Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 389
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Immedinger
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Eine in ihrem Personenbestand und ihren Besitzzentren nur undeutlich faßbare sächsische Adelssippe. Der Name weist auf den Leitnamen Immad, der im sächsischen Adel seit dem 8. Jh. bezeugt ist. Als bekannteste 'IMMEDINGER' werden in der Forschung die ottonische Königin Mathilde (+ 968), der Erzbischof Unwan von Hamburg-Bremen (+ 1029) und die Bischöfe Meinwerk (+ 1036) und Immad (+ 1076) von Paderborn geführt. Namentlich für die Königin Mathilde ist jedoch bezeugt, sie sei aus der 'stirps' des Sachsen-Herzogs Widukind hervorgegangen. Die Abgrenzung der 'IMMEDINGER'von den Nachfahren Widukinds stellt daher ein Problem dar. Belegt ist der Name IMMEDINGER erst durch Adam von Bremen (II, 47), der von Erzbischof Unwan sagt, er sei "clarissimo genere Immedingorum oriundus". Ekkehard von Aura spricht a. 1104 vom "stemma de Saxonia, Immedingorum tribus egregia, que et Ottonum inclite stirpi traditur vicina". Als namengebenden Spitzenahn erwähnt Ekkehard mit Bezug auf Widukind von Corvey (I, 31) einen Onkel der Königin Mathilde namens Immidund bezeichnet die Verwandtengruppe wie Widukind zugleich als "stirps Widukindi". Das "genus Immedingorum" und die "stirps Widukindi" scheinen also lediglich zwei Namen für die gleiche Verwandtengruppe zu sein. Warum man aber im 11. Jh. wohl in Hamburg-Bremen den namengebenden Spitzenahn für diese Verwandtengruppe gewechselt haben könnte, ergibt ein Blick in die nur dort überlieferte "Vita S. Willehadi". Dort ist (cap. 6) von einem "comes Emmiggo" aus dem Lerigau die Rede, der als christlicher Gefolgsmann des heiligen Willehad den Märtyrertod erlitt. Initiator dieser Verfolgung war aber der Sachsen-Herzog Widukind. Es spricht daher einiges dafür, dass die Nachrichten der "Vita S. Willehadi" den Auslöser für einen Wechsel in der Benennung der sächsischen Nachfahren des Herzogs Widukind bildeten.
Literatur:
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R. Schölkopf, Die sächs. Gf.en (919-1024)(Stud.
und Vorarb. zum Hist. Atlas Niedersachsens 22, 1957), 128ff. - S. Krüger,
Stud. zur Sächs. Grafschaftsverf. im 9. Jh. (ebd. 19, 1960), 90ff.
- H. Bannasch, Das Bm. Paderborn unter den Bf.en Rethar und Meinwerk (983-1036)(Stud.
und Q. zur westfäl. Gesch. 12, 1972), 81ff. - R. Wenskus, Sächs.
Stammesadel und frk. Reichsadel, 1976, 115ff. - J.M. van Winter, Hamaländer
Gf.en als Angehörige der Reichsaristokratie im 10. Jahrhundert, RhVjbll
44, 1980, 16-46, 19f. - K. Schmid, Unerforschte Q. aus quellenarmer Zeit
(II). Wer waren die "fratres" von Halberstadt aus der Zeit Kg. Heinrichs
I.? (Fschr. B. Schwineköfer, 1982), 117-140, 121ff. - G. Althoff,
Genealog. und andere Fiktionen im ma. Historiographie (Fälschungen
im MA I [MGH Schr. 33, I], 1988, 417-441, 428ff.
Wenskus Reinhard: Seite 115,153-154
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"Sächsischer Stammesadel und fränkischer Reichsadel"
Nachdem aber K. Schmidt gezeigt hat, dass die IMMEDINGER
keine Agnaten Widukinds
waren, gewinnt die Bedeutung der Widukind-Tradition
in dieser Familie besondere Bedeutung. K. Schmid hat aus anderen parallelen
Zeugnissen widukindischen Herkunftsbewußtseins
dafür eine anti-karolingische
Haltung wahrscheinlich machen können. Das ist in der Tat sehr plausibel,
denn gerade die immedingischen Besitzzentren
erscheinen in besonderer Weise mit offensichtlich aus Konfiskationen herrührendem
Reichsgut durchsetzt. Der Fiskus Medenheim, zu dem auch das damals
unwichtigere Northeim gehörte, scheint geradezu aus einer
immedingischen Großgrundherrschaft herausgeschnitten zu
sein. Die Harzrandstraße, die die immedingischen
Besitzzentren im Liesgau und im Salzgau um Ringelheim, dem immedingischenHauskloster,
verbindet, ist zur Zeit, als die Urkunden zu sprechen beginnen, eine Straße,
die durch Reichsgut führt. Die Namen Gittelde, Seesen, Lutter am Barenberge
deuten auf einen fast geschlossenen Komplex alten Reichsgutes am Harzrand,
in dem jedoch einige Namen auf die alten Besitzer hinweisen: beiderseits
des Seesener Passes liegen die beiden Wüstungen Immedeshausen (bei
Gittelde).
