Begraben: Rom, Lateran-Basilika
Sohn des N.N.
eigentlich Gerbert von Aurillac
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 1300
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Gerbert von Aurillac (Papst Silvester II.) seit 9. April
999
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* um 950, + 12. Mai 1003
Aquitanien Rom
Begraben: Rom, Lateran-Basilika
Gelehrter und Politiker, Abt von Bobbio, Erzbischof von Reims und Ravenna
Seine erste Ausbildung erhielt der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Gerbert im cluniacenzisch geprägten Klosters St-Geraud-d'Aurillac. Durch die Vermittlung seines Abtes und dank der Hilfe des Grafen Borell II. von Barcelona gelangte Gerbert von Aurillac um 967 nach Katalonien, um bei Bischof Hatto von Vich und im nahegelegenen Kloster Ripoll seine Kenntnisse zu vertiefen. 970/71 reiste er nach Rom, wo er durch die Vermittlung von Papst Johannes XIII. die Bekanntschaft OTTOS I. machte. Dort lernte Gerbert von Aurillac auch den Reimser Archidiakon und Logiker Gerannus kennen. OTTO I. erlaubte ihm, seine Studien an der Reimser Kathedrale fortzusetzen, deren Leitung er bald übernahm. Die auf Betreiben und unter dem Vorsitz OTTOS II. 981 in Ravenna stattfindende Disputation mit dem sächsischen Domscholastiker Ohtrich endete mit einem überlegenen Sieg Gerberts von Aurillac und brachte diesem die norditalienische Abtei Bobbio ein. Infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten und - bedingt durch den unverhofften Tod OTTOS II. - fehlender politischer Unterstützung mußte Gerbert von Aurillac Bobbio nach nur einjährigem Aufenthalt 983 wieder verlassen. Gemeinsam mit Erzbischof Adalbert von Reims, der sich wie Gerbert von Aurillac der ottonischen Dynastie verpflichtet fühlte, versuchte er, der offensiver werdenden Außenpolitik der letzten westfränkischen KAROLINGER zu begegnen. Die Hoffnungen Gerberts von Aurillac, die Nachfolge des zwei Jahre nach der Wahl Hugo Capets zum König von Frankreich (Mai 987) verstorbenen Erzbischofs Adalbero (+ 23. Januar 989) anzutreten, erfüllten sich zunächst nicht. Erst nach der Absetzung Arnulfs (991), der von Hugo Capet 989 zum Nachfolger erhoben worden war, wurde Gerbert von Aurillac Erzbischof von Reims. Seine Amtszeit (991-996) war erfüllt von ununterbrochenen publizistischen Kämpfen, durch die Gerbert von Aurillac hoffte, die kirchenrechtlich bedenkliche Absetzung Arnulfs und die Rechtmäßigkeit seiner eigenen Wahl beweisen zu können, was angesichts des wachsenden Widerstandes zunehmend schwieriger, spätestens aber seit dem Tod seines Gönners Hugo Capet (996) unmöglich geworden war. Im Mai 996 traf Gerbert von Aurillac in Rom OTTO III., auf den er einen tiefen Eindruck gemacht haben muß. Nur so ist wohl jenes berühmte Einladungsschreiben OTTOS zu verstehen, mit dem er Gerbert von Aurillacbat, sein persönlicher Lehrer und politischer Berater zu werden. Im Frühjahr 997 hielt sich Gerbert von Aurillac bereits in Deutschland bei OTTO III. auf. Er wurde in der Folgezeit einer der wichtigsten Anreger für die kaiserlichen Pläne einer "Renovatio imperii Romanorum". Ein Zeichen