Sohn des N.N., Verwandter von König Dagoberts
I. Mutter Berthetrudis
Lexikon des Mittelalters: Band III Spalte 2125
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Erchinoald, maiordomus (Hausmeier) im regnum Neuster
641-658
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† 658
oo Leutsind
†
Einziger Sohn Leudesius, der 657 den neustrischen Maiordomat erhielt.
Erchinoald war im neustrischen Kerngebiet und dort ausschließlich ostwärts der Seine begütert. Besitz lag im Gebiet von Amiens-Noyon-St. Quentin. Über Dagoberts I. Mutter, Berthetrude (von unbekannter Herkunft), war Erchinoald mit der stirps regia (MEROWINGER) blutsverwandt. Eine weitere enge Beziehung ergab sich später durch die Heirat Chlodwigs II. mit Balthild, die als angelsächsische Sklavin im Haushalt Erchinoalds aufgestiegen war. Als einer der vornehmsten Angehörigen der neustrischen Oberschicht blieb Erchinoald zeitlebens loyal dem Königshaus verbunden. Erchinoald beteiligte sich mit Eigengut an zwei Gründungen von Irenklöstern (bei Péronne und Lagny-sur-Marne, letztere gemeinsam mit dem König) sowie an der Ausstattung von Fontenelle. Über den Maiordomat Erchinoalds ist wenig überliefert. 641 wurde Erchinoald durch Nanthild, Dagoberts I. Witwe, als maiordomus in Neuster eingesetzt. In diesem Amt war er Nachfolger Aegas, Amtsvorgänger Ebroins und Amtskollege des in Frankoburgund eingesetzten Flaochad. 642 garantierten sich Erchinoald und Flaochad gegenseitig ihre Stellung in den Teilreichen. Mit dem neustrischen Kontingent zog Erchinoald 642 gegen den patricius Willebad. Mit der Schilderung dieser Kämpfe bricht die Chronik Fredegars ab. Zeitgenössische Quellen fehlen bis 658, Erchinoalds Todesjahr.
H. Ebling
Fursa, der Gründer von Lagny und Peronne, hatte einen
Bruder, Foillan, den der neustrische Hausmeier Erchinoald vertrieben
hatte.
Ein weiteres Forschungsproblem ist das Verhalten der
Neustrier in der ganzen Angelegenheit. Seit dem Tod Dagoberts
I. regierte in Neustrien Chlodwig II.
unter der Vormundschaft eines Verwandten, des Hausmeiers Erchinoald.
Auf dessen Rat hin heiratete der König eine seiner Sklavinnen, die
Angelsächsin
Balthild.
Werner Karl Ferdinand: Seite 355,360
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"Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000."
Unter Dagoberts sehr
jungem Nachfolger Chlodwig II. (639-657)
wurde
die Regierungsgewalt in Neustrien
und Burgund von der Königin-Mutter
Nanthild
und dem Hausmeier Aega übernommen, nach dessen Tod von seinem
Amtsnachfolger Erchinoald. Dieser Hausmeier regierte nach
Nanthilds Tod fünfzehn Jahre lang allein und fast wie ein
König. Er war mit
Dagoberts Mutter
verwandt und verheiratete seine Tochter mit dem König
von Kent; deren Sohn trug seinen Namen. Er führte Chlodwig
II. eine ebenso schöne wie kluge angelsächsische Sklavin
namens Balthild zu. Der König
nahm sie zur Frau, was Erchinoalds Stellung noch mehr stärkte.
Außerdem stütze sich der Hausmeier auf die hohe Geistlichkeit
und die weltlichen Großen in Burgund, folgte darin also der Politik
Dagoberts.
In einer angelsächsischen Handschrift des 8. Jahrhundert
erscheint Pippins
Sohn Drogo,
der dux der Champagne, als princeps. Andere zeitgleiche
Texte geben nachträglich auch dem Hausmeier Erchinoald den
Titel princeps.
Offergeld Thilo: Seite 246-250,252,274
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im
frühen Mittelalter."
Im Unterschied zu Austrasien
führte im Westreich der Tod des dominierenden Hausmeiers zunächst
zu einer Konzentration der Macht in den Händen der Königin-Witwe
Nanthild [662 Vgl. Ewig, Merowinger
Seite 147f.; Ders., Teilreiche Seite 205f.; zu Erchinoald und Flaochad
Ebling, Prosopographie Seite 137-139,150f.]. Der neue Hausmeier aus Dagoberts
mütterlicher Verwandtschaft dürfte auf ihre Veranlassung
ernannt worden sein; sie stellte ihm wenig später auch wieder einen
eigenen Hausmeier für Burgund an die Seite.
Nach Aegas Tod begab sich Nanthild,
selbstverständlich cum filio suo Chlodovecei
regi,
nach Orleans, "rief ... dort alle Herren, Bischöfe,
duces und
Großen des Reiches Burgund zu sich" und "gewann alle einzeln für
sich." In Abstimmung mit den Bischöfen und duces
setzte sie
dann den Franken Flaochad als Hausmeier ein, verlobte ihm
ihre Nichte Ragneberta. Flaochad verständigte sich mit
Erchinoald
auf gegenseitige Anerkennung und Unterstützung und garantierte außerdem
durch Urkunden und Schwüre "allen duces und Bischöfen
..., er werde jeden von ihnen in Amt und Würden (belassen) und ihnen
für alle Zeiten die Freundschaft bewahren." Deutlicher noch als im
austrasischen Fall erkennt man hier die auf höchst differenzierte
Weise betriebene Installierung persönlicher Beziehungen, eines breit
angelegten Konsensgefüges und gegenseitiger Verpflichtungssysteme
unter den Großen als die Maßnahmen, die die Regentschaft Nanthilds
und ihrer Vertrauten erst ermöglichten.