Die anti-karolingische
Tendenz eines Zweiges der IMMEDINGER
wandelte sich im Laufe des 9. Jahrhunderts zu einer anti-konradinischen.
Das ist die Grundlage des Ehebündnisses zweier bisher in gegnerischen
Lagern stehenden Geschlechter: die IMMEDINGERIN
Mathilde
heiratete den LIUDOLFINGER HEINRICH,
den späteren König, der vielleicht erst durch diese Ehe das erdrückende
Übergewicht in O-Sachsen erhielt, das ihm seinen Aufstieg ermöglichte,
während der Zuwachs an Grundbesitz im widukindischen
Bereich Westfalens bescheiden blieb, wie schon Hömberg gesehen hat.
Der Vater Mathildes
trug den Namen Theoderichs des Großen.
Dass mit diesem Leitnamen der IMMEDINGER-Sippe
der AMALER gemeint war, gewährleisten
Namen wie der Amalradas, der Schwester
der Königin. Noch der Bruder des bedeutenden IMMEDINGERS
Meinwerk von Paderborn ist ein Theoderich.
Auch ihren Nachfolgern in der
immedingischen
Grafschaft im Liesgau, den von den STADERN abstammenden KATLENBURGERN,
vererbten sie den Namen Dietrich als Leitnamen.
Die IMMEDINGER waren
eins der führenden Geschlechter Ostfalens vor den Sachsenkriegen,
das in seiner Haltung mit der Widukinds in Westfalen zu vergleichen
ist.
Diese im IMMEDINGER-Geschlecht lebendige altthüringische
Tradition (im Gegensatz zur jungthüringischen der LIUDOLFINGER-Vorfahren)
ist nun mit anderen Tatsachen in Verbindung zu bringen. Das alte ostfälische,
auf einige ostengrische Gebiete wohl sekundär übergreifende Besitzzentrum
der IMMEDINGER deckt sich zum Teil mit einer Namenlandschaft, die
nicht mit dem übrigen Sachsen zusammenhängt, sondern mit Thüringen
und Hessen. Das gilt sowohl für jene oben genannten -hausen-Ortsnamen
mit einem Personennamen im Genetiv als "Bestimmungswort" als auch für
das Verbreitungsgebiet gleichartig gebildeter Ortsnamen auf -ingen/-ungen
in Süd-Niedersachsen, Nord-Hessen und West-Thüringen (Eichsfels),
auf das G. Neumann hingewiesen hat. Der durch die erwähnten Namengruppen
charakterisierte Raum erfaßt nur die südliche Hälfte der
IMMEDINGER-Kerngebiets zwischen Weser und Harz/Oker. Dagegen ist
von archäologischer Seite die thüringische Komponente im ganzen
südlichen Niedersachsen und darüber hinaus nachgewiesen worden,
wenn man auch eine "ethnische Deutung" dieses Sachverhalts von den Erfahrungen
der Forschungsgeschichte her nicht akzeptierte. Gerade die thüringische
Tradition der IMMEDINGER legt nun eine solche "ethnische Deutung"
unmittelbar nahe. Dabei ist zu berücksischtigen, daß die von
Widukind überlieferte Darstellung des Thüringenkrieges
[1309 Widukind I 9.], die man freilich überheblich als eine
der "Erfindungen" dieses ottonischen
Geschichtsschreibers abgewertet hat, damit voll in Einklang steht. Der
Franken-König Theuderich
(Thiadricus) erreichte mit einem großen Heer
die Grenzen der Thüringer (terminus Thuringorum) bei einem
Ort Runibergun, den die Quedlinburger Annalen im Gau Marstem lokalisieren
[1310 Ann. Quedlinburg. MGH SS II 32, 2.]. Es handelt sich also
um Ronneburg südwestlich Hannover, nicht um Ronnneburg bei Nebra oder
die Ruhnsburg an der Hainleite. Das bedeutet, daß in der Vorstellung
noch des 10. Jahrhunderts auch Ostfalen im engeren Sinn, das Gebiet um
Hildesheim, als damals thüringisches Land angesehen wurde, ganz in
Übereinstimmung mit dem archäologischen Befund und der noch im
9. Jahrhundert faßbaren Überlieferung der IMMEDINGER,
die wir als Traditionskern dieses altthüringischen Komplexes verstehen
