Begraben: Regensburg, St. Emmeram
Illegitimer Sohn des Ostfränkischen
Königs Karlmann und der Luitswinda,
einer Schwester des nordgauischen Grafen Ernst; Enkel von König
Ludwig II. dem Deutschen
Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 1013
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ARNULF "VON KÄRNTEN", ostfränkischer König
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um 850-8.12.899
Außerehelicher Sohn König Karlmann und der
Liutwind, offenbar einer LUITPOLDINGERIN.
Er war mit Uta
(Oda) verheiratet..
Söhne:
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Ludwig das Kind
Zwentibold
Ratold
Wie sein Vater Karlmann
ist auch ARNULF durch die politische
und militärische "Schule" als Befehlshaber in den südöstlichen
Marken gegangen. Nach der Enthebung unsicherer Grenzgrafen in Karantanien
setzte König Karlmann nach 876
seinen außerehelichen Sohn ARNULF
dort als Amtsträger ein. ARNULF
konnte rasch seinen Machtbereich zumindest auf Unterpannonien ausdehnen;
seine Versuche, auch die Grenzgrafschaften im (nördlichen) Donauraum
unter Kontrolle zu bringen, scheiterte dagegen.
ARNULF versuchte nicht, nach dem Tode seines Vaters (880) zur
Macht zu kommen. Er lernte früh, politisch abzuwarten. 882 befehligte
er den bayerischen Heerbann gegen die Normannen. Anschließend baute
er sich mit Hilfe mächtiger Parteigänger im Südosten eine
offenbar unabhängige Stellung aus. 885 schloß er eigenmächtig
Frieden mit den Mährern.
Als der kranke Kaiser
KARL III. politisch immer schwächer wurde, griff
ARNULF rasch zu, verband sich 887 mit dem abgesetzten Erzkanzler
Liutward zum Sturze KARLS. Entscheidend
war aber die Mehrheit der Großen des ostfränkischen Reiches,
die auf den Reichsversammlungen von Tribur und Frankfurt vom Kaiser abfielen
und zu ARNULF, dem illegitimen, aber
doch letzten aktiven KAROLINGER, überliefen,
der mit einem bayerischen und slavischen Heeresaufgebot gegen
KARL eilte. In Forchheim erfolgte dann die förmliche
Wahl und Huldigung durch die Großen.
ARNULF hat sich kurz
nach seinem "Staatsstreich" und seiner Wahl nach seinem Kernland Bayern
zurückgezogen, offensichtlich, um seine Herrschaft von dieser alten
Machtbasis aus zu festigen. Von dieser Situation her erklärt sich,
dass er nicht sofort Huldigungsgebote an alle Teile des fränkischen
Gesamtreichs sandte, dass er nicht eingriff bei der Entstehung von Kleinkönigreichen
außerhalb seines ostfränkischen Reichsteils und dass er 888
die von den westfränkischen Bischöfen und Großen angebotene
Königswahl ablehnte, ja sogar noch 890 die päpstliche Einladung
nach Italien. 888 machte er aber bereits seine Oberherrschaft in Lotharingien
und Oberitalien geltend. Die neuen Herrscher (mit Ausnahme WIDOS
VON SPOELTO) suchten freilich bei ihm die Anerkennung ihrer
Herrschaft, so dass ARNULF
seine Oberhoheit
in lehnsrechtlicher Form durchsetzen konnte.
ARNULF, der sich
im Osten eine fast königliche Stellung aufgebaut hatte, lernte in
der großen WILHEMINER-Fehde wohl zum ersten Male die politische Taktik
des vorsichtigen und geschickten Verhaltens gegenüber den mächtigen
Großen. In seiner bayerischen Königslandschaft wählte er
vor allem zwei - offenbar mit ihm verwandte - Personen zu seinen Favoriten:
Luitpold und Sigihard. Deren Familien konnten in der Folgezeit Bayerns
Geschichte entscheidend prägen. Vor allem Luitpold rückte jeweils
in die wichtigen Positionen abgesetzter, weil konspirierender Grenzgrafen
ein. In ähnlicher Weise favorisierte ARNULF
in
O-Franken die
KONRADINER
und schwächte
die BABENBERGER. Trotz der realistischen und sehr dynamischen Politik ARNULFS
kam den Großen des Reiches auf den Reichsversammlungen entscheidende
Bedeutung zu, vor allem in der Nachfolgefrage des Königsamts. Das
zeigt sich schon bei seiner Wahl, aber noch mehr bei der seines Nachfolgers.
Als ARNULFS Gattin Uta
ihm noch keinen Thronfolger geboren hatte, legte der König
889 der Reichsversammlung in Forchheim die Bitte vor, seine beiden außerehelichen
Söhne
Zwentibold
und Ratold als seine Nachfolger
anzuerkennen. Erst nach langem Ringen ließen sich die Großen
auf einen Kompromiß ein. Gerade hier und bei der Apanagierung von
ARNULFS
Söhnen wird deutlich, dass die Großen ihren Mitregierungsanspruch
in voller Stärke zum Ausdruck bringen konnten und geradezu korporativ
dem König gleichberechtigt gegenübertraten. Am Ende der Regierung
ARNULFS
hatte
die Reichsversammlung sogar die Möglichkeit, über Mitglieder
der königlichen Familie Recht zu sprechen, wie der Prozeß gegen
die Königin Uta 899 beweist.
ARNULF konnte sich
seit der Synode von Frankfurt 888 stark auf die Bischofskirche stützen.
Die Synode von Tribur von 895 betonte besonders die sakrale Stellung des
Königs. Freilich widersetzten sich die bayerischen Bischöfe,
als ARNULF seinem Kanzler und ehemaligen
Bischof von Neutra, Wiching, auf den Passauer Bischofsstuhl setzte.
Allein ein Drittel der Urkunden ARNULFS
wurden in Regensburg ausgestellt, wo sich ARNULF
eine neue Pfalz erbauen ließ und mindestens vier Reichsversammlungen
abhielt. Zahlreiche Herrschaftsaufenthalte ARNULFS
sind hier bezeugt (jährlich, darunter vier Winteraufenthalte und fünf
Osterfeste). In dieser Wahl des Kernlandes spiegelt sich nicht nur seine
eigene Vergangenheit, sondern auch die Betonung der Tradition Ludwigs
des Deutschen und die Priorität der SO-Politik, aber auch
das feine Gespür ARNULFS für
politische Realitäten.
Neben den machtpolitischen Gegebenheiten im Innern seines
Reiches hatte ARNULF vor allem mit
schon "traditionellen" äußeren Gegnern und Gefahren zu rechnen:
Normannen und Slaven. Bereits 891 siegte er glänzend über die
eindringenden Normannen bei Löwen an der Dyle (heute Belgien). Durch
seine ganze Regierungszeit zieht eine sehr stark aktive Ostpolitik, besonders
gegen das erstarkte Großmährische Reich Svatopluks.
