"Die sächsischen Grafen 919-1024"
4. Die Sippe des Markgrafen Wigger
Das königliche Diplom von 968, das die Begründung
des Erzbistums Magdeburg und seiner Suffraganbistümer Merseburg, Zeitz
und Meißen publizierte, führte drei Markgrafen: Wicbert, Wigger
und Günther
auf. Durch die Reihenfolge der Aufzählung läßt sich für
den Markgrafen Wigger die Mark
Zeitz herausschälen, wie auch spätere Urkunden bestätigen.
Die Kerngebiete der gräflichen Amtsbefugnisse Wiggers
lagen in thüringischen Gauen. Im Jahre 967 wurde er anläßlich
der königlichen Schenkung von Keula, Urbach und Bechtelrode (wüst)
an das Kloster Fulda als Intervenient fidelis comes noster und als
zuständiger Graf der tradierten Orte bezeichnet. Seine Grafschaft
läßt sich nicht mehr genau abgrenzen, da er zugleich mit Graf
Wilhelm (von Weimar) angeführt wurde. Auch in den Folgejahren
ist er in Thüringen faßbar. Die Güter der Kaiserin
Theophanu in regione Thuringia in Germarene marcha,
wie Eschwege, Frieda, Mühlhausen, Tutinsoda und Schlotheim, unterstanden
seinem Grafengericht. In Schlotheim erhielt das Kloster Fulda königlichen
Besitz zugewiesen. Gleicherweise tradierte eine Edelfrau (matrona)
Wendilgart ihren Eigenbesitz in marcha Ostmilinga et in marcha Bruchheim,
die in Wiggers
Comitat lagen, an das Kloster. Außer über
diese Grafschaftsrechte in der südlich davon gelegenen Thüringer
Mark, die unter der geistlichen Obhut des Bistums Zeitz stand. Der König
bedachte das neu errichtete Bistum Zeitz mit reichen Schenkungen. So erhielt
es auf Intervention Wiggers
das königliche Eigengut in der
Stadt Altenburg mit den dazugehörenden Orten im Gau Plisina (Pleißen).
Dazu kamen Besitz in den Gauen Puonzowa, Ducharin (Teuchern) und Orte im
Wetagau. Schließlich wurden dem Zeitzer Bistum noch Kirchen in Dornburg,
Egolwestedt und Kirchberg unterstellt. Es ergibt sich also für Wigger
ein Herrschaftsgebiet in den Gauen Pleißen, Teuchern, Weta und Puonzowa.
Graf
Wigger trat ferner in zwei weiteren Urkunden als Intervenient auf.
Diese Urkunden räumten ihm nur den Grafentitel ein, so dass die Urkunde
über die Errichtung der drei Bistümer die einzige bleibt, die
ihn marchio betitelte. Eine Urkunde des Jahres 980 ist von besonderer
Wichtigkeit. Sie bestätigt, dass Graf Wigger dem König
das Nonnenkloster Drübeck übereignet hatte. Jetzt erhielt
es die Immunität zugesichert. Graf Wigger
war also an dem Kloster
persönlich interessiert. Eine nähere Beziehung zwischen Graf
und Kloster ist aus der Urkunde unmittelbar nicht ersichtlich. Wenn wir
auf die Geschichte des Klosters Drübeck zurückblicken, so stoßen
wir bei seiner Entstehung auf ein Diplom
Ludwigs
des Deutschen aus dem Jahre 877, der die Tradition der beiden
Grafen
Thetti und Wikker bestätigte, die dem König das Kloster
Drübeck unterstellte. Dieses Kloster soll von beider Schwester
Adelbrin
errichtet
worden sein. Aus der Urkunde geht hervor, dass dem Kloster Drübeck
das Kloster Hohenburg im Nordthüringgau unterstellt war, das somit
ebenfalls an den König fiel. Die Urkunde stellte sich jedoch als Fälschung
des 12. Jahrhunderts heraus, die in der Absicht fabriziert wurde, Rechte
und Alter des Klosters zu erweitern. Die gesicherte Geschichte Drübecks
beginnt erst mit dem Jahre 960, in dem OTTO
I. für das Kloster eine Urkunde ausstellen ließ.
Reinicke möchte das zweite Kloster in Hornburg an der Ilse wiederfinden,
was sich schon aus sprachlichen Gründen als unmöglich erweist.
