Sohn des N.N. und der Bertha aus der Familie der Grafen von Tusculum
eigentlich Hildebrand von Sovana/Pitigliano
Lexikon des Mittelalters: Band IV Seite 1669
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Gregor VII (Hildebrand), Papst seit 22. April 1073
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* um 1020/25, + 25. Mai 1085
in der südl. Toscana (Soana) Salerno
Gregor, über
dessen Abstammung nichts Sicheres bekannt ist, kam bereits in jungen Jahren
nach Rom, wo er sich zumindest zeitweise in dem Marienkloster auf dem Aventin
aufgehalten hat. 1047 begleitete er Gregor
VI. in die Verbannung nach Deutschland. Als Gregor
Anfang 1049 von Leo IX.
nach Rom zurückgeholt wurde, dürfte er bereits Mönch
gewesen sein. 1050 wurde er mit der Leitung des Klosters S. Paolo fuori
le mura betraut. Als päpstlicher Legat
reiste er 1054 und
1056 nach Frankreich, Ende 1057 an den deutschen Hof. Spätestens seit
Herbst 1059 in der Stellung eines Archidiakons für die Finanzverwaltung
der römischen Kirche verantwortlich, gewann Gregor
zunehmend
Einfluß auf die päpstliche Politik. Bei den Beisetzungsfeierlichkeiten
für Alexanderwurde
Gregor
von den Römern in tumultartiger Weise zum Papst
erhoben (22. April 1073) Dieses Verfahren, das einen Verstoß gegen
das Papstwahldekret
Nikolaus'
II. von 1059 bedeutete, wurde erst nachträglich von den Kardinälen
legalisiert.
Als Papst widmete Gregor seine
ganze Kraft der Verwirklichung der Kirchenreform, in deren Dienst er sie
seit 1074 regelmäßig in Rom veranstalteten Fastensynoden stellte.
Die königlicher Inverstiturpraxis blieb zunächst weitgehend unangetastet.
Ein generelles Invetiturverbot erfolgte wohl erst auf der Lateransynode
1078, ausgeweitet auf die Niederkirchen 1080. So hat auch in den künftigen
Auseinandersetzungen mit dem deutschen König die Investiturfrage nicht
die entscheidende Rolle gespielt. Schlaglichtartig wird jedoch der von
Gregor
VII. erhobene Führungsanspruch des Papstes innerhalb der
Kirche wie im Verhältnis zur weltlichen Gewalt im "Dictatus papae"
(Gregor
VII.,
Reg. II, 55a) erkennbar.
Wie schon seine Vorgänger versuchte Gregor
VII. verschiedene europäische Reiche durch lehensrechtliche
Beziehungen an die römische Kurie zu binden. Dies führte jedoch
nur in den unbedeutenden Fürstentümern Dalmatien und Kroatien
(1076) zum Erfolg. Wilhelm der Eroberer
lehnte die aus der Verleihung der Petersfahne abgeleitete lehenshoheitlichen
Ansprüche ab und beschränkte sich auf die Zahlung eines Peterspfennigs.
Philipp
I. von Frankreich drohte Gregor VII.
mit Exkommunikation und Absetzung, vermied jedoch den offenen Bruch. In
Spanien vermochte Gregor die Lehenshoheit
der Kurie über Aragon hinaus zu erweitern. In Vorwegnahme des Kreuzzugsgedankens
propagierte Gregor VII.
1074 einen
Zug abendländischer Ritter in den Orient zur Verteidigung der byzantinischen
Christen vor den heidnischen Seldschuken. Damit verband er die Hoffnung
auf Beseitigung des Schismas mit der Ostkirche. Auf derselben Linie lag
die Unterstützung der Reconquista in Spanien als "heiliger Krieg".
Gegenüber dem deutschen König zeigte Gregor
VII. zunächst Entgegenkommen, da er dessen Unterstützung
für eine Reform der Reichskirche zu gewinnen hoffte. Der Konflikt
mit HEINRICH
IV. entzündete sich an der unkanonischen Besetzung
des Mailänder Erzstuhles mit dem königlichen Kaplan Thedald (1075).