Erst nach Svatopluks
Tod 894 erkannten
dessen Söhne die Oberhoheit ARNULFS wieder
an. Auch die Böhmen, Sorben und Abodriten akzeptierten seine Oberherrschaft.
Als die Ungarngefahr drohte, verlieh ARNULF
dem slavischen dux Brazlav die Anwartschaft auf Unterpannonien, um eine
solide Grenzwacht gegen den neuen Feind zu schaffen, dem er 892 wohl noch
verkannt hatte; denn beim Feldzug gegen Svatopluk
hatte er selbst die Ungarn zu Hilfe gerufen, die mit ihm gegen den Mährer
kämpften.
Dem durch Adelskämpfe und Normanneneinfälle
geschüttelten Westen suchte ARNULF
durch Praktiken, die schon sein Vater und Großvater im Südosten
angewandt hatten, zu festigen. Nach Beseitigung des lothringischen Großen,
Graf Megingaud (+ 892), erhielt ARNULFS
Sohn Zwentibold dessen Lehen und Ämter;
895 konnte Zwentibold schließlich
- nach anfänglichen Widerstand der Großen - zum König von
Lotharingien gekrönt werden, was einer neuen Reichsteilung nahekam.
Zwentibold fügte
sich freilich letztlich der Autorität seines Vaters.
Erst 894 folgte ARNULF
dem Hilferuf des von Kaiser WIDO bedrängten
Papstes nach Italien, der ihm die italienische Königskrone einbrachte.
Erst 896 konnte ARNULF in einem zweiten
Zug Rom erobern und die Kaiserkrone erlangen. Während der Verfolgung
der WIDONEN schwer erkrankt, mußte
er auf seine universalen Ziele verzichten und nach Bayern zurückkehren,
wo er sich nicht mehr erholte.
ARNULFS Regierungszeit
ist geprägt durch den Zerfall des fränkischen Gesamtreiches und
die Entstehung eines kräftigen ostfränkischen Sonderbewußtseins,
das schließlich zur Entstehung des deutschen Reiches führte.
Quellen und Literatur:
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K. Reindel, Die bayer. Luitpoldinger 893-989, 1953, s.
v. - Dümmler III - G. Tellenbach, Kgtm. und Stämme in der Werdezeit
des dt. Reichs, 1939 - H. Appelt, A. v. Kärnten und das Karolingerreich
(Kärnten in europ. Schau, 1960) - Die Entstehung des dt. Reiches,
hg. H. Kämpf (WdF I, 1963) [Beitr. V. E. Klebel, W. Schlesinger, G.
Tellenbach, M. Linzel] - H. Keller, Zum Sturz Karls III., DA 22, 1968 -
E. Hlawitschka, Lotharingien und das Reich an der Schwelle der dt. Geschichte,
1968 - P. Schmid, Regensburg, Stadt der Kg.e und die bayer. Hzg.e im MA,
1977.
Begraben: Regensburg, St. Emmeram
Vater:
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König Karlmann (+ 880)
Mutter:
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Luitswind (+ vor 891)
1. oo unbekannt
2. oo Ellinrat
3. oo Uta
Erhielt von seinem Vater 876 die Markgrafschaft Kärnten
und Pannonien.
887 König.
Sieg über die Normannen bei Löwen (891).
Kampf gegen Swatopluk von Mähren
(+ 894)
896 in Rom zum Kaiser gekrönt.
Otto von Freising schrieb: Von allen Städten seines
Reiches liebte ARNULF am meisten Regensburg,
die Hauptstadt Bayerns“. 59 von insgesamt 176 Urkunden stellte ARNULF
in Regensburg aus. Eine Schenkungen für das Kloster St. Emmeram.
Literatur:
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NDB 1; BWB 1; LThK 1; S. Rösch, Caroli Magni Progenies,
1977; G. Tellenbach, Z. Gesch. Kaiser Arnulfs in: HZ 165, 1942
Werner Karl Ferdinand: Seite 456
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"Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr
1000 (1.-8. Generation)"
V. Generation
20
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Zu den Konkubinen ARNULFS "VON
KÄRNTEN"
vgl. Dümmler 3, 480.
Daten und Identifizierung ergeben sich aus dem, was wir
über ARNULFS uneheliche Kinder
wissen: Auf die Mutter Zwentibolds und
die Mutter Ratolds folgte die Mutter
Ellinrata
gleichen Namens. Ist ARNULFS Tochter
identisch mit der Tochter, die vor 893 von Graf Engelschalk entführt
wurde, dann liegt ihr Geburtsdatum bei etwa 870/75.
Erst sehr viel später ging ARNULF
eine legitime Verbindung mit der KONRADINERIN
Oda ein. Wir haben Anlaß anzunehmen, daß dies kurz
vor einer Erhebung zum König Ende 888 geschah, und die mächtige
Partei der KONRADINER in Franken und
Lothringen für den Prätendenten aus Baiern gewinnen half.
In den Urkunden ihres Sohnes Ludwig
(MG Die Urkk. d. dt.Karol. 4, ed. Th. Schieffer) begegnet Oda
mehrfach, DD 12,26, 28, jedoch nicht als Intervenientin, sondern nur als
erwähnte Vorbesitzerin wertvollen Besitzes (so der Königshöfe
Brixen, Velden und Föhring), den Ludwig
vergabt. Keine dieser Erwähnungen, die letzte 903 XI 30, spricht von
ihr als einer Toten. Im Juni 899 hatte sich Oda
gegen die Anklage des Ehebruchs verteidigen müssen, Dümmler 3,
462. Da sie nicht beim Sohn weilt, darf man annehmen, daß sie sich
in ihre fränkische Heimat zurückgezogen hat. (Brandenburg gibt
als Todesdatum "nach 899 VI" an).
