Ewig Eugen:
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"Die Merowinger und das Frankenreich"

An der Seite des Aegidius und des Paulus erscheint Childerich von Tournai als Führer der salischen Föderaten 463 und 469 in den Kämpfen gegen die Goten bei Orleans. Gemeinsam mit Paulus wandte er sich 469 gegen die Sachsen, die sich an der Loiremündung festgesetzt hatten und Angers belagerten. Nachdem Paulus vor Angers gefallen war, vertrieb er die sächsischen Piraten von der Loire und unterwarf anschließend, wie es scheint, rebellische Alanen im Orleanais (oder Alamannen im Gebiet von Troyes?). Childerich führte diese Aktionen offenbar als föderierter General durch, nicht als König von Tournai. Dass ihm auch ein Militärsprengel in der Belgica secunda (Provinz Reims) zugeteilt war, geht aus einem Schreiben des Metropoliten Remigius von Reims zum Regierungsantritt Chlodwigs hervor. Der Umfang des Sprengels bleibt freilich unklar, ebenso die näheren Umstände der Verleihung. Denkbar ist, dass Childerich 469 in direkte Beziehungen zum Kaiser Anthemius und später auch zu Julius Nepos trat. Der Münzschatz, der ihm ins Grab gegeben wurde, läßt erkennen, dass er Subsidien der Ost-Kaiser Leo (457-474) und Zeno (474-492) erhalten hatte. Die Subsidien Leos dürften über Anthemius, die Hilfsgelder Zenos können über Julius Nepos oder auch direkt aus Ostrom an den Franken-König gelangt sein.
Durch das römische Kommando wuchs Childerich über die übrigen salischen Könige hinaus, die ihm als Föderaten vielleicht sogar unterstellt waren. Zum Episkopat seines Sprengels unterhielt er, obwohl Heide, gute Beziehungen. Das Verhältnis zu Syagrius scheint sich in den 70-er Jahren verschlechtert zu haben. Von einer Unterordnung konnte jedenfalls nicht mehr die Rede sein. Wenn Childerich seit 475 in direkter Beziehung zu Kaiser Zeno stand, wenn seine thüringische Gattin Basena, was freilich nicht feststeht, aus dem Haus der thüringischen Großkönige stammte, dann ist er vielleicht schon über Syagrius hinausgewachsen, jedenfalls aber ein ebenbürtiger Partner oder Rivale des Erben der nordgallischen Heermeister geworden, den Gregor von Tours als rex Romanorum bezeichnete.
Childerich starb 481 oder 482 und wurde bei seiner Residenz Tournai begraben. Die Wiederentdeckung seines Grabes bei der Pfarrkirche St. Brictius im Jahre 1653 erregte internationales Aufsehen. Der König war in voller Tracht mit Waffen, Insignien und einem Schatz von Gold- und Silbermünzen bestattet worden. Die prunkvolle Art der Bestattung, die Form der Waffen und der goldene Handgelenkring kennzeichnen den fränkischen König, der Siegelring, die goldene Zwiebelknopffibel und das paludamentum (der von der Fibel gehaltene Mantel) den hohen römischen Offizier (K. Böhner). Ein goldener Stierkopf erinnert an den göttlichen Ahnherrn der MEROWINGER.
Ausgrabungen, die seit 1983 durchgeführt wurden, haben 93 Gräber "eines eindeutig fränkischen Gräberfeldes" aufgedeckt, das in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts, vielleicht im Anschluß an das Königsgrab, angelegt wurde. Im Umkreis des Childerich-Grabes zeugen 21 in drei Gruben beigesetzte Pferde des Königs für ein heidnisch-germanisches Bestattungsritual (J. Werner).