Die Ehe Pippins
III. mit Bertrada brachte
dem
karolingischen Hausgut vermutlich
jene Besitzungen ein, die ursprünglich zwischen den Töchtern
der Irmina
von Ören geteilt worden waren. Dadurch wurden die Güter
neuerlich in einer Hand vereint. Als Vater der
Bertrada wird Heribert
von Laon genannt, den Hlawitschka für einen Sohn der älteren
Bertrada, einer Schwester Plektruds,
hält.
Bertrda die Jüngere
scheint ihren Vater allein beerbt zu haben, Schwestern sind jedenfalls
keine überliefert. Brüder können wohl, da Bertrada
Land erbte, auf alle Fälle ausgeschlossen werden. Ähnlich wie
Plektrud
gewann auch Bertrada erst mit zunehmendem
Alter Einfluß und wurde selbst politisch tätig. Auch ihre Bedeutung
scheint primär in ihrer Stellung als Gemahlin Pippins
III. und nicht im Rückhalt an ihrer eigenen Sippe begründet
gewesen zu sein. Das Datum des Eheschlusses zwischen Pippin
III. und Bertrada ist nicht
überliefert, die Geburt KARLS DES GROSSEN
wird sowohl zu Jahre 742 als auch zum Jahre 747 berichtet. Als gesichertere
Aussage gilt allgemein 742. Die Heirat scheint also noch vor dem Tod Karl
Martells erfolgt zu sein.
Obwohl Bertradas
politische Aktivität zum größten Teil bereits in die gemeinsame
Regierungszeit ihrer Söhne, KARLS
und Karlmanns, fiel, soll sie doch
an dieser Stelle behandelt werden. Denn Bertrada
verkörperte in gewissem Maße noch den Typus der politisch tätigen
Königs-Witwe
der
MEROWINGER-Zeit, der auch bei den frühen KAROLINGERN
festzustellen ist. Seit der Alleinherrschaft KARLS
DES GROSSEN fand sich hingegen dieser Typus bei den KAROLINGERN
kaum mehr. Insofern stellte Bertrada
den Endpunkt einer Entwicklung dar. Anderseits wurde ihre Rolle als Königs-Witwe
auch von den Impulsen bestimmt, die ein Ergebnis der Veränderungen
im fränkischen Reich seit der Regierung Pippins
III. waren. Bertradas Entscheidung
zwischen einer papstfreundlichen Politik und einem langobardischen Bündnis
trug nämlich dem erweiterten Horizont des fränkischen Reiches
Rechnung. Bertrada war nicht, wie Hiltrud
oder Swanahild,
an persönliche oder sippenbedingte regionale Interessen gebunden.
Eine gewisse Neigung Bertradas
zu
einer langobardisch orientierten, wenn auch nicht unbedingt langobardenfreundlichen
Bündnispolitik war bereits 754 festzustellen gewesen. Bertrada
vertrat damals gewissermaßen die kompromißbereite Variante
der Italienpolitik Pippins III., die
wohl nötig wurde, als Karlmann
überraschend ins fränkische Reich zurückkehrte. Während
nämlich 754 Pippin III. dem Hilferuf
des Papstes gegen die Langobarden
Folge leistete, fand Karlmann als deren
Unterhändler freundliche Aufnahme bei Bertrada.
Im Sinne einer vorsichtigen Politik könnten Pippin
III. und Bertrada durchaus
einvernehmlich gehandelt haben. Karlmann
selbst war 747 nach Italien gezogen und Mönch geworden. Die Quellen
begründen Karlmanns Verhalten
vor allem mit religiöser Neigung, möglicherweise hatte ihn aber
die politische Entwicklung in seinem Reich zur Flucht gezwungen. Bevor
Karlmann
nach Italien gezogen war, hatte er sein Reich und seinen Sohn Drogo
Pippin III. anvertraut. Als Pippin
König wurde, schloß er die Nachkommen Karlmanns
ausdrücklich von jedem Anspruch auf die Herrschaft aus. Jedoch wurden
sie anscheinend erst nach dem neuerlichen Auftauchen Karlmanns
im Franken-Reich gezwungen, in
den Mönchsstand überzutreten. Von seiner diplomatischen Mission
im Auftrag der Langobarden erhoffte Karlmannsich
wohl eine Wendung. Als der Papst 753 ins Franken-Reich ging und
Pippins
Hilfe gegen die Langobarden erbat, suchte man auf langobardischer Seite
wohl ein geeignetes Mittel, dem päpstlich-fränkischen Bündnis
entgegenzuwirken. Karlmann, der bis
zu diesem Zeitpunkt als einfacher Mönch in Montecassiono gelebt hatte,
schien dazu geeignet. Mit ihm sandten die Langobarden einen Unterhändler
ins fränkische Reich, der eine Bedrohung der Stellung Pippins
III. bedeuten konnte. Die Rechnung ging allerdings nicht auf,
denn
Pippin III. zog trotz des unvermuteten
Erscheinens seines Bruders nach Italien. Karlmann
blieb
mit Bertrada in Vienne zurück,
wo er verstarb.
Die Reichsannalen, die nicht einmal Bertradas
Teilnahme an Pippins III. Königserhebung
vermerken, erwähnen die Frau des ersten karolingischen
Königs ausgerechnet im Zusammenhang mit ihrem Schwager Karlmann
zum ersten Mal. Es darf vermutet werden, daß hinter dieser kurzgefaßten
annalistischen Nachricht eine Entscheidung von großer Tragweite stand.