Die Absetzung des kranken und regierungsunfähigen
KARLS
III. durch eine Gruppe einflußreicher Adeliger des ostfränkischen
Reiches bedeutete keine endgültige Absage an den
karolingischen Reichsgedanken, denn sonst hätten die Verschwörer
nicht erneut einen KAROLINGER zum König
erhoben. Da von den Söhnen Ludwigs des Deutschen
keiner einen legitimen Nachkommen hinterlassen hatte (der Sohn Ludwigs
des Jüngeren
war im Alter von zwei Jahren einem Unfall zum Opfer gefallen), griff man
auf den ältesten illegitimen Sproß eines der Ludwigs-Söhne
zurück, und das war ARNULF, der
Sohn Karlmanns. Sein Vater hatte ihn
bei seinem Aufstieg zum Königtum zum Präfekten der östlichen
Grenzmarken erhoben; in die Geschichte ist er als ARNULF
"VON KÄRNTEN" eingegangen. Im Südosten lag auch die
Machtbasis
ARNULFS, der bereits auf
dem Feldzug gegen die Normannen im Jahr 882 als Anführer des bayerischen
Aufgebots erscheint und 884/85 gegenüber dem Mähren-Fürst
Zwentibold-Swatopluk eine eigenständige Politik treiben
kann, die von den Intentionen Kaiser KARLS III.
deutlich abweicht. Sein Herrschaftszentrum blieb auch nach seiner Wahl
zum König Bayern; vor allem Regensburg war seine bevorzugte Residenz,
die Pfalzen Ötting und Ranshofen, wo sich schon sein Vater Karlmann
und sein Großvater Ludwig der Deutsche
als bayerische Könige gern aufgehalten hatten, wurden auch von ihm
häufig besucht. Der zweite Schwerpunkt seiner Herrschaft aber war
Frankfurt, das auch schon unter Ludwig dem Deutschen
und Ludwig dem Jüngeren
der wichtigste Aufenthaltsort im eigentlichen Kern des ostfränkischen
Reiches, im Gebiet um den Mittelrhein und den unteren Main gewesen war.
Dazu kommen als weitere wichtige Pfalzen in dieser Region Tribur, Ingelheim
und Worms, ebenfalls aus den Zeiten der Vorgänger bekannte Aufenthaltsorte.
Diese beiden Schwerpunkte seiner Herrschaft hat ARNULF
nur selten für längere Zeit verlassen; immerhin machte er im
Jahr 899 einen Versuch, durch einen Zug nach Sachsen in diesem sonst von
seinen Vorgängern vernachlässigten Gebiet die königlichen
Herrschaftsansprüche zur Geltung zu bringen. Und aus den Urkunden
ARNULFS
geht hervor, dass auch Empfänger aus Schwaben und Lotharingien daran
interessiert waren, ihre Privilegien und Besitztümer durch den König
bestätigt zu erhalten, obwohl er diese Regionen nicht persönlich
aufgesucht hat.
Bei der Erhebung ARNULFS
zum König im November 887 waren die lotharingischen Großen zwar
beteiligt gewesen, aber die Herrschaft über Lotharingien konnte erst
durch zwei Kriegszüge in den Jahren 891 und 893 durchgesetzt werden.
Anscheinend hatte eine mächtige Adelsgruppe in diesem Gebiet beabsichtigt,
einen anderen KAROLINGER zu ihrem König
zu erheben. Auf der Synode von Metz im Jahr 893 erscheint ARNULF
dann als der Herrscher, für den die Kirche Lotharingiens betet; damit
war die Unterwerfung dieses Gebiets äußerlich abgeschlossen.
Synoden spielten auch sonst für die Sicherung der Herrschaft ARNULFS
eine
zentrale Rolle: Gleich am Beginn seiner Regierung hat Erzbischof Liutbert
von Mainz versucht, auf einer Mainzer Synode seine angeschlagene Position
(er war noch 887 zum wichtigsten Ratgeber KARLS
III. avanciert und hatte bei der Absetzung dieses Kaisers beiseite
gestanden) zu verbessern. Die Beschlüsse dieses Konzils, das nach
20 Jahren zum erstenmal wieder einen beträchtlichen Teil des ostfränkischen
Episkopats versammelte, enthielten Bestimmungen, durch die der König
geschützt und ermahnt werden sollte. Sie zogen Kanones westgotischer
Konzilien heran, um den König durch Androhung kirchlicher Strafen
vor Anschlägen zu schützen, und sie zitierten Texte Isidors von
Sevilla, um dem König die Pflichten eines christlichen Königs
vor Augen zu führen. Ob es Liutbert von Mainz gelungen ist, auch bei
ARNULF
eine
einflußreiche Stellung zu erhalten, wird nicht deutlich; er ist bereits
889 verstorben (am 17.2.). Das Amt des Erzkapellans, das er unter Ludwig
dem Deutschen, Ludwig dem Jüngeren
und zuletzt auch unter KARL III. innehatte,
wurde weder ihm noch seinem Nachfolger auf dem Mainzer Stuhl übertragen;
ARNULF hatte es an den bayerischen
Metropoliten, Erzbischof Theotmar von Salzburg, übergeben.
Einen Höhepunkt königlicher Macht stellte die
Synode und Reichsversammlung von Tribur im Jahr 895 dar, auf der nebeneinander
die weltlichen Großen und die Bischöfe tagten. Dabei versuchten
die Bischöfe, die hoch-karolingischen Traditionen
wiederzubeleben und ein gemeinsames Vorgehen weltlicher und kirchlicher
Amtsträger gegen Verbrecher zu erreichen. Die Zerrüttung der
Verhältnisse zeigt sich darin, dass - wie schon in Metz 893 - wichtige
Kanones erlassen werden mußten, um den tätlichen Angriffen von
Laien auf Kleriker zu wehren, die damals anscheinend stärker als in
früheren Jahren bedroht oder gar erschlagen wurden, wenn sie versuchten,
die kirchlichen Vorschriften auf dem Gebiet des Eherechts durchzusetzen.
Zweifellos strebte ARNULF ein
gutes Einvernehmen mit der Kirche an, aber man darf deshalb in ihm keinen
Herrscher sehen, der sich in erster Linie auf die Kirche stützte.
Dagegen spricht bereits, dass er auf eine Salbung verzichtete. Weiterhin
können als Helfer des Königs sowohl geistliche als auch weltliche
Große namhaft gemacht werden. In den einzelnen Regionen des Reichs
war die Situation allerdings unterschiedlich: In Schwaben waren es vor
allem geistliche Amtsträger, die ARNULF
stützten, so Abt Hatto von Reichenau und Bischof Salomo III. von Konstanz,
während die weltlichen Großen anscheinend den Tagen KARLS
III. nachtrauerten, in denen Alemannien im Zentrum des Reichs
gestanden hatte. So erklärt sich wohl auch, dass der Aufstandsversuch
von KARLS III. Friedelsohn Bernhard
von einigen Adeligen in Rätien und in Alemannien unterstützt
wurde. Anders war die Lage in Sachsen und in Franken, wo die wichtigsten
Familien, die KONRADINER in Franken
und die LIUDOLFINGER in Sachsen, an
die Zeiten Ludwigs des Jüngeren anknüpfend
ein enges Verhältnis zum König suchten, um in ihren Regionen
möglichst freie Hand zu haben. Diese Politik war bei den LIUDOLFINGERN
erfolgreicher als bei den KONRADINERN,
denn Sachsen lag an der Peripherie des Reiches, Franken aber bildete seinen
Schwerpunkt.
