Isenburg, Wilhelm Karl Prinz von: STAMMTAFELN zur
Geschichte der EUROPÄISCHEN STAATEN Band II Die außerdeutschen
Staaten, Verlag J.A. Stargardt Marburg 1953 Tafel 143 -
Lexikon des Mittelalters: Band III Spalte 2044
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Epeiros
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[2] DAS FÜRSTENTUM EPEIROS
Nach dem 4. Kreuzzug und der Eroberung von Konstantinopel
(Lateinisches Kaiserreich) wurde Epeiros zum unabhängigen Staat. Michael
I. Komnenos Dukas, ein Vetter Isaaks
II., macht sich die verworrene Lage nach der lateinischen
Eroberung und bemächtigte sich des Themas von Nikopolis. Er warf sich
zum Führer des Widerstandes gegen die Kreuzfahrer auf und machte Arta
zu seinem Hauptquartier. Im Laufe von zehn Jahren errichtete er ein Herrschaftsgebiet,
das von Dyrrhachion bis Naupaktos reichte und Korfu einschloß. Seine
bedeutendste Stadt neben Arta war Joannina, als dessen Gründer sich
Michael stolz bezeichnete.
Das gesamte Gebiet war bei der Teilung des Byzantinischen
Reiches durch die Kreuzfahrer Venedig zugesprochen worden. Mit den Venezianern,
die die Küste gut kannten und sich ihre dortigen Handelsprivilegien
noch 1198 hatten bestätigen lassen, kam Michael I. 1210 zu
einem Abkommen, wobei er die formelle Lehnshoheit Venedigs anerkannte.
Damit hielt Michael tatsächlich die Macht der Lateiner von
seinem Herrschaftsgebiet fern, in dem er zahlreichen byzantinischen Flüchtlingen
Asyl gewährte. Sein Halbbruder und Nachfolger Theodor
erweiterte den epirotischen Machtbereich, indem er die Lateiner aus Thessalien
und die Bulgaren aus dem westlichen Makedonien verdrängte. 1224 nahm
er Thessalonike ein und ließ sich vom Erzbischof von Ochrid,
Demetrios Chomatenos, zum Kaiser krönen, eine unmittelbare
Gegenreaktion auf das nach dem Vierten Kreuzzug begründete byzantinische
Kaisertum von Nikaia in Kleinasien. Bevor Theodor
seinen Plan, Konstantinoüpel zurückzuerobern, verwirklichen konnte,
wurde er 1230 bei Klokotnica von den Bulgaren geschlagen. In der Folgezeit
wurde sein Kaiserreich von Thessalonike von den erfolgreicheren
nicaenischen Konkurrenten rasch absorbiert. Theodors
Neffe
und Nachfolger, Michael
II. von Epiros, der dem Kaiserreich Nikaia 1259 bei Pelagonia unterlag,
war gezwungen, sich mit dem bescheideneren Reich von Epiros zufriedenzugeben;
er war der erste unabhängige Herrscher von Epiros, der den Titel
'Despotes' trug. Daher wird Epiros häufig 'Despotat
von Epiros' genannt, obwohl diese Bezeichnung mehr eine geographische
als eine institutionell-politische Relevanz besitzt.
Nach der Rückeroberung von Konstantinopel durch
Michael
VIII. von Nikaia (1261) verweigerte Epiros die Anerkennung
der neuerrichteten Reichsgewalt und kämpfte für die Erhaltung
der eigenen Selbständigkeit. Hierbei fand der Despot einen Verbündeten
in Manfred,
König
von Sizilien, der sich mit
Michaels
Tochter
vermählte. Die Mitgift umfaßte Korfu, Valona und andere
epirotische Küstenplätze. Aufgrund der Entthronung Manfreds
durch
Karl von Anjou (1266) kamen diese
Besitzungen unter angevinische Herrschaft;
Karl besetzet Dyrrhachion und ließ
sich zum 'König von Albanien' proklamieren. Sein erklärtes
Ziel war, vom Brückenkopf Dyrrhachion aus Byzanz anzugreifen, und
zwar auf der Route, die vor ihm schon die unteritalienischen Normannen-Fürsten
benutzt hatten. Kaiser
Michael VIII. durchkreuzte diese Pläne jedoch bereits durch
seinen Sieg bei Berat (1281); die durch Michael
VIII. geschürte Sizilianische Vesper (1282) zwang den
ANJOU schließlich zur gänzlichen Rücknahme seiner
Streitkräfte; Dyrrhachion und Valona kamen unter die direkte Herrschaft
von Konstantinopel. Damit war Epiros Nova den Despoten von Epiros verlorengegangen.
Dennoch gaben sie ihren Widerstand gegenden Kaiser nicht auf. Michaels
II. Sohn Nikephoros
vermählte seine Tochter
1294 mit dem Enkel Karls von Anjou,
Philipp von Tarent; im Zuge dieses
Heiratsbündnisses wurden den Franken große Gebiete im südlichen
Epiros (Aitolien, Akarnanien) abgetreten. Durch seine Politik behauptete
der Despot von Epiros in trotziger Weise seine Unabhängigkeit gegen
den Kaiser, der ihn seinerseits als Rebellen verurteilte.
