Lexikon des Mittelalters:
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Goten (Gothen),
germanisches Volk (BoStwneV(?): Strabo, GSqwneV: Ptolemaios, GAtqoi: Prokop und spätere Autoren, Gutones: Plinius, Gothones: Tacitus), seit dem 3. Jh. v. Chr. an der unteren Weichsel. Nach Plin. nat. 4,94 unter Oberherrschaft der Vandalen (?), erreichten die Goten als polyethnisch sich entwickelnder Stammesverband zusammen mit anderen Stämmen (Heruler) nach der Südwanderung des 2.-3. Jh. n. Chr. das Schwarze Meer. Seit 238 sind fast jährliche Invasionen ins römische Gebiet bezeugt (Erwähnung als GoSddeV in Siegesinschrift Sapors I.). Um 290 kommt es zur Teilung in West-Goten und Ost-Goten. Zeugnisse künstlerischer Darstellung (Gundestrupkessel, Ring von Pietroassa, Schnallen, Helmverzierungen, Adler auf Emblemen und Münzen) erlauben keine präzisen Schlüsse auf Eigenheiten oder Akkulturation (Tscherniachov). Im 4. Jh. errichteten die Ostgoten unter monarchischer Leitung (AMALER, Ermanarich) ein ausgedehntes Herrschaftsgebiet in Ost-Europa; auf der Krim sind Reste der gotischen Sprache noch im 16. Jh. nachweisbar. Die West-Goten traten unter dem BALTHEN Athanarich in Valachei und Siebenbürgen (Dakien) neben einheimischen, zum Teil romanisierter Restbevölkerung lebend und diese sich zweifellos unterordnend in enge, wechselhafte Beziehung zu Rom; ein Bewußtsein der Zusammengehörigkeit der Goten blieb stets gewahrt. Die Völkerwanderung spaltete die ostgotischen und westgotischen Verbände schnell auf. Erstere gelangten unter neuer Agglomeration nach vorübergehender Ansiedlung auf Imperiumsgebiet (Theodosius I.) und Kämpfen mit Ost- wie Westrom (Alarich) in das südwestliche Gallien und Anfang des 6. Jh. nach Spanien, wo ihr Reich bis 723 bestand. Ein starker ostgotischer Kern geriet unter die Herrschaft Attilas, erschien in drei zuletzt vereinigten Gruppen als Föderaten von Byzanz in Illyrien und zog 489 nach Italien, wo das Reich in gewollter Abhängigkeit von Byzanz (Cassiod. var. 1,1) mit der politischen Ordnung und einer Kontrolle über die anderen germanischen Staaten auf römischen Gebiet betraut wurde (Theoderich). Schließlich wurden die Ost-Goten nach 20jährigem Krieg (535-555) mit Byzanz aufgerieben (Justinian, Belisar). Im arianischen Glauben wurden die West-Goten im 4., die Ost-Goten im 5. Jh. missioniert. Schien für die Ost-Goten das politische Ziel die weitere Integration in das Imperium (Amalasuntha, Theodahad) zu sein, so erreichten die West-Goten seit Eurich neben Unabhängigkeit auch die rechtliche Stabilisierung des Verhältnisses zu den Römern in ihrem Reich. Ostgoten, Westgoten. - Zum Gotenbild in der mittelalterlichen Tradition Goticismus.
G. Wirth
Größter Stamm der Ostgermanen mit ursprünglichen
Sitzen in Süd-Skandinavien. Zu Beginn unserer Zeitrechnung saßen
sie an der Weichselmündung und zogen um 150-200 nach der Nord- und
Nordwest-küste des Schwarzen Meeres. Die West-Goten oder Terringen
(Waldmenschen) ließen sich um 270 im Gebiet des heutigen Transsilvanien
nieder, die Ost-Goten oder Greutungen (Steppenmenschen) gründeten
ein Reich an der Nordküste des Schwarzen Meeres. 370 überrannten
die Hunnen dieses Reich unter seinem König Ermanarich
und griffen auch die Westgoten an. Daraufhin gingen die Westgoten 376 über
die Donau und schlugen 378 den oströmischen Kaiser Valens
bei Adrianopel. Zunächst ließen sie sich dann als Verbündete
nördlich der Donau (heute etwa Rumänien) nieder und nahmen um
350 das arianische Christentum (Bibelübersetzung des Ulfilas) an,
zogen aber 395-410 unter König Alarich
I. nach Griechenland und Italien und eroberten 410 Rom. Über
Gallien gelangten sie nach Spanien, wo sie sich zunächst wieder als
römische Verbündete niederließen. 475 erklärte sich
König
Eurich als von Rom unabhängig und
eroberte ganz Spanien und Süd-Gallien. Sein Sohn Alarich
II. verlor jedoch Gallien an den Franken-König Chlodwig.
Das westgotische Reich bestand bis 711 weiter. Die Araber machten ihm ein
Ende. Die Ostgoten zogen, soweit sie nicht unter hunnischer Herrschaft
in ihren alten Sitzen blieben, über den Balkan ins Römische Reich
und eroberten unter Theoderich dem Großen
Italien. Hier gründeten sie ihr neues Reich. Theoderichs
Bemühungen, gotisches und italisches Volkstum zu verschmelzen, scheiterten.
Unter Justinian I. eroberte der
byzantinische Feldherr Narses
Italien zurück; in mehreren Schlachten besiegte er die Goten-Könige
Totila und Teja,
der 553 am Vesuv fiel.