Gewisse Schwierigkeiten hatte ARNULF
anscheinend
auch in seinem bayerischen Kerngebiet, wie sich in der Affäre des
Markgrafen Engelschalk von Pannonien zeigte. Als dieser nämlich zur
Steigerung seiner Machtposition eine uneheliche Tochter ARNULFS
entführte, mußte er zuerst nach Mähren flüchten, ehe
er sich mit ARNULF aussöhnen konnte.
Seine bayerischen Standesgenossen waren aber nicht bereit, eine Sonderstellung
Engelschalks zu dulden. Sie hielten daher 893 ohne Wissen des Königs
in der königlichen Pfalz zu Regensburg eine Gerichtsversammlung ab,
auf der Engelschalk verurteilt und geblendet wurde. Zwei Jahre später
kam es zu einer noch gefährlicheren Situation, weil sich der mächtige
Markgraf Engildeo, der auch Graf im Nordgau war, mit Hildegard,
der Tochter Ludwigs des
Jüngeren, verband. Die genaueren Hintergründe und
Vorgänge werden zwar aus den Quellen nicht deutlich, wir wissen nur,
dass Engildeo seine Grafschaften verlor und auch Hildegard
- zumindest vorläufig - ihre Erbschaft entzogen wurde.
Schon kurz nach Erlangung der ostfränkischen Königswürde
erhielt ARNULF auch die Möglichkeit,
weitere Teile des Frankenreichs seiner Oberhoheit zu unterwerfen. In W-Franken
war nach dem Tode KARLS III. im Januar
888 mit dem Grafen Odo von Paris ein
Nicht-KAROLINGER König geworden;
Karl, der nachgeborene Sohn des 879
verstorbenen Ludwigs des Stammlers,
kam als Herrscher (noch) nicht in Frage. Auf dem Reichstag von Frankfurt,
den ARNULF im Sommer 888 einberufen
hatte, erschienen auch westfränkische Große, unter Führung
des Erzbischofs Fulco von Reims, und forderten ARNULF
auf, die westfränkische Krone anzunehmen. ARNULF
ließ sich darauf jedoch nicht ein, sondern schloß ein Abkommen
mit König Odo, der durch einen
Sieg über die Normannen seine Stellung gefestigt hatte. Odo
nahm die formale Oberhoheit des Ostfrankenkönigs hin und ließ
sich am 13.11.888 noch einmal in Reims krönen mit einer Krone, die
ihm ARNULF übersandt hatte. Die
Erfahrung KARLS III. hatten
ARNULF wohl zu der Einsicht veranlaßt, dass das großfränkische
Reich durch einen einzelnen Herrscher in einer Zeit schwerer äußerer
Bedrohungen nicht zu regieren war.
Daher anerkannte ARNULF
auch das Königtum des WELFEN Rudolf
in Hochburgund. Und als ihm 888 in Italien der dort zum König erhobene
BERENGAR
VON FRIAUL entgegentrat, begnügte sich ARNULF
vorläufig ebenfalls mit der Anerkennung einer Oberhoheit. 890 wurde
in Valence LUDWIG VON DER PROVENCE,
den einst KARL III. zu seinem Nachfolger
erkoren hatte, zum König der Provence erhoben; die Gegenwart von Abgesandten
König ARNULFS bezeugt, dass dieser
auch hier eine Oberherrschaft beanspruchte.
Wie die Vorgänger Ludwig
der Jüngere und KARL III.
stand auch ARNULF vor der schwierigen
Aufgabe, den Kampf gegen die Normannen zu führen, der nicht siegreich
abgeschlossen werden konnte, weil die Franken keine Flotte besaßen
und sich die Normannen daher auch im Fall einer Niederlage in ihre Stützpunkte
in Dänemark oder England zurückziehen konnten. Ein Kriegszug
der Ostfranken im Juni 891 endete mit einer schweren Niederlage gegen die
Normannen; die Anführer des ostfränkischen Heeres, Erzbischof
Sunderold von Mainz und ein Graf Arnulf, fanden dabei den Tod. Im Herbst
891 mußte König ARNULF persönlich
ins Feld ziehen; dazu wurden die Franken und die Alemannen aufgeboten.
Die Alemannen sollen, wie es heißt, "unter dem Vorwand der Krankheit",
umgekehrt sein, die Franken marschierten weiter. Mitte Oktober kam es an
der Dyle bei Löwen zur Schlacht; die Franken stiegen zur Überraschung
der Normannen unter Führung des Königs vom Pferd und griffen
die Befestigungen zu Fuß an. Der Sieg war vollständig; zwei
normannische Anführer, Gottfried und Siegfried, waren gefallen und
eine große Anzahl von Feldzeichen konnten erobert werden. Noch nach
Jahrhunderten wurde dieser Sieg in Löwen festlich begangen (allerdings
fälschlicherweise am 1.9.). Dieser Sieg bedeutete zwar noch nicht
das Ende der normannischen Angriffe auf dem Festland; Anfang 892 brach
noch einmal eine normannische Schar bis zum Kloster Prüm in der Eifel
durch, wo die Mönche und die unabhängigen Bauern
erschlagen wurden,
soweit sie nicht in die Wälder geflohen waren. Mit diesem Streifzug
waren aber die Invasionen der Normannen auf dem Festland beendet; sie wandten
sich jetzt endgültig den Britischen Inseln zu.
Bereits im Jahr 890 hatte sich der Papst an ARNULF
gewandt und ihn dazu aufgefordert, nach Rom zu kommen, wo er ihn zum Kaiser
krönen werde. ARNULF hatte damals
abgelehnt, weil er in seinem Reich dringende Aufgaben zu bewältigen
habe. Anfang 894 hielt ARNULF die Zeit
für gekommen, auch Italien seiner Herrschaft zu unterwerfen. Er führte
ein starkes Heer in die Lombardei, eroberte Bergamo und ließ zur
Abschreckung für die regionalen Machthaber den dortigen Grafen Ambrosius
vor dem Stadttor an einem Baum aufhängen. Auf seinem weiteren Zug
durch Oberitalien stellte sich ihm niemand mehr entgegen. Zwei Jahre später
unternahm ARNULF einen weiteren Italienzug,
um in Rom die Kaiserkrone zu holen. Dies erwies sich als schwieriges Unternehmen,
denn Papst Formosus hatte bereits den Herzog Wido
von Spoleto und dessen Sohn LAMBERT
zu Kaisern gekrönt. Weil er aber mit deren Politik nicht zufrieden
war, suchte er jetzt einen mächtigen Verbündeten im ostfränkischen
König. Um Ende Februar 896 zum Kaiser gekrönt zu werden, mußte
ARNULF
sich den Zugang zu St. Peter mit Waffengewalt erkämpfen, so wie dies
in späteren Jahrhunderten immer wieder deutsche Könige tun mußten,
die erst gegen den heftigen Widerstand des lokalen Adels und der Römer
zur Stätte der Kaiserkrönung vordringen konnten. Noch auf dem
Italienzug erlitt
ARNULF einen ersten
Anfall seiner Krankheit; er kehrte also - wie knapp 20 Jahre zuvor sein
Vater Karlmann - als kranker Mann aus
Italien zurück. Dort hatte er seinen kleinen illegitimen Sohn Ratold
zurückgelassen, der aber nur kurze Zeit als Platzhalter fungieren
konnte.
