Angelsächsische Fürsten-Tochter oder angelsächsische
Sklavin
Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 1391
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Balthild (Balthildis, frz. Bathilde), merowingische Königin
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† 30.1.
nicht vor 680
Sie kam als Sklavin angelsächsischer Herkunft
im Dienst des Hausmeiers
Erchinoald (642-657/58) an den neustroburgundischen Hof,
wo Chlodwig
II. (639-657) sie um 648 zu seiner Gattin erhob.
Sie gebar dem König drei Söhne:
Chlothar
III. (657-673),
Theuderich
III.
(673-690/91) und Childerich
II. (661-675). Nach dem Tod ihres Gatten leitete
Balthild
die Regierung des neustroburgundischen
Teilreichs. Nach ihrem Sturz um 665, der zeitlich etwa mit dem Eintritt
Chlothars III.
ins Mündigkeitsalter
zusammenfiel, zog sie sich in das von ihr gegründete Frauenkloster
Chelles-sur-Marne zurück, wo sie starb. Hier wurde wahrscheinlich
ihre Vita verfaßt, in der
Balthild
als
tatkräftige Herrscherin und christliche Frau gefeiert wird.
Als Persönlichkeit überragte
Balthild ihren Gatten und die späteren
merowingischen
Herrscher; von ihren Söhnen scheint nur
Childerich
II. die Energie der Mutter geerbt zu haben. Nach dem Tod Erchinoalds,
der Chlodwig II. nicht lange überlebte,
wurde Ebroin
zum Hausmeier erhoben, der seine beherrschende
Stellung aber wohl erst durch den Sturz der Regentin erlangte. Von den
führenden Männern der Kirche scheinen die Erzbischöfe
Eligius von Noyon und Audoin von Rouen der Königin am nächsten
gestanden zu haben. Genesius, der "Abt" des königlichen Oratoriums,
erhielt durch Balthild das Bistum Lyon.
Von Beginn ihrer Regentschaft an verfolgte
Balthild eine zentralistische Politik, die Ebroin nach
ihrem Sturz fortführte. Obwohl mehrere Söhne und Erben vorhanden
waren, unterblieb die übliche Reichsteilung; die Regentschaft
wurde allein im Namen Chlothars III. geführt.
Im Zusammenhang mit den immer noch dunklen Vorgängen, die zum Sturz
des austrasischen
Hausmeiers Grimoald führten, konnte
Balthild ihrem jüngeren Sohn Childerich
II. 662 die Nachfolge im merowingischen
Ostreich
sichern. In Burgund kam es zu dieser Zeit zu Unruhen, die vielleicht durch
die zentralistische Politik der Regentin hervorgerufen wurden. Die
Regierung ließ den "praefectus" von Lyon und seinen Bruder,
den Metropoliten Aunemund, hinrichten. Aeddi Stephanus bemerkt dazu,
dass durch Balthild
als
neue Jezabel
insgesamt neun Bischöfe ihr Leben verloren. Diese Nachricht läßt
sich nicht kontrollieren, ist aber jedenfalls politisch zu interpretieren.
Denn antikirchliche Maßnahmen lagen der Regierung fern.
Als Freundin und Förderin des "irofränkischen"
Mönchtums von Luxeuil hat sich Balthild
dauernden Ruhm erworben. Sie hat nicht nur mit Nonnen aus Jouarre das Frauenkloster
Chelles (Diözese Paris), mit Mönchen aus Luxeuil die Männerabtei
Corbie (Diözese Amiens) gegründet, sondern auch den sanctus regularis
ordo, das heißt die Mischregel von Luxeuil, in den bedeutendsten
Basiliken des Frankenreichs eingeführt, von denen die Vita Balthildis
sechs nennt: St-Denis, St-German (Auxerre oder Paris), St-Medard(Soissons),
St-Martin (Tours), St-Augnan (Orleans), St-Pierre (Sens oder St-Gene-vieve,
Paris). Da mit der Einführung der Mischregel die Verleihung der kirchlichen
Freiheit (privilegium) durch den Bischof und der weltlichen Freiheit (emunitas)
duerch den König verbunden war, besaßen Balthilds
Maßnahmen auch eine eminente verfassungsgeschichtliche Bedeutung.
Auch an ihnen kann sich episkopaler Widerstand entzündet haben.
Die Tradition, dass ein in Chelles erhaltenes Linnentuch
das (Toten-)hemd der Königin
Balthild war, ist kürzlich auf Grund überzeugender
Indizien bestätigt worden. Die Bestickung ermöglichte die Rekonstruktion
eines Gewandschmucks, der der kaiserlichen Hoftracht entsprach oder angenähert
war.
Quellen:
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Vita s. Balthildis, MGH SRM II, 482-508 - Vita Wilfridi
ep. Eboracensis, MGH SRM VI, 193-262 - Vita s. Aunemundi ep. Lugdunensis,
AASS Sept. VII, 694-696 - Translatio an. 833, AASS Jasn. II, 747-749.
