Ewig Eugen:
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"Die Merowinger"

Nach dem Tode seines älteren Bruders Chlothar III. (Frühjahr 673) wurde Theuderich durch den Hausmeier Ebroin zum König proklamiert, doch die brüskierten Großen erhoben seinen jüngsten Bruder, den austraischen König Childerich II. zum König. Dem Bruder Theuderich, dem die Großen zum Zeichen der Abdankung - um ihn vor einer Hinrichtung zu bewahren - die Haare abgeschnitten hatten, wies Childerich St. Denis als Aufenthalt an.
Der Hausmeier Wulfoald, dessen Autorität in Neustroburgund allein auf dem König beruhte, zog sich nach dem Königsmord an Childerich II. (Herbst 675) fluchtartig auf Auster zurück. Leodegar und Ebroin, die sich im Exil angeblich versöhnt hatten, verließen Luxeuil. Leodegars Bruder, der Graf Gairenus/Warin von Paris, dürfte gemeinsam mit Audoin von Rouen den bereits 673 von Ebroin proklamierten Königs-Bruder Theuderich aus St. Denis eingeholt und als König Neustroburgunds restituiert haben. Zum Hausmeier erhoben wurde jedoch nicht Ebroin, sondern Leudesius, der Sohn Erchinoalds. Diese Entscheidung führte zu einem neuen Bruch mit Ebroin.
In Auster beriefen die um Wulfoald gescharten Großen mit Hilfe Wilfrids von York den 656 nach Irland gebrachten Dagobert, Sohn Sigiberts III., zurück und proklamierten ihn zum König. Wulfoalds Gegner proklamierten dagegen Chlodwig, einen angeblichen Sohn Chlothars III. zum König.
Die Partei des falschen Chlodwig, die sich aus Großen beider Teilreiche rekrutierte, sollte sich bald auflösen. Ebroin nutzte sie nur, um die Partei Leodegars in Neustroburgund auszuschalten. Mit Hilfe der Austrasier griff er den in Nogent residierenden Königshof überraschend an, verfolgte die fliehenden über die Oise zur Somme, legte in Baizieux (nördlich von Amiens) die Hand auf den Königsschatz und in Crecy-en-Ponthieu bei der Mündung der Somme die Hand auf den König. Leudesius wurde hingerichtet. Ebroin trat an seine Stelle. Unterdessen marschierten die abgesetzten Bischöfe und die beiden Herzöge im Namen des falschen Chlodwig nach Burgund vor Autun. Leodegar stellte sich seinen Feinden. Waimer ließ ihn blenden und führte ihn mit sich in die Champagne ab. Das übrige Heer zog vor Lyon gegen den Metropoliten Genesius, wurde aber dort abgeschlagen und löste sich in der Folge auf. Bobo von Valence, den die Insurgenten zum Nachfolger Leodegars erhoben hatten, verlor Autun wieder an den Abt Hermenar von St. Symphorian, der schon während Leodegars Exil das Bistum verwaltet hatte. Adalrich/Eticho, der sich zum patricius der Provence aufwerfen wollte, zog sich nach dem Scheitern seines ehrgeizigen Plans ins Elsaß zurück und erkannte Dagobert II. an. Theuderich III. ließ daraufhin im September 676 seine Güter im Hatuyer (Dijon) wegen Infidelität konfiszieren.
Zu dieser Zeit war Theuderich III. zumindest im Nord-Burgund (Langres-Dijon), wahrscheinlich aber auch in den Rhonelanden als König anerkannt. Genesius von Lyon, der einstige Vertraute der Königin Balthild, konnte die Anerkennung dem einzigen noch lebenden Sohn Balthilds kaum versagen. Sie erfolgte aber gewiß auf der Basis eines Kompromisses mit Ebroin. Denn die Nachfolge des Abts von St. Symphorian in Autun hat sicher der Metropolit von Lyon durchgesetzt. Der Ausgleich war ein fait accompli, als Theuderich III. den frankoburgundischen Episkopat zu einer Gerichtssynode über den Bischof Chramlin einberief, der das Bistum Embrun usurpiert hatte. An der Synode, die im September 677 in der Pfalz Malay-le-Roi tagte, nahmen die Metropoliten von Sens, Besancon, Lyon und Vienne teil.
Nach der Festigung seiner Macht in Neustrien erließ Ebroin eine Generalamnestie für alle während der Wirren geschehenen Verstöße gegen das Recht, die aber im wesentlichen seinen Freunden und Verbündeten zugute kam. Ingobert, einer der Verschworenen von 675, erhielt sogar die Grafschaft Paris in der Nachfolge von Leodegars Bruder Gairenus. Gegen seine politischen Gegner ging der Hausmeier, soweit er konnte, hart vor. Seinen ganzen Haß bekam Leodegar zu spüren, den Waimer von der Champagne ausliefern mußte. Ebroin warf ihm und seinem Bruder Gairenius den Königsmord in der silva Lauconis vor. Bevor er ihn vor eine Synode stellte, ließ er ihm die Zunge abschneiden. Dann ließ er ihn in dem Frauenkloster Fecamp (Diözese Rouen) internieren, wo der grausam Verstümmelte fast zwei Jahre auf seine Gerichtsverhandlung warten mußte. Leodegars Mutter Sigrada wurde in das von Ebroin gegründete Marienkloster von Soissons eingewiesen. Eine in eine Königspfalz einberufene Synode - Ort und Teilnehmer sind leider unbekannt - setzte 678 den unseligen Bischof ab und überantwortete ihn dem Königsgericht, das ihn zum Tod verurteilte. Das Todesurteil wurde von dem Pfalzgrafen Chrodebert vollstreckt, dessen Gattin entgegen dem Befehl Ebroins, der den Leichnam verscharren lassen wollte, Leodegar in ihrem Oratorium zu Sarcingum (St. Leger bei Arras) beisetzen ließ. Noch während Leodegars Internierung in Fecamp wurde Gairenus, sein Bruder, von den Aquitaniern, zu denen er geflohen war, ausgeliefert und zur Steinigung verurteilt.
