Ebroin                                            neustrischer Hausmeier seit 658
---------
   Ende April/Anfang Mai 680 (681?) ermordet
 

Sohn des N.N.
 

Lexikon des Mittelalters: Band III Spalte 1531
********************
Ebroin, merowingischer Hausmeier
---------
    680 (681?)

Franke, wohl aus dem Gebiet von Soissons. Nach dem in der Kritik umstrittenen Zeugnis der Passio s. Ragneberti „ex infimo genere ortus“

  oo Leutrud
            †

Sohn:
-------
Bovo („unicus filius“)

Erstzeugnis:
Urkunde des neustroburgundischen Königs Chlodwig II. vom 22. Juni 654, die Ebroin unterzeichnete. Nach dem Tod Chlodwigs II. im Herbst 657 und des Hausmeiers Erchinoald um die Jahreswende 657/658 übergingen die neustrischen Franken Leudesius, den Sohn Erchinoalds, und wählten Ebroin zum Hausmeier, offenbar unter dem Einfluß der Königin Balthild, die die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn Chlothar III. führte und einst Sklavin Erchinoalds gewesen war.
Balthild verhinderte eine Reichsteilung unter ihren Söhnen und betrieb mit dem neuen Hausmeier eine zentralistische Politik, die auf Widerstand im frankoburgundischen Reichsteil stieß. Die Führer der Opposition, der Metropolit Aunemund von Lyon und sein Bruder Dalfinus, der »Präfekt« von Lyon, wurden hingerichtet (nach Nov. 660). Die Regierung errang einen weiteren Erfolg, als die austrasischen Franken nach dem Tod König Childeberts (III.) den jüngsten Sohn Balthilds, Childerich II., 662 zu ihrem König wählten.
Der Eintritt Chlothars III. in die Mündigkeit (nach Okt. 664) schwächte die Stellung der Königin-Mutter, die sich im Zusammenhang mit der Ermordung des Bischofs von Paris Sigobrand um 665/666 ins Kloster Chelles zurückzog. Ebroin, der an der Untat wohl nicht unbeteiligt war, führte die zentralistische Politik fort. Eine Verschwörung mit dem Ziel, den allmächtigen Hausmeier zu beseitigen, wurde entdeckt, ihr Anführer Ragnebert im frankoburgundischen Exil ermordet.
Gefährlicher wurde die frankoburgundische Opposition, deren Führung der Bischof Leodegar(i) von Autun übernahm. Leodegar hat das Bischofsprivileg für Ebroins Klostergründung Notre-Dame de Soissons vom 26. Juni 667 noch unmittelbar nach den Metropoliten von Reims, Lyon und Rouen unterzeichnet. Zum Konflikt kam es erst in den folgenden Jahren. Ebroin veranlaßte ein »Edikt«, »ut de Burgundiae partibus nullus praesumeret adire palatium, nisi qui eius (Ebroini) accepisset mandatum«, und klagte Leodegar wegen Hochverrats an. Der unerwartete Tod Chlothars III. im Frühjahr 673 führte zu einem völligen Umschwung. Als Ebroin eigenmächtig Theuderich III., den 2. Sohn Balthilds, zum König proklamierte, ohne die Großen nach Gewohnheitsrecht zur Erhebung einzuladen, wandten sich diese dem austrasischen König Childerich II. zu, der sich verpflichtete, Recht und Gewohnheit der Länder des Reichs zu achten, das im Edikt Chlothars II. von 614 garantierte Indigenatsprinzip bei der Ämterbesetzung zu wahren und das Amt des Hausmeiers im Turnus zu besetzen. Theuderich III. wurde nach St-Denis eingewiesen, Ebroin als Mönch nach Luxeuil exiliert.
Da der neue Gesamtherrscher sich nicht an seine Zusagen hielt, kam es bald zum Konflikt mit Leodegar, der gleichfalls nach Luxeuil verbannt wurde und sich dort mit Ebroin aussöhnte. Nach der Ermordung Childerichs II. (Spätsommer 675) trennte sich Ebroin jedoch von Leodegar, der mit großem Anhang Theuderich III. im Königtum restituierte. Neuer Hausmeier wurde der 658 übergangene Leudesius.
Ebroin zog sich mit wenigen Anhängern, unter ihnen die 673 abgesetzten Bischöfe Dido von Chalon und Bobo von Valence, ins austrasische Teilreich zurück, wo er die Herzöge Waimar von der Champagne und Eticho von Elsaß (ETICHONEN) für sich gewann, ein Heer rekrutierte und einen angeblichen Sohn Chlothars III. unter dem Namen 'Chlodwig' zum König proklamierte. Diesen ließ er jedoch fallen, als er sich nach einem kühnen Vorstoß über die Oise in Crécy-sur-Somme der Person Theuderichs III. bemächtigen konnte, der ihn nach Beseitigung des Leudesius zum Hausmeier ernannte. In Neustrien, wo Ebroin auf die Sympathie des Metropoliten Audoenus von Rouen und wohl auch des Bischofs Agilbert von Paris rechnen konnte, erhob sich kein Widerstand. Nach Frankoburgund entsandte der Hausmeier ein Heer. Leodegar stellte sich und wurde geblendet. Der Metropolit Genesius von Lyon fand sich aber schließlich mit dem von Ebroin geschaffenen fait accompli ab. Ebroin verkündete eine allgemeine Amnestie für die während der »turbatio« verübten Untaten, ließ aber Leodegar und seinen Bruder, den Grafen Gaerin von Paris, als angebliche Urheber der Ermordung Childerichs II. hinrichten. Auch gegen andere Gegner ging er rücksichtslos vor. Der Metropolit Chramlinus von Embrun wurde nach St-Denis, Bischof Amatus von Sitten nach Péronne exiliert. Nur in Südwest-Gallien, wo sich das Herzogztum Aquitanien formierte, fand Ebroins Macht ihre Grenzen.
Wohl in Verbindung mit den ARNULFINGERN suchte Ebroin auch auf das Ostreich Einfluß zu gewinnen. Im Grenzgebiet von Langres kam es 677 (?) zu Zusammenstößen mit Dagobert II., dem Sohn Sigiberts III., der mit Hilfe des dux Wulfoald im Ostreich zum König erhoben worden war. Die burgundischen Güter des Herzogs von Elsaß, Eticho, der sich Dagobert angeschlossen hatte, wurden konfisziert. Dagobert II. wurde am 23. Dezember 679 zu Stenay ermordet. Die Führer der arnulfingiischen Partei, ein dux Martin und Pippin der Mittlere, waren bereit, Theuderich III. als Gesamtherrscher anzuerkennen. Eine Konferenz scheiterte jedoch an Ebroin, der wahrscheinlich die Erneuerung des austrasischen Hausmeieramtes ablehnte. Bei Bois-du-Fay (nahe Laon) schlug Ebroin den dux Martin, den er anschließend töten ließ. Pippin II. behauptete sich in Namur. Ehe Ebroin weiter gegen ihn vorgehen konnte, wurde er Ende April/Anfang Mai 680 (681?) durch den neustrischen Franken Ermenfred ermordet.