Ebensowenig kann es sich um Hornburg in der Umgebung von Eisleben handeln,
wie Bode annahm. Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass Hornburg
ein wüster, bis heute unauffindbarer Ort ist. Wenn es sich bei der
genannten Traditionsurkunde auch um eine erwiesene Fälschung handelt,
so bleibt doch eine Beziehung der Familie des Markgrafen Wigger
zu diesem Kloster bestehen. Mag auch die Entstehungszeit gewaltsam zurückdatiert
sein, so wurden die Namen der Stifterfamilie vermutlich unverändert
übernommen. Erschwerend für den Beweis tritt hinzu, dass eine
spätere Urkunde, die zur Unterstützung hätte dienen können,
ebenfalls verfälscht ist. Sie bestätigte die Übertragung
der Vogtei zu erblichem Recht an Graf Wigger, als den Bruder der
Äbtissin
Hildegard. Als Ursache wird der Tod der edlen Stifter angegeben.
Da die Amtsdaten der Äbtissin unbekannt sind, läßt sich
keine Entscheidung über den Vorgang als solchen fällen. Graf
Wigger tätigte gleichzeitig eine Güterschenkung an das Kloster,
die die Orte Aderstedt, Danstedt, Ströbeck, Wetteborn und Heudeber
umfaßte. Aus Mangel an Zeugnissen läßt sich nicht nachweisen,
ob die Familie des Markgrafen Wigger in dem Gebiet der Schenkung
Eigengut besaß. Der Ort Heudeber wurde lokalisiert als in der Grafschaft
des Grafen Liudger gelegen. Nun liegt aus dem Jahre 1022 eine echte Urkunde
vor, die auf Grund der Intervention der Äbtissin Gerbirg dem Kloster
Drübeck eben diesen Ort in der Grafschaft des Grafen Liudger überwies.
Diese Urkunde lag dem Klosterarchiv vermutlich als Muster vor. Ein sicherer
Beweis dafür, ob die Familie des Markgrafen Wigger als Stifterfamilie
für Drübeck in Betracht kommt, ist also nicht möglich. Man
wird es bei der Vermutung über eine Beziehung bewenden lassen müssen,
die sich nur auf die Urkunde des Jahres 980 stützt. Der darin aufgeführte
Graf
Wigger, dessen Tätigkeit wir von 968 an verfolgten, starb 981,
zu welchem Jahr das Fuldaer Totenbuch den Tod eines Wigger comes
verzeichnete.
Nach dieser Zeit amtierte in Thüringen im Wester-
und Watergau ein anderer Graf Wigger, wie die Urkunde des Jahres
997 bezeugte. Dieser Graf Wigger, vermutlich ein Sohn seines Amtsvorgängers,
trat durch eine Kirchengründung hervor. Im Jahre 1009 weihte der Erzbischof
von Mainz auf Bitten des Grafen Wigger eine Kirche in Dorla. Dieser
verfügte, dass die Kirche und sein ganzer Eigenbesitz in dieser Dorfmark
nach seinem Tode dem Erzstift Mainz zufallen sollte. Die Zeit seines Todes
ist unbekannt. Überblicken wir das Herrschaftsgebiet der Familie des
Markgrafen
Wigger, so umfaßte es das Eichsfeld, die Germar-Mark, Water-
und Westergau, Weta, Teuchern, Pleißen und Puozowa, wobei allerdings
nicht erwiesen ist, ob sein Sohn auch im Markengebiet amtierte.
Die Sippe des Markgrafen war das dritte große und
mächtige Grafengeschlecht im thüringischen Raum neben EKKEHARDINGERN
und WEIMARANERN.