Gregors mit einer Bannandrohung verbundene
Vorhaltungen vom Dezember 1075 wurden von
HEINRICH
IV. als Angriff auf die königliche Herrschaft gewertet.
Getragen von der reformfreundlichen Stimmung des deutschen Episkopats,
forderte HEINRICH IV. auf der Wormser
Reichsversammlung (24. Januar 1076) Gregor VII.
zur Abdankung auf. Gregor reagierte
hierauf auf der römischen Fastensynode (14. Februar 1076) mit Exkommunikation
und Absetzung des Königs und Lösung aller demselben geleisteten
Eide. Durch den Bußakt von Canossa (28. Januar 1077) sah sich Gregor
VII. genötigt,
HEINRICH
die Absolution zu erteilen. Nachdem gegen seine Absicht zu Forchheim (15.
März 1077) Rudolf
von Rheinfelden zum Gegen-König erhoben worden war,
bekannte sich Gregor im Interesse der
von ihm beanspruchten Schiedsrichterrolle zu strikter Neutralität
im deutschen Thronstreit. Unbeirrt von zeitweiligen Rückschlägen
hielt er an seiner Absicht fest, die Reichskirche im Bündnis mit dem
deutschen König zu reformieren. Erst auf der Fastensynode 1080 vollzog
Gregor
VII. mit der Wiederholung des Bannspruchs und der Anerkennung
RUDOLFS
als
rechtmäßigen König endgültig den Bruch mit HEINRICH
IV. Eine unter HEINRICHS
Vorsitz in Brixen zusammengetretene Synode (25. Juni 1080) beschloß
daraufhin die Einleitung eines kanonischen Verfahrens gegen Gregor
VII. und nominierte Erzbischof
Wibert von Ravenna zum Papst. Infolge seiner unbeugsamen, allen Verständigungsbemühungen
von königlicher Seite gegenüber verschlossenen Haltung geriet
Gregor
VII. zunehmend in die Isolation. Eine Anfang 1084 in Rom einsetzende
Abfallbewegung, der sich 13 Kardinäle anschlossen, ermöglichte
HEINRICH
IV. den Einzug in die Stadt (21. März). Von dem zum Papst
erhobenen Wibert (Clemens
III.) wurde HEINRICH IV. Ostern
1084 zum Kaiser gekrönt. Gregor VII.,
der sich in der Engelsburg verschanzt hatte, wurde von seinem Vasallen
Robert Guiscard befreit. Angesichts der Ausschreitungen der normannischen
Truppen mußte Gregorjedoch Rom
mit diesen verlassen und starb unnachgiebig bis zuletzt - im Exil in Salerno.
Obgleich bei Mit- und Nachwelt umstritten (Heiligsprechung
erst 1606), darf Gregor VII. als einer
der bedeutendsten Päpste des Mittelalters angesehen werden. Die rund
360 im Originalregister überlieferten Briefe vermitteln ein anschauliches
Bild von seiner Persönlichkeit. Gregor VII.
sah sein Wirken einbezogen in den eschatologischen Dimensionen annehmenden
Kampf zwischen Gottesreich und den Mächten des Bösen. Überzeugt
vom absoluten Vorrang des sacerdotium gegenüber dem regnum erfuhr
durch ihn die Forderung der Reformer nach Freiheit der Kirche von der Welt
eine Umdeutung im hierarchischen Sinne zur "Herrschaft der Kirche über
die Welt" (Caspar).
Kühner Hans: Seite 142-148
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"Lexikon der Päpste"
Nach dem Tode Gregors VI., den er ins Exil nach
Köln begleitet hatte, war Hildebrand
Mönch geworden. Ein Aufenthalt in Cluny ist wahrscheinlich. Mit Leo
IX. kehrte er nach Rom zurück und beherrschte von nun an Päpste
und Reformbestrebungen durch sechs Pontifikate - bald im Amt des Archidiakons
der Kirche, das heißt des Finanzministers; mit Geld verstand er auch
als Papst bestens umzugehen. Er wurde mächtiger als alle Päpste,
denen er diente und die keine Handlung ohne seine Billigung vornahmen.
Die Volkserhebung als Papsterhebung, während Alexander
II. noch nicht beerdigt war, konnte als glänzend vorbereitet
bezeichnet werden. Die Kardinäle stimmten nur noch begeistert zu -
die Wahl wurde zum Zelebrieren der Person des Gewählten. Und doch
erfolgte die Wahl ohne eine Andeutung von Simonie.
