen
geglaubte Partikularinteressen des Adels wieder zum Vorschein gebracht.
Seit seiner Rückkehr war Benedikt IX.
genau so wie schon früher sein Gegenpart Silvester III. nur
eine Schachfigur auf dem Spielbrett der Ambitionen machthungriger Adelscliquen.
Der TUSKULANER scheint sich dieses Niedergangs seiner Würde
bewußt gewesen zu sein, zumal er einsehen mußte, dass man mit
römischem Blut an den Fingern die Verehrung der Stadtrömer kaum
zurückgewinnen konnte. So kam es zu jenem berühmten Handel zwischen
dem Papst und seinem Verwandten Johannes Gratianus: Benedikt
IX. trat zugunsten des Johannes zurück.
Diese "berühmt-berüchtigte" Abdankung, die
angeblich in einer "cartula" ihren sichtbaren Niederschlag fand, hat die
Geschichtsschreibung jener Zeit zu erregten Kommentaren veranlaßt.
Eines steht jedoch trotz der schlechten Meinung aller Quellen über
den TUSKULANER fest, dass Benedikt
aus freiem Entschluß verzichtet und nicht ein äußerer
Zwang diese Refutation bewirkt hat. Diese Tatsache berichten übereinstimmend
Petrus Damiani, Hermann, Bernold und die Annales Altahenses.
Doch hat nicht so sehr dieser hochherzige Entschluß
Benedikts
IX. die Aufmerksamkeit der Kritiker auf sich gezogen, als vielmehr
die spektakulären Begleitumstände dieses Verzichtes, denn nach
den Berichten der meisten Quellen soll der Papst seine Würde einfach
verkauft haben. Was ist nun von der cartula und von den Vorwürfen
über den Verkauf zu halten? Stellt man die politische Lage in Rom
im Mai des Jahres 1045 in Rechnung, so lassen sich die einzelnen Berichte
zu einem Bild zusammenfügen. Dabei ergibt sich der Ablauf der Ereignisse
und die Einordnung einzelner Fakten fast wie von selbst.
Am 1. Mai 1045 hatte Benedikt
IX. in einer cartula auf seine Papstwürde zugunsten des
Johannes Gratianus verzichtet. Nicht verzichtet aber hatte Silvester
III., der sich nach seiner Vertreibung aus Rom auch weiterhin der Unterstützung
der STEPHANIER in der Sabina erfreuen konnte. Überdies lagen
in Rom noch immer die tuskulanischen Armeen, die nach dem Rücktritt
ihres nominellen Oberbefehlshabers Benedikt nicht
gewillt waren, den hohen Blutzoll des Kampfes vom November 1044 bis zum
Frühjahr 1045 ohne entsprechende Gegenleistungen zu vergessen.
Gregor
VI. sah sich daher einer völlig neuen Situation gegenüber:
Zwar hatte der legitime
Papst Benedikt IX. auf
seine Ansprüche verzichtet, seine Parteigänger aber weigerten
sich, ihren Einfluß in Rom aufzugeben und abzurücken. So nahm
der Papst, auch in der Erkenntnis, dass sich gegen den Widerstand der beiden
großen Adelsfraktionen keine Politik machen ließ, Verhandlungen
sowohl mit den TUSKULANERN wie auch mit den STEPHANIERN auf.
Offensichtlich wurde Gregor mit dem ersten Partner schnell handelseinig.
Man zahlte die TUSKULANER-Fraktion für ihre noch bestehenden
Interessen mit Geld aus. Als Empfänger wurde der noch immer als Oberhaupt
der
TUSKULANER geltende Benedikt-Theopylakt
deklariert, obwohl dieser schon längst auf alle Ansprüche verzichtet
hatte, was in der Zusammenschau der turbulenten Ereignisse die meisten
Autoren zu dem vereinfachenden Schluß verleitete, der TUSKULANER
habe seine Anwartschaft auf den Papstthron verkauft bzw. Johannes-Gregor
habe sie käuflich erworben.