Literatur:
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La reine Bathildeet son temps (Exposition merov. Chelles
1961) - E. Ewig, Das Privileg des Bf.s Berthefrid v. Amiens für Corbie
von 664 und die Klosterpolitik der Kgn. B., Francia I, 1973, 62-114 - Ders.,
Stud. zur merow. Dynastie (GFMASt 8, 1973), 15-59 - R. Folz, Tradition
hagiographique et culte de S. Bathilde, reine des Francs (Acad. Inscr.
et Belles Lettres, Comptes rendus 1975), 369-384 - H.E.F.Vierck, La chemise
de S-Bathilde a Chelles et l'influence byz. sur l'art de cour merov. au
VII s. (Centenaire de l'abbe Cochet. Actes du colloque internat. d'archeologie,
Rouen 1978), 521-564.
Wahrscheinlich kam die kleine Angelsächsin
schon als Kind in Kriegsgefangenschaft, vielleicht wurde sie auch von Seeräubern
entführt; jedenfalls kaufte sie der fränkische Majordomus
Erchinald um billiges Geld und machte sie zu seiner Mundschenkin
in Paris. Balthilde verstand es, den
Werbungen Erchinalds auszuweichen. Als aber der kaum dem Knabenalter
entwachsene MEROWINGER
Chlodwig II. den fränkisch-merowingischen
Königsthron bestieg, ließ sie sich überreden, seine Gemahlin
zu werden. Nun begann das Martyrium einer glücklicherweise nur kurzen
Ehe. Chlodwig starb bereits mit 23
Jahren in geistiger Umnachtung, der Folge zügelloser Ausschweifungen.
Sein Tod brachte der jungen Königin die entscheidende Lebenswende,
sie wandte sich ganz den sozialen Aufgaben zu. Als regierende Königin
erließ sie Gesetze, um das schreckliche Los der Sklaven zu lindern
und den brutalen Verkauf der Kriegsgefangenen zu unterbinden, der althergebrachte
Stammessitte war. Scharen von gefangenen oder verschleppten Römern,
Galliern, Sachsen und Mauren wurden von ihr befreit, in den Klöstern
erzogen oder als human behandelte Helfer auf ihre Güter verteilt.
Ihr Bild aus jener Zeit ist in die Geschichtsschreibung übergegangen:
"Sie war von Herzen gütig, von züchtigem Betragen, klug, aber
nicht vorlaut, schön anzusehen mit freundlichen Mienen und würdevollem
Gang." Sie gründete die Abtei Corbie an der Somme, im Jahre 680
starb sie im Kloster Chelles bei Paris als einfache Nonne unter der
Äbtissin Bertilla. Noch hundert Jahre regierten die entarteten
MEROWINGER
als Schein-Könige;
eigentliche Herren waren die "Hausmeier", die Majordomus, deren Stellung
etwa der eines heutigen Minister-Präsidenten entsprach; einer von
ihnen, der Franke Pippin,
wurde zum König gekrönt - er war der Vater KARLS
DES GROSSEN.
Bathilde (Balthild)
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Gedenktag katholisch: 30. Januar
Name bedeutet: mutige Kämperin (althochdt.)
Königin, Nonne
* um 630 in England (?)
+ 30. Januar 680 oder 681 in Chelles
Bathilde wurde als kleines Mädchen von den Wikingern aus ihrer Heimat verschleppt und 641 als Sklavin an den Hof des Königs von Neustrien verkauft. Hoch geschätzt ob ihrer Klugheit, wurde König Chlodwig II., der sie bei einem Besuch kennengelernt hatte, auf sie aufmerksam und heiratete sie 649. Ihr Aufstieg machte sie nicht hochmütig, sie war Armen fürsorglich zugetan. Nach dem Tod ihres Mannes 656 wurde Bathilde Regentin für den fünfjährigen Thronfolger; sie schaffte den Sklavenhandel ab, bekämpfte die Simonie, stiftete Krankenhäuser und gründete Klöster, darunter Corbie für Mönche und Chelles bei Paris für Nonnen. Um 675 wurde sie nach einer Intrige des Adels verbannt und zog sich nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch ihre erwachsenen Söhne ins Kloster Chelles zurück, wo sie noch 15 Jahre lang dienend und mit harter Arbeit wie alle Nonnen lebte.
Kanonisation: Bathilde wurde durch Papst Nikolas I. kanonisiert.
Catholic Encyclopedia
CHLODWIG II.
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* 634, † 11.IX./16.XI.657
König in PARIS
oo um 650
BALTHILD
†
657/um 665 REGENTIN, stiftet abbaye de Chelles
CHLODWIG II.
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* 634, † 657
639 König von Neustrien-Burgund
oo BATHILDE
† 680
Bathilde stiftete
das Kloster Corbie und war eine bedeutende Regentin, sozial sehr engagiert
und wurde 667 vom Hausmeier Ebroin abgesetzt und ins Kloster Chelles
gesteckt.
