Sohn des Grafen
Lambert der Kahle von Camerino (+ 873)
Hlawitschka, Eduard: Seite 213-215
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"Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien
(774-962)", in: Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte Band VIII
CIII. KONRAD
Die Kaiser
WIDO und
LAMBERT
überlassen mit einer in Ravenna am 1. Mai 892 ausgestellten Urkunde
auf Bitten der Gemahlin Kaiser WIDOS,
Ageltrudis,
die curtis iuris nostri publici Leminis (= Almenno) im Comitat von
Bergamo an
Cohunradum dilectum patruum ac patruelem nostrum illustrem
marchionemund an dessen Frau Ermengunde [1 Schiaparelli,
I dipl. di Guido e di Lamberto Seite 34, nr. 13.]. Wenn in dieser Urkunde
zugleich betont wird: transfundimus et tradimus atque confirmamus, ...
sicut a sanctae memoriae Hludovico
quondam
imperatore conncessa fuit,
so legt das den Gedanken nahe, daß Markgraf Konrad den
Hof Almenno bereits früher einmal aus den Händen Kaiser
LUDWIGS II. entegegnnahm, obgleich der genaue Urkundenwortlaut
nichts angibt, an wen LUDWIG II. dereinst
seine Schenkung vornahm. Und wenn nun eine Bezugnahme auf eine beliebige
und in keinerlei Zusammehnag mit dem nunmehrigen Empfänger (Konrad)
stehende Verfügung eines Amtsvorgängers an und für sich
schon unwahrscheinlich erscheint, da so etwas nicht üblich ist, so
kann sogar in unserem speziellen Fall darauf aufmerksam gemacht werden,
daß über den Hof Almenno in der Zeit zwischen LUDWIG
II. und WIDO bereits anderweitig
rechtskräftig verfügt worden ist [2 Vgl. unten Anm. 4.
- Zur Geschichte des Hofes Almenno vgl. P. Darmstädter, Das Reichsgut
in der Lombardei Seite 108f.], so daß der Verweis WIDOS
und LAMBERTS auf eine Vergabung Kaiser
LUDWIGS II. nicht einmal die letzte, sondern irgendeine frühere
Verfügung über Almenno herausgreifen würde. Ein solches
Verfahren, stünde es nicht doch in einem Zusammenhang mit dem nunmehrigen
Empfänger Markgraf Konrad, wäre aber völlig sinnlos.
So wird man mit gutem Recht annehmen dürfen, daß Markgraf
Konrad (oder ein naher Verwandter) der Empfänger der verlorenen
Schenkungsurkunde Kaiser LUDWIGS II. war.
Das gibt aber zu weiteren Überlegungen Anlaß.
- WIDO bezeichnet den Markgrafen
Konrad als seinen patruus, das heißt als Bruder des Vaters
[3 A. Hofmeister, Markgrafen Seite 414, scheint diese konkrete Deutung
von patruus in Zweifel zu ziehen, denn er äußert sich
über den Verwandtschaftsgrad Konrads zu den WIDONEN
ganz
unbestimmt, indem er - bei Kenntnis dieser Urkunde - schreibt: "In einer
Seitenlinie, deren Verwandtschaft sich nicht genau bestimmen läßt,
blühte das Geschlecht der WIDONEN
weiter. Sie geht aus von dem erlauchten Markgrafen Konrad, ..."
- Zu Konrad vgl. auch Th. Wüstenfeld, Über die Herzoge
von Spoleto Seite 421f.; E. Riboldi, I contadi rurali del milanese Seite
240-257; N.G. Guastella, La marca settentrionale e i conti di Lecco Seite
167ff. Die Abhandlung von C.M.Rota, I Corradidi (conti die Lecco e delle
sue pertinenze), Bergamo, Tip. della Soc. Commerciale (1914), war mir nicht
zugänglich.]; für LAMBERT
ist er patruelis. Konrad gehört demnach in die große
WIDONEN-Familie.
Wenn er von LUDWIG II. bereits einmal
die curtis Almenno zugesprochen erhielt, diese aber wieder verloren
haben muß, da Ludwig der Deutsche
am 26. Februar 875 die Höfe Murgula und Almenno u.a.m. seiner Nichte
Ermengarda, der Tochter LUDWIGS
II. und Angilbergas, bestätigt
[4 MG DD Ludwig der Deutsche Seite 220, nr. 157 (= CdL Seite 441,
nr. 262). Ludwig der Deutsche greift
hiermit noch zu Lebzeiten Kaiser LUDWIGS II.