Etwas langwieriger schienen sich die Gespräche mit
den STEPHANIERN anzulassen. Offenbar gelang es Gregor, gegen
die offizielle Anerkennung des Silvester-Johannes als Bischof in der Sabina
den Gegenpapst und seine Freunde dazu zu bewegen, ihre Ansprüche auf
die Cathedra Petri aufzugeben. Gregor VI. hingegen verdankte dem
Ausgleich mit den stadtrömischen Parteien seinen unbestrittenen Pontifikat,
bis das königliche Strafgericht über die "falsitas sacerdotum"
und die "babylonischen Zustände" in der Kirchenleitung auch ihn seiner
Papstwürde beraubte.
Was aber geschah mit den drei ehemaligen Päpsten?
Am leichtesten scheint sich Johannes von der Sabina mit seinem Schicksal
zurechtgefunden zu haben. Er, der von Anfang seines Pontifikates an bloß
Aushängeschild für die aufrührerische Adelsfraktion war
und nicht einmal die transtiberinischen Gebiete Roms unter seine Obödienz
zu bringen vermochte, scheint die Ereignisse von Sutri und Rom ungeschoren
überstanden zu haben. Während Papst Gregor "invitus ultra
montes" nach Deutschland ins Exil ziehen mußte, blieben die beiden
Exponenten der stadtrömischen Parteien vor weiteren kaiserlichen Maßnahmen
verschont.
Johannes von der Sabina gelang es auch unter dem ersten
der deutschen Reformpäpste, Clemens
II., in Amt und Würden zu bleiben. Wie sich der Bischof während
des zweiten Pontifikates
Benedikts IX. verhalten
hat, ist nicht bekannt. Die nachfolgenden Päpste sahen offenbar keinen
Grund, gegen den Expapst vorzugehen, zumal dieser keinerlei Ambitionen
auf den Stuhl Petri mehr erkennen ließ. Unzweifelhaft verdankte Johannes
die Behauptung seines Amtes einer gewissen politischen Geschmeidigkeit,
die ihn dazu befähigte, alle, auch im Kurs noch so unterschiedlichen
Wechsel auf dem Papstthron unbeschadet zu überstehen und sich mit
dem jeweils neuen Herrn zu arrangieren. Wir wissen fernerhin, dass er nicht
nur ein geduldetes Schattendasein in der Sabina führen mußte,
sondern es offen wagen konnte, 1051 in Rom vor dem energischen
Papst
Leo IX. zu erscheinen, um dort in einer "proclamatio" die schwersten
Vorwürfe gegen Abt Berard von Farfa vorzubringen. Die Klage scheint
keinen Erfolg gehabt zu haben, da Leo Abt Berard und dessen Kloster die
vorn Bischof eingeklagten Güter bestätigte. Auch in der Folgezeit
ist Johannes in Urkunden anzutreffen, was beweist, dass er durch die unruhigen
50-er Jahre sein Amt sicher zu behaupten wußte. Im August und November
1058 erscheint sein Name neben dem des unglücklichen Adelspapstes
Benedikt
X. in zwei Urkunden für Farfa, und bereits ein knappes halbes
Jahr später unterzeichnete er das Synodaldekret Nikolaus'
II., der sich in Rom durchgesetzt hatte.
Der Lebenslauf des Johannes von der Sabina legt ein beredtes
Zeugnis für diese unruhige Übergangszeit vom sogenannten Adelspapsttum
zum Reformpapsttum ab und liefert darüber hinaus ein exemplarisches
Beispiel für die politische Geschmeidigkeit und Wendigkeit eines Kirchenfürsten
alten Schlages nahe dem Brennpunkt aller dieser geistigen und politischen
Auseinandersetzungen in Rom. Wohl noch zur Zeit der absoluten CRESCENTIER-Herrschaft
1012 in jugendlichem Alter zur Bischofswürde gelangt, überstand
er die Wirren der Jahre 1012-1013 und den Machtwechsel durch die TUSKULANER
unbeschadet.
In den 32 Jahren tuskulanischer Vormachtstellung in Rom und auf
der Cathedra Petri behielt er unbestritten seine bischöfliche Würde,
wohl nicht zuletzt deshalb, weil er nicht im Gegensatz zu deren Politik
stand. Noch im April 1044 gehört er zu den Unterzeichnern des Synodalinstruments,
das den Streit zwischen Grado und Friaul beilegte, und wenigstens noch
im November 1044 datierte man in der Sabina nach Benedikt
IX. und Bischof Johannes. Sein
kurzer Schattenpontifikat hinterließ kaum Spuren in der Geschichte.
