LVII. EBERHARD VON FRIAUL
war einer der angesehensten und einflußreichsten
Adligen Oberitaliens in der Regierungszeit LOTHARS
I. und LUDWIGS
II. Als solcher ist er bereits des öfteren, und zwar
von A. Hofmeister, P. Hirsch und E. Dümmler, ausführlich behandelt
worden. Auf diese Arbeiten kann hier - besonders was die gesamte Quellenerfassung
anbetrifft - verwiesen werden, und eine kurze Zusammenfassung mag deshalb
genügen [1 A. Hofmeister, Markgrafen Seite 316ff.; P. Hirsch,
Die Erhebung Berengars I.; E. Dümmler, Fünf Gedichte Seite 171ff.;
ders., Geschichte des ostfränkischen Reiches I Seite 119; ders., Gesta
Berengarii Seite 17f.; P. Paschini, Le vicende politiche, N. Arch. Ven.
XXI Seite 40ff. Dort sind die Quellen für das Folgende leicht zu finden.].
Eberhard erhielt die Verwaltung des wichtigsten
Teiles der 828 bei der Absetzung Balderichs unter vier Grafen aufgeteilten
Mark
Friaul mit der Stadt Friaul (= Cividale) selbst. Ducatum Foriiulensis
divina ordinatione sub glorioso principe Lothario,
Ludovici piissimi imperatoris genito
ac in regni gubernaculis successore, nobiliter amministrabat. Ob er
sogleich 828 in sein Amt antrat oder erst wenige Jahre darauf, ist nicht
mehr feststellbar. Doch scheint es zumindest vor 834, das heißt vor
der Einwanderung der exilierten fränkischen Großen gewesen zu
sein, da er im Mai 836, als er zum ersten Male in unseren Quellen auftaucht,
anläßlich der Gesandtschaft LOTHARS
nach Diedenhofen neben Wala und dem
ehemaligen Obertürwart Richard vom Verherrlicher LUDWIGS
DES FROMMEN, Thegan, als fidelis hervorgehoben
wird, während der 834 ausgewanderte Richard perfius heißt.
In Diedenhofen wurden damals von diesen drei Boten an
LUDWIG
DEN FROMMEN LOTHARS I. Einverständnis überbracht,
zu einem Besuch nach Francien zu kommen, um die entstandenen Spannungen
zu vermindern. In Diedenhofen war er auch am 1. September 841 mit Kaiser
LOTHAR, der nach dem Tode
LUDWIGS
(840) die Herrschaft über das Frankenreich übernommen, im Juni
841 aber gegen die beiden nunmehr bedrohten Brüder
Ludwig den Deutschen und KALR
DEN KAHLEN erfolglos gekämpft hatte und nun in Diedenhofen
seine Anhänger zu einer Heerfahrt gegen
KARL
DEN KAHLEN sammelte. Die Intervention in einer bei dieser Gelegenheit
für den Dogen von Venedig ausgestellten Urkunde macht das offenbar
[2 Vgl. BM² nr. 1087d und 1088]. - Als 842 viele Große
von LOTHAR abgefallen waren und LOTHAR
selbst von Aachen nach Vienne entfliehen mußte, übernahm
Eberhard mit den beiden Grafen Josippus udn Egbert die Aufgabe,
Verhandlungen mit den Brüdern aufzunehmen. Ob er dann an den Hauptverhandlungen
in Koblenz und den anderen Besprechungen teilnahm, die zum Vertrag von
Verdun führten, ist nicht mehr genau feststellbar. Doch ist er sogleich
nach Ablauf des Friedens von Verdun (Anfang bis Mitte August 843) bei LOTHAR
I. in Gondreville nachweisbar. Er intervenierte am 22. August
843 in einer Kaiserurkunde für die Kirche von Aquileja.
In den folgenden Jahren scheint er sich wieder in Italien
aufgehalten zu haben. Im Oktober 846 (oder Sommer 847) wird er mit anderen
Lehensträgern des Reiches LOTHARS
gegen die Italien bedrohenden Sarazenen aufgeboten. Er ist einer der vier
Anführer in der prima scara des Aufgebotes. Wenn Eberhard
von verschiedenen Dichtern auch als Schrecken der ungläubigen Mauren
und als Bezwinger einer ihrer Festungen gepriesen wird, so muß man
das wohl auf die Geschehnisse beziehen, die diesem Aufgebot folgten. Auch
Sieger über die unruhigen Slawen wird er des öfteren genannt;
die Kämpfe gegen die Slawen scheinen mit der Niederwerfung des Liudewit-Aufstandes
also nicht ganz zu Ende gewesen zu sein.
Bei LUDWIG II. stand
Eberhard
gleichermaßen in gutem Ansehen wie bei LOTHAR
I. Am 30. Oktober 854 intervenierte wer bei ihm in Pavia für
die Ausstellung einer Urkunde zugunsten des Patriarchen von Aquileja, und
am 23. März 856 war er bei LUDWIG
in Mantua, wo auf Bitten des dilectissimus dux et familiaris Everardusden
Venetianern der im regnum Langobardiae gelegene Besitz bestätigt
wurde. Im Frühjahr 858 ging er mit dem Bischof Noting von Brescia
als Gesandter LUDWIGS II. zu einem
Hoftag Ludwigs des Deutschen nach Ulm,
wo Fragen um den in Italien gelegenen Besitz des Klosters Rheinau verhandelt
worden zu sein scheinen [3 Vgl. K. Schmid, Königtum, Adel und
Klöster Seite 276ff.].