(+ 875, August/12 - vgl. BM² nr. 1275a) in italienische Belange ein.
P. Kehr vermutet in seiner MG-Edition, "daß diese Höfe
karolingischer
Familienbesitz waren, bei dessen Übertragung an die Prinzessin die
Schenkungsakte der Agnaten erforderlich waren". Scheint das nicht aber
doch eher mit dem zwischen
Angilberga
und Ludwig dem Deutschen getroffene
Nachfolgeabmachungen (BM² nr. 1254a und 1263b) zusammenzuhängen?
An dwer Echtheit der Urkunde ist jedenfalls nicht zu zweifeln; sie ist
im Original überliefert.], so kann der Verlust dieses Königshofes
vielleicht ganz einfach mit der Konspiration und dem Sturz der WIDONEN-Familie,
mit der Vertreibung Lamberts II. von Spoleto und Lamberts
des Kahlen nach Benevent etc. (871) [5 Vgl. A. Hofmeister, Markgrafen
Seite 360f. - Zu Lambert dem Kahlen, wohl Grafen von Camerino,
vgl. Zeitschrift für württembergsiche Landesgeschichte XV (1956)
Seite 190. Er war der Sohn eines Haymo.]
in Zusammenhang stehen. Und so kann uns diese Urkunde - richtig ausgelegt
- auch eine wertvolle Ergänzung zu den wenigen Nachrichten aus der
letzten Zeit LUDWIGS II. sein.
Eine im selben castro Leminne (= Almenno) ausgestellte
Urkunde [6 CdL Seite 884, nr. 518.] vom März 926 gibt zu erkennen,
daß Konrad bereits verstorben war; sein Sohn Radaldus
marchio et comes filius bone memorie Conradi olim comiti
de loco Leuco, läßt mit diesem Diplom zwei Hörige
frei. Zumal er dabei Konrad als olim comes de loco Leuco
nennt, lernen wir auch noch den Sprengel kennen, in dem Konrad wirkte:
es war die Grafschaft Lecco. In dieser Grafschaft sehen wir noch
Radalds
Enkel (?) Atto tätig.
Von italienischer Seite [7 N.G. Guastella, a.a.O.
Seite 169: "Noi troviamo un Corrado nell' 860, che, a capo di un esercito,
fu mandato dall'imperatore Lodovico II a reprimere la rivolta suscitata
in Borgogna da tale Uberto ... In premio della vittoria l'imperatore Lodovico
II avra potuto crearlo conte investendolo del comitato di Lecco; dargli
in seguito la corte regia di Alemenno ..." - Guastellas Quelle ist Andreas
von Bergamo, cap. 9. Vgl. aber schon E. Dümmler, Geschichter des ostfränkischen
Reiches II² Seite 110, der auf breiter Quellenbasis die Zuordnung
des in Burgund eingesetzten Konrad zu den WELFEN
vornimmt.] ist neuerdings der WIDONE Konrad
mit jenem welfischen Grafen
Konrad
von Auxerre identifiziert worden, der ca. 864 von Kaiser
LUDWIG II. die im Vertrag von 863 (BM² nr. 1222 b) zum
italienischen Reich geschlagene Grafschaft zwischen dem Jura und den pennischen
Alpen erhielt und in einem blutigen Treffen bei Orbe den seit dem Ehehandel
Lothars II. rebellischen Abt Hucbert
von St. Maurice besiegte und beseitigte. Eine Identifizierung ist
aber schon deshalb unmöglich, da um 877 dem WELFEN
Konrad in St. Maurice bereits ein Sohn Rudolf
nachgefolgt war [8 Benassi, Cod. dipl. Parm. I Seite
159, nr. 24.], während der widoniasche
Konrad ja 892 noch lebt, und da die Gemahlin des burgundischen Konrad
Waldrada
heißt [9 Vgl. E. Dümmler, a.a.O. Seite 110, Anm. 1.],
die des italienischen aber Ermengunde. - Auch die Behauptung, Konrad
habe zusammen mit anderen oberitalienischen Großen ein Capitulate
KARLS
DES KAHLEN 877 unterzeichnet [10 N.G. Guastella,
a.a.O. Seite 169: "Un conte Corrado compare nell' 877 nel Capitolare di
Carlo il Calvo fra i contie principi che questo re aveva scelto cui affidare
le cura dei suoi figli. Si trova in mezzo a molti principi italieni illustri
per nobilita e potenza, quali Bosone, Bernardo, Guido - il futuro re d'Italiae
imperatore - ecc. ... con tutta verisimiglianza questo Corrado e lo stesso
che abbiamvo visto nell' 860, ma che ormai era entrato nella cerchia degli
alti dignitari e quindi intervenia con loro alel ceremonie di corte".],
entbehrt jeglicher Quellengrundlage [11 Die angebliche Quelle -
MG Capit. II Seite 104 - ist das Capitulare KARLS
DES KAHLEN vom Februar 876 (nicht 877); dort erscheint neben
vielen anderen nur ein
Cunibertus, der auch sonst in Oberitalien
nachweisbar ist und keinesfalls etwa zu Cuneradus umgedeutet werden darf.