Mit an Gewißheit grenzender Wahrscheinlichkeit
gehörte auch
Gregor VII. zur Familie
der Grafen von Tusculum, da seine Mutter Bertha wohl die Urenkelin
der berüchtigten Senatrix
Marozia und Widos
II. von Tuscien gewesen ist, deren Tochter ebenfalls Bertha
hieß - wie auch die Mutter
Widos II., Tochter Lothars
II. von Lothringen und der Mätresse Waldrada. Demnach
wäre der Papst - der germanische Name Bertha erscheint sonst
nie - indirekter Nachkomme jenes von Nikolaus I. verdammten Paares
von Lothringen, was erklären würde, warum er nicht ein einziges
Mal seinen großen Vorgänger nennt, obwohl er dessen Gedankengut
erweiternd ausgebaut hat. Durch Heirat der mit Namen nicht bekannten Schwester
seiner Mutter mit Leo Christianus, dem Ahnherrn des Hauses PIERLEONI und
Großvater des späteren
Gegen-Papstes
Anaklet II., kam der Papst in verwandtschaftliche Beziehung zu
dem christlich gewordenen reichsten jüdischen Hause Roms. Da nun der
von
HEINRICH III. abgesetzte
Gregor
VI. wohl der Bruder des Leo Christianus ist und Hildebrand
den
Abgesetzten nicht nur ins Exil begleitet und seinen Papstnamen angenommen
hat, dazu Universalerbe des außerordentlich reichen Ex-Papstes geworden
war, werden weitreichende familiäre Bindungen sichtbar. Die auch während
des Pontifikates äußerst engen Beziehungen zum Hause PIERLEONI
haben jedoch nichts zu ändern vermocht am lebenslangen Judenhaß
des Papstes. Die mütterliche Herkunft würde allenfalls auch das
konstante Bündnis des Papstes mit dem mächtigen kaiserfeindlichen
Hause LOTHRINGEN-TUSZIEN erklären und mit dessen Alleinerbin, der
Großgräfin
Mathilde, der bedeutendsten Frau Italiens im 11. Jahrhundert, die
sich dem gregorianischen Papsttum unabdingbar verband und den Papst schließlich
zum Erben ihrer Ländereien machte, worüber Kaiser und Päpste
sich bis 1250 streiten sollten.
Sowenig der Papst die Bedeutung des reformbegeisterten
Kaisers
HEINRICH III. als des Retters des Papsttums aus äußerstem
Verfall hätte leugnen können, so klar erkannte er die Gefahren
einer kaiserlichen Vormachtstellung über das Papsttum. So versuchte
er, den jahrhundertealten Caesaro-Papismus in einen Papo-Caesarismus zu
verwandeln. War HEINRICH III. der rex
sacerdos gewesen, so wünschte der Papst zu Saverdos Rex, sogar Imperator
zu werden. Die 27 Sätze seines Dictatus Papae, eine Art Grundgesetz
des gregorianischen Universums, gehen weit über die Vorstellungen
Nikolaus'
I. hinaus. Ausgiebig machte er von den Fälschungen des Pseudo-Isidor
Gebrauch, behauptete eine Frühform der Unfehlbarkeit, erklärte
die Erbheiligkeit der Päpste und das Recht auf Absetzung unliebsamer
Monarchen. Er legte größten Wert - immer nach dem Dictatus Papae
- auf Ehren, Fußkuß und kaiserliche Insignien. Die Selbstbespiegelung
in der Macht oder in den Vorstellungen absoluter Papstmacht konnte hier
kaum weiter getrieben werden. Der katholische Papsthistoriker Georg Schwaiger
sagt dazu: "Der Dictatus Papae Gregors VII.,
wie immer man ihn ansetzen und interpretieren mag, ist... vom Geist der
Heiligen Schrift her, vom dort ausgesprochenen Hauptgebot der Liebe her
betrachtet ein schauerliches Schriftstück."
Erfüllt von einer hypertrophischen Petrusmystik,
die ihn die Forderung aufstellen ließ, alle reiche der Erde seien
Lehen des Apostels Petrus, ist der Papst zum Begründer der monarchischen
Kriegsmystik verband, in deren Dienst er einen Militiae Sancti Petri genannten
Heerhaufen aufstellte. "Verflucht, wer sein Schwert reinhält vom Blut"
wurde seine Lieblingsdevise.