Noch vor seinem Italienzug hatte ARNULF
seinen älteren Sohn Zwentibold,
den ihm wohl 870/71 eine Konkubine geboren hatte, zum König von Lotharingien
gemacht (895). Dies war ihm erst im zweiten Anlauf gelungen; im Jahr zuvor
waren die lotharingischen Großen noch nicht bereit gewesen, Zwentibolds
Königtum zu akzeptieren. Um das Selbständigkeitsstreben der Lotharingier
zu befriedigen, durfte Zwentibold eine
eigene Kanzlei für sein Reich einrichten. Es gelang ihm aber während
seiner ganzen Regierung nur begrenzt, sich gegen bestimmte Teile des Adels
zu behaupten.
Nachdem Zwentibold in
Lotharingien etabliert war, gelang es ARNULF
auch, auf einer Reichsversammlung des Jahres 897 die Nachfolge seines ehelichen
Sohnes Ludwig in O-Franken durchzusetzen.
In seinen letzten Jahren war ARNULF
nur noch beschränkt regierungsfähig. Seine Krankheit verschlimmerte
sich, und im Juni 899 erfolgte ein schwerer Schlaganfall, nach dem der
Kaiser völlig gelähmt und kaum mehr instande war, sein Amt zu
führen. Im Juli 899 konnte er in Regensburg noch einmal eine Reichsversammlung
abhalten, zu größeren Unternehmungen war er aber nicht mehr
fähig.
Wie schwach ARNULF
geworden war, zeigt sich darin, dass er nicht einmal mehr die Bischöfe
seines Stammlandes Bayern in der Hand hatte. Sie versagten sich nämlich
899 seinem Wunsch, seinen langjährigen Kanzler, den Alemannen Wiching,
der zum Bischof von Neitra in Mähren geweiht worden war, als Bischof
von Passau zu akzeptieren. Sie hatten zwar hier das Kirchenrecht eindeutig
auf ihrer Seite, aber dass sie sich auf dieses unwidersprochen berufen
konnten, beweist
ARNULFS Machtlosigkeit.
Die Geschichtsschreiber des 10. Jahrhunderts bewerten
die Regierung
ARNULFS mit Zurückhaltung,
zuweilen sogar mit Haß; so gibt ihm Liutprand von Cremona die Schuld
dafür, dass die Ungarn seit 900 so große Verwüstungen im
ostfränkischen Reich und in Italien anrichteten. Nun hatte ARNULF
tatsächlich die Ungarn als Bundesgenossen gegen die Mährer herbeigerufen,
mit denen schon sein Großvater und sein Vater gekämpft hatten.
ARNULF
hatte versucht, sich mit dem
Mährer-Fürsten
Swatopluk-Zwentibold
zu arrangieren; daher hatte er seinem Sohn
den Namen Zwentibold gegeben. Die Gegensätze
zwischen ARNULF und dem Mährer
verschärften sich, weil ARNULF
die Oberhoheit des fränkischen Reiches durchsetzen wollte. Bei seinem
Kriegszug im Jahr 892 kämpften Ungarn als Bundesgenossen mit. Für
den Zug von 893 wurde die Bundesgenossenschaft der Bulgaren gewonnen; ARNULF
versuchte also, das Großmährische Reich, das neben dem heutigen
Mähren und der Slowakei auch große Teile Pannoniens umfaßte,
von zwei Seiten anzugreifen. Besiegen konnte er aber dieses Reich nicht;
es erlag erst dem Ansturm der Ungarn.
Bei Widukind von Corvey steht zu lesen, dass ARNULF
den Ungarn, die KARL DER GROSSE hinter
einem großen Wall eingeschlossen hatte, den Weg ins Reich freigegeben
habe, indem er diesen Wall niedergerissen habe. Die Ungarn hätten
wahrscheinlich auch ohne das Bündnis mit ARNULF
ihren Weg nach Westen gefunden; dass das Reich diesen Raubzügen so
hilflos ausgeliefert war, hing damit zusammen, dass ARNULFS
Nachfolger als König ein unmündiges Kind war.
Wenigstens in seiner Hauptstadt Regensburg, wo ARNULF
ja auch seine letzte Ruhestätte fand, blieb sein Gedächtnis lebendig;
noch im Spätmittelalter fanden an seinem Todestag Armenspeisungen
im Kloster St. Emmeram statt.
Schieffer Rudolf:
**************
"Die Karolinger"
Mit dem Sturz und Tod Kaiser
KARLS III. brach 887/88 der bis auf Karl
Martell zurückgehende Mannesstamm muntehelich geborener
KAROLINGER
ab. Die Herrschaft des Geschlechts wäre wohl vollkommen erloschen,
wenn nicht ein illegitimer Deszendent der ostfränkischen Linie,
ARNULF,
bis dahin Markgraf in Kärnten, durch seine Rebellion aktiv diese Wendung
herbeigeführt hätte. Da er seine politischen Ziele jedoch entsprechend
dem Kreis seiner Frankfurter "Wähler", auf das Regnum seines Großvaters
Ludwigs
des Deutschen, also auf O-Franken
(samt Lotharingien), einschränkte, gab er zugleich den Weg frei zur
Auflösung des großfränkischen Reichsverbandes, der von
der Dynastie aufgebaut und bis zuletzt von ihr ausschließlich regiert
worden war.
Das Hervortreten neuer Könige hatte sich unter KARL
III. schon länger angebahnt und konnte daher im Winter
887/88 ziemlich rasch vonstatten gehen. Der Regensburger Fortsetzer der
Fuldaer Annalen, der noch herablassend von den "vielen Kleinkönigen
(reguli) in Europa" spricht, nennt als ersten BERENGAR
VON FRIAUL, den Enkel LUDWIGS DES FROMMEN,
der sich im Januar 888 in Pavia zum König des italienischen Regnums
krönen ließ, und gleich danach den WELFEN
Rudolf, der den Dukat um den Genfer See beherrschte, aber bei
seiner Königserhebung in Saint-Maurice d'Agaune die Erneuerung des
Lothar-Reiches
ins Auge faßte. In W-Franken nutzte der ROBERTINER
seine überlegene Machtstellung von der Seine bis zur Loire wie auch
seinen frischen Kriegsruhm als Verteidiger von Paris, um Ende Februar oder
Anfang März in Compiegne die Krone zu nehmen, wohl nur wenige Tage
bevor in Langres Markgraf Wido II. von Spoleto,
eingedenk der alten Verbindungen seines Geschlechts zum Westen, desgleichen
tat. Allerdings räumte er vor Odo
schnell das Feld und verfolgte seine Ambitionen in Italien weiter, während
im aquitanischen Süden Graf Ramnulf von Poitiers, nach dem Tode des
Bernhard Plantapilosa (885/86) der Mächtigste weit und breit, zeitweilig
ebenfalls seine Verselbständigung als König betrieb, sich dann
aber doch Odo unterwarf (+ 890); an
seinem Hof hütete er im übrigen den 8-jährigen Karl,
Ludwigs
des Stammlers postumen Sohn, der
vorerst freilich von keiner Seite ins Spiel gebracht wurde.