- Auch Guastellas Verweis auf Muratori, Antiqu. Italiae I Seite 417 und
Lupo, Cod. dipl. Bergom. I Seite 1008 führt zu keiner Quellenangabe;
bei beiden ist auch keine Identifizierung
Konrads mit Kunibert zu
finden. Es scheint hingegen, daß Guastella das Capitulare Carisiacense
von 877/Juni/14 (MG Capit. II Seite 355, nr. 281) als Quelle anführen
wollte, in dem ein Chuonradus comes neben anderen Bischöfen
und Grafen genannt wird. Diese Leute waren allesamt keine "principi italiani
illustri", sondern westfräönkische Große (vgl. schon die
Identifizierungshinweise in der zitierten Edition). Th. Wüstenfeld,
a.a.O. Seite 421, will Konrad auch noch mit einem in einer Urkunde
aus dem Kloster Casauria von 871 (Muratori, Script. II,2 Seite 932) genannten
kaiserlichen Vasallen Konrad (Gunerad) und dem Conradus
vass. imp. zweier Gerichtsurkunden aus Lucca (Mem. e doc. IV, 2 App.
Seite 64, nr. 51; V, 2 Seite 466, nr. 774) identifizieren. Auch das halte
ich für fraglich.].
Als Glied der WIDONEN-Familie
war Markgraf Konrad selbstverständlich salfränkischer
Herkunft; und noch sein Sohn Radald und sein Urenkel (?) Graf
Atto bekannten, nach der lex salica zu leben.
Hlawitschka, Eduard: Seite 165
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"Die Widonen im Dukat von Spoleto", in: Stirps Regia
Mit dem Vater ging offenbar nur ein Teil der Familie ins
Exil, nämlich der Sohn Wido, den wir ab 842 als dux Spolitanorum
antreffen, und dazu anscheinend nochnein weiterer Sohn, vielleicht Haimo,
der 837 als LOTHARS
consilarius auftrat [33 Ein weiterer ins Exil gegangener
Bruder Widos I. von Spoleto wird durch ein Diplom der Kaiser
WIDO und LAMBERT vom 1.
Mai 892 nahegelegt. Mit dieser Urkunde (L. Schiaparelli, I. Diplomi di
Guido e di Lamberto, Roma 1906, Seite 34ff. nr. XIII) überließen
die beiden Regenten an Cohunradum dilectum patruum ac patruelum
nostrum illustrem marchionem und dessen Frau Ermengund
die curtis Almenno in der Grafschaft Bergamo. Im Unterschied zu
avunculus
bezeichnet patruus den Onkel väterlicherseits und patruelis
den Vetter über den Vatersbruder. Einen in dieser Weise deutbaren
Sinn ergibt die Urkunde aber nur dann, wenn man die Bezugsetzung von patruus
und
patruelis
nicht - entsprechend der Ausstellerreihenfolge - auf WIDO
und
LAMBERT, sondern umgekehrt auf LAMBERT
und WIDO bezieht. (Ein Onkel WIDOS
kann ja doch niemals zugleich Vetter des Wido-Sohnes sein!).