dürfen. Ab dem für die liudoilfingische
Vorgeschichte wichtigen merowingischen Thüringer-Reich
Radulfs hatte das eigentliche Ostfalen,
wie das Fehlen der -leben-Ortsnamen anzudeuten scheint, jedoch keinen Anteil
mehr. Es dürfte schon vorher, vielleicht nicht lange nach der Niederlage
Irmfrids, in sächsische Zusammenhänge geraten sein,
wobei die Art, auf die dies geschah, vorerst dunkel bleibt. Nachdem um
700 weitere thüringische Gebiete im Elb-Saaleraum, aber vielleicht
auch an der oberen Leine sich den Sachsen zuordnete, war der ganze Bereich,
den wir später als immedingisch bestimmt fassen können
"sächsisch" geworden, was nicht ausschloß, daß die thüringische
Tradition der Familie weiterlebte und bis ins 10. Jahrhundert politische
Folgen hatte. Als in der Zeit der karolingischen
Sachsenkriege die politischen Fronten quer durch die alten Hochadelsfamilien
in Sachsen gingen, wich ein Teil der IMMEDINGER in jenes Gebiet
aus, das nach der Verpflanzung eines Teils der Thüringer in den niederfränkischen
Bereich noch thüringische Übberlieferung kannte. Von dort haben
sie wohl zeitweise Einfluß in der alten Heimat gewonnen können.
Die Zukunft gehörte jedoch jenem Zweig des Geschhlechts, das die politische
und eheliche Verbindung mit dem Widukind-Kreis anfangs mit starken
Machtverlusten bezahlen mußte, die jedoch durch das Aussterben des
widukindischen Mannesstammes und die Übernahme eines großen
Teils seiner Herrschaftspositionen im westlichen Sachsen mehr als ausgeglichen
hat. Ein weiterer Aufstieg wurde dann durch die Heirat HEINRICHS
I. mit der IMMEDINGERIN Mathilde
eingeleitet, die dem Geschlecht neue Wirkungsfelder erschloß, jedoch
auch dem sächsischen Königtum eine mächtige Gruppe innerhalb
des sächsischen Hochadels zuführte.
Trillmich Werner:
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"Kaiser Konrad II. und seine Zeit" 1991 Seite 53
Unter den sächsischen Geschlechtern, die in niederrheinischen
Adelsfehden der Zeit HEINRICHS
II. ihre Bedeutung für Nieder-Lothringen einbüßten,
ragte die schwer faßbare
Widukind-Sippe hervor, zu der auch
die IMMEDINGER gehörten. Von Westfalen
her erstreckten sich ihre Güter bis an Rhein und Ijssel. Durch
Mathilde, HEINRICHS I. Gemahlin,
die mittelfriesische Ahnen besaß, war sie den LIUDOLFINGERN
verschwägert. Der Königin dürften Güter östlich
vom Ijsselmeere und im Maaslande gehört haben, was die Stellung ihres
Sohnes Bruno
als Erzbischof von Köln und Regent des Herzogtums Lothringen
wesentlich erleichtert haben muß. Die IMMEDINGER
Erbschaft, um die es zu blutigen Fehden kam, lag in Betuwe und Veluwe,
zwischen Ijssel und Lippemündung.
Zu Sachsens vornehmsten Adel gehörten die aus der
Widukind-Sippe
hervorgegangenen IMMEDINGER. Im Dienste
an Reich und Kirche hat sich das stolze Geschlecht während des 11.
Jahrhunderts verzehrt. Ihm entstammten außer Erzbischof Unwan
von Hamburg-Bremen (1013-1029) die Bischöfe Meinwerk (1009-1036)
und Immad (1051-1076) von Paderborn. In Engern und Westfalen, an
Weser und Leine verfügten sie über stattliches Eigengut, aus
dem auf königliche Weisung ihren Kirchen umfangreiche Schenkungen
zuteil wurden. Ihnen gehörte die Grundherrschaft Plesse im
Leinetal, das Hauskloster Ringelheim, aber auch niederlothringischer
Besitz. Von
Meinwerks Schwestern heiratete Emma
den BILLUNGER Liudger,
Glismodden
Kärntner Grafen von Treffen. Ihr Sohn Poppo erlangte die Patriarchenwürde
von Aquileia (1019-1042).