Offergeld Thilo: Seite 148-152
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter."

Fortgeführt und ausgebaut wurde diese "Politik der Einheit Italiens" von seinem Nachfolger Agilulf (591-616), der als mächtiger dux durch Wahl erhoben wurde, sein Königtum aber als Verwandter des kinderlosen Authari und durch die Ehe mit dessen agilolfingischer Witwe Theodelinde auch erbrechtlich legitimieren konnte [347 Zur Verwandtschaft Agilulfs mit Authari vgl. Fröhlich, Studien Seite 104; Gasparri, Duchi Seite 46 mit Anmerkung 6. Agilulf war kein agnatischer AGILOLFINGER, sondern stammte aus dem thüringischen Geschlecht ANAWAS; so Jarnut, Agilolfingerstudien Seite 60f., gewesen (u. a.) Friese, Studien Seite 163-167. Die zweifellos wichtige Rolle der Königin-Witwe wird in der anektodisch akzentuierten Berichterstattung des Paulus Diaconus (vgl. Historia Langobardorum III. 35, Seite 113: Regina vero Theudelinda, quia satis placebat Langobardis, permiserunt eam in regia consistere digniatem, suadenets ei, ut sibi quem ipsa voluisset ex omnibus Langobardis virum eligeret) doch wohl zu sehr herausgestellt; zu beachten ist vielmehr der ebenda gegebene Hinweis auf die erforderliche Idoneität des Ehegatten (... talem scilicet qui regnum regere utiliter possit), der überdies von Theodelinde im Verein mit den prudentes des Stammes ausgewählt wurde. Theodelinde war als Tochter Walderadas (aus deren dritter Ehe mit dem agilolfingischen Bayern-Herzog Garibald) zwar eine Enkelin König Wachos, doch spielt die dadurch ermöglichte Anknüpfung an die lethingische Tradition in den Quellen keine Rolle; vgl. Fröhlich, Studien Seite 138-141; Grierson, Election Seite 19f. Die hochgespannte Bewertung Theodelindes als Trägerin eines "lethingische(n) und angesippt merowingische(n) Königsheil(s)" bei Wolf, Theodelinde Seite 290, dürfte daher zu relativieren sein; eher wird man mit Jarnut, Agilolfingerstudien Seite 58-61, daran denken, daß Theodelinde als AGILOLFINGERIN zur mächtigsten Adelsfamilie des die Langobarden weiterhin bedrohenden Franken-Reiches gehörte, und überdies mit Schneider, Königswahl Seite 246f., davon ausgehen, daß die Heirat der Königin-Witwe in ganz praktisch-politischer Weise den Zugang zu Zentren der Machtausübung wie Königshof und Königshort öffnete.].
Das Konzept ging auf, denn Adaloald folgte 616 seinem Vater ohne Schwierigkeiten als König nach, obwohl er mit seinen 14 Jahren noch als minderjährig galt. Dazu beigetragen haben dürfte auch, daß der schärfste Konkurrent Adaloalds, Theodelindes außerordentlich populärer Bruder Gundoald, wenige Jahre zuvor ermordet worden war, und zwar vermutlich auf Betreiben des Königspaares selber.
Als faktische Regentin für den Kind-König hatte Agilulf offenbar noch vor seinem Tode seine Gattin Theodelinde bestimmt, was eine zwar ungewöhnliche, angesichts des hohen Prestiges der zweifachen Königin-Witwe jedoch erfolgversprechende Maßnahme war. Die Regierungsbeteiligung Theodelindes wie auch die Minderjährigkeit des Königs werden in den Quellen denn auch ausdrücklich und ohne Mißbilligung erwähnt.
Dagegen lag die tatsächliche Herrschaftsausübung natürlich weitgehend in Theodelindes Händen; sie hatte schon in Agilulfs Regierung eine bedeutende politische Rolle gespielt, vermochte ihre Macht jetzt wohl noch zu steigern und behielt diese Position auch wähhrend der gesamten Regierung ihres spätestens 620 volljährig gewordenen Sohnes bei. In militärischer Hinsicht konnte sie sich vor allem auf Herzog Sundrarit stützen, der schon ein enger Vertrauter König Agilulfs gewesen war. Die gemeinsame Herrschaft von Mutter und Sohn fand über etliche Jahre hinweg die Zustimmung der Langobarden, und es war nicht diese Form der Regierung, sondern die Ausrichtung der von beiden betriebenen Politik, die schließlich zum Widerstand der Großen führte. Durch ihre dezidiert prokatholische Religionspolitik hatten Theodelinde und Adaloald nämlich die von Agilulf mit Erfolg eingehaltene Linie des konfessionellen Gleichgewichts verlassen und damit die Unterstützung der arianischen und dreikapitelschismatischen Gruppierungen verloren. Adaloalds Gegner scharten sich um seinen Schwager, den Turiner Herzog Arioald, und warfen dem König vor, er habe die Fähigkeit zur Herrschaftsführung verloren; in den Quellenberichten von Geisteskrankheit und Verzauberung des Königs durch byzantinische Hexer dürfte sich diese Propaganda der erfolgreichen Opposition widerspiegeln. Arioald konnte sich nach längeren Kämpfen 626 schließlich durchsetzen; Adaloald wurde gestürzt und starb kurz darauf, wahrscheinlich durch Gift; ein Jahr später folgte ihm seine Mutter.