Demnach mußten
Markgraf Konrads Vater und Kaiser
WIDOS Vater, Wido I. von Spoleto, Geschwister gewesen
sein. (Die Deutung "Mutterbruder" als patruus scheidet auch schon
bei der Beobachtung aus, daß in der Nachkommenschaft Konrads
das widonische Namengut - Radald, Wibert,
Wido - auftritt; vgl. E. Hlawitschka, Franken (wie Anm.6) Seite 213ff.,
247f., 283ff., 140). Wie Konrads Vater hieß, ist freilich
unbekannt. (Die Interpretation des WIDO-LAMBERT-Diploms
durch Th. Wüstenfeld, Herzoge (wie Anm. 10) Seite 413, die zu Wido
I. von Spoleto als Konrads Vater führt, ist ganz abwegig;
sie läßt das patruelis ganz außer acht.) Doch könnte
hier eine Beobachtung am genannten Diplom einen Hinweis liefern. Von dieser
curtis
heißt
es nämlich sicut a sanctae memoriae Hludovico
quondam
imperatore
concessa
fuit (eine Verbindung mit den dazwischenstehenden Pertinenzen ist nicht
möglich, weil es sonst concessae fuerunt heißen müßte),
woraus zu folgern ist, daß dieser Hof schon einmal an Konrad
- und zwar von Kaiser LUDWIG II. -
gegeben worden war; und Konrad muß ihn in der Zwischenzeit
verloren haben. Dazu fügt sich sehr genau, daß
König Ludwig der Deutsche am 26. Februar 975 - das heißt
noch vor LUDWIGS II. Tod, gerade als
Ludwig
der Deutsche mit seinen Söhnen für die Nachfolge in
Italien vorgesehen wurde und dabei LUDWIGS II.
Familienangehörige
wirtschaftlich sicherstellen mußte - diesen Hof und andere Güter
an LUDWIGS II. Tochter Irmingard
schenkte; MG D LdD 157 (Original!). LUDWIGS II.
frühere Schenkung Almennos an Konrad war also tatsächlich
wieder rückgängig gemacht wrden. Nun wissen wir, daß 871
des späteren Kaisers WIDO älterer
Bruder, namens Lambert, zusammen mit einem anderen Grafen Lambert
(von Camerino), der in den Quellen auch als Lambert der Kahle bezeichnet
worden ist (siehe unten Seite 57), in ein Komplott des Herzogs Adelgis
von Benevent gegen Kaiser LUDWIG II.
verwickelt schien und daß die beiden Lamberte ihre Ämter
verloren und nach Benevent flüchten mußten. Offensichtlich hat
sich nun diese Strafaktion LUDWIGS II.
von 8971 auch auf Konrad ausgewirkt. Wenn Konrad aber in
die Bestrafung der beiden Lamberte von Spoleto und Camerino
einbezogen wurde, dann muß er - was ja auch die patruus- und
patruelis-Bezeichnungen
schon zu erkennen gaben - ein naher Verwandter zumindest des Spoletiner
Herzogs, vielleicht auch beider Lamberte, gewesen sein. Und
das stützt die schon oft geäußerte Annahme, daß auch
die beiden Lamberte nahe Verwandte waren, obgleich dies nicht ausdrücklich
mitbezeugt ist. War Konrad vielleicht ein Bruder Lamberts des
Kahlen? (Ein Bruder Lamberts von Spoleto kann er nicht gewesen
sein, denn dann hätte er im zitierten Kaiserdiplom auch als Widosfrater,
nicht patruelis, bezeichnet werden müssen.). Nun ist Lamberts
des Kahlen Vater bekannt: er hieß Haimo (siehe unten Anm.118).
Ein Haimo ist zum 27.10.837 als LOTHARSfidelis
consilarius und Inhaber des Klosters Montamiata bezeugt; MG D Lo I
33. War dieser nicht nur der Vater Lamberts des Kahlen, sondern
auch der des Markgrafen Konrad (von Lecco)? In einem solchen Falle
dürfte Haimo als Bruder Widos I. angesehen werden.].
oo Ermengund
-
Kinder:
Radald
-
Literatur:
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Hlawitschka, Eduard: Die Widonen im Dukat von
Spoleto, in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka, Verlag Peter Lang Frankfurt
am Main - Bern - New York - Paris Seite 165,169,218,243 -
Hlawitschka, Eduard: Franken, Alemannen, Bayern
und Burgunder in Oberitalien (774-962), in Forschungen zur Oberrheinischen
Landesgeschichte Band VIII Eberhard Albert Verlag Freiburg im Breisgau
1960 Seite 140,213-215,247,284 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien
und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann
Stuttgart 1968 Seite 131 -