Nachdem er auf der ersten seiner berühmten Fastensynoden
Robert Guiscard, der nach der Einnahme Palermos in päpstliches Gebiet
vorgedrungen war, gebannt und gleichzeitig einen Kreuzzug gegen die nach
der Schlacht bei Mantzikert Byzanz bedrängenden Seldschuken verkündet
hatte, setzte er eine Soldateska von 50.000 Mann in Bewegung, stellte sich
an ihre Spitze und schrieb in pathetischer Siegesgewißheit Briefe
"aus dem Feldlager". Er nannte sich Dux und modelte Petrus zum himmlischen
Feldmarschall um. Seine gegen Robert Guiscard gerichteten, im Osten fortzusetzenden,
an wirrer Phantastik reichen Kriegspläne, die bereits alle Anzeichen
der späteren Kreuzzugspsychose zeigten, endeten allerdings bereits
zwei Tagesreisen von Rom entfernt auf das kläglichste. "Ein Blatt
in der Weltgeschichte", so schreibt Ferdinand Gregorovius, "ist leer geblieben,
worauf der größte aller Päpste als ein enthusiastischer
Alexander
oder
Trajan
mit
dem Krummstab und der Tiara an der Spitze fanatisierter Myriaden würde
sichtbar gewesen sein. Das kolossale Unternehmen sank indes zu einer Karikatur
herab."
An dieser Stelle setzt die innere Krise des Papsttums
ein. "Das Papsttum", so formuliert es Arnold Toynbee, "verfiel somit dem
Dämon der Gewaltanwendung, dem er es ursprünglich selbst hatte
austreiben wollen. Damit finden wir auch die Erklärung für die
weiteren Wandlungen des eisernen Schwertes statt der geistigen Waffe liegt
dem zugrunde."
Auf drei Synoden hat der Papst die Fragen der Simonie,
also der völligen Korruption des Priesterstandes, sowie dem Zölibat
behandelt, - auf vier Synoden das schwerwiegende kirchenpolitische Problem
der Investitur. Umfassende Erfolge im Bereich der beiden ersten Kategorien
waren nicht zu erwarten. Die Simonie hört erst während der Gegenreformation
im 16. Jahrhundert auf.
Die Zölibatsfrage ist von der Substanz her bis heute
ungelöst, weil sie biblisch nicht begründbar ist. Für den
Papst bedeuteten Priesterehe und Unzucht Synonyma. Wo seine Zölibatsgesetze
gewaltsam durchgeführt wurden, kam es fast in ganz Europa zu Unruhen,
und die widerlichen Treibjagden auf Priesterfrauen stießen selbst
Anhänger der Reform ab. Und wenn der Besuch der Messe verheirateten
Priester verboten wurde, so ist daran zu erinnern, dass die Kirche unermüdlich
die Lehre verboten wurde, so ist daran zu erinnern, dass die Kirche unermüdlich
die Lehre verkündet und wiederholt, die Unwürdigkeit des die
Sakramente Spendenden und des Zelebrierenden berühre die Würdigkeit
des Sakraments und Kultes in keiner Weise. Zur Durchführung seiner
Reformgesetze institutionalisierte der Papst das Amt der Legaten, welche
die Reformen in den einzelnen Ländern zu überwachen hatten.
Das Investiturdekret beantwortete König
HEINRICH IV., der an seinem Investiturrrecht festhielt, auf
dem Reichstag zu Worms mit der Absetzung des Papstes, der seinerseits den
König in den Bann tat, ein bis dahin nie gesehenes Ereignis. Die Folge
war, dass der größte Teil der Fürsten und des Episkopates
sich von HEINRICH IV. abwandte und
die Erhebung eines Gegenkönigs androhte. Der Papst wurde auf einen
Reichstag nach Augsburg eingeladen. Er, der nicht die Absetzung, sondern
die völlige Unterwerfung des Königs und den Vasalleneid wünschte,
befand sich auf der Reise nach Augsburg, als der König in Italien
erschien. Der Papst ließ daraufhin auf Schloß Canossa
bei Reggio nieder, dem Besitz seiner Gönnerin, der Großgräfin
Mathilde von Tuszien, der Stieftochter des Herzog-Markgrafen
Gottfried IV. des Bärtigen von Tuszien und Frau von dessen
Sohn aus 1. Ehe, Gottfrieds
V. des Buckligen von Nieder-Lothringen. Der König kam nach
Canossa und bat um Lösung vom Bann, die er nach drei Tagen des durch
Legenden ausgeschmückten Wartens widerwillig gewährt bekam. Trotzdem
wählten die deutschen Fürsten Herzog
Rudolf von Schwaben, den Mann von Mathilde,
der einzigen Schwester des Königs, zum Gegen-König, indessen
fast der ganze Episkopat wieder auf die Seite des Königs trat.