Balthild: Sklavin - Königin - Heilige
Die nächste Königin, die ihr Leben im
Kloster beschloss und nach ihrem Tod als Heilige verehrt wurde, war die
Angelsächsin
Balthild; als Sklavin
ins Franken-Reich verkauft und
schließlich (seit 651) Gemahlin Chlodwigs
II. hatte sie nach dessen Tod 657 sogar für acht Jahre
die Regentschaft für den noch unmündigen Thronfolger
Chlothar
III. (657-673) inne, bevor
sie vom Hausmeier Ebroin entmachtet wurde (siehe unte Seite 77ff.)
- ihr Eintritt ins Kloster Chelles bei Paris geschah also nicht freiwillig,
doch weiß die Vita von ihrem demütigen Leben im Kloster und
ihren wohltätigen Werken zu berichten. Der Autor schildert
Balthild,
die 680/81 in Chelles starb, zunächst als kluge Jungfrau und
dann als gute Königin heiligen Angedenkens.
Als Chlodwig um 650
das Mündigkeitsalter erreichte, führte der neustrische Hausmeier
Erchinoald, ein Verwandter von Dagoberts
Mutter, ihm eine angelsächsische Sklavin aus seinem
Gefolge namens Balthild zu, möglicherweise
um so das Königspaar zu "beherrschen", doch wurde Balthild
schnell
zu einer einflussreichen Königin und zur Rivalin Erchinoalds.
Nach einer anderen Version, die in der Vita Balthilds zu lesen ist, soll
Erchinoald
nach dem Tod seiner Frau Leutsinda
(siehe
auch unten Seite 124) selbst Balthild
zur Frau begehrt haben, doch diese habe den König vorgezogen.
Balthild gebar Chlodwig
in den Jahren 650 bis 655 drei Söhne: Chlothar,
Theuderich
und Childerich, ungefähr in demselben
Zeitraum, in dem Chimnechilde,
die Gemahlin von Chlodwigs Halbbruder
Sigibert
III. (639-656/57), doch noch die Kinder Bilichild
und (den dann nach Irland verbannten) Dagobert
gebar (siehe oben Seite 75).
Die Regentschaft von Balthild und Ebroin für Chlothar III.
Die neustroburgundischen Großen entschieden sich
gegen eine Realteilung des Reiches unter die drei kleinen Söhne Chlodwigs,
und so wurde der älteste, ungefähr sechsjährige Chlothar
III. (657-673) König unter Regentschaft seiner
Mutter Balthild und des 657 eingesetzten
Hausmeiers
Ebroin - ein Mann, der nach Aussage der Quellen nicht aus den höchsten
Kreisen stammte. In den Jahren 660 bis 663 kam es zu einem Aufstand der
burgundischen Opposition, dessen Hintergründe unklar sind; jedenfalls
endete er mit der Hinrichtung oder Ermordung der Anführer. In den
Quellen ist die Tatsache, dass auch der Bischof Anemund von Lyon
zu den Ermordeten gehörte, Balthild
angelastet worden, doch war hierfür wie auch für andere Bischofsmorde
dieser Jahre vermutlich eher Ebroin der Hauptverantwortliche. In
denselben Zeitraum fällt ja auch die Hinrichtung des austrasischen
Hausmeiers Grimoald.
Als Erfolg für die Neustrier ist die 662 nach dem
Tod Childebertus
adoptivus erfolgte Einsetzung des jüngsten Chlodwig-Sohnes
Childerich
als König in Auster anzusehen (siehe unten).
Als Chlothar III. 664/65
mündig wurde, zog sich die Königin Balthild
ins Kloster Chelles zurück, allerdings wohl nicht ganz freiwillig,
in Chelles lebte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 680/81 und wurde zur
Förderin und Wohltäterin zahlreicher Abteien.
648
oo Chlodwig II. Franken-König von Neustrien
634 †
Herbst
657
Kinder:
Chlothar III.
654 † 673
ermordet
Childerich II.
†
675
ermordet
Theuderich III.
†
691
Literatur:
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Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten
Brigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft
750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 270 - Dahn,
Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth 1997, Seite
454,457 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck
München 1994, Seite 254,279,288 - Ewig, Eugen: Die Merowinger
und das Frankenreich, Seite 79,149,152-154,156-160,167,175,180,189,199,201,205
- GROSSE FRAUEN DER WELTGESCHICHTE. Tausend Biographien in Wort
und Bild. Neuer Kaiser Verlag 1987 - Hartmann Martina: Aufbruch
ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag 2003 Seite 23,30,77-80,96,
124,134,145-147,183,185,190 - Nack Emil: Germanien. Ländern
und Völker der Germanen. Gondrom Verlag GmbH & Co. KG, Bindlach
1977, Seite 255 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum
Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover
2001 Seite 250,252,253, 254-259,261,274,278,279,286,288,291,823 - Riche
Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch
Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 40f. - Schieffer,
Rudolff: Die Karolinger. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln
1992, Seite 21 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung
im Frühmittelalter, Seite 154,155,164,165,181,247 - Schwennicke
Detlev: Europäische Stammtafeln Neue Folge Band I. 1, Vittorio Klostermann
GmbH Frankfurt am Main 1998 Tafel 2 - Thiele, Andreas: Erzählende
genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband
1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 3 - Werner, Karl
Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher
Taschenbuch Verlag München 1995, Seite 355,375 -