Ewig Eugen:
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"Die Merowinger"

Dagobert wurde, wenn man die Errichtung der austrasischen Primogenitur mit seiner Mündigkeit in Verbindung bringen darf, um 608 als zweiter Sohn Chlothars geboren. Ein älterer Bruder Merowech geriet in Kämpfen Chlothars mit Theuderich II. Ende 604 in die Gefangenschaft der Frankoburgunder und war seitdem verschollen. Er soll - was freilich offenbleiben muß - auf Geheiß Brunichild getötet worden sein. Ein jüngerer Bruder Charibert wurde wohl um 614 geboren. Am Hof des Vaters wuchs Dagobert mit den Söhnen Authachars auf, von denen der jüngste, Audoin/Dado, der gleichen Altersstufe angehörte. Die Verbindung zu diesen Kreisen wird dem austrasischen König zugute gekommen sein, als die Nachfolge Chlothars zu regeln war.
Nach dem Brauch des 6. Jahrhunderts war beim Tod Chlothars II. eine Reichsteilung zwischen Dagobert und Charibert zu erwarten. Dagobert war jedoch entschlossen, die Alleinherrschaft zu übernehmen. Die Interessen Chariberts, der als einfältig (simpel) galt, nahm Brodulf, der Bruder seiner Mutter, wahr. Der jüngste Sohn Chlothars hatte Anhänger unter den Neustriern, aber einen scharfen Gegner in dem Garonnesachsen Aighyna. Eine blutige Auseinandersetzung zwischen Brodulf und Aighyna hatte Chlothar 627 mit Hilfe der "BURGUNDOFARONEN", das heißt der frankoburgundischen Großen, verhindern können. Da die BURGUNDOFARONEN 629 Dagobert als König anerkannten, folgte ihnen auch die Mehrzahl der neustrischen Bischöfe und Großen. Dagobert nahm den "weisen Rat" an, den Bruder mit einem Unter-Königreich Toulouse zu entschädigen, das den Süden Aquitaniens von den Pyrenäen bis hinauf nach Saintes, Perigeux, Cahors, Rodez und Javols (mende) umfaßte. Aber er ließ Chariberts Mentor Brodulf bei der Umfahrt durch die frankoburgundische Königsprovinz töten und verstieß sein Gattin Gomatrud, die Schwester seiner Stiefmutter Sigihild, weil sie kinderlos geblieben war. Zur Königin erhob er Nantechild, ein sächsisches Mädchen aus dem Dienstpersonal.
Die Abfindung des Bruders mit einem Unter-Königreich, das zugleich eine Art Großmark gegen die Basken und die gotische Narbonensis bildete, war ein geschickter Schachzug - Charibert gelang es 631, die unruhigen Basken zu unterwerfen. Sie war zugleich auch eine staatsrechtliche Neuerung, die den Willen erkennen läßt, die Chlothar II. zugefallene monarchia zu institutionalisieren. Nun war das Markenkönigtum Chariberts II. von kurzer Dauer, da Dagoberts Bruder schon 632 starb und sein kleiner Bruder Chilperich ihm bald - vielleicht nicht ohne Nachhilfe des Oheims - im Tod folgte.
Dagobert hatte die Umwälzung im weiten Raum zwischen dem Franken-Reich und dem Imperium schon als austrasischer Teilkönig aufmerksam verfolgt und wie seine Vorgänger Beziehungen zum Kaiser aufgenommen. Eine fränkische Gesandtschaft zu Heraclius, wohl gefolgt von einer kaiserlichen Legation, kehrte 630 aus Konstantinopel zurück. Reibungen ergaben sich aber bald mit Samo. Ein fränkischer Gesandter, der Genugtuung für Überfälle auf Kaufleute in Samos Reich fordern sollte, machte in Überschreitung seiner Kompetenzen einen Anspruch auf Oberherrschaft seines Herrn geltend. Darüber kam es 631 zum Bruch. Dagobert griff im Bündnis mit den Langobarden das Samo-Reich an. Er ließ das austrasische Reichsheer in drei Gruppen aufmarschieren, von denen eine aus Alamannen unter ihrem Herzog Chrodobert bestand. Während die Langobarden gegen die Alpenslawen in Kärnten Erfolge erzielten und die Alamannen an unbekanntem Ort siegreich blieben, erlitt das Hauptheer bei Wogastisburc (Kaaden an der Eger) eine schwere Niederlage, die zur Folge hatte, dass sich nun auch die Sorben zwischen Elbe und Saale unter ihrem dux Dervan dem Samo-Reich anschlossen. Thüringen wurde in den nächsten Jahren regelmäßig von den Slawen heimgesucht. Als zur gleichen Zeit Bulgaren als Flüchtlinge vor den Awaren in Bayern einströmten, soll der König den Befehl gegeben haben, sie umzubringen.
Die Fredegarchronik des 7. Jahrhunderts führt die Niederlage von Wogastisburc auf einen Zwiespalt zwischen dem König und den Austrasiern zurück, die von Dagobert "ausgeplündert" worden wären. Von "Ausplünderungen" ist nichts überliefert. In Wirklichkeit waren die austrasischen Großen wohl enttäuscht, dass sie bei Dagobert, der die föderative Struktur der "Monarchie" offenbar respektierte, nicht mehr die erste Geige spielten. Dagobert zog zwar 632 mit Elitetruppen aus Neuster und Burgund gegen die in Thüringen eingefallenen Wenden, war aber offenbar froh, als ihm die Sachsen zwischen Elbe, Saale und Harz erklärten, sie würden die Lage schon meistern, wenn er ihnen den - offenbar seit dem Thüringerkrieg von 531 - geschuldeten Tribut erließe. Der König war weder willens noch in der Lage, die Kräfte des Gesamtreichs gegen Samo zu mobilisieren, da er auch anderwärts fränkische Interessen wahrzunehmen hatte. Im kritischen Jahr der Niederlage von Wolgastisburc hatte er - etwas leichtfertig - dem gotischen Usurpator Sisenand ein Hilfsheer gegen den König Swinthila von Toledo gestellt. Sorgen bereiteten immer die Basken und - in geringem Maß - die Bretonen. Gegen die Basken bot Dagobert 636 das Heer des frankoburgundischen Reichsteils unter dem Befehl von 12 Gebiets-Herzögen und weiteren königsunmittelbaren comites auf. Der Erfolg war so durchschlagend, dass sich daraufhin auch der Bretonen-König Judicäel dem MEROWINGER unterwarf.