E. Ewig



Werner Karl Ferdinand: Seite 355-358
*******************
"Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000."

Zur Durchführung dieses Konzeptes war Ebroin ausersehen, den Balthild im Jahr 658 zum Hausmeier ernannte.
Der Verbündete der Neustrier in Austrasien war offenbar Wulfoald. Mit "seinem" austrischen König Childerich II. konnte er nach einer Adelsverschwörung gegen Ebroin sogar kurzfristig die Herrschaft über Neustrien erringen. Ebroin wollte nämlich den Adel vom Hof fernhalten und hatte den burgundischen Großen den Zutritt zum König verboten. Nach dem Tod Chlothars III. im Jahr 673 hatte er sogar dessen jüngsten Bruder Theuderich als König eingesetzt, ohne vorher die Großen um ihren Rat zu fragen. Der Widerstand sammelte sich um Bischof Leodegar von Autun und seinen Bruder Warin, Graf von Paris. Beide waren Neffen des Bischofs Dido von Poitiers, der ein Parteigänger der Austrier war. Die Opposition wandte sich an die Austrier, erkannte Childerich II. als König an und erhielt von ihm ähnliche Garantien, wie sie Chlothar II. im Jahre 614 den Großen von Austrien und Neustrien gegeben hatte.
Ebroin und sein König Theuderich wurden zu Klerikern geschoren und nach Luxeuil beziehungsweise nach Saint-Denis ins Kloster verwiesen. Wulfoald hielt sich aber nicht an die Versprechungen des Königs. Die unzufriedenen neustrischen Großen ließen deswegen im Jahr 675 Childerich II. und seine schwangere Gemahlin im Forst von Brotonne nahe Rouen ermorden. Danach erhoben sie Leudesius zum Hausmeier, und Wulfoald floh nach Austrien. Die günstige Gelegenheit nützte Ebroin, um sein Exil zu verlassen. Unterstützt auch durch Bischof Audoin von Rouen, übernahm er erneut die Herrschaft. Die Freunde des heiligen Audoin bekamen nun alle Kirchen, die den Feinden des Hausmeiers weggenommen wurden. Vor allem in Burgund mußten viele hohe Geistliche in die Verbannung gehen, Leudesius und Warin wurden ermordet.
In Austrien wurde Dagobert II. von Wulfoald aus der Verbannung zurückgeholt und wieder als König eingesetzt. Um das Jahr 677 kam es bei Langres zu einer Schlacht zwischen den Austriern und dem neustrischen Heer Ebroins, das unentschieden endete. Daraufhin schloß man einen Frieden, der die Grenze zwischen den beiden Teilen des Franken-Reichs erneut festlegte. In den letzten Tagen des Jahres 679 wurde aber Dagobert II. ermordet, und Wulfoald stürzte. Man hat in Martin und Pippin dem Mittleren die Anstifter des Verbrechens sehen wollen; tatsächlich haben auch beide austrische duces die Macht ergriffen. Es steht aber ebenso fest, daß der Mörder namens Johannes zu Ebroin geflohen ist. Und ebendieser Ebroin versuchte nochmals, wie drei Jahre zuvor, das regnum Francorum zu vereinigen. Er verlangte von den Austrasiern die Anerkennung Theuderichs II., des einzigen noch lebenden MEROWINGER-Königs. Er konnte sie bei Laon besiegen, wobei Martin getötet wurde und Pippin entkam. Der siegreiche Ebroin wurde aber schon wenig später, im Jahr 680, in seiner Pfalz von Ermenfred, einem persönlichen Gegner, umgebracht. Diesmal wandte sich der Mörder wirklich an den Hof Pippins; die Beteiligung der PIPPINIDEN und einiger Neustrier an dem Anschlag war offenkundig.
 
 
 
 

 oo Leutrud
            
 
 
 
 

Kinder:

  Bovo („unicus filius“)
         
 
 
 
 

Literatur:
-----------
Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977 Seite 455,457,458,460,466 - Ewig Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988 Seite 153,156,160,164,166-172,181, 185,198,201 - Hartmann Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag 2003 Seite 24,30,77,79,82,134,140 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 253-263,288,298 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 41,46 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992 Seite 21-25,27,34 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, Seite 158,162,165,169,172,192,218,227,235 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995 Seite 356,362,366, 373 -