Ebroin scheint aus den Erfahrungen seiner ersten Regierungszeit gelernt zu haben. Das Verfahren gegen Leodegar entsprach bei aller Tücke und Grausamkeit im Endstadium doch dem kanonischen Grundsatz, dass ein schuldiger Bischof erst nach dem Urteil einer Synode vor ein weltliches Gericht gestellt werden dürfe.
Schlimmeres hatten die Laien zu erwarten. Viele Vornehme flohen in jener Zeit zu dem aquitanischen dux Lupus, der in der Opposition verharrte und schon unter Childerich eine eigene Außenpolitik betrieb, indem er - allerdings zu spät - dem Usurpator Paulus von Septimanien im Spätsommer 673 gegen den Goten-König Wamba zu Hilfe eilte. Unter den Flüchtlingen befand sich auch Leodegars Bruder, Gairemius/Warin von Paris. Der aquitanische Herzog nutzte das Chaos von 675/76, um sein Gebiet zu erweitern. Er eroberte Limoges und wurde von Theuderich geächtet. Seine wohl im Orleanais gelegenen Erbgüter gingen an die Abtei Fleury (St. Benoit sur Loire) über. Lupus starb bald darauf. Der unbekannte nächste Nachfolger des dux Lupus scheint mit Ebroin um 677 einen Frieden geschlossen zu haben, zu dessen Bedingungen wohl die Rückgabe von Limoges und die Auslieferung von Leodegars Bruder Gairenus gehörte. Im übrigen war die Anerkennung Theuderichs III. als König, die gewiß im Friedensvertrag stipuliert wurde, rein formaler Art. Der Friede mit dem Herzog von Toulouse beschloß die durch die Ermordung Childerichs II. in Neustroburgund ausgelösten Wirren. Geblieben war als Folge der Wirren eine Spannung zwischen Ebroin und dem austrasischen König Dagobert II. Anscheinend versuchte der Hausmeier Theuderichs III. nach der Konsolidierung in Neustroburgund seinen König auch im regnum Austrasiorum durchzusetzen. Deshalb ließ er 679 den austrasischen König Dagobert II. ermorden. Im Frühjahr 680 oder 681 wurde der Hausmeier Ebroin durch den neustrischen Franken Ermenfred erschlagen. Die Neustier erhoben Waratto, einen vornehmen Franken aus dem Gebiet von Rouen zum Hausmeier, der mit Pippin Frieden schloß. Nach dem Tod Warattos (686) kam es unter den neustrischen Franken zu einem Konflikt über die Nachfolge im Hausmeieramt. Warattos Schiegersohn Berchar setzte sich schließlich durch, aber viele Opponenten wandten sich an Pippin und schlossen mit ihm eine Schwurfreundschaft. Pippin marschierte 687 im Kohlenwald auf und ging zum Angriff über. Auf den Gegner stieß er erst bei Terty im Vermandois, wo er einen entscheidenden Sieg errang. Ein Teil der Anhänger Berchars suchte Zuflucht in den nahe gelegenen Abteien Peronne und St. Quentin. Der König und der Hausmeier zogen sich gefolgt von Pippin, auf Paris zurück. Hier kam es zu einem Friedensschluß, von dem jedoch keine Einzelheiten bekannt sind.
Theuderich III. hatte zwei Söhne, Chlodwig und Childebert. Einen von ihnen hätte Pippin zum König im regnum Austrasiorum erheben können. Der ARNULFINGER griff diese Lösung nach altem Muster nicht auf. Er beließ den besiegten Berchar, vielleicht mit Rücksicht auf die Familie Warattos, sogar das Hausmeieramt. Sicher mußte der König Pippins Schwurfreunde wieder in Gnaden aufnehmen. Wahrscheinlich hat er den Herrschaftsbereich des ARNULFINGERS auch um die altaustrasische Champagne (Reims, Laon, Chalons) und andere Gebiete wie das Cambresis erweitert. Die große Wende trat jedoch ein, als neuer Streit im Hause Warattos ausbrach und Berchar auf Anstiften seiner Schwiegermutter Ansfled im Herbst 688 oder zu Beginn des folgenden Jahres erschlagen wurde. Nun übernahm Pippin selbst das zentrale Hausmeieramt. Die den Ereignissen am nächsten stehende Frankenchronik legt ihm in ihren Berichten fortan den Titel princeps zu, "als Ausdruck einer vom Hausmeieramt unabhängigen Herrschaftsgewalt, die jedoch in ihrem ganzen Umfang erst mit Hilfe des Hausmeieramts erworben wurde" (I. Heidrich)
Der eingetretene Wandel kam deutlich darin zum Ausdruck, dass Pippin diese Herrschaftsgewalt nicht mehr am Königshof wahrnahm, sondern in seine austrasischen Stammlande zurückkehrte, während die Könige weiter im neustrischen Kernland residierten.