HEINRICH IV. war
nach Canossa, das zum bleibenden Begriff des Gegeneinander von Kirche und
Staat geworden ist, gekommen, weil er die des Bannes wegen Abgefallenen
wieder gewinnen wollte, nicht jedoch, weil er das Recht auf Seiten des
Papstes sah. Dieser wiederum erblickte in der Abschaffung der seit den
OTTONEN
entwickelten,
von HEINRICH IV. als Reichsprivileg
in vollem Umfang beanspruchten Investitur, die zwar die Lehenstreue sicherte,
doch ebenso wie Simonie, Konkubinat und Priesterehe den Klerus immer stärker
korrumpierte, zu Recht das Kernproblem aller Reform, den kein Laie durfte
das Recht zu geistlicher Investitur besitzen.
Auch nach Canossa hielt der König an der Investitur
fest. So folgte der zweite Bann unter hochdramatischen Anrufungen sämtlicher
Apostel, denen allein alle Reiche und Würden der Erde gehörten,
mit dem Recht beliebiger Verteilung, womit Gregor VII. die Päpste
meinte. Seine Illusionen kannten keine Grenzen mehr. Dem erheblich wirkungsloseren
zweiten Bann folgte zwar kein Canossa mehr, wohl aber die Erhebung von
Gegen-Papst
Klemens III., der als Erzbischof Wibert von Ravenna königlicher
Kanzler von Italien war - eine übrigens hochbedeutende Persönlichkeit,
die viel Anhang fand. Nachdem der Gegen-König gefallen war und die
päpstliche Hilfstruppen der Großgräfin Mathilde von Tuszien
bei Volta in der Nähe von Mantua durch königstreue Truppen vernichtend
geschlagen worden waren, eilte HEINRICH IV. nach
Italien und nahm, weitgehend mit dem Gelde seines Verbündeten,
Kaiser
Nikephoros' III. Botaneiates von Byzanz, des erbitterten Gegners
des mit ihm im Kriege liegenden Robert Guiscard, Rom, wo der ihn begleitende
Gegen-Papst ihn zum Kaiser krönte. Der Papst, der Robert Guiscard
eiligst vom Banne gelöst hatte, um wenigstens noch einen Verbündeten
zu haben, fand seine letzte Zuflucht in der Engelsburg. Beim Nahen Robert
Guiscards und seiner Normannen verließen der Kaiser und Gegen-Papst
Rom, und der wochenlang belagerte Papst wurde befreit, während die
Normannen Rom auf das furchtbarste plünderten.
Ein Jahr später starb der Papst in Salerno in der
Verbannung, bis zuletzt ungebeugt im Glauben an seine gerechte Sache. Seine
angeblich letzten Wirte werden immer wieder zitiert: "Ich liebte die Gerechtigkeit
und haßte das Unrecht. Darum sterbe ich in der Verbannung."
Der Papst ist eine der bedeutendsten wie auch schwerst
durchschaubaren Gestalten der Papstgeschichte wie der Weltgeschichte. Der
letzten Greifbarkeit entzieht er sich völlig, obwohl sein reiches
Schrifttum einen untrüglichen Spiegel seines Charakters überliefert.
Menschlich ist ihm kaum eine sympathische Seite abzugewinnen. Ihn kennzeichnen
Kraft und Verstand, Unbeugsamkeit und Willensmacht, Eigenschaften, die
von Härte, Fanatismus, Maßlosigkiet und Grausamkeit, Rührseligkeit
und Haßgefühlen ebenso durchzogen waren wie vom klaren Bewußtsein
seiner Bedingtheit hier, seiner Erbheiligkeit dort. Kein Wort charakterisiert
ihn so zutreffend wie das des großen Kirchenlehrers Petrus Damiani,
der ihn gründlicher als andere gekannt und ihn schließlich verlassen
hat; er nannte ihn den "heiligen Satan", und er hat bittere Distichen über
die Vergottungsmanie des Papstes geschrieben.