König ARNULF VON O-FRANKEN,
der KAROLINGER, ließ dies alles
unbeteiligt geschehen. Erst im Juni 888 empfing er in Frankfurt eine Gruppe
westfränkischer Gegner Odos unter
dem Erzbischof Fulco von Reims, die zunächst
WIDO angehangen hatten und nun ihm die Herrschaft bei ihnen
antrugen. ARNULF ging nicht darauf
ein und erkannte vielmehr Odo an, auf
den ja auch KARL III. im Westen vertraut
hatte. Der ROBERTINER fand sich gestärkt
durch einen eben errungenen Normannensieg in Worms zur Huldigung ein und
erhielt bald darauf von ARNULF
eine
Krone, mit der er, nunmehr in Reims, abermals gekrönt wurde, was seine
inneren Widersacher einstweilen zum Schweigen brachte. Anders verhielt
sich ARNULF gegenüber
Rudolf,
dessen Ehrgeiz auf Lotharingien, ausgedrückt in einer Königskrönung
während des Sommers in Toul, er nicht hinzunehmen gewillt war. Durch
einen Aufmarsch im Elsaß nötigte er den WELFEN
zum Rückzug und zum Erscheinen im Oktober in Regensburg, wo er ihm
die Königsherrschaft allein für den westlichen Alpenraum zugestand.
In Italien setzte ARNULF, wiederum
wie KARL III., auf BERENGAR,
zu dem er Ende 888 bei der Begegnung in Trient persönliche Beziehungen
aufnahm, ohne indes verhindern zu können, dass BERENGAR
bald schon eine schwere Niederlage gegen den aus W-Franken zurückgekehrten
WIDO
erlitt und im Kampf um das Regnum südlich der Alpen fürs erste
das Nachsehen hatte. Alles in allem zeigt ARNULFS
Umgang
mit Odo,
Rudolf
und BERENGAR, dass der KAROLINGER
eine gewisse Oberhoheit in Anspruch nahm, die sich schon aus dem relativen
Übergewicht seiner ostfränkisch-lotharingischen Position ergab,
aber, wohl unter dem Eindruck des Scheiterns KARLS
III., keine großfränkische Restaurationspolitik betrieb.
W-Franken und Italien scheint der "schon als eigene traditionsbehaftete
und geschichtsfähige Einheiten" (E. Hlawitschka) respektiert zu haben,
doch fand er sich nur mühsam mit Rudolfs
(hoch-)burgundischer Reichsbildung ab. Um deren Expansion vorzubeugen,
förderte er sogar die Wiederaufrichtung des (nieder-)burgundisch-provenzalischen
Königtums der BOSONIDEN durch
den jungen LUDWIG, den Adoptivsohn
KARLS III., der 890 in Valence unter
Berufung auf eine von KARL verliehene
regia dignitas und auf ARNULFS Einverständnis
erhoben und gesalbt wurde.
Innerhalb O-Frankens fehlte es nicht an geschichtsbewußten
Stimmen, die in dem Namen des etwa 40-jährigen, nicht zur Herrschaft
geborenen Königs den heiligen Arnulf von
Metzwiedererkannten und von ihm wie von dem einstigen Stammvater
der KAROLINGER den Beginn einer neuen
Blüte erhofften. ARNULF, als König
anscheinend erst seit kurzem mit Oda
aus dem in der Lahngegend verwurzelten Geschlecht der KONRADINER
vermählt, konnte indes lediglich zwei Söhne aus früheren,
kirchlich nicht anerkannten Verbindungen vorweisen, den gerade erwachsenen
Zwentibold
und einen noch ganz kleinen Ratbod,
deren Erbrecht ihm die ostfränkischen Großen 889 in Forchheim
unter der Voraussetzung zusicherten, dass ihm kein legitimer Sprößling
von Oda beschieden sein würde.
Vermutlich gegen diesen Beschluß entfachte Bernhard,
der außereheliche Sohn KARLS III.,
890/91 in Schwaben und Churrätien einen Aufstand, bei dessen Niederschlagung
er getötet wurde. Nachwirkungen der Konfrontation mit dem kaiserlichen
Oheim sind auch sonst in der inneren Politik ARNULFS
zu spüren, der das Zentrum der Macht wieder nach Bayern verlegte und
anstelle Liutberts von Mainz (+ 889) auf den Erzkapellan seines Vaters
Karlmann, den Erzbischof Theotmar von
Salzburg zurückgriff. 892 sorgte er für den Sturz des von KARL
III. geförderten BABENBERGERS Poppo in der Sorbenmark und
ließ dafür die konradinischen
Verwandten seiner Gattin, Graf Konrad den Älteren sowie dessen Bruder
Rudolf als Bischof von Würzburg, in Mainfranken und Thüringen
zu vorherrschendem Einfluß gelangen, ähnlich wie er 895 den
in Bayern seit langem dominierenden Grafen Engildeo, der mit Hildegard,
einer Tochter Ludwigs des Jüngeren,
im Bunde stand, durch Liutpold ersetzte, vermutlich einen eigenen Verwandten
über seine Mutter Liutswind. Zusätzliche Autorität
gewann ARNULF durch glückliche
Entwicklungen an den äußeren Grenzen, denn nach einem vielbeachteten
Sieg über die Normannen am Fluß Dyle bei Löwen (891) kam
ihm zugute, dass sich diese Feinde bald endgültig von seinem Teilreich
abkehrten, und im SO erlebte er 894 den Tod des bis zuletzt erfolglos kämpfenden
Swatopluk, womit ein rascher, durch
das von Osten neuerdings hervorbrechende Reitervolk der Ungarn noch beschleunigter
Machtverfall des Mährerreiches einsetzte. Als die Königin
Oda im Herbst 893 einen Sohn zur Welt brachte, der den Namen
des Urgroßvaters LUDWIG erhielt,
schien die Konsolidierung der KAROLINGER-Herrschaft
im reduzierten Rahmen O-Franken-Lotharingiens vollends gelungen. Dringlicher
waren dem ostfränkischen Herrscher die Beinträchtigungen seiner
Hegemonie, die von König Rudolf und
den WIDONEN ausgingen, und die Chancen
für den eigenen Nachwuchs, die aus der Bekämpfung erwachsen konnten.