1318 wurde Thoams,
der letzte direkte Nachkomme
Michaels I., von seinem
Neffen Niccolo Orsini, ermordet; damit wurde das Fürstentum
Epiros von hellenisierten Adligen italienischer Herkunft usurpiert. Erst
1340 wurde es von Kaiser
Andronikos
III. und seinem Großdomestikos Johannes
Kanzakuzenos gewaltsam dem Byzantinischen Reich einverleibt.
Bereits acht Jahre später wurde es dem Reich jedoch von den Trupen
des Zaren von Serbien, Stefan
Dusan, entrissen und gemeinsam mit Thessalien der Regierungsgewalt
von dessen Halbbruder Simeon Uros
später unterstellt. Die serbische Eroerung begünstigte die Ansiedlung
von Albanern in Epiros. Simeon Uros
übergab Arta und Aitolien zwei albanischen Stammesfürsten, denen
er den Despoten-Titel verlieh, während der seinen Schwiegersohn
Thomas Preljubovic als Despot von Joannina einsetzte. So gab
es zwei "Despotate", ein serbisches im Norden und ein albansches im Süden,
die sich häufig befehdeten. Die im frühen 15. Jh. verfaßte
griechische "Chronik von Epiros" (auch: "Chronik von Joannina") berichtet
von Preljubovics Tyrannie und seinen Kämpfen mit Albanern. 1384 wurde
er ermordet; sein Nachfoler
Esau Buondelmonti, ein Florentiner von
den Ionischen Inseln, versuchte durch Heirat mit einer Albanerin die erneute
Vereinigung von Epiros zu erreichen. Nach seinem Tode (1411) wurde sein
Neffe Carlo Tocco,
Graf von Kephallenia, zur Verteidigung
von Joannina gegen Albaner wie Türken herbeigerufen. Seine Waffentaten
rühmt eine griechische Reimchronik, die "Chronik der Tocco", verfaßt
um sein Sterbejahr 1429. Carlo erhielt den Despoten-Titel von
Kaiser Manuel
II.; er bewerksteligte eine Einigung des Fürstentums
insbesondere durch die Vertreibung der Albaner aus Arta (1416); doch vermochte
er das Vordringen der Türken nicht aufzuhalten und war sogar genötigt,
ihre Hilfe gegen die Albaner in Anspruch zu nehmen. Im März 1430 eroberten
und plünderten die Türken Thessalonike, im Oktober desselben
Jahres ergab sich Joannna dem Heerfüherer Sinan Pasa gegen
die Zusicherung bestimmter Garantien. Im März 1449 besetzten die Türken
Arta, und das Fürstentum Epiros wurde dem Osamnischen Reich einverleibt.
1479 fielen die letzten verbleibenden Territorien der TOCCO, Vonitza
am Golf von Ambrakia sowie Kephallenia, Leukas und Zakynthos, Zante (diese
Insel wurde bald von den Venezianern zurückgekauft); an den Landschaften
Aitolien und Akarnanien haftete noch lange der Name Karli-eli ('Land
des Carlo'), und die Nachkommen von Carlo Tocco führten noch
bis ins 17. Jh. den leeren Titel von Despoten von Epiros.
Despotat Epiros
Den beiden anderen Nachfolgestaaaten kam weniger Bedeutung
zu. Wegen ihrer jeweiligen geographischen Lage an der Adriaküste und
an der Südost-Küste des Schwarzen Meeres lagen sie zu weit abseits,
um auf den Gang der Dinge nachhaltig Einfluß nehmen zu können.
Auch ging ihnen das besondere Prestige ab, welches der Patriarchensitz
Nikäa verlieh. Das Despotat Epiros (um den späteren Namen zu
verwenden) wurde kurz nach der Einnahme Konstantinopels von einem gewissen
Michael
Komnenos Dukas gegründet; er gilt als unehelicher Sohn
Sebastokrator
Johannes Angelos Dukas' (Sohn der Kaiser-Tochter
Theodora
und damit Enkel Alexios'
I. Komnenos) und ist dadurch ein Vetter Isaaks
II. und Alexios'
III. In Anbetracht der geschichtlichen Ereignisse überrascht
es nicht, dass weder er noch sein Vater sich je ANGELOS
genannt haben. Von seiner Hauptstadt Arta aus kontrollierte er die ganze
Nordwest-Küste Griechenlands und einen Teil Thessaliens. Dieses Herrschaftsgebiet
sollte sein Halbbruder Theodor, der ihm 1215 nachfolgte,
schon bald beträchtlich erweitern, indem er der lateinischen Seite
neun Jahre später Thessalonike abnahm, sich umgehend zum Kaiser krönen
ließ und so mit Johannes
Vatatzes von Nikäa um diesen Titel rivalisierte. Die
Rivalität währte indes nicht lange - 1242 zwang Johannes
Vatatzes Theodors Sohn
Johannes,
auf den Kaisertitel zu verzichten und statt dessen fortan den eines Despoten
zu führen; vier Jahre danach annektierte er Thessalonike.