1062 das letzte Mal urkundlich erwähnt, muß Johannes noch vor
Oktober 1063 nach mehr als 50-jähriger Amtszeit gestorben sein.
Am ärgsten traf der Neuordnungswillen des Königs
Gregor
VI. Nachdem dieser seiner Papstwürde verlustig gegangen war und
sich obendrein vor der Synode aufs tiefste erniedrigt hatte, wurde der
neue Papst Clemens II. in Rom inthronisiert, der dann seinen Förderer
HEINRICH
zum Kaiser krönte. Nun blieb die heikle Frage zu lösen, was mit
dem abgesetzten Gregor geschehen solle. Der Expapst wurde wohl unmittelbar
nach der römischen Synode in sicheres Gewahrsam gebracht, ohne dass
eine sofortige Entscheidung über sein zukünftiges Schicksal fiel.
Offenbar reifte der Entschluß,
Gregor in Deutschland zu exilieren,
erst langsam in HEINRICH
heran. Wäre
nämlich seine Entfernung aus Italien eine vordringliche Sache gewesen,
so hätte er Gregor unter die Bewachung des deutschen Heereskontingentes
stellen können, das bereits Anfang oder Mitte des Januars 1047 die
heilige Stadt in Richtung Deutschland verließ. Welche Impulse letztlich
den Ausschlag für den Entschluß des Kaisers gaben, kann nicht
mit absoluter Sicherheit ausgemacht werden. Wahrscheinlich war HEINRICH
bei der Beurteilung der politischen Lage zu der Einsicht gelangt, dass
ein abgesetzter Papst, der in Rom verblieb, leicht zum Kristallisationspunkt
eines neuen Schismas werden könnte. Der immer noch bestehende Anhang
des Ex-Papstes in der Stadt Rom verminderte das Risiko keineswegs. Einen
Präzedenzfall für die Behandlung Gregors fand HEINRICH
schließlich im Vorgehen OTTOS
I., der vor Jahren den abgesetzten Benedikt V. ins
Exil nach Deutschland geschickt hatte. Allem Anschein nach wollte man auch
Gregor so behandeln. Sein Bewacher in Deutschland wurde der Erzbischof
Hermann von Köln, der eben zu dieser Zeit mit HEINRICH
in Italien weilte. In das Exil "ad ripas Reni" begleitete ihn sein junger
Kaplan
Hildebrand, der später schrieb, die Exilierung sei "unfreiwillig"
erfolgt, aber der freundlichen Behandlung in einem Brief an Anno von Köln
mit den Worten gedachte: "Ob recordationem discipline, qua tempore antecessoris
vestri... enutriti sumus, specialem sibi inter ceteras occidentales ecclesias
dilectionem impendimus."
Die ungeliebte Verbannung in den Rheinlanden dauerte
für den Expapst nicht allzu lange. Wohl Ende 1047, ungefähr zur
gleichen Zeit, als in Fesaro sein Rivale Clemens II. verschied,
starb Gregor, durch Strapazen und Demütigungen geschwächt,
an einer nicht näher bestimmbaren Krankheit. In Rom war es unterdessen
zu einem neuen Umschwung gekommen, der den zweiten Pontifikat Benedikts
IX.
einleitete.
Schon bald nach seinem Verzicht am 1. Mai 1045 hatte
sich Benedikt auf seine Güter
in der Nähe von Tuskulum zurückgezogen. Er scheint dort als Privatier
gelebt zu haben. Unwahrscheinlich ist, dass er bei irgendeiner der Synoden
HEINRICHS
erschien
oder Vertreter dorthin sandte, obwohl er offiziell geladen war. Die Absetzungssentenz,
die HEINRICH
später durch die
römische Synode verfügen ließ, war ein bloßes politisches
Spektakulum und bestätigte lediglich einen bestehenden Zustand, der
mit dem Verzicht Benedikts und der
Übertragung seiner päpstlichen Würde an Gregor bereits
vollzogen war. Überdies zeigte sich, dass der Kaiser den TUSKULANER,
mit dem er über Jahre Beziehungen gepflegt hatte, nicht allzu hart
bestrafen wollte. Obwohl die Synode Benedikt zum
"venditor spiritualis gratiae" erklärte, blieb eine Anathematisierung
aus.