für das große Vertrauen, das OTTO mit Gerbert von Aurillac verband, ist dessen Ernennung zum Erzbischof von Ravenna (April 998), dem nach Rom wichtigsten Bischofssitz in Italien. Zuvor war der aus seiner Haft entlassene Arnulf als Reimser Erzbischof wieder eingesetzt worden. Ihren endgültigen Abschluß fand die Reimser Affäre, als Gerbert von Aurillac, der auf Betreiben OTTOS III. zum Nachfolger Papst Gregors V. gewählt worden war, nur wenige Tage nach seiner Weihe die Rechtmäßigkeit der Wiedereinsetzung seines Reimser Amtsvorgängers bestätigte. Die programmatische Wahl seines Papstnamens 'Silvester' verdeutlicht Gerbert von Aurillac und OTTOS politischen Vorstellungen: So wie Papst Silvester I. laut der Silvester-Legende in engstem Einvernehmen mit dem von ihm getauften Kaiser Konstantin gehandelt hatte, so wollte auch Gerbert von Aurillac zusammen mit OTTO III. die "Renovatio imperii Romanorum" verwirklichen. Auf Gerbert von Aurillac könnte auch jene zentrale Vorstellung OTTOS III. zurückgehen, die einzig in Rom als dem gemeinsamen Sitz der beiden höchsten weltlichen und kirchlichen Gewalten den geeigneten Ort erblickte, von dem aus der Kaiser die christliche Völker- und Herrscherfamilie regieren sollte. Infolge des Aufstandes der Römer gegen OTTO III. (1001) mußte auch Gerbert von Aurillac Rom verlassen, das er erst nach dem Tod des Kaisers im April 1002 wieder betrat. Aus der letzten Phase seines Pontifikates sind noch zahlreiche Urkunden überliefert, die von Gerberts von Aurillac päpstlichen Aktivitäten berichten. - Eine der wichtigsten Quellen für Gerbert von Aurillac ist dessen über 200 Nummern zählende Briefsammlung, die ihn als einen überaus gewandten und am klassischen Sprachgebrauch orientierten Stilisten erweist.
Quellen:
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J. Havet, Lettres de G. 983-997, 1889 - RI II, 3: Die
Reg. des Ks.reiches unter Otto III. 980-1002, bearb. M. Uhlirz, 1956 -
F. Weigele, Die Briefslg. G.s v. Reims (MGH Epp. D K II., 1966) - RI II,
5: Papstreg. 911-1024, bearb. H. Zimmermann, Bd. 2: 996-1046, 1985.
Literatur:
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F. Weigele, Stud. zur Überl. der Briefslg. G.s v.
Reims, DA 10, 1953, 19-70; II, 1954/55, 393-421; 14, 1958, 149-220; 17,
1961, 385-419 - M. Uhlirz, JDG O II., O. III., Bd 2: Otto III, 983-1002,
1954 - K.F. Werner, Zur Überl. der Briefe G.s v. Aurillac, DA 17,
1961, 91-144 - P.E. Schramm, Ks., Rom und Renovatio, 1962.
P 2
Lü: 12.5. Gerbertus papa qui et Silvester + 1003 Gerbert von Aurillac, Silvester II.
(Es.) Gerbert unterhielt
enge Beziehungen zur ottonischen Familie
schon in der Regierungszeit OTTOS II.,
der ihm im Jahre 982 die Abtei Bobbio verlieh, und mehr noch in der Regierungszeit
OTTOS
III., dessen enger persönlicher Vertrauter er war. Nachdem
er sich als Erzbischof von Reims nicht hatte behaupten können,
erhob ihn OTTO III. 998 zum Erzbischof
von Ravenna und 999 zum Papst. Er galt als einer der größten
Gelehrten seiner Zeit.
Vgl. allg. LThK 9, Sp. 758; Biogr. Wörterbuch 1,
Sp. 875; FW P 2; zuletzt Lindgren, Gerbert von Aurillac, mit weiteren Hinweisen.
