Angeblich am 31. Oktober 843 schenkt ein Adalhard
- seinen ausgedehnten Besitzungen in Alamannien und Francien nach zu schließen
der Angehörige einer sehr bedeutenden hochfreien Sippe - der Kirche
der heiligen Verena zu Burc im Gau Scherra all seine proprietas in Alamannien,
sowohl diejenige, die schon zwischen ihm und seinen Miterben abgeteilt
wurde, als auch seine Anteile an dem Gut, das er noch mit jenen ungeteilt
innehat. Ebenso übergibt er seine Güter im Wormsfeld und in (Bad)
Dürkheim in der heutigen Pfalz mit allen Zugehörden an dieselbe
Kirche. Die so bereicherte Verenakirche in Burc, allem nach bisher seine
Eigenkirche, überträgt er nun mit ihren Reliquienschätzen
und allem, was er früher und jetzt ihr geschenkt hat, dem Kloster
Sankt Gallen, um sie sofort als Lehen wieder zu bekommen. Über einen
Rückkauf durch Adalhard
oder
die von seiner Gemahlin Swanaburc zu erwartenden Kinder trifft er
nähere Bestimmungen; die ganze Stiftung bezeichnet er ausdrücklich
als Seelgerät für König Ludwig
(den Deutschen), für sich selbst, seinen Vater und seine
Mutter, seine Gattin und seine etwaigen Söhne und Töchter. Vollzogen
und beurkundet wird die Schenkung in Burc selbst, in Gegenwart des Grafen
Liutolt und weiterer 35 adeliger Zeugen, von denen allem nach mehrere zum
Gefolge Adalhards gehören.
Adalhard ist also
ein Dynast mit großem Besitz und weitreichenden Beziehungen (Pfalz
Sankt Gallen), der auch außerhalb Alamanniens großen Besitz
haben muß, wenn er den innerhalb Alamanniens gelegenen mit wenigen
Ausnahmen einer geistlichen Stiftung zuwenden kann. Aber vielleicht hilft
sein schwäbischer Besitz dazu, ihn einem bestimmten Familienkreis
einzugliedern. Leider werden die Güter in Schwaben nicht einzeln genannt,
wir bekommen aber Einblick in ihre Größe und ihre ungefähre
Lage aus dem, was Adalhard sich und
seiner Gattin Swanaburc beziehungsweise seinen künftig zu erwartenden
Kindern vorbehält. Es sind dies sieben Hufen in Schörzingen,
Reichenbach, Trossingen, Mühlheim an der Donau, Meßstetten,
Storzingen und Ebingen. Diese Güter liegen in einem verhältnismäßig
geschlossenen Gebiet beisammen: am südlichsten Mühlheim an der
Donau, am nördlichsten Ebingen; den östlichsten Punkt bezeichnet
Storzingen, den westlichsten Trossingen. Innerhalb dieses rund 35 km langen,
an der breitesten Stelle rund 20 km breiten Gebietsstreifens wird
man auch Burc suchen dürfen, an dessen Verenakirche Adalhard
seinen
Besitz überträgt. Das Burc der Adalhard-Urkunde
von (angeblich) 843 ist das heutige Straßberg im Schmiechatal.
Burc-Straßberg war also schon im 9. Jahrhundert
Hochadelssitz, bildete bis zur Schenkung an Sankt Gallen wohl den - oder
doch einen - Kern von Adalhards
schwäbischem Hausgut und blieb beides wohl auch nachher.
Man darf die seither auf 843 angesetzte Nennung Adalhards
und die Übertragung von Burc-Straßberg an Sankt Gallen künftig
auf den 31. Oktober 854 setzen.
Damit löste sich auch die Frage: Wer ist Adalhard?
Um 843 paßt er zu keinem der bekannten Hochadeligen dieses Namens,
854 dagegen läßt er sich einleuchtend gleichsetzen. In der Schenkung
erwähnt er ausdrücklich, dass die Güter auf der Alb und
im Albvorland Erbgut sind, das teilweise schon zwischen den Erben geteilt,
teilweise aber ein noch ungeteiltes Gemeingut ist - wohl zwischen Geschwistern
oder nahen Verwandten? Also ein Hochadliger, allem nach mit den KAROLINGERN,
vor allem Ludwig dem Deutschen, versippt,
mit großem Besitz außerhalb Schwabens, ein Mann, der um 854
jungverheiratet und noch kinderlos ist, reiche Schenkungen an Sankt Gallen
macht, und der zusammen mit seinen Geschwistern oder nächsten Verwandten
im Gebiet der Westalb Erbgüter innehat.
