Eine dritte Tochter, Adelheid,
hatte, wohl noch bei Lebzeiten des Vaters, dem Schwaben-Herzog
Hermann, einem Stiefsohn KONRADS
II., die Hand gereicht, der 1036 mit der Mark seines Schwiegervaters
belehnt wurde. Nach seinem 1038 erfolgten Tode vermählte sie sich
mit dem ALEDRAMIDEN Heinrich, mit dem sie 1042-1044 in Urkunden
erscheint, um sich Ende des 5. Jahrzehnts des 11. Jahrhunderts dem SAVOYER
Otto
zu verbinden, der dann auch die Belehnung mit der Mark erhalten haben muß,
da er, zum ersten Male 1051, als marchio urkundet, während
er sich nach seinen burgundischen Besitzungen nun als Graf hätte bezeichnen
können.
Da der ältere von ihnen, Peter,
beim Tode des Vaters höchstens 14 Jahre gezählt haben kann, muß
zunächst eine Vormundschaft bestanden haben, über deren Ausübung
wir leider nichts Genaues wissen. Sicher ist nur, daß bis zu ihrem
Tode Adelheid, nicht ihre Söhne,
als die ausschlaggebende Persönlichkeit erscheint. Die wenigen Stellen
der gleichzeitigen Quellen, welche die SAVOYER erwähnen, lassen
darüber keinen Zweifel. In der Tat muß sie eine Frau von
seltener Klugheit und Tatkraft gewesen sein, die in einer schwierigen
Zeit ihre Stellung Freund und Feind gegenüber zu wahren verstand,
und männlichen Mut in der Brust einer Frau zu bergen schien. Freilich
bedurfte das savoyische Haus, dessen Hoffnung auf zwei Knaben stand,
energischer und geschickter Führung in einer Zeit, in welcher der
Widerstreit politische und kirchlicher Interessen das ganze Abendland und
namentlich das Reich in feindliche Parteien spaltete.
Auch in Adelheids
Gebiet stießen die großen kirchlichen Gegensätze mannigfach
aufeinander. Im Allgemeinen hat die kirchliche Reformpartei in Burgund
zahlreiche und eifrige Anhänger besessen. Aber gerade im Osten und
Nordosten des Landes, in den deutschen und gemischtsprachigen Gegenden,
die Adelheid unterstanden oder ihren
Besitzungen angrenzten, hat sie auch nicht zu verachtenden Widerstand gefunden.
Die Gräfin Adelheid mag sich um
so eher zum Einschreiten gegen die Pataria entschlossen haben, als die
Reformbewegung auch die großen Laiengeschlechter, welche die in ihrem
Bereiche gelegenen Bistümer mit jüngeren Söhnen zu besetzen
pflegten, in dieser Gewohnheit zu stören drohte.
Adelheid war zweifellos
den Reformideen zugetan. Mit Petrus Damiani, freilich einem der zurückhaltendsten
und konservativsten Anhänger der neuen Richtung, verband sie, vermutlich
seit seiner Reise nach Frankreich im Jahre 1062, die ihn durch ihr Gebiet
führte, brieflicher Verkehr: er war bemüht, die Bedenken zu verscheuchen,
mit welchen sie ihre wiederholten Ehen erfüllten. Ihr zweiter Sohn
Amadeus
hat sich einmal - wir wissen nicht genau wann - durch feierlichen Schwur
Papst Alexander
II. zur Hilfeleistung verpflichtet und wurde auch von Gregor den
Getreuen des Heiligen Stuhles beigerechnet. Der letztere ist Adelheid
selbst wiederholt um Schutz für die in ihrem Bereich gelegenen Klöster
angegangen. Aber sie ist weit davon entfernt gewesen, sich mit gebundenen
Händen der kirchlichen Partei zu überliefern. Der patarenischen
Bewegung trat sie, wo nötig, mit Waffengewalt entgegen.
Adelheid scheint
Anfangs noch in nahen Beziehungen zum deutschen Hof gestanden zu haben,
wie mehrere Verbindungen beweisen, die nahe Verwandte von ihr mit Angehörigen
deutscher Fürstenhäuser eingingen. Zunächst heiratete ihre
Schwester Irmgard oder Immula, deren Gemahl Otto
von Schweinfurt im September 1057 verschieden war, den Grafen Ekbert
von Braunschweig, einen nahen Verwandten des königlichen Hauses. Etwa
um dieselbe Zeit wurde Adelheids gleichnamige
Tochter RUDOLF
VON RHEINFELDEN angetraut, den es damals mit dem Hofe enger
zu verbinden galt und der somit der Schwager
HEINRICHS
IV. und der Schwiegersohn einer Fürstin wurde, deren
Besitzungen (im Wallis) den seinen benachbart lagen. Beide Ehen waren überdies
wenig glücklich. RUDOLF ließ
sich 1070 von seiner Gemahlin scheiden und es bedurfte päpstlichen
Dazwischentretens, um ihn nach zwei Jahren zu bewegen, sie wieder zu sich
zu nehmen. Auch Ekbert dachte an Scheidung, um Adela, die Witwe Ottos von
Meißen zu heiraten, und nur sein Tod (Januar 1068) behütete
Irmgard
vor dem Schicksal ihrer Nichte. Bekanntlich dachte auch
HEINRICH
selber, der 1066 in Tribur seine Braut
Bertha
heimgeführt hatte, sehr bald wieder an Trennung von seiner Gemahlin.
Er hegte schon 1069 derartigen Absichten und gewann Erzbischof Siegfried
von Mainz für dieselben. Nur das Dazwischentreten Alexanders II.,
der Petrus Damiani, den Freund von Berthas Mutter
zur Frankfurter Synode nach Deutschland entsandte, verhinderte ihre Ausführung.