Mit dem Tod Nanthilds
noch im selben Jahr verlor dieses Beziehungsnetz jedoch seine integrierende
Mitte. Die zuvor noch mühsam kontrollierten Spannungen zwischen der
neuen Machtinstanz Flaochad und den ihm untergeordneten burgundischen
Großen kamen zum offenen Ausbruch, und auch der Rückhalt Flaochads
bei Erchinoald und den fränkischen Großen riß ab.
Wohl versuchte Floachad, den jetzt etwa achtjährigen Kind-König
für seine Zwecke zu benutzen und am Königshof eine Reichsexekution
seiner Gegner durchzuführen. Doch die Neustrier unter Erchinoald
distanzierten sich von ihm und sahen schließlich dem Kampf der burgundischen
Parteien als Unbeteiligte zu [664 Vgl. Fredegar, Chronicae IV. 90,
Seite 166-168.]. Als nicht nur Flaochads Widersacher Willebad,
sondern wenig später auch der Hausmeier selbst den Tod fand, wirkte
dies wie ein Gottesgericht und bedeutete die endgültige Auflösung
des von Nanthild geplanten Systems
gleichmäßiger Kräfteverteilung.
In Neustrein scheint Erchinolad die Regentschaft
für
den König fest in der Hand gehabt zu haben [670 Seine quasi-monarchische
Stellung erhellt unter anderem aus der Tatsache, daß er seine Tochter
mit dem König von Kent verheiratete; vgl. Werner, Ursprünge
Seite 355 ("Dieser Hausmeier regierte fünfzehn Jahre lang allein und
fast wie ein König"), sowie die Schilderung seines Wirkens bei Fredegar,
Chronicae IV. 84, Seite 163, der vor allem die friedenschaffenden und konsensbetonten
Züge seiner Regierung hervorhebt.], wenn auch der Einflußbbereich
der Königsherrschaft sich merklich zu reduzieren begann. Wohl auch
um sich gegen die latente Opposition vieler Bischöfe zu behaupten,
setzte Erchinoald verstärkt auf Beziehungen zum Mönchtum
irofränkischer Prägung und festigte durch solche Klostergründungen
gleichzeiitig die politische Stellung seiner Familie [671 Vgl. hierzu
Geary, Merowinger Seite 184-186; Jussen, Patenschaft Seite 246f., 276f.;
Prinz, Mönchtum Seite 128f., 171. Generell bot das irofränkische
Mönchtum dem Adel ganz neuartige Möglichkeiten zur sakralen Legitimierung
seiner Macht; vgl. zu dieser "Selbstheiligung" grundsätzlich ebd.
Seite 489-493.]. Seine Dienstmagd
Balthild
wurde um 650 die Ehefrau Chlodwigs,
kaum zufällig und ohne taktische Absichten Erchinolads, der
dadurch wohl seinen Einfluß auf den König auch für die
Zeit von dessen Volljährigkeit absichern wollte [672 Fourage/Gerberding,
France Seite 101-106, die abweichend von der etablierten Forschungsmeinung
davon ausgehen, daß Balthild
aus angelsächsischem Hochadel stammte (siehe unten Anm. 677), vermuten
in ihren scharfsinnigen, allerdings weitgehend hypothetischen Interpretationen,
daß die Heirat ein Ergebnis weitreichender politischer Verschiebungen
inn Britannien und im Franken-Reich war; Erchinoald kommt freilich
auch in diesen Deutungsversuchen eine Schlüsselfunktion zu.]. Ein
Einschnitt nach Erlangung der Volljährigkeit Chlodwigs
um 650 ist in der Tat nicht festzustellen, und auch die Erbfolgeregelung
nach dem frühen Tod Chlodwigs
657 wurde noch auf Betreiben und im Interesse Erchinoalds vorgenommen.
Zunächst allerding starb Erchinoald, der
Drahtzieher der Thronfolge von 657, schon kurze Zeit nach Chlodwig.
Childerichs II. erste
Unterschrift datiert aus dem August 673, ist somit im Alter von mindestens
14-15 Jahren geschrieben [749 Der Geburtstermin ergibt sich aus
der Eheschließung seiner Eltern, die frühestens 650 stattfand
(datierbar nach dem Heiratsangebot Erchinoalds an Balthild,
vgl. Ewig, Namengebung Seite 66), seiner Stellung als jüngster von
drei Söhnen.].
oo Leutsinda
† um 649
Kinder:
Leudesius
†
675
Literatur:
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Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische
Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977 Seite 454
- Ewig Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. W. Kohlhammer
GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988 Seite 145,147-150,152,160,164,175
- Hartmann Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger.
Primus Verlag 2003 Seite 77,124,144 - Offergeld Thilo: Reges pueri.
Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche
Buchhandlung Hannover 2001 Seite 246,248,249,252,258,274,288 - Riche
Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch
Verlag GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 37,40 - Werner
Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher
Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995 Seite 355,360 -