Allein der Entschluß HEINRICHS,
Gregor
in die Verbannung zu schicken, änderte das Gleichgewicht in Rom völlig.
Gregor
VI. hatte sich der schweigenden Duldung der großen Adelsparteien
erfreuen können. Die Politik des Kaisers, den Einfluß des Adels
auf die Papstwahl wie der Stadt ein für allemal zu brechen, mußte
daher über kurz oder lang zu einer Auflehnung der Betroffenen führen.
Die Macht der Adelsfraktionen war aber noch zu zersplittert,
war noch zu sehr im Freund-Feind-Denken der Kämpfe von 1044/45 verhaftet,
um sofort zur Wirkung zu kommen. Überdies bestand, während Gregor
Vl. in Italien weilte, für eine Rebellion keinerlei Legitimation.
Die Stadtrömer selbst scheinen, solange HEINRICH
in den Mauern Roms weilte, auf der Seite des kaiserlichen Papstes Clemens
II. gestanden zu haben. Doch der Friede täuschte.
Nachdem der Kaiser Italien verlassen und Gregor
mit sich geführt hatte, setzten sofort Kämpfe ein, die sich bis
Hochsommer 1047 kontinuierlich steigerten. Die Absicht der adligen Insurgenten
lag klar auf der Hand: Es galt den Einfluß der imperialen Partei
in Rom zurückzudrängen und eine neuerliche Machtübernahme
vorzubereiten.
Für die Einstellung der Aufrührer zur Rechtmäßigkeit
des Pontifikats Clemens' II. ist immerhin bemerkenswert, dass sie
mit der Machtergreifung bis zu dem Moment warteten, da der Papst am 9.
Oktober in Pesaro verstarb. Als auf die Nachricht vom Tode Clemens'
II. die Stadtrömer sich versammelten und gemäß Vereinbarungen
Boten zu HEINRICH schickten, ihm die
Benennung eines neuen Papstes erbitten sollten, kamen die TUSKULANER
in die Stadt, teilten das römische Volk durch Bestechung in zwei Lager
und erreichten tatsächlich die Restituierung Benedikts.
Trotz dieser parteilichen Überzeichnung des Berichtes in den Annales
Romani werden folgende Fakten einsichtig: Benedikt
hatte den Tod Clemens' II. als "Startschuß" für die Erneuerung
seines Anspruches abgewartet. Die verhältnismäßig lange
Vakanzzeit zwischen Clemens'
Tod am 9. Oktober 1047 und dem neuerlichen
Pontifikatsbeginn Benedikts IX. am
8. November 1047 zeigte, dass der Wechsel innerhalb Roms nicht ohne Widerstände
vor sich ging. Die Benedikt favorisierende
Partei saß wohl wie 1044/45 im transtibertinischen Stadtteil, doch
stellte sich im Laufe des Oktobers ein allgemeiner Meinungsumschwung zugunstenBenediktsin
ganz Rom ein. Der anonyme Verfasser der Vita
Leos IX. berichtet,
dass Rom in seiner Gesamtheit hinter Benedikt
gestanden habe, und im Traktat "De ordinando pontifice" ist von einer "improba
Romanorum provectio" für den TUSKULANER die Rede. Der unbestreitbar
ruhige Pontifikat Benedikts IX. von
mehr als 8 Monaten läßt darauf schließen, dass der Papst
den Römern nicht unwillkommen war. Wer den Widerstand fast einen Monat
lang gegen den TUSKULANER getragen hatte, war wohl nicht die "Romanorum
plebs", sondern eine kleine imperiale Fraktion, die, als sie ihre Sache
verloren sah, einen letzten Hilferuf an HEINRICH
richtete. Benedikt war nach seiner
Rückkehr restituiert worden, von einer Neuwahl konnte keine Rede sein.