Während der schon zu Lebzeiten von Legenden umwobene
junge OTTO III., der Halbgrieche, das
"Wunder der Welt", in seinem Palast auf dem Aventin von Rom immer tiefer
in den unendlichen Träumen neuen Imperiums, der Renovatio Imperii
Romani, versank und aufging - eines Imperiums, das deutsches, römisches
und griechisches Kaisertum in der ewigen Harmonie mit dem Papsttum zusammenfassen
sollte, führte Gerbert von Aurillac,
sein zweiter Lehrer, dessen Vorgänger in diesem Amt der heilige Bernward
von Hildesheim gewesen war, das Papsttum in sein zweites Jahrtausend.
OTTO III. hatte mit dem bisherigen Erzbischof von Ravenna nach
Beratungen mit dem großen Abt Odilo von Cluny den ersten Franzosen
zur höchsten Kirchenwürde erheben lassen. Sein ungeheures Wissen
enthob den Papst allen Zeitgenossen, so dass sich die Legende seiner bemächtigte,
ihn zum Urbild des Faust und in der dem Mystischen offenen Stimmung des
Millenniums zum großen Magier erklärte. Er war Humanist und
Rhetor, Astronom und Philosoph, Naturwissenschaftler und Dichter, Gräzist
und vor allem Mathematiker, der in Spanien bei arabischen Meistern studiert
und von dort die indischen Ziffern mitgebracht hatte. Sein Schüler
Fulbert von Chartres entwickelte das Denken Silvesters
II. in einer eigenen Schule in Frankreich weiter.
Die entscheidenden Fragen des Pontifikates betrafen Polen
und Ungarn, die beide von Byzanz umworben, doch durch Kaiser und Papst
in die westliche Missionssphäre einbezogen wurden.
König Stephan I., später ganz unberechtigt der Heilige
zubenannt, trat zum Christentum über. Er wurde mit einer vom Kaiser
übersandten Krone gekrönt. Silvester
II. sandte seinen Segen.
Der Papst, ein ganz entschiedener Gegner aller Simonie,
widmete sich in der letzten Zeit immer intensiver der Kirchenreform. Die
Idee OTTOS III., Rom für immer
zur Hauptstadt der Welt zu machen und als Servus Apostolorum zu residieren,
wurde durch die harte städtische Wirklichkeit zunichte gemacht, denn
von den Grafen von Tusculum angezettelte Aufstände vertrieben Papst
und Kaiser, der bald darauf im Schloß Paterno bei Civita-Castellana
seine weltübersteigenden Träume zugrunde gehen sah und starb.
Bald nach dem Tod des Kaisers sah der ebenso gewalttätige
wie machtgierige Markgraf Arduin von Ivrea
als Haupt aller Feinde der deutschen Herrschaft und aller Unzufriedenen
N-Italiens - OTTO III. hatte ihn schon
Jahre zuvor geächtet - eine Möglichkeit, Herr des Landes zu werden.
Er ließ sich in Pavia zum König krönen, doch reichte sein
Anhang zu einer Machtergreifung nicht aus. Erst HEINRICH
II. wurde seiner Herr.
Der Papst konnte nach Rom zurückkehren, wo sich
Johannes
Crescentius, der Sohn des hingerichteten Crescentius
Nomentanus, zum - Patricius Romanorum aufgeschwungen hatte. Er
stand bis zu seinem Tode abseits der Ereignisse, beschäftigt mit innerkirchlichen
Fragen und mit seinen vielen Wissenschaften.
Literatur:
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Brunhofer, Ursula: Arduin von Ivrea. Untersuchungen
zum letzten italienischen Königtum des Mittelalters. Arethousa Verlag
Augsburg 1999 Seite 56,62,64,65,67,83,84,88,90,95,98,103,114,124, 134,146,150,174,177,184,185
- Cawthorne Nigel: Das Sexleben der Päpste. Die Skandalchronik
des Vatikans. Benedikt Taschen Verlag 1999 Seite 85,87,88,90 - Hermann
von Reichenau: Chronicon. in: Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte
des Mittelalters Band XI Seite 654,656 -