Das um 863/64 abgefaßte Testament des Markgrafen
Eberhard läßt uns einen Einblick in die geistige Welt und
die Familie dieses umsichtigen Mannes tun. Es zeigt zunächst, daß
er trotz des Vertrages von Verdun im Besitz vieler am Niederhein (Haspengau,
Condrozgau, Toxandrien, pagus Moila und Osterbant) und in Alemannien gelegner
Güter geblieben war, die er nun an seine Söhne und Töchter
(Unruoch,
BERENGAR
[später Kaiser], Adalard,
Rudolf,
Engeltrud,
Judith
und Heilvinch)
vererbt. Seine Güter waren also nicht unter die in jenen Jahren üblichen
Konfiskation der Besitzungen aller jener Großer gefallen, die sich
einem anderen Bruder anschlossen [4
Vgl. etwa Wartmann, UB St. Gallen
II Seite 117, nr. 503; BM² nr. 936a und 1072d.]. Man wird mit Recht
in ihm, der demnach auch bei
Ludwig dem Deutschen
(alemannische Besitzungen) und KARL DEM
KAHLEN
(Besitz in Osterbant und Tournai,
dazu KARLS Schwager) in hohem Ansehen
geblieben sein muß, einen jener communes fideles erkennen
dürfen, über die in jenen Jahren besonders der Verkehr zwischen
den einzelnen Herrschern des nun zerstückelten
KARLS-Reiches
abgewickelt wurde und die sich immer wieder um den Ausgleich zwischen den
entstandenen Teilreichen bemühten [5 D. von Gladiß, Fidelis
regis Seite 449.]. - Das Testament zeigt aber auch etwas von dem Lebensstil
dieses Mannes, der Gisela, eine Tochter
Kaiser LUDWIGS DES FROMMEN und
Judiths, zur Frau genommen hatte. In seiner Bibliothek, die
unter die Kinder aufgeteilt wurde, fanden sich eine große Anzahl
theologischer und erbaulicher Schriften, Rechtssammlungen, Literatur zur
Kriegskunst, historische, geographische, naturgeschichtliche und medizinische
Abhandlungen. Ist das schon ein bemerkensweter Hinweis auf die Neigungen
und den hohen Bildungsstand dieses Markgrafen, so spiegeln sich seine regen
geistigen Interessen auch in dem von ihm epflegten Umgang wider. Zu seinem
engen Freundes- und Bekanntenkreis zählte Hrabanus Maurus, der ihn
ersuchte, sich standhaft gegen die Ketzereien des Mönches Gottschalk
zu verhalten, der Erzbischof Hinkmar von Reims, mit dem er Briefe wechselte,
der Dichter Sedulius, de rihn in mehreren Gedichtebn verherrlichte, und
der Bischof Hartger von Lüttich, der ihm mit eigener Widmung ein Buch
über die Kriegskunst überreichen ließ. Auch Anastasius
bibliothecarius zählte zu seinen Freunden; aus Rom entflohen fand
er 848 in seinem gebiet Aufnahme. Seine kirchlich fromme Gesinnung spiegelt
sich in der Gründung der Abtei Cysoing
im Gebiet von Noyon
inmiten seiner niederländischen Besitzungen wider, in die er 854 auch
die Gebeie des hl. Papstes Calixtus übertragen ließ und in der
auch er seine letzte Ruhestätte fand, nachdem er (864 oder)
866 [4 Vgl. Skizze Liutfrid I., Anm. 18. - Die Ann. Xantenses
verzeichnen zum Jahre 866 den Tod eines in Italia tätigen Everwinus,
gener Ludewici regis (MG SS II
Seite 231), dessen Identität mit Eberhard von Friaul ist offensichtlich.]
in Italien verstorben war.
Über Herkommen und Genealogie Eberhards sind
die Ansichten der Historiker nicht völlig einhellig. Den konretesten
Anhalt für seine Stammeszugehörigkeit bietet noch immer die in
der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts verfaßte Translatio S.
Calixti, in der vom vir nobilissimis Francorum natalibus oriuindus nomine
Evrardus
die Rede ist und die auch noch dadurch eine kräftige Stütze erhält,
daß der Hauptteil der Besitzungen Eberhards in den fränkischen
Kernlanden am Niederrhein lag und sein Ahn Unruoch auch in das westfränkische
Kloster Sithui eintrat, während die alemannischen Besitzungen wohl
aus der Zeit einer früheren Grafentätigkeit des alten Unruoch
in Alemannien oder aus der Mitgift seiner Gemahlin gestammt haben könnte
[7 Giselas Mutter
Judith
entstammte ja dem in Alemannien begüterten Hause der
WELFEN.
- Zur Herkunft Eberhards vgl. auch MG Poetae Lat. III Seite 220,
nr. 67.].