Fortgeführt und ausgebaut wurde diese "Politik der
Einheit Italiens" von seinem Nachfolger Agilulf
(591-616),
der als mächtiger dux durch Wahl erhoben wurde, sein Königtum
aber als Verwandter des kinderlosen Authari
und
durch die Ehe mit dessen agilolfingischer
Witwe Theodelinde auch erbrechtlich
legitimieren konnte [347 Zur Verwandtschaft Agilulfs
mit
Authari vgl. Fröhlich, Studien
Seite 104; Gasparri, Duchi Seite 46 mit Anmerkung 6. Agilulf
war kein agnatischer AGILOLFINGER,
sondern stammte aus dem thüringischen Geschlecht ANAWAS; so
Jarnut, Agilolfingerstudien Seite 60f., gewesen (u. a.) Friese, Studien
Seite 163-167. Die zweifellos wichtige Rolle der Königin-Witwe
wird in der anektodisch akzentuierten Berichterstattung des Paulus Diaconus
(vgl. Historia Langobardorum III. 35, Seite 113: Regina vero
Theudelinda, quia satis placebat Langobardis,
permiserunt eam in regia consistere digniatem, suadenets ei, ut sibi quem
ipsa voluisset ex omnibus Langobardis virum eligeret) doch wohl zu
sehr herausgestellt; zu beachten ist vielmehr der ebenda gegebene Hinweis
auf die erforderliche Idoneität des Ehegatten (... talem scilicet
qui regnum regere utiliter possit), der überdies von Theodelinde
im Verein mit den prudentes des Stammes ausgewählt wurde. Theodelinde
war als Tochter Walderadas
(aus deren dritter Ehe mit dem agilolfingischen
Bayern-Herzog Garibald)
zwar eine Enkelin König Wachos,
doch spielt die dadurch ermöglichte Anknüpfung an die
lethingische Tradition in den Quellen keine Rolle; vgl. Fröhlich,
Studien Seite 138-141; Grierson, Election Seite 19f. Die hochgespannte
Bewertung Theodelindes als Trägerin
eines "lethingische(n) und angesippt
merowingische(n)
Königsheil(s)" bei Wolf, Theodelinde Seite 290, dürfte daher
zu relativieren sein; eher wird man mit Jarnut, Agilolfingerstudien Seite
58-61, daran denken, daß Theodelinde als
AGILOLFINGERIN zur mächtigsten
Adelsfamilie des die Langobarden weiterhin bedrohenden Franken-Reiches
gehörte, und überdies mit Schneider, Königswahl Seite 246f.,
davon ausgehen, daß die Heirat der Königin-Witwe in ganz
praktisch-politischer Weise den Zugang zu Zentren der Machtausübung
wie Königshof und Königshort öffnete.].
Das Konzept ging auf, denn Adaloald
folgte 616 seinem Vater ohne Schwierigkeiten als König nach, obwohl
er mit seinen 14 Jahren noch als minderjährig galt. Dazu beigetragen
haben dürfte auch, daß der schärfste Konkurrent
Adaloalds, Theodelindes
außerordentlich populärer Bruder Gundoald,
wenige Jahre zuvor ermordet worden war, und zwar vermutlich auf Betreiben
des Königspaares selber.
Als faktische Regentin für den Kind-König
hatte Agilulf offenbar noch vor seinem
Tode seine Gattin Theodelinde bestimmt,
was eine zwar ungewöhnliche, angesichts des hohen Prestiges der zweifachen
Königin-Witwe
jedoch erfolgversprechende Maßnahme war. Die Regierungsbeteiligung
Theodelindes wie auch die Minderjährigkeit
des Königs werden in den Quellen denn auch ausdrücklich und ohne
Mißbilligung erwähnt.
Dagegen lag die tatsächliche Herrschaftsausübung
natürlich weitgehend in Theodelindes
Händen; sie hatte schon in Agilulfs Regierung
eine bedeutende politische Rolle gespielt, vermochte ihre Macht jetzt wohl
noch zu steigern und behielt diese Position auch wähhrend der gesamten
Regierung ihres spätestens 620 volljährig gewordenen Sohnes bei.
In militärischer Hinsicht konnte sie sich vor allem auf Herzog
Sundrarit stützen, der schon ein enger Vertrauter König
Agilulfs
gewesen war. Die gemeinsame Herrschaft von Mutter und Sohn fand
über etliche Jahre hinweg die Zustimmung der Langobarden, und es war
nicht diese Form der Regierung, sondern die Ausrichtung der von beiden
betriebenen Politik, die schließlich zum Widerstand der Großen
führte. Durch ihre dezidiert prokatholische Religionspolitik hatten
Theodelinde und Adaloald
nämlich die von Agilulf mit Erfolg
eingehaltene Linie des konfessionellen Gleichgewichts verlassen und damit
die Unterstützung der arianischen und dreikapitelschismatischen Gruppierungen
verloren. Adaloalds Gegner scharten
sich um seinen Schwager, den Turiner Herzog Arioald,
und warfen dem König vor, er habe die Fähigkeit zur Herrschaftsführung
verloren; in den Quellenberichten von Geisteskrankheit und Verzauberung
des Königs durch byzantinische Hexer dürfte sich diese Propaganda
der erfolgreichen Opposition widerspiegeln. Arioald
konnte sich nach längeren Kämpfen 626 schließlich durchsetzen;
Adaloald wurde gestürzt und starb kurz darauf, wahrscheinlich
durch Gift; ein Jahr später folgte ihm seine Mutter.