Denn während Pippin III. nach
Italien marschierte, war Bertrada
auf
diplomatischer Ebene tätig. Sie sicherte Pippins
III. Rückendeckung in den eigenen Reihen und wendete einen
Angriff ab, den man von langobardischer Seite er auf die Einheit des fränkischen
Reiches unternommen hatte. Offensichtlich parierte Bertrada
die Finte des Gegners insofern, als sie sich zögernd verhandlungsbereit
zeigte, und damit die Interessen Karlmanns von
denen der Langobarden trennte.
Der größere Teil der Italienpolitik
Bertradas fiel in die Zeit ihrer Witwenschaft. Pippin
III. hinterließ 768 zwei erwachsene Söhne, unter
denen er kurz vor seinem Ableben das Reich geteilt hatte. Für
Bertrada
bestand keine Chance, eine vormundschaftliche Regierung einzurichten und
so im Zentrum politischen Geschehens zu bleiben. Sie leistete jedoch diplomatische
Dienste, zu denen die Teilung des Reiches Anlaß genug gab. Ihre Stärke
bestand in einer Politik des Ausgleiches. Als
Bertrada sich für ein Bündnis mit den Langobarden
entschied, lag dem eine klare Rechnung zugrunde: ein geteiltes Franken-Reich
konnte ohne Konkurrenz der Teil-Könige die papstfreundliche Politik
Pippins
III. nicht fortsetzen. Auseinandersetzungen unter den Brüdern
aber bargen die Gefahr in sich, von Außenstehenden zu deren Vorteil
benützt zu werden. Also strebte Bertrada
danch, ein Gleichgewicht der politischen Kräfte herzustellen, das
die Teilreiche ihrer Söhne von der Einmischung anderer politischer
Kräfte freihalten sollte. Durch diese Politik war Bertrada
den langobardischen Bundesgenossen überlegen. So unterblieb etwa die
Verbindung ihrer Tochter Gisla
mit dem Sohn des Desiderius,
obwohl ursprünglich eine Doppelheirat als Besiegelung des neuen Bündnisses
zwischen Langobarden und Franken vereinbart worden war.
Im Jahre 770, als offenbar Gefahr bestand, daß
verschiedene Interessengruppen aus Uneinigkeit zwischen den Brüdern
KARL
und Karlmann
politisches Kapital schlagen könnten, griff Bertrada
ein. Sie wandte sich zuerst nach Selz und traf dort mit Karlmann
zusammen.
Dann setzte sie ihre Reise über Baiern nach Italien fort und rief
ein Bündnissystem größten Stils ins Leben. Sie verabredete
eine Doppelhochzeit zwischen dem langobardischen Herrscher und ihrer eigenen
Familie und führte die Tochter des Desiderius
mit ins Franken-Reich zu ihrem Sohn KARL.
Sie bezog also ihre Söhne KARL
und Karlmann, den
Langobarden-König
Desiderius und den mit ihm verschwägerten Baiern-Herzog
Tassilo, vielleicht auch den Papst, in ihr Bündnissystem
ein. Daß sie bei so vielschichtig gelagerten Interssen nicht mit
offenen Karten verhandeln konnte, ist nicht schwer zu verstehen. Es scheint
Bertrada
gelungen zu sein, jden ihrer Verhandlungspartner davon zu überzeugen,
ein vorteilhaftes Bündnis zu schließen. Ihr eigenes Bemühen
galt aber wohl - wie die Reiseroute wahrscheinlich macht - ihren beiden
Söhnen zu gleichen Teilen, um so viel mehr, als Bertrada
gerade durch den Ausgleich zwischen KARL
und Karlmann selbst an Bedeutung gewann.
Vermutlich hob erst der Tod Karlmanns
das Bündnissystem auf, das
Bertrada
geschaffen hatte. Hatte man fränkischerseits zunächst den Eheschluß
Gislas
mit dem Sohn des Desiderius vermutlich
nur hinausgezögert, so sah man sich nun zu einer solchen Heirat nicht
veranlaßt. Diese Haltung mußte den langobardischen König
verstimmen. Als die Familie Karlmanns
bei ihm Schutz suchte, entschied er sich zu einer Vorgangsweise, die sich
gegen KARL richtete und ließ
die Nachkommen Karlmanns zu Königen
salben. Dies scheint KARL dazu bestimmt
zu haben, den Bruch mit Desiderius
seinerseits zu dokumentieren und dessen Tochter zu verstoßen. Der
überlieferte Unmut Bertradas über
KARLS
Vorgangsweise muß sich nämlich nicht unbedingt gegen eine willkürliche
Störung des politischen Gleichgewichts gerichtet haben, wie sie nur
eine Scheidung vor dem Tod Karlmanns hervorgerufen
haben würde. Bertrada könnte
ebensogut KARLS Politik gegenüber
den Nachkommen Karlmanns gemißbilligt
haben. Konsequent und unter Verzicht auf die Eintracht im fränkischen
Reich scheint sie jedoch nicht den Standpunkt der Nachkommen
Karlmanns
verfochten zu haben, denn sie fehlte im Lager ihrer Schwiegertochter
Gerberga,
als diese zu dem Langobarden-König floh. Ob nur die Quellen schweigen
- Einhard betont in geradezu auffälliger Weise das gute Verhältnis
zwischen KARL und seiner Mutter - oder
ob Bertrada tatsächlich auf eine
Politik für die Nachkommen Karlmanns
verzichtete, weil ihr die Machtmittel dazu fehlten, muß dahingestellt
bleiben. Allenfalls könnte sie KARLS
Scheidung auch deshalb abgelehnt haben, weil sie zumindest über die
Töchter des Desiderius einen gewissen
Einfluß auf den Sohn behalten wollte. Jedenfalls nahm Bertrada
während der Alleinherrschaft KARLS DES GROSSEN
keine bedeutende Stellung mehr ein.