Jedenfalls ging der lästige WELFE
in Hochburgund fühlbar gestärkt durch die Erfolge WIDOS,
der nach der Abdrängung BERENGARS
in den Raum von Verona bis Friaul als Herr über den größten
Teil Italiens auch den widerstrebenden Papst Stephan V. (885-891) dazu
gebracht hatte, ihn als ersten Nicht-KAROLINGER
am 21.2.891 zum Kaiser zu krönen, und mit der Erhebung seines heranwachsenden
Sohnes LAMBERT zum Mitkönig (Mai
891) und sogar dessen Kaiserkrönung durch Stephans Nachfolger Formosus
(891-896) im April 892 in Ravenna die langfristige dynastische Sicherung
seiner (ganz "fränkisch" gedachten) Herrschaft erreicht zu haben schien.
Dagegen war ARNULF bereit, seine anfängliche
Selbstbescheidenheit aufzugeben, wozu ihn auch Hilfsgesuche des Papstes
und BERENGARS ermunterten. 893 schickte
er Zwentibold, seinen Ältesten
vor, der bis Pavia zog, aber nicht viel gegen WIDO
ausrichtete; Anfang 894 folgte er selbst, nahm in einer "Entscheidungsschlacht"
(J. Jarnut) die Stadt Bergamo ein und verschaffte sich in ganz Oberitalien
Geltung (in unklarem Verhältnis zu den Rechten König
BERENGARS), brach dann aber die weitere Verfolgung WIDOS
ab und kehrte auf dem Umweg einer Strafexpedition durch Rudolfs
burgundisches Kernland heim.
Gegen den schwer zu packenden WELFEN
waren ein erneuter Feldzug Zwentibolds
und eine Zusammenkunft ARNULFS mit
LUDWIG
von der Provence im Sommer 894 gerichtet, zu einem guten Teil
aber auch ARNULFS Plan, den Erstgeborenen,
der seit der Geburt Ludwigs des Kindes
seine Thronfolgerecht in O-Franken eingebüßt hatte, mit einem
gesonderten Regnum auszustatten, das außer dem eigentlichen Lotharingien
auch Burgund umfassen sollte. Nachdem die Großen dies, bemerkenswerterweise,
894 in Worms noch abgelehnt hatten, setzte sich ARNULF
im
Mai 895 an gleicher Stätte durch und ließ Zwentibold
in Gegenwart Odos von West-Franken
zum König in Burgundia et omni Hlotharico regno salben und krönen.
Erst danach wandte er sich wieder Italien zu, wo inzwischen
Kaiser WIDO verstorben war und seit Ende 894 dessen Witwe
Ageltrude mit dem jungen Kaiser LAMBERT
das Regiment führte. Anders als noch 894 pochte ARNULF
diesmal auf Herrscherrechte auch südlich der Alpen, was ihn schnell
mit BERENGAR entzweite, und drang im
Winter 895/96 bis Rom vor, wo er sich den Einzug gegen Ageltrude
erkämpfen mußte. Papst Formosus verlieh ihm am 15./22.2.896
ohne Rücksicht auf den geflohenen LAMBERT
die
Kaiserkrone und erwartete von ihm weiteres Einschreiten gegen das
widonische Spoleto, aber da holte ARNULF
das Verhängnis der Spät-KAROLINGER
ein: Er erlitt wie sein Vater Karlmann
einen Schlaganfall mit schweren Lähmungen, der eine sofortige
Rückkehr nach Bayern gebot und bereits 897 eine Ausdehnung des Treueids
der ostfränkischen Großen auch auf den 4-jährigen Sohn
Ludwig ratsam machte. In Mailand ließ
ARNULF seinen außerehelichen
Sohn Ratold zurück, dem er eine
künftige Rolle in Italien zugedacht haben mag, doch war das
karolingische Zeitalter in der Geschichte dieses Landes unwiederbringlich
zu Ende. Kaiser LAMBERT (+ 898) und
BERENGAR teilten sich noch 896 vertraglich
die Herrschaft.
Decker-Hauff Hansmartin: Seite 347
**********************
"Die Ottonen und Schwaben"
Wenn ARNULF den jungen
WELFEN
Heinrich dadurch an sich band, dass er ihm eine seiner Töchter zur
Frau gab, dann dürfen wir in den reichen bayerischen Lehen eher eine
Form der Ausstattung anläßlich der Heirat mit Atha
sehen. Heiratsfähige Töchter aber hatte
ARNULF damals nur aus seiner seit etwa 870/75 andauernden ungesetzlichen
Verbindung mit
Ellenratha, während aus der kurz vor 888
geschlossenen Ehe mit der sehr jungen Oda
noch keine erwachsenen Töchter vorhanden, vielleicht überhaupt
noch keine Kinder geboren waren.
Atha, Heinrichs Gattin
und ARNULFS mögliche Tochter,
trägt einen Namen, der nur in der Kurzform erhalten ist. Die Vollform
ist nicht überliefert; man hat sie später in Weingarten latinisiert
und zu Beata ergänzt. Dass dies ausgeschlossen ist, hat schon Krieg
erwiesen. Sollte die Kurzform Atha auf irgendeine Weise mit Ellinratha
zusammengehören, dem Namen, den sowohl ARNULFS
Gefährtin als auch eine Tochter aus dieser Verbindung trugen? Oder
ist am Ende Atha "von Hohenwarth" überhaupt
identisch mit ARNULFS bereits bekannter
Tochter Ellinrata?
Diese nicht vollblütige KAROLINGERIN
verlor ihren Gatten, den zwielichtigen Markgrafen Engilschalk von der Ostmark,
gerade in den Jahren, in denen wir Heinrich mit dem goldenen Wagen erstmals
am Kaiserhof vermuten dürfen. Ellinratha hatte sich seinerseits von
Engilschalk entführen lassen, dann aber eine Aussöhnung zwischen
ihrem Gatten und ihrem Vater erreicht. Engilschalk wurde von den vielen
Feinden, denen er sich durch seinen Übermut verhaßt gemacht
hatte, verfolgt und mitten in der Regensburger KAROLINGER-Pfalz
ergriffen, geblendet und getötet. ARNULFS
Rolle ist dabei bis heute dunkel. Engilschalks Untergang fällt ins
Frühjahr 893, so dass die Heirat Heinrichs mit Atha-Ellinratha
etwa ab Ende 893/Anfang 894 stattgefunden haben könnte. 914 hat Ellinratha
noch gelebt, denn sie wird in einer Urkunde ihrer Mutter, der matrona
Ellinratha, erwähnt.
Konecny Silvia: Seite 143
*************
"Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die
politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen
Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."
