ROCHESTER
Lexikon des Mittelalters:
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Rochester (römisch Durobrivae, altenglisch Hrofecester, Roffa)
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Stadt und Bistum in der südenglischen Grafschaft Kent
[1] Stadt:
Die römische Plananlage mit Befestigung in einer Biegung
des Medway lag an der Römerstraße von den kentischen
Häfen
nach London, ca. 15 Meilen
westlich von Canterbury.
Die erste Brücke
über den Medway wurde vermutlich bereits in römischer Zeit
errichtet; sie blieb bis zum Spät-Mittelalter von herausragender
verkehrstechnischer Bedeutung. 604 gründete Augustinus dort die
St. Andrew geweihte Kathedrale und im selben Jahr erhob der angelsächsische
König æthelberht
Rochester zum Bischofssitz.
Beim Einfall der Dänen nach
Kent 842 und 854 wurden Stadt und
Kathedrale teilweise zerstört.
Die zu diesem Zeitpunkt bestehende wirtschaftliche und auch
administrative
Bedeutung Rochesters als
zweiter angelsächsischer Hauptort in Kent neben Canterbury wird
durch die seit dem frühen 9. Jh. nachweisbare Münze
belegt. Im Domesday Book ist Rochester
zwar als civitas bezeichnet,
doch
fehlen hier die ansonsten üblichen Angaben zum fiskalischen Wert
der
Stadt. Auf Anordnung
König Wilhelms I. ließ der
zweite normannische Bischof
Gundulph (1077-1108),
der auch für den
Beginn der
Erweiterungsarbeiten an der Kathedrale verantwortlich zeichnete, im
Nordwesten
der Stadt eine Burganlage errichten. Gleichzeitig wurde die Ummauerung
auf insgesamt ca. 30 ha erweitert und verstärkt. Für die
topographische Entwicklung der Stadt blieb das seit römischer Zeit
bestehende Straßenraster maßgeblich. Das königstreue Rochester
wurde 1264 im Krieg der Barone
von Simon
de Montfort erfolglos
belagert. Bereits König Richard I. hatte die
Bürger Rochesters von
Abgaben
an durchziehende Kreuzfahrer befreit, doch läßt sich erst
für 1227 ein von König
Heinrich III. gewährter
städtischer
Freibrief nachweisen. In dieser, dem im gleichen Jahr auch für
London ausgestellten
Privileg vergleichbaren Charter
wurde die feste
Jahresrente (fee-farm) auf
£ 25 festgeschrieben; die Zollfreiheit
im ganzen Land und in allen Seehäfen wurde ebenso gewährt wie
eine Gilda Mercatoria. Die
Vertretung der Bürger erfolgte durch
einen von ihnen gewählten Praepositus;
in allen Strafsachen
mußten sie sich vor dem städtischen Gerichtshof
verantworten.
Dieser Freibrief wurde 1266 bestätigt. Spätestens 1331 wurde
die Jahresrente auf £ 12 verringert. Dies scheint auch die
damalige wirtschaftliche Bedeutung der Stadt widerzuspiegeln, denn die Lay
Subsidy des folgenden Jahres verzeichnete für das mit dem
städtischen 10. Teil veranschlagte Rochester
lediglich 61 zu besteuernde
Personen. 1446 wurde Rochester
inkorporiert. Die Leitung des Stadtregiments
oblag dem jährlich von der gesamten Bürgerschaft
gewählten
bailiff. 1461 wurde die
innerstädtische Administration reformiert; an
die Stelle des bailiffs trat
ein gleichfalls jährlich zu
wählender Bürgermeister (mayor).
Ein zahlenmäßig
nicht festgeschriebener Rat bestimmte nun die übrigen
Amtsträger. Im Spät-Mittelalter erreichte Rochester
trotz eigentlich
günstiger topographischer Voraussetzungen nie eine herausragende
wirtschaftliche Bedeutung; auch dürfte die Einwohnerzahl nie
über 1.000 gestiegen sein. Bis zum frühen 15. Jh. diente
die Kathedrale, der seit 1089 ein OSB-Kloster zugeordnet war, zugleich
als
Pfarrkirche der Stadt, doch führten Konflikte zwischen den
Benediktinern und den Stadtbewohnern 1421 zum Bau der Stadtkirche
St. Nicholas.
[2] Bistum:
Das Bistum Rochester
umfaßte im Mittelalter die Grafschaft Kent westlich des Medway
und bestand aus den Dekaneien Rochester,
Dartford, Malling und Shoreham.
Letztere unterstand jedoch der besonderen Jurisdiktion des Erzbischofs
von
Canterbury. Gleichzeitig erhoben die Erzbischöfe das
Patronatsrecht über
das Bistum, sie übten während einer Vakanz sowohl die
Spiritualien als auch die Temporalien aus. Zu den herausragenden
Bischöfen
Rochesters zählten
neben Gundulph unter
anderem Laurence von St-Martin
(1251-1274), Hamo Hethe
(1319-1352), Richard Young
(1404-1418) und John Low
(1444-1467).
B. Brodt