Allein der Papst sollte sich des wiedergewonnenen Papststuhles nicht erfreuen
können, denn der Kaiser durfte einen solchen Affront gegen die Bestimmungen
von 1046 nicht dulden. Zu Weihnachten 1047 fällte der Kaiser im Beisein
der Legaten der imperialen stadtrömischen Partei das Urteil über
Benedikt
IX.: Er ernannte Poppo von Brixen zum neuen Papst, obwohl
ein von ihm selbst angefordertes Gutachten des Bischofs Wazo von Lüttich
die Rechtmäßigkeit der Ansprüche des TUSKULANERS
ergeben hatte. Das Schisma des Jahres 1044/45 dauerte damit fort. Doch
nicht Benedikt, sondern
Poppo,
der fast zwei Monate nach Benedikts Restitution
Papst wurde, war der Erreger dieses neuerlichen Kirchenkampfes. Diese Einstellung
teilte offenbar auch der Markgraf Bonifaz von Canossa. Als der Papstprätendent
das Gebiet des Markgrafen erreichte, wies dieser ihn darauf hin, dass der
von den Römern wiedereingesetzteBenedikt
Rom völlig beherrsche und Frieden und Ordnung wieder hergestellt habe.
Er sehe daher keine Veranlassung, ihn, Poppo, nach Rom zu führen.
Der Brixener klagte daraufhin beim Kaiser. Dessen ernste Demarche an den
Markgrafen, er, HEINRICH, könne
auf der Cathedra Petri niemand dulden, der "canonice depositus" sei, besiegelte
das Schicksal Benedikts IX. endgültig.
Boten des Bonifaz bewogen den Papst, sich aus der Stadt Rom zurückzuziehen;
erst danach konnte Poppo inthronisiert werden. Der zweite Pontifikat des
TUSKULANERS
hatte vom 8. November 1047 bis zum 16. Juli 1048 gedauert, der seines Widersachers
Poppo-Damasus
dagegen
nur 23 Tage. Als auf Intervention des Kaisers der neue
Papst Leo IX.
nach Rom kam, sah auch er sich einer massiven Opposition der tuskulanischen
Fraktion gegenüber. Der energische
Leo ging sofort daran, die
Macht der Adelsparteien zu brechen; nichts mußte ihm dabei gelegener
kommen, als die Forderung der Stadtrömer, der Papst solle für
ihre Sicherheit sorgen. In der Zwischenzeit hatte eine große Adelskoalition
unter Führung der TUSKULANER Rom in täglichen Angriffen
bedrängt, ohne jedoch die Stadt einnehmen zu können. Als die
Römer von Leo einen Rachefeldzug gegen die Campagna-Grafen
verlangten, schlug dieser, dem es in erster Linie um eine Ächtung
der Ansprüche
Benedikts ging,
eine Synode vor, die über den simonistischen Theophylakt
und
seine Anhängerschaft entscheiden sollte. Als die vor die Synode des
Jahres 1049 zitierten Personen nicht erschienen, wurden sie kurzerhand
anatheinatisiert. Der gegen sie ausgerufene Feldzug verwandelte sich in
einen Kreuzzug gegen Simonisten. Der Verwüstungszug der päpstlichen
Truppen durch tuskulanisches Gebiet konnte aber den Widerstandswillen
Benedikts
IX. und seiner Freunde nicht brechen. Als Leo IX. von
Beneventaner Legaten angegangen wurde, sie von der normannischen Herrschaft
zu befreien, und als der Papst sich daraufhin entschloß, 1050 persönlich
in den Süden zu reisen, sah er sich zu einem vorläufigen Burgfrieden
gezwungen. Wir wissen, dass der Papst deutschen Söldnern "Straflosigkeit
ihrer Verbrechen" in Aussicht stellte, wenn sie an dem ausgeschriebenen
Kreuzzug gegen die Normannen teilnehmen würden. Unter diesem Aspekt
gewinnt Benos Schilderung eine gewisse Glaubwürdigkeit, wenn er von
Friedensfühlern Leos zu den TUSKULANERN berichtet. Ergebnis
dieses vorläufigen Friedens war die Aufhebung der Belagerung der tuskulanischen
Kastelle von seiten Leos und die sachkundige Beratung des landfremden
Papstes durch die TUSKULANER, die als intime Kenner süditalischer
Verhältnisse galten. Vielleicht begleitete ein Truppenaufgebot der
TUSKULANER
den Papst zur Schlacht von Civitate, wie indirekt dem Bericht Benos zu
entnehmen ist. Dass aber Benedikt IX.sich
bei dem Kampf als Verräter des Papstes erwiesen haben soll, ist kaum
glaubwürdig. Nach dem Mißerfolg der S-Italienexpedition zerbrach
das Zweckbündnis. Noch auf dem Totenbett soll Leo IX.
im April
1054 Gott angefleht haben, dass "Theophylakt,
Gregor und Petrus, die in der Welt die simonistische Häresie etabliert
haben..., den Weg der Wahrheit erkennen".