Die Auseinandersetzung mit Samo blieb Sache der Austrasier. Der König traf die notwendigen organisatorischen Maßnahmen. Er fand für Thüringen den geeigneten Mann in Radulf, den er als Herzog mit der Grenzverteidigung beauftragte. Außerdem erhob er in Auster seinen Sohn Sigibert zum König mit der Residenz in Metz unter der Regentschaft des Bischofs Kunibert von Köln und des Herzogs Adalgisel. Da Sigibert noch ein Kind von zwei Jahren war, kam den Regenten ein weit größerer Regierungsspielraum zu als 623. Andererseits war der Umfang des zweiten austrasischen Unter-Königtums kleiner als der des ersten. Nicht nur Pippin, sondern auch andere duces Austrasiorum verblieben unter der direkten Herrschaft Dagoberts. Zu ihnen gehörten außer dem dux der Champagne wahrscheinlich die Herzöge der Elsässer, Alamannen und Bayern. Der thüringische Sprengel Radulfs mit dem fränkischen Aufmarschgebiet zur Elbe-Saalegrenze an Mittelrhein (Mainz, Worms, Speyer) und Main wurde jedoch dem Metzer Unter-Königreich Sigiberts angeschlossen. Daraus ergaben sich noch vor dem Tod Dagoberts Reibungen zwischen den Regenten, die den PIPPINIDEN und ARNULFINGERN nahe standen, und dem erfolgreichen Thüringer-Herzog, der vielleicht der Sippe des 613 zum austrasischen Hausmeier erhobenen Rado angehörte.
Das Metzer Unter-Königreich Sigiberts erscheint auf den ersten Blick als ein Pendant zum Tolosaner Unter-Königreich Chariberts II. Es diente zweifellos der Entlastung Dagoberts in der Abwehr der "Wenden", war aber zugleich auch eine Konzession an die Kreise der fränkisch-austrasischen Aristokratie, in denen die Tradition des austrasischen Teilreichs aus dem 6. Jahrhundert fortlebte und unterschied sich so von der aquitanischen Herrschaft des Königs-Bruders. Mit dem Königsnamen Sigibert knüpfte Dagobert selbst an diese Tradition an. Die Wiederherstellung des austrasischen Teilreichs war damit zumindest als Möglichkeit angedeutet. Die Entscheidung fiel, als dem König 634 von Nanthild ein zweiten Sohn geboren wurde, der den bezeichnenden Namen Chlodwig erhielt. Noch im gleichen Jahr bestimmte Dagobert "auf Rat der Neustrier", dass nach seinem Tod Neuster und Burgund an Chlodwig, das regnum Austrasiorum in seinem alten Umfang mit Ausnahme der Erwerbungen nach 584 an Sigibert fallen solle. Die austrasischen Großen mußten sich - "ob sie wollten oder nicht" - darauf verpflichten. Manche Austrasier rechneten also wohl noch damit, dass Sigibert nach dem Tod seines Vaters die monarchia weiter führen oder doch das austrasische Teilreich in dem Umfang erben würde, den es unter Theudebert II. besessen hatte. Sie wurden enttäuscht. Dagobert stellte die Weichen für die kommenden Jahrzehnte.
Der burgundische Verfasser der Fredegarchronik rühmt das Regiment des jungen Dagobert in Auster in höchsten Tönen: freigiebig und gerecht gegenüber den Armen habe er alle seine Völker glücklich regiert, keiner seiner Vorgänger sei ihm an Lob gleichgekommen. Selbst die Völker an der awarisch-slawischen Grenze - gemeint sind wohl die Thüringer und die Bayern - hätten ihn ersucht, sie zu führen und die Awaren, Slawen und sonstige Nationen bis zu den Grenzen des Imperiums zu unterwerfen. Nach seiner Übersiedlung nach Paris, das heißt nach der Übernahme der Herrschaft im Gesamtreich habe er aber alle Gerechtigkeit vergessen, den Königsschatz auf Kosten der Kirche und der leudes rücksichtslos bereichert und sich der luxoria (Ausschweifungen) ergeben, drei Königinnen und zahllose Konkubinen unterhalten.
Der angeblich radikale Sinneswandel seit der Übersiedlung nach Paris, das heißt seitdem Dagobert dem Einfluß Pippins und seiner Partei entglitt, beruht auf den einseitigen Traditionen oppositioneller Kreise. Das Lob, das "Fredegar" dem königlichen Regiment in Auster spendete, war nicht unbegründet, ist aber nicht auf die Jahre vor dem Regierungsantritt im Gesamtreich zu beschränken. Die Regierung Dagoberts hinterließ in der Gesetzgebung wie in der politischen und kirchlichen Organisation Austers und seiner Nebenländer deutliche Spuren, die frühestens wohl im alamannischen Bereich.
Dagobert starb überraschend nach kurzer Krankheit am 19. Januar 638 oder 639 und wurde in St. Denis beigesetzt.