Das Eheverhalten der letzten KAROLINGER
ähnelte in zunehmendem Maße jenem des Adels. Dies wird im W
insbesondere durch das Auftreten von Einheiraten
karolingischer Könige in den Machtbereich fürstlicher
Witwen deutlich. Auch exterritoriale Heiraten zeigen, daß ein universaler
Herrschaftsanspruch nur noch in geringem Maße bestand und die letzten
Exponenten des karolingischen Geschlechtes
durchaus als Herrscher kleinräumiger Bereiche handelten, die mit gleichwertigen
Partnern Bündnispolitik betrieben. Daher bildeten exterritoriale Heiraten
eine erstrebenswerte Alternative zu Eheverbindungen mit dem fränkischen
Adel, für den die Ehe mit dem Königshaus in keiner Weise mehr
einen einseitigen Gunstbeweis bedeutete.
Die Ehen ARNULFS waren
vor allem eine Bündnispolitik mit dem fränkischen Adel. Sie wurden
weitgehend durch die Auseinandersetzungen dieses Adels untereinander bestimmt,
die
ARNULF zu seinem Vorteil zu nützen
suchte. Jedenfalls scheint er mehrere Verbindungen eingegangen zu sein,
worauf unter anderem Schenkungsurkunden hindeuten, die als eine Versorgung
von Ehepartnerinnen aufgefaßt werden könnten. In einigen dieser
Fälle handelte es sich vermutlich um Verbindungen von geringerer Bedeutung.
Von solchen unterschieden sich jedoch mit ziemlicher Sicherheit die Ehen
ARNULFS,
denen Ratold und Zwentibold
entstammten, denn diese wurden 889 für eine Herrschaftsnachfolge
in Betracht gezogen Die Bezeichnung der Mütter Ratolds
und Zwentibolds als Konkubinen bezog
sich gewiß nicht auf den sozialen Status der Frauen, sondern wollte
wohl nur die Verbindung ARNULFS mit
diesen von der legitien Ehe mit Uota
unterscheiden. So drückte der 889 gebrauchte Konkubinenbegriff vor
allem ein kurzfristiges Doninieren der konradinischen
Gruppe aus, der Uota entstammte. Eine
Vorrangstellung der KONRADINER hing
wog mit der Ausweitung von ARNULFS
Macht nach dem W zusammen. Aber auch gegenüber Uota
bestand wiederholt eine starke Opposition. Deshalb ist es nicht sicher,
ob Uota durchweg als legitime Ehefrau
galt.
Eine erste Ehe ging ARNULF
vermutlich noch zu Lebzeiten Karlmanns ein,
jedoch möglicherweise ohne ausdrückliche Zustimmung seines Vaters.
Dieser ersten Verbindung entstammte Zwentibold.
Nach dem Tod Karlmanns mag sie zunächst
durchaus als Vollehe gegolten haben. An dem ältesten Sohn ARNULFS
vertrat der gleichnamige
Mährer-Fürst
Zwentibold Patenstelle, was darauf hindeuten könnte, daß
die erste Gattin ARNULFS einem Geschlecht
entstammte, das im Grenzbereich tätig war und Kontakte zu den Mährern
hatte. Ob zwei weitere Nachkommen
ARNULFS,
Ellinrat
und Ratold, ebenfalls aus dieser
ersten Ehe des Herrschers entstammten, und dessen erste Gattin daher in
jener älteren Ellinrat zu sehen ist, die eine Urkunde als Mutter
der gleichnamigen
ARNULFS-Tochter bezeugt,
kann nicht eindeutig entschieden werden. Möglicherweise trifft auch
jene Quellennachricht zu, die Zwentibold
und Ratold verschiedenen Müttern
zuschreibt. Somit bleibt es unklar, ob ARNULFS
erste
Ehe wegen seiner Verbindung mit Uota
gelöst wurde, oder ob dies schon wegen einer Ehe mit der Mutter des
Ratold
geschah. letzten Endes wäre - ob nun neben der Verbindung mit Uota
nur jene Ellinrat oder mehrere bestanden - auch Polygamie
denkbar, zumindest in dem Sinne, daß einzelne Verbindungen der politischen
Situation entsprechend vernachlässigt und später wieder aufgenommen
wurden. Damit wäre eine Variante der Polygamie gegeben, die einer
politisch mächtigen und annähernd gleichwertigen Gruppierung
des Adels rechnung trug.
ARNULF heiratete
Uota
um 888. In diesem Jahr einigte er sich nämlich mit dem Adel über
die Herrschaftsnachfolge Zwentibolds
und Ratolds, sofern die "legitime"
Gattin Uota, keinen Sohn gebären
würde. Eine Regelung dieser Art bedeutete gewiß einen Kompromiß,
auch wenn Uota "legitme" Gattin und
später sogar Königin genannt wurde. Bezeichnenderweise erfolgte
jedoch keine Krönung Uotas, obwohl
ARNULF wie KARL
III. Anspruch auf die Gesamtherrschaft über das Frankenreich
erhob, ja nicht einmal eine Dotation Uotas
ist überliefert. Auf dem Italienzug des Jahres 896 aber begleitete
Ratold
den Kaiser, nicht etwa Uota und deren
Sohn Ludwig. Möglicherweise war
ARNULF die müterliche Sippe Ratolds
im lombardischen Grenzgebiet nützlicher als die KONRADINER.
Auch Zwentibold erhielt trotz der Geburt
Ludwigs des Kindes die Königswürde
im Jahre 895 zugesprochen. Zusätzlich festigte 897 die Ehe mit einer
LIUTPOLDINGERIN (Richtig ist: LIUDOLFINGERIN)
die Stellung des ältesten ARNULF-Sohnes,
zu der der Vater seine Zustimmung gab. Während des Siechtums ARNULFS
war Uota besonders starken Anfechtungen
ausgesetzt, 899 wurde ihr Ehebruch vorgeworfen. Vermutlich gelang es Uota
nach dem Tod ARNULFS nicht, vormundschaftlich
für ihren unmündigen Sohn zu regieren. Daß Ludwig
das Kind dennoch die Königswürde innehatte, war kaum
ausschließlich Verdienst der Mutter. Der unmündige König
wurde vor allem vonn den ehemaligen Ratgebern ARNULFS
vorgeschoben.
888
oo KONRADINERIN Oda
um 873-
903
Kinder:
Ludwig IV.
893-24.9.911
Glismut
-26.4.924
oo Konrad der Ältere von Fritzlar
ca 855-27.2.906
Illegitim
Zwentibold
870/71-13.8.900
Ratold Ahnherr der Grafen von Meran
889-
von Ellinrat
-24.5.nach 914
Ellinrat
-24.5.nach 914
oo Engelschalk II. Markgraf der Ostmark
- Frühjahr 893
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