Im Testament des Markgrafen
Eberhard erscheint neben den Söhnen Unrouch,
BERENGAR
und Rudolf und den Töchtern Angiltrud,
Judith, Heilwig
und Gisela
tatsächlich ein Sohn Adalhard,
der 863 den Familienbesitz in Flandern mit dem reichen, von Eberhard
und Gisela
gestifteten
Eigenklosters Cysonium-Cysoing und der erblichen Würde des Laienabtes
von Cysoing erhält. Der Besitz Judiths, der Schwester Adalhards
von Cysoing, in und um Balingen, liegt an jener oben beschriebenen
wichtigen Straße von der Donau zum Neckar und mithin vom Bodensee
zum Schwarzwald, Kraichgau und Rheintal, die von
Adalhards Hauptsitz Burc beherrscht wird.
Adalhards außerschwäbisches
Allod, das die Urkunde von 854 notwendigerweise voraussetzt, ist aus dem
Testament des Markgrafen Eberhard von 863/64 nachgewiesen: die Güter
auf der Alb, die Adalhard
noch bei
Lebzeiten des Vaters 854 vergabte, gehören wohl eben zu jener hereditas,
die bereits verteilt war, während bei der (854 im Bereich des Möglichen
erwähnten) Erbteilung zwischen den Geschwistern die übrigen schwäbischen
Besitzungen dann an
Unrouch und Judith fielen. Da weiteres
Erbgut Judiths im Testament nicht genannt wird, die Anteile der
Kinder am väterlichen Erbe aber allem nach ungefähr gleich waren,
muß Judiths Erbe um Balingen beträchtlich gewesen sein,
denn es wog Unruochs italienische und schwäbische,
Adalhards
westfränkische und
BERENGARS
maasländische und lombardische
Erbteile auf. Aus dem wiederum, was Adalhard
schon vor des Vaters Testament auf und zu Füßen der Westalb
besaß und was demnach die übrigen Geschwister dort wohl ähnlich
besessen haben dürften, läßt sich erschließen, dass
die UNRUOCHINGER im Gebiet der Scherra und in der Baar einen großen
Komplex von Eigengut besessen haben müssen. Man geht wohl nicht fehl
in der Annahme, wenn man den Grafen Adalhard aus der Zeit König
Pippins und den ersten Jahren KARLS
DES GROSSEN, von dem möglicherweise die Bezeichnung
Adalhardsbaar ihren Ursprung hat, mit dem späteren Besitz der UNRUOCHINGER
in dieser Gegend und dem Auftauchen des Namens Adalhard in ihrem
Hause in Zusammenhang bringt .
Seither war über Adalhard,
den Sohn Markgraf Eberhards, nichts weiter bekannt als Nennungen
zu 863 und 874. Dass er älter als sein Bruder, der spätere Kaiser
BERENGAR, gewesen sei, hat Brandenburg - nicht überzeugend
- vermutet. Sein frühest mögliches Geburtsdatum liegt um 836.
Aus der Schenkung an Sankt Gallen erfahren wir nun den Namen seiner bisher
unbekannten Gattin,
Swanaburc, und das mutmaßliche Heiratsjahr,
854. Adalhard hat sich also mit 18
Jahren, einem damals für Hochfreie nicht ungewöhnlichen Heiratsalter,
verehelicht. Ab 855 kann er Kinder gehabt haben, die in der Burc-Urkunde
854 als noch nicht vorhanden erwähnt werden. Noch in den 70-er Jahren
lebte er als Laienabt von Cysoing, muß aber spätestens
in den Jahren kurz vor 890 verstorben sein, da sein 892 verstorbener
Bruder
Rudolf ihn als Laienabt in Cysoing gefolgt war und dort mehrere
Jahre regiert hatte. Über Swanaburcs Ende ist nichts bekannt.
Bei der Erbteilung von 863 sind ihm allen Anschein nach
weitere Güter in Schwaben zugefallen, die später den Kern des
Achalmer Besitzes bilden. Auch sein Bruder Unruoch hat aus der väterlichen
Erbmasse Stücke in Alamannien erhalten; auch seine Schwester Heilwig
dürfte
noch einen schwäbischen Besitzkomplex geerbt haben.