Sohn des N.N.
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 1921
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Leuthari, Herzog der Alemannen
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Griff in die Auseinandersetzungen am austrasischen Königshof nach dem Tod König Dagoberts I. 638/39 und des Hausmeiers Pippin der Ältere 640 ein. Zusammen mit Bischof Kunibert von Köln unterstützte er die Anwartschaft von Pippins Sohn Grimoald auf das Majordomat und tötete dessen Konkurrenten Otto, den Erzieher des austrasischen Königs Sigibert III.
Literatur:
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H. Ebling, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches
613-741 (Beih. der Francia 2, 1974).
Kapitel 87.
Als Sigebert im 8.
Jahre König war, empörte sich der Herzog Radulf von Thüringen
mit Macht gegen ihn. Da entbot Sigebert
alle seine austrasischen Mannen ins Feld und zog mit ihnen über den
Rhein: hier schaarten sich die Völkerschaften aus allen Gauen seines
Reichs um ihn. Zuerst stieß nun Sigeberts
Heer auf den Fara, Chrodoals Sohn, der mit Radulf im
Einverständniß war. Er wurde getödtet; was von seinem Volke
dem Schwert entrann, gefangen genommen. Die Großen und alle Leute
des Heers gaben sich einander die Hand darauf, daß Keiner dem
Radulf das Leben schenken wolle. Jedoch daraus wurde nichts. Wie Sigebert
mit seinem Heer in Eile durch Buchonia nach Thüringen zog, verschanzte
sich Radulf in einem durch Holz befestigten Lager auf einem Berge
über dem Fluß Unstrut in Thüringen, zog von allen Seiten
soviel Mannschaft als er konnte hier zusammen und setzte sich mit
Weib und Kind in seinem Bollwerk fest zur Vertheidigung bereit. Als Sigebert
mit
seinem Heere dahin kam, schloß er die Feste von allen Seiten ein.
Radulf
saß drinnen trefflich zum Kampf gerüstet. Jedoch dieser Kampf
ward planlos begonnen. Daran war die Jugend König
Sigeberts
schuld:
denn die einen wollten noch am nämlichen Tag zur Schlacht rücken,
die andern erst am nächsten, und so kam es zu keinem gemeinsamen Entschluß.
Wie das Grimoald und Adalgisel
sahen, wurden sie für
Sigebert sehr besorgt und hüteten ihn unaufhörlich.
Der Herzog Bobo von Arverna mit einem Theile von Adalgisils
Mannschaft und Aenovalaus
der Graf des Sogiontinsischen Gaus mit
seinen Leuten und ein großer Theil des übrigen Heers rückten
sofort an das Thor der Feste gegen Radulf zum Kampfe vor. Dieser
aber hatte von einigen Herzogen in Sigeberts Heer
die Zusage erhalten, daß sie ihn nicht ernstlich angreifen wollten
und brach nun aus seiner Feste hervor, fiel über Sigeberts
Heer her und richtete hier eine furchtbare Niederlage an. Die Mainzer hatten
sich in diesem Kampf treulos erwiesen. Viele tausend Menschen sollen durchs
Schwert gefallen sein. Radulf kehrte siegreich in seine Feste zurück.
Sigebert aber mit seinen Getreuen war schwer betrübt, er
saß auf seinem Pferd und mit Thränen in den Augen jammerte er
über seinen Verlust: denn der Herzog Bobo, der Graf Aenovalaus
und sonst noch die tapfersten Reiter seines Adels und ein großer
Theil seiner übrigen Mannen waren unter seinen Augen in diesem Treffen
niedergemacht worden. Auch Fredulf, der Haushofmeister, der für
Radulfs
Freund galt, fiel im Streite. Sigebert
blieb in der Nacht mit seinem Heer unter den Zelten nicht weit von der
Feste. Da man erkannte, daß nichts gegen Radulf
auszurichten sei, wurden am andern Morgen Gesandte zu
ihm geschickt und ein Abkommen mit ihm getroffen, wonach Sigebert
mit
seinem Heer unbelästigt an den Rhein und nach Hause zurückkehren
konnte. Radulf aber voll Uebermuth gebärdete sich als König
von Thüringen, schloß Freundschaft mit den Wenden, und knüpfte
auch mit den übrigen benachbarten Völkern ein friedliches Verhältniß
an. Dem Namen nach erkannte er zwar Sigeberts
Oberherrlichkeit an, aber in der That widersetzte er sich kräftig
seiner Herrschaft.
Kapitel 88.
Im 10. Jahr von Sigeberts Regierung ward Otto, der in seinem Hochmuth feindselig gegen Grimoald auftrat, auf dessen Betrieb vom Alamannen-Herzog Leuthar getödtet. Dadurch erlangte Grimoalds Stellung als Hausmeier in Sigeberts Palast und im ganzen austrasischen Reich bedeutende Festigkeit.
Geuenich, Dieter: Seite 99,159
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"Geschichte der Alemannen"
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf einen weiteren
Alemannen-Herzog
Leuthari, der nach der Chronik Fredegars im Jahre 643 Otto,
den Erzieher des Königs Sigibert
III., tötete und damit die Bestrebungen Grimolads
(643-661/62)
zur Erlangung des Hausmeieramtes
am austrasischen Hof unterstützte. Ob er zeitgleich mit Gunzo
amtierte, dessen Herzogtum dann regional begrenzt und nicht auf die gesamte
Alamannia bezogen gewesen wäre, entzieht sich unserer Kenntnis, zumal
wir auch den Herrschaftsbereich des Leuthari nicht
kennen.
643
Der Alemannen-Herzog Leuthari
läßt
Otto,
den Erzieher des Franken-Königs
Sigibert III., ermorden und ebnet damit
Grimoald
dem Älteren den Weg zur Erlangung
des Hausmeieramtes in Austrasien.
Ewig Eugen: Seite 143,195
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"Die Merowinger und das Frankenreich"
Auf der Seite des PIPPINIDEN
standen außer Adalgisel
und Kunibert von Köln sowie
Chlodulf
und
Ansegisel,
den Söhnen Arnulfs
von Metz, der
Herzog Bobo von der Auvergne und der Alemannen-Herzog
Leuthari. Diese Gruppe setzte einen Feldzug gegen Radulf
und den mit ihm verbündeten
AGILOLFINGER
Fara
durch.
Im alemannischen Bereich deuten sich in der Zeit Dagoberts
I. und Sigiberts III. Veränderungen
an, die sich jedoch in der 2. Hälfte des 7. Jh. nicht mehr verfolgen
lassen. Die Herzöge Chrodebert
und Leuthari
standen in engeren Beziehungen
zum merowingischen Hof und gehörten
vielleicht wie die HEDENE und der Thüringer-Herzog Radulf
der austrasischen Reichsaristokratie an. Chrodobert führte
eines der Heere Dagoberts gegen Samo
an (631/32), Leuthari
erschlug
Grimoalds
Rivalen
Otto
(um 642) und erleichterte damit dem PIPPINIDEN
den Aufstieg zum Hausmeier. Es mag sein, daß sich unter
ihnen der Herrschaftsschwerpunkt schon vom Bodensee zum Neckar verschob,
doch bleibt dies Vermutung.
Literatur:
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Ewig Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich.
W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988 Seite 143,195 - Fredegar:
Chronik - Geuenich, Dieter: Geschichte der Alemannen. Verlag W.
Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1997, Seite 99,105,159 - Riche
Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch
Verlag GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 35 - Schieffer
Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992
Seite 19 -