Nach dem Tod Leos IX. versuchte
Benedikt
offenbar ein letztes Mal, gestützt auf die Macht seiner
Anhänger, den verlorenen Papststuhl wiederzugewinnen, was ihm aber
auch diesmal nicht gelang.
Danach wurde es ruhig um Benedikt
IX. Sei es, dass er sich zu einem kontemplativen Leben nach
Grottaferrata zurückgezogen, sei es, dass er seinen Anspruch auf die
Papstwürde aufgegeben hatte, eine Schenkung des "Domnus Benedictus
et Gregorius et Petrus et Octavianus, domni Alberici filii", an das
stadtrömische Kloster SS. Cosma e Damiano in Mica Aurea, das wie andere
Schenkung der Brüder von 1056 nach dem Pontifikat Viktors II. datiert
ist, zeigt, dass Benedikt
und seine Verwandten sich mit den bestehenden Verhältnissen augenscheinlich
abgefunden haben. Warum der resignierende Papst allerdings unter seinem
Papstnamen und nicht mit dem Laiennamen dotierte, muß ungeklärt
bleiben.
Die wahrscheinlich letzte sichere Nachricht über
Benedikt
stammt vom 9. Januar 1056. In einer Schenkungsurkunde für die Kirche
S. Lorenzo "iuxta gradatas" in der Nachbarschaft von S. Maria Maggiore
vermachten die Brüder Benedikts
"für dessen Seelenheil" Grundbesitz mit der Auflage, für den
verstorbenen "Domnus Benedictus" jährlich
40 Messen zu lesen. Benedikt IX. war
demnach zwischen dem 18. September 1055 und dem 9. Januar 1056 gestorben.
Über die letzten Lebensmonate des Expapstes und
über sein Ableben schweigen die Quellen. Allein die griechischen Mönche
von Grottaferrata haben Benedikt
ein
ehrendes Andenken bewahrt, ohne jedoch den Einfluß des Abtes Bartholomäus
auf den TUSKULANER zu schmälern. Lukas von Grottaferrata schrieb
es dein Drängen des Abtes zu, dass der Papst auf seine Würde
verzichtete und seine letzten Lebenstage angeblich als Mönch in Grottaferrata
verbrachte. Dieser Bericht vom Ende des TUSKULANERS als Mönch
entbehrt wohl jeder realen Grundlage und war vermutlich zur Verherrlichung
des Bartholomäus erfunden worden. Dennoch kann nicht ausgeschlossen
werden, dass der vielleicht schon kranke
Benedikt
sich
im Lauf des Jahres 1054 nach Grottaferrata zurückgezogen hatte, war
doch seine Verbindung zu diesem Kloster und dessen Vorsteher zeitlebens
besonders herzlich und eng gewesen. Ein Zeitgenosse des Papstes, Petrus
Damiani, scheint von einem Sinneswandel des TUSKULANERS während
der letzten Monate nichts bemerkt zu haben, denn er zog rückschauend
in einem Brief an Papst Nikolaus II. folgendes Fazit: "Cui nimirum
quis non videat quanto melius fuerat, ut episcopatum deserens, poenitentiam
ageret, quam in eo usque ad vitae terminurn perseverans, verain vitarn
funditus perdidisse".
Benedikt IX. fand
seine letzte Ruhestätte in der Kirche von Grottaferrata. Das ihm zugeschriebene
Grab beherbergte später ein Mitglied des Grafengeschlechtes von Segni.
Der pompöse Grabstein über seinem angeblichen Ruheort wurde,
wie aus der Inschrift erkenntlich wird, erst im Jahre 1750 auf Betreiben
des Bischofs von Tuskulum/Frascati errichtet.
EXKURS: DIE DATIERUNG DER PONTIFIKATE
c) Benedikt IX.