Ihre Nachkommen nannten sich später nach ihrem
Stammsitz Bilstein
an der Werra.
Gern würde man Bischof Switger, der von 993
bis zum 19. November 1011 dem Bistum Münster vorstand, in diese
Familie einreihen. Außer der Namensgleichheit, dem Hinweis der Quedlinburger
Annalen, die ihn als vir illustris bezeichneten und der Eintragung
seines Todes im Fuldaer Totenbuch, das schon den Tod des Markgrafen verzeichnete,
lassen sich keine direkten Beziehungen ermitteln. Hinzuweisen wäre
schließlich noch auf das Auftreten des Namens Switger in der Familie
des Grafen Erp. Ob diese Übereinstimmung auf eine Versippung
zurückging, entzieht sich jeglicher Nachprüfung, bliebe aber
immerhin zu erwägen.
Den Namen Wigger führte ebenfalls ein Bischof,
der als Kölner Propst 1014 zum Bischof von Verden ordiniert wurde
und sein Amt bis zu seinem Tode am 16. August 1031 bekleidete.
Es hatte schon einmal ein Wicbert
(874-908) auf dem Verdener Bischofsstuhl gesessen. Nach Sabine
Krüger war er der Sohn eines Waltbert
comes und Enkel eines Wigbert.
Die aufgeführten Personen gehörten nachweisbar der widukind-immedingischen
Sippe an. Dass die Familie des Markgrafen Wicbert mit dieser vornehmen
Familie versippt war, wäre - zumindest dem Namen nach - möglich.
Es fehlt allerdings jeder direkte Hinweis für einen solchen Zusammenhang.
Die Machtstellung des Markgrafen Wicbert in Thüringen und dazu noch
über liudolfingisches Eigengut
geben immerhin zu denken.
Das schon erwähnte Diplom OTTOS
DES GROSSEN für Magdeburg, das dem zu gründenden Erzbistum
die Bistümer Merseburg, Zeitz und Meißen unterstellte, führte
auch den Namen des Markgrafen Wicbert an. Er stand an erster Stelle vor
den beiden anderen Markgrafen Wigger und Günther. Da diese
Urkunde als einziges Zeugnis für ihn vorliegt, ist es schwierig, seinen
Amtsbereich zu ermitteln. Es bleibt für ihn nur die östlich vorgeschobene
Mark Meißen übrig, da das Herrschaftsgebiet der beiden anderen
Markgrafen urkundlich feststellbar ist.
Markgraf Wicbert fand bei den Schriftstellern
keine Erwähnung. Sein Todesjahr ist unbekannt. Vermutlich ist die
Eintragung des Todestages eines Wihobertus comes am 15. September
im Merseburger Totenbuch auf ihn zu beziehen. Es bestand nämlich wahrscheinlich
eine Verbindung zwischen Wicbert und Merseburg. Hier war von 1004-1009
- also als Amtsvorgänger des Chronisten Thietmar - ein Wicbertus als
Bischof tätig. Die Chronica episcoporum Merseburgensium berichtet
von ihm, dass er nobilus australis Thuringiae editus parentibus
sei, was sich mit dem Markgrafen Wicbert gut in Einklang bringen
läßt. Wicbert wurde in Magdeburg unterwiesen, wo er Archipresbyter
wurde. Daher erklärt sich, dass das Magdeburger Totenbuch seinen Todestag
am 24. März als den des Wicbertus episcopus et frater noster
aufzeichnete. Er trat dann in königlichen Dienst. Der Markgraf
fand vermutlich durch ihn Aufnahme in das Merseburger Totenbuch.
Wir halten also fest, dass die Namen Wigger und Wicbert
im thüringischen Gebiet anzutreffen sind. Sprachlich gesehen sind
die Ableitungen von demselben Stamm. Aus Mangel an Zeugnissen ist es jedoch
nicht möglich, ihre Namensträger auf einen gemeinsamen Stammvater
zurückzuführen.