Die deutschen Großen beschworen damals den jungen König dringend,
den mächtigen Verwandten seiner Gemahlin keinen Anlaß zu geben,
Wiederherstellung ihrer gekränkten Ehre mit den Waffen in der Hand
zu suchen.
Die Vernachlässigung, deren Opfer die deutsche Königin
von Seiten ihres Gemahls war, hatte doch keine Abkehr ihrer Mutter von
der deutschen Politik zur Folge, wenigstens auf die Dauer nicht. Denn als
die Bewohner von Asti, vermutlich im Jahre 1071, ihren Bischof vertrieben
und einen anderen erwählt hatten, schritt Adelheid
ein, legte nach langem Kampfe die Stadt in Asche und zwang die Bürger,
ihren Oberhirten wieder bei sich aufzunehmen.
Indessen warf der drohende Konflikt zwischen König
und Papst seine Schatten voraus; auch in Adelheids
Gebiet
machte sich sein Herannahen fühlbar; auf derselben Fatsensynode von
1075, auf welcher fünf simonistische Räte HEINRICHS
exkommuniziert
wurden, suspendierte Gregor
VII. Kunibert von Turin. Als sich HEINRICH
IV. im Winter 1076 entschloß, vom Papst die Absolution
zu erflehen, sah er sich genötigt, da ZÄHRINGER und WELFEN
ihm die östlichen Alpenpässe sperrten, seinen Weg durch Burgund
zu nehmen; in Besancon feierte er Weihnachten, bei Genf überschritt
er die Rhone und setzte, von Adelheid und
ihrem jüngeren Sohn Amadeus
ehrenvoll empfangen, seinen Weg durch ihr Gebiet fort. Nach dem Bericht
Lamberts von Hersfeld, der allein auf den Zug HEINRICHS
eingeht und die Schwierigkeiten einer Alpenüberquerung mitten im Winter
dazu benutzt, seine schriftstellerische Begabung glänzen zu lassen,
hätte
Adelheid die Erlaubnis zum
Durchzug durch ihr Gebiet an die Bedingung geknüpft, daß ihr
HEINRICH
fünf an ihre italienischen
Besitzungen angrenzende Bistümer ausliefere, endlich aber sich mit
der Abtretung einer burgundischen Provinz begnügt.
HEINRICH durchzog
Adelheids
Gebiet
und nahm auch ihre Hilfe in Anspruch, als es sich darum handelte, Gregor
VII. zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Niemand war zur Vermittlerin mehr
geeignet als Adelheid, die dem König
durch Verwandtschaft nahe stand und sich dem Papst durch einwandfreie kirchliche
Gesinnung empfahl. Sie erschien mit Amadeus neben der Gräfin
Mathilde, dem Markgrafen Azzo von Este und dem Abte von Cluny bei
Gregor in Canossa und bestätigte das Schriftstück, durch welches
sich
HEINRICH
dem Papste unterwarf.
Auffallend ist, dass neben Adelheid
immer gerade der jüngere Sohn Amadeus auftritt, während
der ältere, Peter, nirgends erwähnt wird.
Die Stellung, welche Adelheid
im weiteren Verlaufe des Investiturstreites einnahm, ist nicht recht klar.
Im Jahre 1080 suchte sie, wie es scheint, Anschluß an die päpstliche
Partei zu gewinnen. Am 9. August 1078 war Peter, am 26. Januar 1080
sein Bruder Amadeus, letzterer mit Hinterlassung eines Sohnes Humbert,
gestorben. Die Mark gelangte nun an Friedrich von Mömpelgard, den
Vetter Mathildes von Tuszien, einen eifrigen Anhänger der kirchlichen
Sache. Ob er mit Zustimmung Adelheids
die Mark usurpierte, oder ob HEINRICH,
der allen Grund hatte, Adelheid zu
schonen, sich wirklich herbeiließ, ihm die Belehnung zu erteilen,
ist zweifelhaft. Jedenfalls wird er im Mai 1080 zu Turin in einem Placitum,
das auf päpstlichen Befehl über eine Streitigkeit der Äbte
von Dijon und Fruttuaria von Kardinal Hermann, Bischof Hugo von Dic, den
Bischöfen von Sitten und Maurienne und Adelheid
und
ihrer Schwiegertochter abgehalten wurde, als marchio bezeichnet.
Vermutlich ist schon damals seine Verlobung mit Agnes, der Tochter
Peters, erfolgt, die später seine Gemahlin wurde. Aber von beiden
Parteien umworben scheint sich Adelheid
trotzdem Freiheit des Handelns bewahrt zu haben.
Noch einmal nahm Adelheid
die Gelegenheit wahr, für ihren Schwiegersohn einzutreten. Als HEINRICH
im
Sommer und Herbst 1082 siegreich Mathildes Gebiet durchzog, und dabei auch
vereinzelten Widerstand in der Lombardei niederschlug, bot sie, vielleicht
durch Benzo für HEINRICH gewonnen,
abermals ihre Vermittlerdienste an, wie es scheint, erfolglos. Am 19.
Dezember 1091 ist die energische Greisin, die wenige Monate vorher
aus unbekannter Ursache noch einmal Asti eingenommen und verbrannt hatte,
ins Grab gesunken, nachdem ihr Friedrich von Mömpelgard wenige Monate
vorher im Tode vorangegangen war.
Adelheids Tod war
für das savoyische Grafenhaus das Signal zu einer Katastrophe,
von welcher es sich nur schwer und langsam wieder erholt hat.