Akzeptieren wir als Todestag Johannes' XIX. den
20. Oktober l032, dann konnte sein Neffe Theophylakt
nicht vor Sonntag, dem 22. Oktober, inthronisiert worden sein. Die Listen
des Liber Pontificalis (Duchesne II 268) geben seine Sedenzzeit verschieden
an. Am glaubwürdigsten erscheint mir die Angabe des Farfenser Katalogs,
wonach Benedikt 12 Jahre, 4 Monate
und 20 Tage und dann wiederum 1 Monat und 21 Tage die Papstwürde besessen
habe (Giorgio-Balzani: Regesto II 9). Schwierigkeit bereitet allein die
Aufgabe, von wann ab diese Sedenzzeit berechnet werden muß, um möglichst
genau den Termin der Wahl und der Weihe fixieren zu können. Nach dem
Bericht der Annales Romani (Duchesne II 331) wurde Benedikt
1044
- die Annalen verzeichnen MXLVI, was aber bestimmt nur eine Verschreibung
für MXLIV ist - aus Rom vertrieben, noch in seinem 12. Pontifikatsjahr.
Am 1. Mai 1045 trat er nach einem erneuten Pontifikat von 1 Monat und 21
Tagen (Giorgi-Balzani: Regesto II 9) seine Papstwürde an Johannes
Gratianus ab. Eine Rückrechnung ergibt den 10. März 1045 für
die Rückkehr Benedikts nach Rom
(vgl. Borino: L'elezione 179). der Pontifikat des Gegenpapstes Johannes
von der Sabina dauerte laut Liste des Farfenser Katalogs 49 Tage, andere
(Duchesne: Liber Pontificalis II 268) verzeichnen auch 56 Tage. Nimmt man
an, dass die Inthronisation Johannes'/Silvesters III. an einem Sonntag
erfolgte, und verbindet dies mit Datierungsangaben der Annales Romani (Duchesne
II 331), so ist als Pontifikatsbeginn der 13. oder 20. Januar 1045 festzuhalten.
Nun war der Pontifikat Benedikts IX.
mit der Erhebung des Gegenpapstes noch keineswegs erloschen, will man nicht
die Worte der Annales Romani (Duchesne II 331), die Römer hätten
den TUSKULANER "a sua sede" entfernt, als offizielle Amtsenthebung
interptretieren (vgl. Zimmermann: Papstabsetzungen 120). Fast alle Quellen
berichten dagegen übereinstimmend, dass Silvester
die Cathedra
Petri "iuniuste", also nicht rechtmäßig, innegehabt hat. Danach
müßten die obengenannten Sedenzzeiten für Benedikt
IX. so ausgelegt werden, als ob der Pontifikat Silvesters
nicht zählte, das heißt die erste Angabe 12 Jahre, 4 Monate
und 20 Tage wäre bis zur Rückkehr Benedikts
nach
Rom am 10. März 1045 zu zählen. Eine Rückrechnung ergibt
dann den 21. Oktober 1032 als Ordinationstag des TUSKULANERS; dies
steht dann auch in Übereinstimmung mit dem Todesdatum Johannes'
XIX. im Kalender des Leo Marsicanus.
Literatur:
-----------
Adam von Bremen: Hamburgische Kirchengeschichte.
in: Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters
Band XI Seite 308,310,326,334 - Cawthorne Nigel: Das Sexleben der
Päpste. Die Skandalchronik des Vatikans. Benedikt Taschen Verlag 1999
Seite 80,91-94,238 - Goez Elke: Beatrix von Canossa und Tuszien.
Eine Untersuchung zur Geschichte des 11. Jahrhunderts, Jan Thorbecke Verlag
Sigmaringen 1995 Seite 136,137,139,147 - Hermann von Reichenau:
Chronicon. in: Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters
Band XI Seite 602,668,670,678 -
Herrmann, Klaus-Jürgen: Das Tuskulanerpapsttum
(1012-1046), Anton Hiersemann Stuttgart 1973 Seite 10,20,21-24,41-46,65,68-74,79-94,88,89,92,93,96,100-102,105,106,108,112,120,124,125,132,
141,148,149,151-169,171-178 - SCHWABEN UND ITALIEN IM HOCHMITTELALTER.
Vorträge und Forschungen Band LII Jan Thorbecke Verlag Stuttgart 2001
Seite 113,115 -