Der Papst verkörperte die Theokratie des Papsttums
in letzter Ausprägung, geblendet und besessen von der Macht, die ihm
jedoch mehr vorschwebte, als dass er sie je besessen hätte - am wenigsten
politisch. Auch als Reformer war er weit mehr Politiker, Klerikalpolitiker
als Priester und Nachfolger Jesu: Politiker in einer fast altrömisch-caesarisch
anmutenden Weise, ein Menschenverächter Menschenbeherrscher. Dass
er am liebsten sein Mönchsgewand trug, muß mehr als Pose denn
als Demut gesehen werden. Sein hierarchisches Ethos war unbestreitbar,
wirkte jedoch steinern-erblos, ein Ethos der Disziplin im Gottesstaat seiner
nie verwirklichenden Gesamtvorstellungen und Ideale; ein Ethos ohne Wärme
und elementare Christlichkeit. Das einzige Recht der Welt bestand für
ihn in der Unterwerfung unter den Papst-Imperator, in der völligen
Versklavung unter den Willen des Papstes. Die Staatenwelt war für
ihn eine Ausgeburt des Teufels, - was sich um den Papst scharte dagegen
Licht und Himmel. Er beanspruchte die Oberhoheit über alle Länder
und maßte sich an, weltliche Geschichte zu bestimmen, was praktisch
Kriege und Spaltungen zur Folge hatte. "Wenn der heilige und Apostolische
Stuhl durch die ihm von Gott übertragene einzigartige Vollmacht das
Recht hat über geistliche Dinge zu urteilen, warum dann nicht auch
über weltliche?" Und weiter: "Wenn am Sitz des heiligen Petrus über
himmlische Angelegenheiten entschieden wird, wie viel mehr über irdische
und weltliche." Nach diesen Ansprüchen wäre zu fragen, ob sie
noch einer Entscheidung Gottes selber über "himmlische Angelegenheiten"
Raum ließen. Der Papst fordere von der Welt, dass sie sich in ihm,
dem Papst-Pantokrator, und dem von ihm gedachten geistlichen Absolutismus
zu spiegeln habe, so wie er sich unentwegt in der Macht gespiegelt hat.
Seinem Absolutismus eignete etwas Erschreckendes, die Höhen, auf denen
sein Denken sich bewegte, waren Gletscher ohne Leben. Mit ihm war Petrus
zur weltlichen Macht in allen politischen Entscheidungsfragen umfunktioniert
worden, nach langer und gründlicher Vorbereitung. Er hat dem Papsttum
seine Form gegeben, doch zugleich auch zu der Frage gezwungen, was an dieser
Form bloß Form ohne Leben war. Seine Anschauungen hat er seinen Nachfolgern
bis zum Ende des Hochmittelalters und zu Bonifaz VIII. hinterlassen.
Dass dieser Papst jedoch über das Bedingte seines
Lebenswerkes hinaus gewirkt hat, faßt Ferdinand Gregorovius in dem
Satz: "Das Beste, was Gregor tat, war die von ihm nicht geahnte
Auferweckung des Geistes in der Welt durch einen Kampf, der zum erstenmale
alle sittlichen Tiefen des Lebens ergriff."
Literatur:
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Cawthorne Nigel: Das Sexleben der Päpste.
Die Skandalchronik des Vatikans. Benedikt Taschen Verlag 1999 Seite 98-103
- Goez Elke: Beatrix von Canossa und Tuszien. Eine Untersuchung
zur Geschichte des 11. Jahrhunderts, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1995
Seite 24,26,31-34,45,47,54, 69,72,82,100,108,109,111,113,119,124,145,146,149,152-156,158,165-172,176,182,184-186,221-223,
225-232- Golinello, Paolo: Mathilde und der Gang nach Canossa, Artemis
und Winkler Düsseldorf 1998 Seite 124,133,135,153-157,159,162,164-171,174-179,181-184,188-194,196,199-212,218-221,
223-227,229-231,233-235,237-243,245,248,264,273,288,299 - Hlawitschka
Eduard: Stirps Regia. Forschungen zum Königtum und Führungsschichten
im frühen Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze. Festgabe zu
seinem 60. Geburtstag. Verlag Peter Lang Frankfurt am Main - Bern - New
York - Paris Seite 529-536,538-549 - SCHWABEN UND ITALIEN IM HOCHMITTELALTER.
Vorträge und Forschungen Band LII Jan Thorbecke Verlag Stuttgart 2001
Seite 54,68,70 - Zettler, Alfons: Geschichte des Herzogtums Schwaben.
Verlag W. Kohlhammer GmbH Stuttgart 2003 Seite 178,181 -